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Junge Siedlerfamilie in einer von über 120 Siedlungen inmitten des besetzten palästinensischen Westjordanlandes

Zunächst wünschen wir unseren LeserInnen, UnterstützerInnen und Förderern ein besseres Neues Jahr 2017!

(Für ganz Eilige: Am Ende dieses Artikels finden Sie einen Video-Link zu einem der wichtigsten Filme, The Iron Wall, über den Siedlungsbau.)

Das Ende des Jahres 2016 wurde markiert durch zwei politisch bedeutende Ereignisse: Die Resolution des UN-Sicherheitsrates zum sofortigen Stopp der israelischen Siedlungen und die Rede des scheidenden US-Außenministers John Kerry. Es lohnt, sich diese Rede in voller Länge anzuhören; mit so deutlichen Worten hat noch keine US-Administration die reale Situation der Siedlungs- und Besatzungsrealität benannt.

Doch was hat es genau mit den Siedlungen auf sich? Die Israelis beanspruchen ein Recht auf ihr „angestammtes biblisches Land Judäa und Samaria“ (Zitat Netanjahu), während die UNO, die IV. Genfer Konvention und sogar ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom „völkerrechtswidrigen Siedlungsprojekt“ spricht.

Wir haben Ihnen hier einige Zahlen, Fakten und Landkarten zusammen getragen und die Geschichte des Siedlungsbaus kurz skizziert. Unsere Quellen sind Daten der UN-Organisation OCHA oPt (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs in the Occupied Palestinian Territories), der israelischen Menschenrechtsorganisation B’tselem, der Palästinensischen Akademischen Gesellschaft PASSIA, des israelischen Statistikamt CBS und andere.


Kurze Geschichte jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet

Infolge des sogenannten 6-Tage-Krieges im Juni 1967 wurde das zuvor von Jordanien kontrollierte Westjordanland von Israel besetzt. Seither hat jede israelische Regierung eine expansive Besiedlungspolitik dieses besetzten Gebietes verfolgt. Ende ’67 entstand die erste (religiöse) Siedlung Kfar Etzion bei Bethlehem, ein Jahr später waren es bereits 30 Siedlungen mit etwa 5.000 Bewohnern. Heute sind es geschätzte 600.000 Siedler, davon 385.900 in der Westbank und 203.000 in Ost-Jerusalem. 2015 bedeutete dies ein Bevölkerungswachstum von 4,6% (im Vergleich: die Bevölkerung auf israelischem Staatsgebiet wuchs um knapp 2%), so dass man eindeutig nicht von natürlichem Wachstum, sondern von beabsichtiger Siedlungspolitik sprechen kann, die die Schaffung unverrückbarer Tatsachen – „facts on the ground“ – zum Ziel hat. Die Folge ist eine wachsende Kontrolle über das palästinensische Gebiet und eine immer extensivere Enteignung und Zurückdrängung der palästinenischen Bevölkerung.
Diese Karte von B’tselem zeigt sehr deutlich, warum Kerry die Zersiedelung der Westbank als „löchrig wie ein Schweizer Käse“ bezeichnete. Oft wird auch von ‚Bantustans‘ gesprochen, also von Populationsinseln in Anlehnung an die Südafrikanische Apartheidpolitik. Die hier gezeigte Phantasiekarte von Strange Maps, 2013 auf ZeitOnline veröffentlicht, macht dies  – wenn auch zynisch – noch deutlicher, indem sie in einer Landkarte des Westjordanlands die den Palästinensern noch verbliebenen Gebiete als Inseln darstellt:

