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Bericht des Transnationalen Instituts Amsterdam

BIP-Aktuell #310:

  1. Die Komplizenschaft der EU mit dem Genozid
  2. Verwundeter Palästinenser vor israelisches Armeefahrzeug geschnallt und als menschlicher Schutzschild benutzt

Das Transnational Institute hat einen umfassenden Bericht über die Komplizenschaft der EU bei den Verbrechen Israels, einschließlich des Verbrechens des Völkermords, veröffentlicht. Der Bericht gibt einen historischen Überblick und beschreibt detailliert die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Maßnahmen, mit denen die EU Israel unterstützt und die Rechte der Palästinenser diskriminiert. Der Bericht bietet eine ausführliche Zeitleiste der EU-Aktionen und -Erklärungen nach dem 7. Oktober. Im Folgenden finden Sie eine kurze Zusammenfassung und die wichtigsten Punkte des Berichts.

Die in Amsterdam ansässige Organisation Transnational Institute (TNI) hat am 4. Juni einen umfangreichen, 81-seitigen Bericht über die Komplizenschaft der EU mit den Verbrechen Israels veröffentlicht. Der Bericht besteht aus vier Kapiteln. Im ersten wird die Geschichte der europäischen Kolonialinteressen in Palästina untersucht. Das zweite Kapitel berichtet über die Allianz der EU mit Israel. Das dritte befasst sich mit dem Waffenhandel zwischen der EU und Israel und das vierte ist eine Zeitleiste der Ereignisse, die die Komplizenschaft der EU mit Israels anhaltendem Völkermord in Gaza aufzeigt.



EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit dem wegen Kriegsverbrechen verdächtigten Netanjahu. Quelle: 2024, Pressedienst der israelischen Regierung.


Der Bericht beginnt mit einem historischen Überblick über den Kolonialismus europäischer Staaten in Palästina, insbesondere durch Großbritannien und Frankreich – das Sykes-Pikot-Abkommen und die Balfour-Erklärung. Das zweite Kapitel, das sich auf die EU konzentriert, ist für die aktuelle Politik von größerer Bedeutung. Die Aussage der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Israel zum 75. Unabhängigkeitstag gratulierte, indem sie das Märchen wiederholte, die Israelis hätten „die Wüste zum Blühen gebracht“, beweist, dass die koloniale Ideologie des vorigen Jahrhunderts bis heute auf allen Ebenen der EU vorherrscht. Dies zeigt sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten, da Israel im Rahmen des Assoziierungsabkommens von 1995 (siehe BIP-Aktuell #258) Handelsvorteile von der EU erhält, die vermutlich kein anderes Land außerhalb der EU genießt. Um Israel diese Vorteile zu gewähren, verletzt die EU ihre eigenen Gesetze, insbesondere Artikel 2 des Assoziierungsabkommens, die das Abkommen von der Einhaltung der Menschenrechte abhängig macht. Die EU erlaubt israelischen Rüstungsunternehmen auch die Teilnahme am Forschungsprogramm Horizon Europe. Damit verstößt die EU gegen ihre eigenen Richtlinien. Nach dem 7. Oktober und dem Beginn des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen genehmigte die EU 130 Forschungszuschüsse an israelische Institutionen und Unternehmen im Rahmen des Programms Horizon Europe im Wert von 126 Millionen Euro. Davon gingen 640.000 Euro an das israelische Rüstungsunternehmen IAI, das Waffen entwickelt und herstellt, mit denen palästinensische Zivilisten getötet werden.

