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Hass gegen Juden und Hass gegen Muslime ordnen sich neu

Der Anschlag in Halle ist erschütternd, in dreierlei Hinsicht:
–  weil zum ersten Mal nach 1945 ein Deutscher in aller Öffentlichkeit mit mörderischer Gewalt Juden angreift.
– wegen der mörderischen Gleichgültigkeit dieses Menschen: Erwische ich keine Juden, erschieße ich eben die Frau, die mich ungefragt anredet, oder einen „Kanaken“ (so nannte er sein Opfer) beim Döner-Essen.
– weil der Attentäter Juden für muslimische Einwanderung und den Feminismus verantwortlich machte. Dieses ist die zentrale ideologische Neuigkeit dieses Attentats.

Der Attentäter stellte diese Verbindung von Muslimen zu Juden her, und er steht in einer Reihe mit den Verbrechen des Anders Breivik 2011 gegen Muslime und Linke, von Pittsburgh 2018 gegen Juden, von Christchurch 2019 gegen Muslime.


Gemeinsamer Protest von Juden und Muslimen in den USA 2017 gegen Trumps Einreiseverbot gegen Muslime. Foto: Alisdare Hickson, https://www.flickr.com

Das Attentat zeigt daher: Die relevante Frage ist, was Antisemitismus mit Antiislamismus zu tun hat. Diese Frage wurde in der Folge des Attentats von der deutschen Politik nicht ausreichend diskutiert.
Hier gibt es innerhalb der „Rechten“ (dem nicht menschenrechtsorientierten Teil der Bevölkerung) drei unterschiedliche Konzepte. Diese muss man sich klarmachen; denn die Bekämpfung dieser Einstellungen kann man nicht der Polizei oder gar dem Verfassungsschutz überlassen, sondern sie ist Aufgabe von uns allen. Diese drei Konzepte nennen wir hier „Alte Rechte“, „Neue Rechte“ und „Neo-Nazis“.

  1. Die Alte Rechte pflegt das seit 1879 bis 1945 in Deutschland organisiert vorhandene rassische Vorurteil gegen Juden weiter, und hat aufgrund ihrer rassistischen Einstellung auch Vorurteile gegen Muslime.
  2. Bei der Neuen Rechten ist die Hauptsache die Gegnerschaft gegen Muslime. Es geht gegen Überfremdung und Einwanderung, zum Teil im Namen der Verteidigung der Modernität, besonders der Freiheitsrechte für Frauen und für sexuelle Minderheiten. Trotz dieser bürgerlichen Anhängerschaft kann das durchaus mörderisch werden: Der Massenmörder Breivik zitierte bekanntlich in seinem langen Manifest auch H. M. Broder lobend, den deutschen jüdischen Vordenker der Neuen Rechten.
  3. Bei Neo-Nazis wie dem Attentäter von Halle ist in der Praxis die Hauptsache ihre Gegnerschaft gegen muslimische Zuwanderung. Dabei sehen sie jedoch Juden als diejenigen an, die als Drahtzieher die muslimische Eroberung Europas steuern.

Die öffentliche Debatte in Deutschland berücksichtigt diese verschiedenen rechten Konzepte kaum. Das ist wohl deswegen so, weil der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Jahren eine unrealistische Vorstellung von Antisemitismus aufgedrückt wurde. Anstatt die Gemeinsamkeiten von Hasstaten gegen Juden und den viel zahlreicheren Hasstaten gegen Flüchtlinge und Muslime zu thematisieren, konzentrierten sich Politik und Medien darauf, dem Einsatz für palästinensische Menschenrechte eine feindliche Einstellung gegen Juden zu unterstellen. Dieser Propagandakram, einschließlich Antisemitismusbeauftragten und Anti-BDS-Resolutionen von Bundestag, Landtagen und Stadträten, diente einzig und allein der ideologischen Absicherung von Israels Besatzungspolitik und hat nichts mit den Realitäten in Deutschland zu tun.

Tatsächlich beinhalten diese drei rechten Konzepte verschiedene Einstellungen zu Israel:

  1. Die Alte Rechte ist skeptisch gegenüber Israel wie gegenüber allem sonstigen „Judenzeug“.
  2. Dagegen sieht die Neue Rechte Israel als Vorbild und Bündnisgenossen im Hochhalten nationalistischer Werte und in der Gegnerschaft gegen Muslime. Diese Bündnisfront mit Israel reicht international von Bannon und Trump über Orban, Marine Le Pen, Wilders, Salvini bis hin zu Strache und FPÖ, großen Teilen der AfD (inklusive „Juden in der AfD“) und Teilen der FDP.
  3. Neonazis unterscheiden sich von der Neuen Rechten nicht unbedingt in ihrer Einstellung zu Israel. Vor zwei Jahren ließ der ungarische Ministerpräsident Orban Ungarn mit Plakaten vollpflastern, die den jüdischen ungarisch-amerikanischen Multimillionär George Soros zeigten: „99% Ablehnung gegen illegale Einwanderung. Lassen wir nicht zu, dass Soros als Letzter lacht.“ Orban griff damit diesen prominenten Juden an, er sei Drahtzieher der muslimischen Einwanderung.
    Das israelische Außenministerium war empört, wurde aber von Netanjahu zurückgepfiffen. Diesem war die breite rechtsnationalistische internationale Einheitsfront mit Israel – unter Einschluss der mächtigen Schlüsselfigur Orban – wichtiger als die Solidarität mit dem als Juden angegriffenen liberalen Soros.
    Orban aber wurde so zum ideologischen Paten des Neonazis von Halle.

Anti-Soros-Plakat in Budapest im Juli 2017 (hier an einer U-Bahn-Station-Rolltreppe). Foto: privat.

Der Attentäter von Halle steht in seinen Ideen nicht weit von Orban, aber in seinen Taten in einer Reihe mit Breivik, mit den Attentätern auf die Synagoge in Pittsburgh und auf die Moschee in Christchurch. Daher ist Solidarität der Minderheiten in Deutschland gefragt, so wie es vor 25 Jahren der Zentralratspräsident Ignatz Bubis vorlebte, als er zu den Anschlagsstätten gegen Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen und gegen türkische Familien in Solingen und Mölln fuhr.

Was wir nicht brauchen, sind „Antisemitismusbeauftragte“. Denn die Einrichtung von Antisemitismusbeauftragten als Strukturmaßnahme bekämpft den Antisemitismus nicht, sondern fördert ihn: Sie führt öffentlich vor, dass „die Juden mal wieder eine Extrawurst bekommen“, und schürt damit Unmut bei allen Menschen in Deutschland, die sich zu Recht oder Unrecht benachteiligt fühlen, – Muslime, „Ossis“ und wer sonst auch immer. Für die angegriffenen Juden in Halle gibt es einen Beauftragten, für die dann vom Attentäter tatsächlich erschossenen Menschen gibt es keinen. Daher brauchen wir Antidiskriminierungsbeauftragte statt Antisemitismusbeauftragte.

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