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Seit 1967 werden in den Besetzten Palästinensischen Gebieten jedes Jahr durchschnittlich etwa eintausend Häuser und Gebäude von israelischem Militär oder Zivilbehörden zerstört. Durch Hauszerstörungen erleiden Palästinenser Gewalt, Enteignung, Zerstörung ihres Eigentums, Obdachlosigkeit und Vertreibung, basierend auf der israelischen Besatzung, meist unter Verletzung ihrer Bürgerrechte und im Widerspruch zu in Rechtsstaaten üblichen Gepflogenheiten. Junge Israelis, die die Zerstörungen durchführen, leiden oft jahrelang unter ihren traumatischen Schulderlebnissen.

Die meisten Hauszerstörungen werden gerichtlich angeordnet, weil die Häuser der Palästinenser nach israelischer Rechtsauffassung „illegal“ sind: Sie wurden ohne Baugenehmigungen errichtet. Anders hätten sie aber gar nicht gebaut werden können, da Palästinenser grundsätzlich keine Baugenehmigungen erhalten.

Palästinenser leben großteils in traditionellen Familienverbänden unter einem Dach: Erwachsene Töchter gründen eine neue Familie im Haus ihres Ehemannes; erwachsene Söhne holen entsprechend ihre Ehefrauen ins elterliche Haus und brauchen dann ein eigenes Zimmer für sich und ihre Kinder. Dieses natürliche Wachstum hat immer schon den Neubau oder die Erweiterung des Elternhauses zur Folge gehabt. Doch Israel genehmigt solche Bauten nicht – während seit fast 50 Jahren israelische Gebäude zu Tausenden in über 200 Siedlungen aus dem Boden sprießen. Desweiteren genehmigt Israel auch nicht den Bau von dringend notwendigen Brunnen, Krankenstationen, sanitären Einrichtungen oder Solaranlagen, selbst wenn sie von ausländischen Regierungen oder der EU finanziert werden – ergo: Illegal. Da diese Bauten aber oft lebensnotwendig sind, bleibt den Menschen nichts anderes übrig als zu bauen und zu hoffen, dass die Abrissbirne oder der Bulldozer sie verschonen möge.

Sie finden auch, dass das eine schreiende Ungerechtigkeit ist? Bitte lesen Sie weiter und informieren Sie sich, damit Sie sich einmischen können in unsere Politik, die diese Zustände mit ermöglicht. ICAHD Deutschland ist hierfür ein hervorragender Ansprechpartner. Infos dazu ganz am Ende.

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Hauszerstörungen in Zahlen

Seit der Besetzung des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems im Jahre 1967 wurden insgesamt 48.488 palästinensische Gebäude zerstört. Alleine 2016 waren es 941 Gebäude, 1.442 Menschen wurden im Zuge dessen obdachlos und vertrieben. In der ersten Woche des neuen Jahres 2017 haben israelische Behörden über 70 Gebäude in der West Bank zerstört, machten dadurch 160 Palästinenser, darunter 91 Kinder, obdachlos und beeinträchtigten das Leben von über 250 Menschen (Quelle: OCHAoPt). Die beste Quelle für alle folgenden Daten ist die israelische Menschenrechtsorganisation ICAHD (Israeli Commitee Against House Demolitions), die mittlerweile auch in Deutschland vertreten ist (www.icahd.de) und deren Quellen wiederum das israelische Innenministerium, die Stadtverwaltung von Jerusalem, Behörden, Archive, UN-Organisationen und eigene Erfahrungen vor Ort sind. Genaue Zahlen und Daten gibt es naturgemäß nicht.

Die traurige Zerstörung palästinensischen Eigentums durch Israel beginnt bereits 1948 mit der restlosen Vernichtung von 531 palästinensischen Dörfern und Stadtteilen bis in die 1960er Jahre (Ilan Pappe). Dies geschah nicht im Eifer des Gefechts, sondern muss als systematische Maßnahme betrachtet werden, damit die geflohene Bevölkerung keinen Ort mehr hatte, zu dem sie zurückkehren konnte und sich somit die israelische Bevölkerung dort niederlassen konnte. 1967, wenige Tage nach dem Ende des „Sechs-Tage-Krieges“, walzten israelische Panzer inmitten der Altstadt von Jerusalem das gesamte Marrokkanische oder ‚Mughrabi‘-Viertel nieder, das seit dem 12. Jahrhundert dort existiert hatte und von christlichen und muslimischen Palästinensern bewohnt gewesen war. Das Militär gab ihnen zwei Stunden Zeit, um ihre Häuser zu räumen, zwang sie dann auf Lastwagen, brachte schließlich die etwa 800 Bewohner an den Stadtrand von Jerusalem und machte das Viertel dem Erdboden gleich, um freien Zugang zur Klagemauer zu schaffen und den großen Platz zu kreieren, der heute für große religiöse und nationale Feiern wie etwa die Vereidigung von Soldaten genutzt wird.