Das Kapitel über den EU-Waffenhandel mit Israel dürfte für deutsche Leser von besonderem Interesse sein, denn zwischen 2018 und 2022 machten deutsche Exportgenehmigungen für Waffen nach Israel in Höhe von rund 880 Millionen Euro etwa die Hälfte der gesamten Waffenexporte der EU nach Israel aus. Deutschland ist nach den USA der weltweit zweitgrößte Waffenlieferant Israels. Die EU importiert auch Waffen aus Israel: Etwa 25 % der israelischen Waffenexporte sind für die EU bestimmt. Israelische Waffen werden von FRONTEX eingesetzt, um Flüchtlinge daran zu hindern, Europa zu erreichen. Der größte Importeur israelischer Waffen in der EU ist Deutschland, auch schon vor dem Vertrag für Arrow3-Raketen (siehe BIP-Aktuell #212). Die EU betreibt darüber hinaus eine gemeinsame Sicherheitsforschung mit israelischen Rüstungsunternehmen und sogar mit dem israelischen Ministerium für öffentliche Sicherheit, das derzeit unter der Kontrolle von Minister Itamar Ben-Gvir steht (BIP-Aktuell #236). Zwei deutsche Universitäten, die Hochschule für den Öffentlichen Dienst in Bayern und die Technische Universität Berlin, haben gemeinsame Sicherheitsprojekte mit israelischen Universitäten.

TNI weist darauf hin, dass der „Gemeinsame Standpunkt der Europäischen Union zu Waffenexporten“ den Verkauf von Waffen an eine Besatzungsmacht, die Kriegsverbrechen begeht, verbietet. Israelische Rüstungsunternehmen vermarkten ihre Waffen als „kampferprobt“ (war proofed), nachdem sie sie an Palästinensern getestet haben. Die EU-Länder treiben weiterhin Handel mit diesen Unternehmen und legitimiert damit die Erprobung von Militärtechnologien an Zivilisten. Nachdem der Internationale Gerichtshof am 26. Januar festgestellt hat, dass es „plausible“ Gründe gibt, Israel des Völkermordes zu beschuldigen, ist die rechtliche Verpflichtung, Waffenverkäufe, -käufe und -transit an Israel zu beenden, im internationalen Recht verankert.


Die Tabelle zeigt die Waffenexportgenehmigungen der EU-Staaten nach Israel zwischen 2018 und 2022. Quelle: TNI, 2024.


Nach dem 7. Oktober nahmen die EU und ihre Mitgliedsstaaten eine einseitige Haltung zur Unterstützung Israels ein. Der Sitz der Europäischen Kommission im Berlaymont-Gebäude wurde am 8. Oktober mit den Farben der israelischen Flagge beleuchtet, was der israelische Botschafter bei der EU, Haim Regev, mit den Worten kommentierte, der „Anblick … stärke unsere Entschlossenheit“. Stunden nachdem der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant verkündet hatte, dass die Palästinenser menschliche Tiere seien und keine Nahrung, kein Wasser und keine Elektrizität erhalten würden (siehe BIP-Aktuell #277), kündigte der EU-Nachbarschaftskommissar Olivér Várhelyi an, dass die Europäische Kommission die Hilfen für Palästina einstellen werde. Deutschland hatte sich dieser Ankündigung angeschlossen.

Als Israel am 13. Oktober ankündigte, dass es jeden der 1,1 Millionen Bewohner des nördlichen Gazastreifens töten wird, wenn sie nicht innerhalb von 24 Stunden in den Süden ziehen, verbreitete Kommissionspräsidentin von der Leyen Fotos von sich selbst aus Israel, wo sie sich mit Generälen und Politikern traf. Sie behauptete, sie habe die „am stärksten betroffenen Gebiete“ besucht, nicht aber den Gazastreifen. Das Vorgehen der israelischen Armee bezeichnete der israelische Prof. Dr. Raz Segal in einem Artikel als einen „Lehrbuchfall von Völkermord“.

Am 1. November hatte Israel bereits mehr als 25.000 Tonnen Sprengstoff auf Gaza abgeworfen, was der Sprengkraft von zwei Atombomben entspricht. An diesem Tag twitterte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, dass „Israel das Recht hat, sich zu verteidigen“. Mitte November, nachdem Israel das Al-Ahli-Krankenhaus, das Al-Quds-Krankenhaus und das Al-Shifa-Krankenhaus angegriffen hatte (siehe BIP-Aktuell #281), gab die EU eine Erklärung ab, in der sie die Hamas dafür verurteilte, dass sie Krankenhäuser und Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzt, anstatt Israel für die Angriffe auf Krankenhäuser zu verurteilen.