Strange_maps_PAL_Island_Paradise.png

Doch zurück zur Realität: Die Siedlungen basieren privatrechtlich vielfach auf entschädigungsloser Enteignung und nach Völkerrecht auf Landraub am Gebiet der besetzten Bevölkerung und brechen damit Internationales Recht, u.a. Art. 49(6) der IV. Genfer Konvention, in der festgelegt wurde, dass eine Besatzungsmacht ihre eigene Zivilbevölkerung nicht in besetztes Gebiet umsiedeln darf. Der israelische Siedlungsbau wurde trotz zahlreicher Resolutionen des UN Sicherheitsrats, die Israel zur Aufgabe der illegalen Siedlungen aufforderten, zu jeder Zeit fortgesetzt (UNSR-Resolution 465 u.a.). Mit dem Oslo-Abkommen zwischen Rabin und Arafat von 1993 stimmten die Palästinenser zu, alle schwierigen Themen des Konflikts – Grenzen, Wasser, Flüchtlinge, Jerusalem und Siedlungen – auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Im Gegenzug versprach ihnen Israel den schrittweisen Abzug  aus den besetzten Gebieten im Westjordanland und die Zusicherung territorialer Integrität. Das Oslo-Abkommen enthielt aber gleichzeitig zahlreiche Schutzregelungen für die Siedler wie etwa den Ausschluss vom palästinensischen Rechtssystem, flächendeckende Nutzungseinschränkungen für Palästinenser auf ihrem Land in der Nähe von Siedlungen, israelische Kontrolle über Landerfassung, Zufahrten, Zoneneinteilung und Sicherheit.

Zu den unter dem Schutz des israelischen Militärs stetig wachsenden Siedlungen zählen neben Wohneinheiten auch die gesamte Infrastruktur, also Straßen, landwirtschaftliche Anbaugebiete, Energie und Wasser sowie die Ausbeutung natürlicher Resourcen; ebenso die Mauer, die zu 85% nicht auf der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien von 1949 (Grüne Linie) verläuft, sondern jenseits davon, im Westjordanland. Damit werden nach Fertigstellung auch etwa 10% fruchtbaren palästinenischen Bodens der Mauer und ihrer ‚Pufferzone‘ zum Opfer gefallen sein.


Enteignung in Zahlen

Vor der israelischen Staatsgründung 1948 besaßen Palästinenser etwa 87% des damaligen britischen Mandatsgebiets Palästina (heutiges Israel, Gaza* und Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem*), Juden knapp 7%. Die restlichen 6% waren von der Britischen Mandatsmacht als ‚Staatsland‘ ausgewiesen. Nach dem UN-Teilungsplan von 1947 wurden 56% des Landes den 600.000 Juden zugeteilt, 43% verblieben den etwa 1,2 Millionen Palästinensern. Heute setzt sich die gesamte Population von ca. 12 Millionen Menschen  in Israel, Gaza und Westjordanland etwa je zur Hälfte aus Juden und aus Palästinensern zusammen. Dabei nutzen die jüdischen Israelis 85% des gesamten Landes, die Palästinenser 15%. In der Westbank sind 42% des Landes für Siedlungen ausgewiesen; darin existieren bereits ca. 250 Siedlungen mit geschätzten 600.000 jüdischen Siedlern.

* Gaza und Ost-Jerusalem wurden 1967 ebenfalls besetzt, werden aber von Israel gesondert behandelt: Gaza wurde nach dem Abzug der Siedlungen 2004 von Israel und Ägypten praktisch hermetisch abgeriegelt; Ost-Jerusalem wurde nach israelischer Rechtsauffassung annektiert, die dort ansässigen Palästinenser haben jedoch einen Sonderstatus und sind anderen Gesetzen unterworfen als israelische Staatsbürger.  Mehr dazu in einer unserer nächsten Ausgaben vom ‚BIB TdW‘.

Settlers_Growth_PASSIA.jpg

Viele Siedler sind nicht hauptsächlich ideologisch nationalistisch-religiös motiviert, sondern genießen einfach nur die vielen Vorteile, die ihnen durch die israelische Regierung gewährt werden, wie Steuervergünstigungen, moderne Wohnungen, moderne Infrastruktur mit Straßen, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und enorme Sicherheitstechnik. Etliche Bewohner der großen, modernen Siedlungen haben gar kein Bewußtsein darüber, dass sie auf besetztem Gebiet leben, da ihr Alltag sie praktisch nie mit dieser Realität konfrontiert. Anders die Siedlungen, die von religiösen Fundamentalisten gegründet (‚Outposts‘) oder „übernommen“ werden. Als ‚Outposts‘ (Außenposten) bezeichnet man kleine, oft zunächst aus Wohnwagen oder Containern bestehende Ansiedlungen, die oft sprichwörtlich über Nacht entstehen. Nach israelischem Recht sind sie illegal; bisher musste aber nur ein einziger solcher ‚Outpost‘ wieder abgebaut werden. Die anderen werden nachträglich legalisiert, wenn sie nicht von vorneherein offiziell als Wohnungsbauprogramm von Israel geplant wurden. In der Jerusalemer Altstadt, in Teilen Ost-Jerusalems, in Hebron und anderen Stadtgebieten, in denen Palästinenser oft seit Generationen leben, kommen national-religiöse Siedlerfamilien oft unter Militärschutz zu den bewohnten Häusern, werfen die Bewohner mit Gewalt hinaus und besetzen einzelne Wohnungen oder Häuser, in denen eben noch Mütter kochten, Kinder spielten, Familien zusammen saßen.