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Die ‚Klagemauer‘ etwa um 1910
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Der Platz vor der ‚Klagemauer‘ heute; im Vordergrund Ausgrabungen

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Feier am ‚Jerusalem-Tag‘ zur „Befreiung und Wiedervereinigung“ der Stadt

Hauszerstörungen finden mit unterschiedlicher Begründung statt: „Illegale Bautätigkeit“ gehört ebenso dazu wie Kollektivstrafe einer Familie oder eines ganzen Viertels für terroristische Akte (infolge der Ersten Intifada waren es etwa 2.000 Häuser), Konfiszierung für Nationalparks (die dann wiederum etwas später oft für Siedlungsbau freigegeben werden), Inanspruchnahme des Landes für militärische Zwecke oder im Zweifelsfall aus Sicherheitsgründen („for security reasons“). Unter dieser Begründung werden nicht nur Häuser, sondern auch Olivenhaine, Brunnen, Zufahrten etc. zerstört. Infolge militärischer Angriffe wurden in Gaza allein 2008/09 über 4.000 Häuser komplett zerstört und 15.000 unbewohnbar gemacht, wodurch Zehntausende obdachlos wurden. Nach der letzten großen Angriffswelle 2014 wurden in Gaza über 12.500 Wohneinheiten komplett und 6.500 nahezu zerstört; insgesamt gelten 19.000 Wohnungen als unbewohnbar.

Seit den 90er Jahren hat die Zahl der Hauszerstörungen innerhalb des israelischen Staatsgebietes zugenommen. Hier werden in der Negev-Wüste Beduinensiedlungen oder in arabischen Niederlassungen „nicht anerkannte Dörfer“ von israelischen Bulldozern abgerissen – entschädigungslos, versteht sich. Manche Hausbesitzer müssen sogar die Kosten für den Abriss selber tragen. Der Abbruchbefehl („demolition order“) wird oft nur in Form eines Zettels ans Haus geheftet; von diesem Augenblick an kann es mindestens 24 Stunden dauern, bis die Bulldozer kommen, manchmal aber auch Jahre. ICAHD ist ein Fall bekannt, bei dem die Bewohner über 25 Jahre in Erwartung des Abrisses leben – aber bisher nichts geschah.

Insgesamt lässt sich ganz klar feststellen, dass Hauszerstörungen am allerwenigsten mit Israels Sicherheit oder Selbstverteidigung zu tun haben, sondern dazu dienen, die Palästinenser zu drangsalieren, zu demütigen, zu enteignen und letztlich zur Aufgabe ihrer Heimat zu zwingen.


Weiterführende Links

Hier kann man sich bei VisualizingPalestine von der Größenordnung der Hauszerstörungen ein Bild machen. Dieser ICAHD-Link führt zu einer ausführlichen Analyse und Bewertung der Fakten. Unser Mitglied Ekkehart Drost hat bei seinen zahlreichen Reisen durch Palästina Menschen besucht, deren Häuser zerstört wurden, und hat deren Geschichten aufgeschrieben. Einen kurzen literarischen Beitrag der Schriftstellerin Linda Benedikt finden Sie hier.


Widerstand gegen Hauszerstörung

Viele Menschen wehren sich im Angesicht nahender Bulldozer und versuchen ihr Haus zu schützen, indem sie sich davor stellen. Die junge jüdisch-amerikanische Aktivistin Rachel Corrie wurde dabei von einem Bulldozer überrollt und getötet. Meist weichen die Verzweifelten der drohenden Gefahr oder werden von Soldaten gewaltsam weggeholt. Täglich spielen sich dramatische Szenen ab; bei der israelischen Organisation BREAKING THE SILENCE haben Soldaten Zeugnis darüber abgelegt, zu welch inhumanen Aktionen ihr Dienst sie gezwungen hat, wie in diesem Video ein ehemaliger Soldat berichtet:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=Z9jybkXE62s&w=560&h=315]

Doch was können wir tun? Wie können wir Einfluss nehmen auf unsere deutsche Politik, die der Israelischen bezüglich der Hauszerstörungen nichts entgegensetzt?

Lesen Sie hier bei ICAHD Deutschland, warum es wichtig ist, sich in unsere Politik einzumischen! Schreiben Sie auch uns an info@bib-jetzt.de, wenn Sie sich aktiv für eine deutsche Politik einsetzen möchten, die Israelis und Palästinenser gleichermaßen darin unterstützt, in Freiheit und Sicherheit gleichberechtigt zu leben! Danke.

4 Kommentare

  1. Liebe BIB, ich würde gern den Artikel über die Hauszerstörung mitsamt den Fotos auf unsere Website übernehmen. http://www.nahost-forum-bremen.de ist das möglich? Geht das in Ordnung auch wegen evtl. Urheberrechte für die Fotos? Schöne Grüße Sönke Hundt

    ++++++++++++++++++++++++++++++ Prod. Dr. Sönke Hundt Claudiusstr. 6 28201 Bremen ++++++++++++++++++++++++++++++

  2. Lieber Sönke, ich stimme Nirits Antwort zu – wir müssen diese Nachrichten verbreiten! Du kannst gern noch mehr Fotos von mir bekommen, ohne Copyright!
    Herzlich
    Ekki

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