Erst am 18. Januar war das Europäische Parlament bereit, eine Entschließung zu verabschieden, in der es zu einem Waffenstillstand aufrief und auf die humanitäre Krise und die Notwendigkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung hinwies, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Geiseln freigelassen und die Hamas zerschlagen wird. „Die Europäische Union will, dass Israel diesen Krieg gegen die Hamas gewinnt“.  Dies kann man kaum als einen Aufruf zu einem Waffenstillstand verstehen, eher zur Fortsetzung des Krieges. Am 19. Januar beschloss die EU Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen, die die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad unterstützen.  Bisher hat die EU nur Sanktionen gegen einzelne gewalttätige israelische Siedler beschlossen.

Mehrere EU-Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland, kündigten an, die Finanzierung von UNRWA, der wichtigsten Hilfsorganisation, die den Palästinensern im Gazastreifen Nothilfe leistet (siehe BIP-Aktuell #291), aufgrund einer Propagandakampagne Israels auszusetzen, UNWRA-Mitarbeiter seien am 7. Oktober am Angriff auf Israel beteiligt gewesen. Diese Kampagne stellte sich später als Lüge heraus.

Am 18. März diskutierte  der Europäische Rat über das Assoziierungsabkommen mit Israel, wobei er anerkannte, dass die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens von einer Hungersnot betroffen sei. Die Sitzung endete mit dem Beschluss, die Diskussion auf einen späteren Termin zu verschieben. Erst am 21. März, fünfeinhalb Monate nach Beginn des Krieges, nachdem  bereits mehr als 30.000 Menschen in Gaza getötet worden waren, forderten die Staats- und Regierungschefs der EU erstmals eine „sofortige humanitäre Pause, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand führt“.

Der TNI-Bericht erwähnt als Teil der Komplizenschaft der EU mit Israels Völkermord auch, dass Deutschland den Palästina-Kongress in Berlin am 12. April gewaltsam und rechtswidrig verbot.

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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

Mondoweiss berichtet:
„Während einer Razzia in Jenin haben israelische Soldaten einen verletzten palästinensischen Zivilisten an die Front eines Militärjeeps geschnallt und ihn als menschlicher Schutzschild durch die Straße gefahren. Er wurde schließlich an palästinensische medizinische Teams übergeben.
´Als ich sah, dass die Besatzungssoldaten in den Raum schossen, steckte ich meinen Kopf unter die Decke und versteckte mich`, sagte der 13-jährige Alaa Husseiniyya, der Zeuge einer israelischen Militäroperation wurde, die am Samstag in Jenin von Spezialeinheiten durchgeführt wurde.
Die Operation fand im Jabariyat-Viertel von Jenin statt und richtete sich gegen palästinensische Widerstandskämpfer, die sich in der Nähe des Hauses aufhielten, in dem Alaa zusammen mit seinen Onkeln schlief.
Alaa erzählte Mondoweiss, dass israelische Soldaten das Zimmer, in dem er und seine Onkel schliefen, stürmten und wahllos auf sie zu schießen begannen. Als er die Decke von seinem Kopf zog, sah er seinen Onkel, Majd Husseiniyya, verwundet am Boden liegen. Neben ihm lag ein weiterer Mann, Mujahid Balas, der an beiden Beinen verletzt war und außerhalb des Zimmers auf dem Boden lag.
Die israelischen Streitkräfte ergriffen einen der Verletzten, schnallten ihn vorne an ein Militärfahrzeug und fuhren mit ihm herum, während sie ihn als menschlichen Schutzschild vorführten, bevor sie ihn schließlich an palästinensische Sanitäter übergaben, die ihn in ein Krankenhaus in Jenin brachten.
Ein Augenzeuge, der es vorzog, anonym zu bleiben, sagte gegenüber Mondoweiss, dass die israelischen Streitkräfte den Verletzten absichtlich misshandelten.
´Sie schienen mit ihm zu spielen, um sich zu amüsieren`, sagte der Augenzeuge und wies darauf hin, dass der Mann weder gesucht wurde noch ein Widerstandskämpfer war, sondern ein unbewaffneter Zivilist. Dies zeigte sich auch daran, dass die israelischen Streitkräfte ihn nicht festnahmen, sondern dem palästinensischen Krankenwagen übergaben, nachdem sie ihn mehrere Minuten lang in der heißen Sommersonne an der Vorderseite des Fahrzeugs festgeschnallt hatten.
Ra’fat Husseiniyya, der Besitzer des Hauses, in dem die Razzia stattfand, sagte, die jungen Männer hätten wie jede Nacht in seinem Haus geschlafen. Die Armee habe nichts gegen sie in der Hand, und sie würden nicht des Widerstands verdächtigt, sagte Ra’fat. Aber die israelischen Spezialeinheiten schossen direkt auf sie, während sie schliefen.
Die Soldaten verhörten ihn und fragten ihn nach seiner Beziehung zu den Männern im Haus. Er sagte ihnen, dass sie seine Brüder seien und dass es keinen Grund gebe, das Haus zu stürmen und sie zu verhaften. Er erklärte, dass die Besatzungsarmee die medizinische Versorgung seines Bruders Majd stundenlang hinauszögerte, bevor sie ihm erste Hilfe leistete.
Nach Angaben der israelischen Zeitung Yedioth Aharonoth untersucht die israelische Armee den Vorfall mit dem Mann, der an das Armeefahrzeug gefesselt war.
Während der israelischen Operation, die etwa drei Stunden dauerte, setzten die israelischen Streitkräfte ein ziviles Fahrzeug in Brand, das vor dem belagerten Haus geparkt war. Nachdem die Spezialeinheiten vom Widerstand entdeckt worden waren, kam es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Widerstandskämpfern und israelischen Soldaten. Die Soldaten schossen während dieser Auseinandersetzungen auf Zivilisten und Häuser.
Während der Razzia teilte die Jenin-Brigade über ihren Telegrammkanal mit, dass sie die Spezialeinheiten im Viertel Jabariyat entdeckt und in ein Gefecht verwickelt habe, indem sie die eindringenden Kräfte mit scharfer Munition und lokal improvisierten Sprengsätzen beschossen habe. Später meldete die Brigade, sie habe Infanteriesoldaten ins Visier genommen und bestätigte, dass es unter ihnen Tote gegeben habe.