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Über dem Suk von Hebron haben national-religiöse jüdische Siedler Wohnungen von Palästinensern bezogen. Sie werfen Unrat aus den Fenstern, wovor sich die Marktleute mit einem Eisengitter zu schützen versuchen.

 


Zusammenfassung

Das Siedlungsprojekt umfasst also weit mehr als nur Wohnungen und Häuser, die von jüdischen Israelis bewohnt werden. Die kleinste Form einer Siedlung kann eine einzelne Wohnung inmitten eines palästinensischen Wohnviertels sein, deren angestammten Bewohner vertrieben wurden. Man erkennt sie oft von außen an israelischen Flaggen und viel Sicherheitstechnik wie Kameras,  Stacheldraht und häufig patrouillierenden Soldaten. Manche Palästinenser verkaufen auch ihre Wohnungen oder Häuser für sehr viel Geld an Juden aus aller Welt, was ihnen die Feindschaft ihrer Landsleute und die Verachtung ihrer Käufer beschert, so geschehen am Haupteingang zum muslimischen Viertel in der Jerusalemer Altstadt, wo sich der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Sharon eine Wohnung besorgte.

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Ariel Sharons Wohnung mit jüdischen und israelischen Symbolen geschmückt; hier im muslimischen Viertel der Altstadt Jerusalems passieren täglich Tausende Muslime das Damaskustor auf dem Weg zur Al-Aqsa-Moschee und zum Felsendom

Von einzelnen Wohnungen und Häusern, kleinen umzäunten Wohnwagencamps wie Amona bis hin zu großen Städten wie Ariel mit über 50.000 Einwohnern, mit Einkaufszentren, Schulen, Kinos, Theatern, Behörden, Zufahrtsstraßen, landwirtschaftlichen Nutzgebieten, Wasserversorgung und mit hohem militärischen und privat organisierten Sicherheitseinrichtungen, basierend auf privat oder militärisch organisierten Enteignungen, kontrolliert Israel nunmehr über 40% des Westjordanlandes.

Dass das israelische Siedlungsprojekt heute also eines der größten Hindernisse für eine Zwei-Staaten-Lösung darstellt oder für eine sonstige Lösung zu einem gerechten, selbstbestimmten Leben für Palästinenser und Israelis, steht außer Zweifel.


Zusätzliches Material zum Thema

Einen tieferen Einblick in das Thema finden Sie HIER in einem persönlichen Bericht von Ekkehart Drost. In der Süddeutschen Zeitung erschien im Februar 2016 dieser Artikel von Peter Münch. Hier stellt Münch am 30.12.16 israelische Pressereaktionen zum Jahresende zusammen. Auch lesenswert: ‚Land hinter Mauern‘ in der Badischen Zeitung.

Schließlich möchten wir Ihnen hier einen der wichtigsten und aufschlussreichsten Filme über den Siedlungsbau der letzten Jahre präsentieren: THE IRON WALL von Mohammed Alatar.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=UFBamQ2aONA&w=560&h=315]

 

13 Kommentare

  1. Liebe BIB-Gruppe, ganz herzlichen Dank für diese außerordentlich gute und übersichtliche Recherche über die Siedlungen. Diese kurzen Darstellungen mit den Links auf weitere Informationen eignen sich besonders gut zum Weiterleiten an meine große Gruppe von Interessierten Rund um den Bodensee. Die verschiedenen Themen in der Serie sind ebenfalls sehr anschaulich beschrieben und auch für Neueinsteiger geeignet.

