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Szene aus ‚Ghost Hunting‘ von Raed Andoni (Foto: © Les Films de Zayna, Arte France, Dar Films, Akka Films)

Auf der Berlinale 2017 wurde erstmals der Glashütte Original Dokumentarfilmpreis vergeben. Die mit 50.000 € dotierte Auszeichnung ging an den palästinensischen Film „Istiyad Ashbah“ (Ghost Hunting). Regisseur Raed Andoni nahm die Anerkennung nicht nur für sich und sein künstlerisches Werk entgegen. „Dieser Preis geht auch an jeden einzelnen palästinensischen Gefangenen. Er geht an derzeit 7.000 Insassen in israelischen Gefängnissen, die die Erfahrung von Inhaftierung, Verhör, Erniedrigung, Demütigung, Gewalt und Folter gemacht haben“, sagte er sinngemäß bei einem Interview von RadioEins unmittelbar nach der Preisverleihung.

Für seinen Film suchte Raed Andoni in Ramallah ehemalige palästinensische Insassen des Moskobjya-Verhörzentrums in Jerusalem. Vor laufender Kamera ließ er seine Protagonisten Verhörräume und Zellen nachbauen, Verhörsituationen nachspielen, Details der Einrichtung diskutieren und über die Erniedrigungen sprechen, die sie während der Haft erlebt haben. Der Regisseur, der selbst zuweilen vor der Kamera agiert, schafft in „Ghost Hunting“ nicht nur eine Bühne für seine Protagonisten, er verarbeitet auch die eigenen bruchstückhaften Erinnerungen an seine Haft in Moskobiya vor über 30 Jahren.


Jeder fünfte Palästinenser war schon mal in Haft

Etwa jeder vierte Mensch in Palästina wurde schon einmal verhaftet und verhört – der Jüngste war gerade mal 5 Jahre alt – jeder fünfte Palästinenser in israelischen Militärgefängnissen inhaftiert. Jüngste Insassin bisher war ein 12-jähriges Mädchen, dem am Eingang zu einer illegalen Siedlung ein Messer abgenommen wurde – es wurde verurteilt und blieb viereinhalb Monate wegen „versuchten Mordes und Besitz eines Messers“ eingesperrt. Es durfte weder einen Anwalt noch seine Eltern sehen.

Die ‚Verdächtigen’ – also jeder Palästinenser – unterstehen der Militärgerichtsbarkeit, während für israelische Zivilisten das Zivilrecht gilt. Die Anklagen: Bei Kindern und Jugendlichen meist Steinewerfen, bei Erwachsenen die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, einer ‚verbotenen’ Organisation, im Zweifelsfall: Terrorismus. Dabei macht das israelische Militär bei ‚echten’ Terroristen meist kurzen Prozess durch gezielte Tötung.

Was bedeutet es aber, wenn seit 1967 ein Fünftel der gesamten palästinensischen Bevölkerung, also etwa 700.000 Menschen, diese traumatische Erfahrung machen musste? Was bedeutet es für die Zukunft dieser Menschen? Wie sollen, wie könnten sie es schaffen, ihre Zukunft in Würde und Gewaltfreiheit zu gestalten?


Nael Barghoutis Fall wird von den Gefangenen-Hilfsorganisationen Samidoun und Adameer betreut (Foto: Samidoun)

Gleiches Recht für alle?

Am 22. Februar 2017 wurde die Entlassung des politischen Häftlings Nael Barghouti wegen „geheimer Beweise“ vom israelischen Militärgericht Ofer auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Im Alter von 20 Jahren war Barghouti wegen Mordes und Mitgliedschaft des militanten Flügels der Fatah verurteilt worden und saß 34 Jahre hinter Gittern. 2011 wurde er im Rahmen des Gefangenenaustausches gegen den israelischen Soldaten Gilad Shalit entlassen, 2014 aber erneut inhaftiert und zu 30 Monaten verurteilt worden. Die Haft wurde gegen Ende auf unbestimmte Zeit verlängert, weil ein israelischer Militär-Staatsanwalt die Wiederauferlegung seiner lebenslänglichen Haft plus 18 Jahre fordert. Zum jetzigen Zeitpunkt hat Barghouti 36 Jahre in israelischen Gefängnissen verbracht.

Einen Tag zuvor verurteilte ein israelisches Militärgericht den israelischen Soldaten Elor Azaria zu 18 Monaten Haft; er hatte einen am Boden liegenden verletzten Palästinenser kaltblütig aus nächster Nähe erschossen. Ein beachtlicher Teil der israelischen Öffentlichkeit feierte Azaria für diesen Mord als Helden. Eine Supermarktkette produzierte Plastiktüten mit seinem lächelnden Konterfei zu Ehren seines Geburtstages.

