„Unsere Aufgabe ist es, Gaza plattzumachen. Niemand wird uns aufhalten.“
BIP-Aktuell #326:
- Bataillon 749
- Erfreulich
- Das Beduinendorf Umm al-Hiran im Negev wird dem Erdboden gleichgemacht
In einer Sonderuntersuchung dokumentiert Dropsite News die Operationen des Bataillons 749 der israelischen Kampfpioniere in Gaza. Sie zeigen die vorsätzliche Tötung von Zivilisten, die Zerstörung der lebensnotwendigen Infrastruktur und das Verbrechen des Domizids, also die systematische und großflächige Zerstörung von Wohnraum und ziviler Infrastruktur.
Am 22. Oktober veröffentlichte die investigative Journalismus-Website Dropsite News eine umfangreiche Recherche, durchgeführt von zwei Journalisten, Younis Tirawi und Sami Vanderlip. Sie untersuchten anhand von Postings der Soldaten die Aktivitäten eines israelischen Bataillons, des Bataillons 749 der israelischen Kampfpioniere, in Gaza. Der Bericht wurde ins Deutsche übersetzt und am 11. November von der Gesellschaft Schweiz-Palästina unter dem Titel „Unsere Aufgabe ist es, Gaza platt zu machen. Niemand wird uns aufhalten. – Einblick in die Zerstörungsmission eines israelischen Bataillons während eines Jahres“ veröffentlicht.
Symbol des Bataillons 749. Quelle: Wikipedia.
Das Bataillon 749 ist ein Reservisten-Bataillon, wurde 1976 gegründet und gehörte im Laufe der Jahre verschiedenen Divisionen an. Derzeit ist es Teil der Division, die der Infanterie-Militärschule unterstellt ist (Quelle auf Hebräisch). Die Soldaten des Bataillons sind Absolventen des Combat Engineering Corps, das Soldaten im Sprengen ausbildet. Das Bataillon kommt nach den Kampfeinheiten zum Einsatz und bringt Gebäude und Häuser zum Einsturz, die durch die Luftangriffe nicht zerstört wurden.
Die Untersuchung identifiziert die Offiziere, die die Einheit befehligen. Sie und die ihnen unterstellten Soldaten haben bereitwillig Beiträge in den sozialen Medien veröffentlicht, in denen sie die Verbrechen, die sie begehen, zugeben und feiern. Die Soldaten des Bataillon 749 dokumentieren, wie sie Sprengstoff legen, palästinensische Häuser beschmieren und verschiedene Schilder hochhalten. Begleitet werden die Bilder und Videos von biblischen Bezügen, von Anspielungen auf die Populärkultur, von geistlosen Witzen und Musik.
Der stellvertretende Kommandeur des Bataillons, Oberstleutnant Adi Bekore, schrieb am 9. Oktober 2023 auf Facebook ein Zitat aus der Bibel, Buch Samuel 1, Kapitel 15, Vers 3:
„Darum zieh jetzt in den Kampf und schlag Amalek! Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel!“ Auch Ministerpräsident Netanjahu benutzte diese genozidale Rhetorik.
Der Einsatzoffizier David Zoldan sagte in Bezug auf Gaza: „Er ist unheilbar krank, und es ist unsere Aufgabe, ihn von den Sauerstoffgeräten abzutrennen, und je früher, desto besser.“ Feldwebel Ori Fadida schrieb, dass „wir keine einzige Maus auf der Erde atmen lassen werden, wir sind fertig mit dem Shuja’iya-Viertel“ und verglich die Palästinenser in einer naziähnlichen Sprache mit Mäusen.
Zu dem Bataillon gehört eine Kompanie, die gepanzerte D9-Bulldozer einsetzt, um Häuser zu zerstören. Diese Einheit schrieb auf ihrer Instagram-Seite: „Unsere Aufgabe ist es, den Gazastreifen platt zu machen, niemand wird uns aufhalten.“ Mit der Zerstörung von Wohnhäusern setzt das Bataillon 749 den Plan von General Giora Eiland um, die Palästinenser zum Verlassen des Gazastreifens zu zwingen, weil sie keinen Ort haben, an den sie zurückkehren können. Genauer gesagt handelt es sich um die Umsetzung des „Plans des Generals“ (siehe BIP-Aktuell #323). Die USA gaben bekannt, dass sie eine Lieferung von 130 Bulldozern des Typs D9 der Firma Caterpillar an Israel gestoppt haben, weil ihr Einsatz zur Zerstörung von Wohnhäusern gegen amerikanisches Recht verstößt.