    Danke !

    Herzliche Grüße Salam Renate Khurdok

    Von meinem iPad gesendet

    >

  2. Ich finde es gut, dass das BIB sich dieses völkerrechtswidrigen Themas annimmt. Deshalb bin ich auch Fördermitglied dieser Initiative. Bezeichnend für mich ist, dass die israelische Regierung sich sehr wohl ihres illegalen Tuns bewusst ist. Je mehr man jedoch Israel auf die Völkerrechtswidrigkeit des Siedlungsbaus aufmerksam macht, umso aggressiver reagieren Regierungsstellen. Da ihnen jedwede Argumentationsfähigkeit fehlt, sich mit berechtigten Kritiken auseinanderzusetzen, wird in alter Manier die Antisemitismuskeule geschwungen, mit der jeder Ansatz einer nur möglichen Kritik im Keime erstickt wird.

    Tel Aviv versteht es meisterhaft, seine Täterrolle in eine Opferrolle zu verwandeln und in dieser Gemengelage den Vorwurf des Antisemitismus als politische Waffe zu benutzen und Rundumschläge zu verteilen. Beschämend aber nur, dass die Berliner Regierung in ihrer falschen Interpretation einer völlig unangebrachten Staatsraison gegenüber Israel kein verdammenswertes Tun erkennt, geschweige denn es auch entsprechend scharf verurteilt. Mit diesem Verhalten macht sich die BRD zum stillschweigenden und skandalösen Komplizen einer palästinenserfeindlichen Polik Tel Avivs.

    Sich immer wachsweich dahinter zu verschanzen, man überlasse die Situation im Nahen Osten politischen Verhandlungen zwischen Israel und Palästina, um eine längst obsolete 2-Staaten-Lösung herbeizuführen, ist wahrlich kein Ansatz, den Israelis die Grenzen aufzuzeigen.

    Ich kann nur sagen: Weiter so, liebes BIB.

  3. Sowohl die UN Resolution wie auch Kerrys Rede habe ich live auf AlJazeera gesehen. Der UN Botschafter Israels agierte aggressiv, hielt eine Bibel hoch und machte bezugnehmend darauf deutlich, dass niemand das Recht habe, das seit dreitausend Jahren angestammte Recht der Juden auf ihr Land zu verbieten. Mit diesen religiösen Fanatikern ist keine Diskussion möglich. Das wurde sehr deutlich.

    Die UN Resolution und Kerrys Rede waren sehr eindrucksvoll, aber leider mindestens vier Jahre zu spät, und nach der größten Militärhilfe Amerikas für Israel pure Symbolik.
    Hätte Obama diesen Abschieds Paukenschlag auch gegenüber einer Wahlsiegerin Clinton gewagt, die bezüglich Israel keine andere Position als Trump hat? Ich bezweifle dies!
    Trump will Jerusalem erobern, sein Kreuzzug und der rechtsextremen Netanjahu Regierung helfen, ein GrossIsrael zu errichten.
    Die einzigen Lichtblicke sind die BDS Kampagne, die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu und dass die Hoffnung immer zuletzt stirbt.
    Die Phrasen Steinmeiers und das Nichtstun der EU sind genauso wie Obamas Abschiedsrhetorik reine Symbolpolitik.

  4. An den BIB-Vorstand

    Was mir an Ihrer Berichterstattung gefällt, ist die wahrscheinlich sehr sorgfältige Zusammenstellung der Fakten, die ich im übrigen (soweit das aus der Sicht eines Reisenden möglich ist) bestätigen kann, da ich mit Reuven Moskovitz 2 Wochen Israel und die Westbank bereist habe (besonders Ost-Jerusalem, Beduinen, Flüchtlingslager AIDA und Hebron) und dabei auch Gespräche mit betroffenen palästinensischen Familien und Vertretern von NGOs führen konnte. Gut finde ich auch die Zusammenstellung der international gültigen gesetzlichen Grundlagen, gegen die Israel seit Jahrzehnten verstößt.