Am 24. Februar 2017 schließlich verweigert das israelische Außenministerium einem Mitarbeiter der Organisation Human Rights Watch die Arbeitserlaubnis mit der Begründung, die Organisation sei „offenkundig israelfeindlich“, wie die ZEIT hier berichtet.



(Foto: BIB)

„Ich will nicht mehr schweigen“

… so betitelte unser Mit-Begründer Rupert Neudeck sein Buch, das er 2006 nach einer Reise mit Norbert Blüm nach Israel, Palästina und Gaza schrieb. Wollen auch Sie nicht mehr schweigen zu Menschenrechtsverletzungen in einem Staat, zu dem wir engste wirtschaftliche, kulturelle und nicht zuletzt historische Beziehungen haben? Dann werden Sie aktiv. Mit Ihrer Unterschrift, Ihrer Stimme, Ihren Gesprächen, Ihrer Förderung unserer BIB Arbeit. Und bitte schicken Sie diese Mail weiter oder diesen Link zu unserem wöchentlichen Blog an Freunde, Familie und Bekannte weiter. Danke.

Mit einer Unterschrift auf change.org können Sie gegen die erneute Haftverlängerung von Nael Barghouti protestieren.

2 Kommentare

  1. Aus meinen Reisen nach Palästina zwischen 2013 und 2016 kann ich diese Ausführungen aus eigener Anschauung, aus Gesprächen mit Verantwortlichen und z.T. aus Verfahren vor dem Militärgericht in Salem bei Jenin bestätigen (s. Fußnote): Nach jeder Freilassung wird das Kind von Anwälten und Psychologen von Defense for Children International – Palestine über die Bedingungen der Haft befragt. DCI-Direktor Abu Eqtaish: „Wir hatten den Fall eines Jungen, der uns erzählte, er sei vom israelischen Offizier viel besser behandelt worden als von seinem eigenen Vater. Auf unsere überraschten Nachfragen sagte er: ´Der Offizier kam immer und bot mir Zigaretten an. Wir unterhielten uns über Fußball, über das Leben im Dorf, über meine Wünsche für die Zukunft. Er war richtig nett.`“
    Diese Manipulation, um das Vertrauen des Kindes zu erschleichen, führt oftmals dazu, dass sich die Kinder selbst die Schuld geben. Schließlich wird ein „Geständnis“ aufgesetzt, das in Hebräisch abgefasst ist. „Was soll ich hier unterschreiben?“, fragte der Junge. Antwort: „Nur das, worüber wir uns die ganze Zeit unterhalten haben.“
    Vor dem Militärgericht liegt dem Richter dieses „Geständnis“ vor. Die Verhandlung dauert dann zumeist nur wenige Minuten, da der Richter „nach Augenschein“ urteilt. Falls der Junge überlegen sollte, sein „Geständnis“ zu widerrufen, wird der Anwalt ihm seine Situation vor Augen halten: „Dein Prozess wird dann ausgesetzt und du kommst wieder in Haft mit unbestimmter Dauer.“ Es kann daher nicht verwundern, dass die „Geständnisquote“ bei nahezu 100% liegt.
    Auch im Prozess gegen die 12jährige Dima (s.u. Peter Münch in SZ) lag ein „Geständnis“ vor, das zu einem Deal mit der Staatsanwaltschaft geführt hat. Sie wurde daraufhin vom zuständigen Militärgericht am 14. Februar zu viereinhalb Monaten Haft und einer Geldstrafe von 8000 Schekel (ca. 2000€) verurteilt. Ohne Geständnis und diesen Deal hätte sie im Gefängnis wohl bis zu einem Jahr lang auf ihren Prozess warten müssen, sagen Menschenrechtler. Nach Verbüßung von zweieinhalb Monaten der Strafe wurde sie am 24. April vorzeitig entlassen.
    Am 21. und 22. April 2013 habe ich selbst Prozessen gegen Kinder und Jugendliche in Salem bei Jenin beigewohnt. (Ekkehart Drost, HOFFEN auf das Wunder. Meine Gespräche mit Palästinensern, Israelis und Deutschen, S. 65 ff., Herne, 2013.) vgl. Peter Münch, http://www.sueddeutsche.de/politik/nahost-konflikt-das-gefaengnis-der-kinder- 1.3028534

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