Der Palästinensische Rote Halbmond meldete, dass seine Teams drei durch scharfe Munition verletzte Personen in der Gegend von Jabariyat behandelten.
Die israelischen Streitkräfte nahmen bei der Razzia in dem Viertel drei junge Männer fest, darunter den verletzten Majd Husseiniyya. Die Art seiner Verletzung ist noch unbekannt. Die israelische Armee brachte ihn mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus am Kontrollpunkt Salem im Westen der Stadt.
Die Familie erklärte, sie habe bisher keine Informationen über den Verbleib von Majd oder seinen Gesundheitszustand erhalten. Keine offizielle Behörde hat sich mit ihnen in Verbindung gesetzt, um sie über seinen Zustand zu informieren oder darüber, wohin er verlegt worden ist.
Der Einmarsch in Jenin erfolgte einen Tag, nachdem eine verdeckte israelische Spezialeinheit, die in einem zivilen Fahrzeug mit palästinensischem Nummernschild unterwegs war, einen Anführer der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in Qalqilya ermordet hatte. Während des Einsatzes in Qalqilya verfolgte die Armee ein palästinensisches Fahrzeug und schoss auf die Insassen, wobei die Widerstandskämpfer Ihab Abu Hamed und Mahmoud Mansour getötet wurden. Ihre Leichen wurden von der Armee beschlagnahmt.
Insbesondere seit dem 7. Oktober setzt die israelische Armee bei ihren Razzien zunehmend Spezialkräfte in Zivilkleidung oder palästinensische Zivilfahrzeuge ein. Diese Eskalation sei eine Reaktion auf die verstärkte Präsenz von bewaffnetem Widerstand in den nördlichen Gebieten des Westjordanlandes.“  https://mondoweiss.net/2024/06/wounded-palestinian-man-strapped-to-front-of-israeli-army-vehicle-used-as-human-shield/?ml_recipient=124931589917377857&ml_link=124931586111047237&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_term=2024-06-24&utm_campaign=Daily+Headlines+RSS+Automation


Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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