    Allerdings frage ich Sie, in welcher Verbindung Ihre Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage und Situation in der Westbank zu Ihrem selbst gesetzten Bündnisziel steht, die Besatzung zu beenden. Ich sehe keinen zielführenden Zusammenhang.

    Ich bin seit einigen Monaten Fördermitglied des BIB, nachdem es keine Möglichkeit gab, ordentliches Mitglied zu werden. Mein Interesse gilt fokussiert der Zielerreichung. Deshalb frage ich Sie, jedes einzelne Mitglied im BIB-Vorstand, welche Aktionen, vom BIB initiiert, laufen derzeit konkret, um die Besatzung des Westjordanlandes zu beenden? Wie gewinnen Sie deutsche Politiker und die deutsche Öffentlichkeit für Ihre Sichtweise? Oder haben Sie bereits einen anderen Weg gefunden und eingeschlagen, um zu Ihrem Ziel zu gelangen?

    Es macht mich traurig und wütend, wenn ich sehen muss, wie propalästinensische Interessenvertreter immer nur die derzeitige Nah-Ost-Situation beschreiben, ohne auch nur im mindesten einzelne Persönlichkeiten (Gauck, Merkel, Kofler, Bedford-Strohm usw.) oder eine ganze politische Partei mit deren heuchlerischen und verlogenen Meinung zur Politik Israels zu konfrontieren. Solange unsere Regierung mit der israelischen Regierung gemeinsame Kabinettsitzungen praktiziert und die Gemeinsamkeit der demokratischen und rechtsstaatlichen Werte beschwört, sollte sich das BIB massiv aufgerufen fühlen, gravierende Schritte dagegen zu unternehmen.

    Wenn das bereits der Fall ist, würde ich gerne informiert sein. Wenn nicht, hätte ich sicher ein paar Vorschläge. Wenn sich das BIB allerdings nur als elitärer Club versteht, der nur dazu da ist, die brutale Wirklichkeit des Nah-Ost-Konflikts intellektuell aufzuarbeiten, habe ich kein Interesse, meine Fördermitgliedschaft weiterhin aufrecht zu erhalten.

    Freundliche Grüße,
    Dr. Torsten Kemme

    1. Lieber Herr Dr. Kemme,

      vielen Dank für Ihren Kommentar zum BIB-Thema 4 Siedlungsbau.

      Wie Sie wissen, ist BIB ein Verein im Aufbau. Erst vor wenigen Wochen
      erhielten wir vom Amtsgericht die Eintragung in das Vereinsregister und
      vom Finanzamt die Bescheinigung der Gemeinnützigkeit.

      Wie ich Ihnen bei unserem Treffen am 21. Oktober in Schaffhausen
      erklärte, konnten wir erst nach einigen klärenden Vorgesprächen BIB
      gründen. Es musste zunächst eine Grundsatzerklärung erarbeitet und
      beschlossen werden. Wir sind froh, dass wir in Nirit Sommerfeld eine
      sehr kompetente und engagierte Geschäftsführerin gefunden haben, die
      voller kreativer Ideen ist.

      Da sich ihre Arbeit nicht mit links erledigen lässt, haben wir sie als
      Teilzeitkraft angestellt. Um sie weiterhin als Teilzeitkraft
      längerfristig anstellen zu können, brauchen wir breite Unterstützung.
      Das tun Sie durch Ihren Förderbeitrag. Um uns breiter aufzustellen,
      haben wir das BIB-Thema der Woche begonnen. Darin soll sich unsere
      Arbeit nciht erschöpfen. Unser Ziel ist es, uns direkt an die Medien und
      vor allem an die Politik zu wenden. Sie haben völlig Recht, dass dafür
      ein kleiner Honoratiorenclub nicht ausreicht.

      Immerhin ist es schon einigen BIB- Mitgliedern gelungen, in die
      Nahostabteilung des Auswärtigen Amtes eingeladen zu werden. Auch bis in
      das Bundeskanzleramt sind einige schon „vorgedrungen“. Wir wollen diese
      Kontakte ausbauen und vertiefen. Natürlich sind uns dafür auch bekannte
      und angesehene Namen hilfreich.

      Der Vorstand zweifelt, ob es in der von Ihnen vorgeschlagenen Weise
      zielführend ist, die Bundesregierung mit unseren Forderungen öffentlich
      zu konfrontieren. Viele Gruppen im Koordinationskreis Palästina Israel
      (KoPI) konfrontieren das Auswärtige Amt, die Bundesregierung und
      Politiker direkt mit Forderungen, die völlig berechtigt sind. Wir
      schreiben Briefe und suchen das direkte Gespräch. Das ist nach außen
      weniger spektakulär, aber wir hoffen, gerade auf diesem Wege Schritt für
      Schritt eine Änderung der deutschen Israel/Palästina-Politik zu
      erreichen. Die jüngste UN-Resolution sowie die Rede von Außenminister
      Kerry sind dafür hilfreich, und wir versuchen dieses Momentum zu nutzen.
      Anfang Februar werde ich an einem Gespräch in der Nahostabteilung des
      Auswärtigen Amtes teilnehmen. Wir wissen, dass man dort kein besonderes
      Informationsdefizit hat, sondern Politiker aus Angst vor
      Antisemitismusvorwurf sich nicht trauen, öffentlich Kritik an Israels
      Politik zu äußern. (Es ist dann nochmals ein weiterer Schritt von der
      verbalen Kritik zu konkreten Handlungsschritten).

      Es ist uns bei BIB sehr wohl bewusst, dass in den besetzten Gebieten
      „die Hütte brennt“, dass Israel die Daumenschrauben immer mehr anzieht,
      um in seinem Sinne ein Ein-Staat-Konzept mit Brachialgewalt durchzusetzen.
      Wenn ich an die Situation vor Ort denke, raubt es mir den Schlaf und ich
      werde sehr ungeduldig mit unseren Politikern. Wir arbeiten mit aller
      Kraft für eine andere deutsche Israel/Palästina-Politik. Je breiter die
      Unterstützung für BIB wird, desto selbstbewusster können wir auftreten.

      Ich wünsche Ihnen ein gutes und erfolgreiches neues Jahr und hoffe,
      dass Sie weiterhin BIB die Treue halten.

      Beste Grüße
      Martin Breidert

      1. Erst heute komme ich dazu, auf den BIB-Blog vom Januar diesen Jahres zu schauen und finde darunter auch Ihren Eintrag.
        Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Sie, werter Herr Breidert, mit Ihrer Begründung völlig Recht haben. Unsere politische Führung, die Israel zur Staatsraison erklärt hat, ist für berechtigte Kritiken gegenüber Israel alles andere als ansprechbar und demzufolge auch nicht bereit, entsprechend zu reagieren.
        Vor etwa zwei Jahren hatte ich unserer Bundeskanzlerlin ein Video über die israelischen Sperranlagen und ein entsprechendes Schreiben geschickt. Eigentlich hätte ich mir ausrechnen können, dass dem Bundeskanzleramt auf dieses schändliche Bauwerk hin kein Kommentar einfällt. Bewußt hatte ich Frau Merkel auf das Trennende hingewiesen, das eine Mauer mit sich bringt – ob nun aus politischen oder anderen Gründen. Hat doch Frau Merkel selber hinter einer Mauer gelebt. Dass der Jahrestag der Maueröffnung vor einigen Jahren höchst offiziell und mit viel Popanz gefeiert wurde, hätte Frau Merkel eigentlich auf ein anderes Unrecht gleicher Dimension hinweisen müssen. Gleichwohl ohne Reaktion.
        Fazit: Eine Antwort ist seitens des Bundeskanzleramtes nie erfolgt. Also gebe ich Ihnen in Ihrer Vermutung Recht.
        Bewegen kann das BIB – aber auch jedes Fördermitglied – indem die skandalösen Umstände im Westjordanland und im Gaza-Streifen öffentlich gemacht werden. Jedem Querschießen pro-israelischer Gruppierungen muss mit nicht zu leugnenden Fakten begegnet werden.

  5. https://www.ochaopt.org/documents/ocha_opt_the_closure_map_2011_12_21_qalqiliya.pdf
    Auf dieser Karte der UN-Organisation OCHA0pT ( Office of the Humanitarian Affairs of the occupied territories) kann man exemplarisch den Landraub durch den israelischen Siedlungsbau erkennen. Alle Siedlungen sind lila markiert, man erkennt, dass sie alle auf palästinensischem Land liegen. Die Grüne Linie links ist die „Waffenstillstandslinie von 1949“ als international anerkannte (aber nicht von Israel!) Grenze zwischen dem israelischen Kernland und den palästinensischen Gebieten. Diese Grüne Linie hat eine Länge von 320km. Tatsächlich ist die Länge der Sperrmauer (in rot) aber 708km und wird durch den fortgesetzten Siedlungsbau natürlich immer länger. Den Bauern aus Jayyous (D9) wurden auf diese Weise 70% der landwirtschaftlichen Fläche weggenommen. Sie können ihr Land nur mit einem Permit durch bewachte landwirtschaftliche Tore zu festgelegten Zeiten erreichen. Die in schwarz markierte Linie ist der sogenannte „Quedumim-Finger“, eine neue geplante Sperranlage, die bis zu 16km in palästinensisches Land einschneidet. Dies ist (noch) ein Projekt, aber man kann wohl davon ausgehen, dass angesichts der veränderten politischen Lage dieses Projekt realisiert wird.

  6. Der israelische Wirtschaftswissenschaftler aus Heidelberg, Shir Hever, Mitbegründer des Alternative Information Center, hat ein Interview mit Gideon Levy über die Siedlungen geführt, das Ellen Rohlfs übersetzt hat: http://imemc.org/article/video-israeli-journalist-gideon-Levy-the
    Sehr gut ist die Website des AIC: http://www.alternativenews.org/
    ebenso https://al-shabaka.org/en/ auf der man u.a. Kommentare von Dr. Alaa Artir (z.Zt. Genf) lesen kann.

  7. Gestern hat Gideon Levy einen Kommentar in Haaretz verfasst, in dem er auch auf die Verhaftung von Kindern in Kadum (Quedumim) eingegangen ist (s. „Quedumim-Finger“ im Nablus Bezirk)
    Unter der Überschrift „An Israeli army tactic: Intimidating Palestinian children in the night“ schrieb der wohl bekannteste israelische Kommentator, dass die Armee im Dorf Kadum in der Nacht in das neue Haus der Shtaiwi Familie (Mutter, Vater und 5 Kinder) eingedrungen ist und nach dem Sohn Tariq, 13 Jahre, 7. Klasse, gesucht hat. Die Eltern wurden aufgefordert, zu verschwinden. Vater Hiqmat bat den Offizier, er selbst möge den Jungen wecken, um ihn nicht im Angesicht eines maskierten Soldaten aus dem Schlaf zu reißen. Der Soldat habe eingewilligt, aber zusätzlich darauf bestanden, den 12jährigen Bruder ebenfalls zu befragen. Beiden wurde vorgeworfen, Steine geworfen zu haben, was sie bestritten. Nach einer Androhung, dass sie das nächste Mal bei einer Demonstration verhaftet oder erschossen würden, verließen die Soldaten zu Fuß das Dorf, feuerten aber noch in ihren und den Hof der Nachbarn „stun grenades“ (Knallbomben). http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.764648

  8. Liebe Nirit,

    da gibts nen Beitrag von der Petra Kelly Stiftung…vielleicht wär das auch was für euch ! ?

    Lieber Andreas Klauke,

    wir hoffen, Sie hatten ruhige und erholsame Feiertage und wünschen Ihnen ein frohes und friedliches neues Jahr 2017.

    Auch in diesem Jahr haben wir viele spannende und interessante Veranstaltungen im Programm; hier kommen die ersten.

    Für weiterführende Informationen klicken Sie bitte den jeweiligen Titel an.

  9. In der Haaretz vom 12.2.2017 steht unter der Überschrift „Explained: How Big an Obstacle Are Israeli Settlements to Peace?
    Trump recently said that advancing settlement construction is unhelpful for peace, but which settlements exactly he was referring to is open for interpretation.

    read more: http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.771263?utm_content=%2Fisrael-news%2F.premium-1.771263&utm_medium=email&utm_source=smartfocus&utm_campaign=newsletter-daily&utm_term=20170212-20%3A02

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