Die Journalisten Younis Tirawi und Sami Vanderlip nutzten die von den Soldaten des Bataillons selbst vorgelegten Beweise, um die Aktionen in Gaza zu untersuchen. Am 8. Dezember 2023 zerstörte das Bataillon die Al-Azhar-Universität. Zwischen November und Dezember zog das Bataillon eine Schneise quer durch den Gazastreifen entlang des so genannten „Netzarim-Korridors“ (benannt nach einer illegalen israelischen Siedlung, die früher dort existierte und den Gazastreifen teilte). Bei dem Korridor handelt es sich um eine Straße, die nicht entlang einer topografischen Linie oder in einer Weise befestigt ist, die die Zerstörung von Gebäuden minimiert, sondern in einer geraden Linie vom Kibbutz Beeri, der bei dem Angriff am 7. Oktober 2023 zerstört wurde, bis zum Meer verläuft. Beim Ziehen der Schneise handelt sich also nicht um eine militärische Strategie, sondern um einen einfachen Racheakt. Die Straße wird nach dem Bataillon als Straße 749 bezeichnet. Satellitenbildern zufolge hat das Bataillon 749 über 750 Gebäude zerstört, um die Straße zu asphaltieren.
Zwischen Januar und Juni 2024 wurde dem Bataillon 749 eine Pause gegönnt. Die Soldaten machten Urlaub in der ganzen Welt, wo sie ohne Scheu Bilder von ihren Urlauben posteten, in der Gewissheit, dass sie für die Kriegsverbrechen, die sie in Gaza begangen haben, nicht verhaftet werden. Im Juni 2024 rückte die Kompanie D9 des Bataillons 749 in die Stadt Rafah ein.
Zwischen September und Oktober 2024 veröffentlichten die Soldaten der Einheit immer mehr Bilder von den Zerstörungen, die sie im Gazastreifen anrichteten. Die Bilder wurden von Kommentaren begleitet, die zynisch auf die zukünftigen Pläne zum Bau jüdischer Siedlungen auf den Ruinen von Gaza hinwiesen.
Die Befehlskette des Bataillons 749. Quelle: 2024, Dropsite News.
Das Bataillon 749 ist nur eines von vielen israelischen Bataillonen, die in Gaza stationiert sind. Die in der DropSite News-Untersuchung vorgelegten Beweise belegen eindeutig die Absicht, Völkermord zu begehen, die Entmenschlichung der Palästinenser („Amalek“ und „Mäuse“), das Verbrechen des Scholastizids , der vorsätzlichen Zerstörung von Universitäten und Schulen, und des Domizids.
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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter werden wir in Zukunft an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ platzieren – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!
Erfreulich:
Der Film „No other land” erfährt in den großen deutschen Medien ausnahmslos positive Rezensionen mit zentralen Informationen über das Elend der Besatzung:
Ausgerechnet die WELT trifft mit der Unterscheidung von Antisemitismus, Antizionismus und Antiisrael (und letzteres ausdrücklich nicht erst seit Netanyahu) den Nagel auf den Kopf!
https://www.welt.de/kultur/article254517522/No-Other-Land-Die-Antisemitismus-Debatte-um-die-Berlinale-Doku.html
Die FR am 14.11.: Der Film im Schatten des Skandals: Mit dem Kinostart des meisterhaften israelisch-palästinensischen Dokumentarfilms „No Other Land“ wird auch die umstrittene Preisverleihung in Berlin wieder Thema. https://www.fr.de/kultur/tv-kino/dokumentarfilm-no-other-land-im-kino-der-film-im-schatten-des-skandals-93409729.html
Die SZ am 14.11.:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/no-other-land-dokumentarfilm-westjordenland-lux.JNiABR7Pd9ur81s3HBPN2y
Die FAZ am 15.11.: https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton/2024-11-15/eine-ausweichmoeglichkeit-gibt-es-nicht/1097614.html
Offener Brief an die deutsche Bundesregierung von über 2300 Wissenschaftlern, Journalisten und Autoren aus aller Welt:
Deutschland muss umgehend aufhören, die Vernichtung von Palästinenser:innen zu unterstützen!
“Mit größtem Entsetzen sehen wir den sich entfaltenden Völkermord, den Israel am palästinensischen Volk begeht. Wir sind zutiefst beunruhigt. Wir empfinden Schmerz und sind empört angesichts dieser eklatanten Missachtung von Leben – eine Missachtung, die diese deutsche Regierung von uns als notwendig und normal zu akzeptieren erwartet. Seit über einem Jahr beteiligt sich die deutsche Regierung aktiv an der Tötung und Entmenschlichung von Palästinensern, indem sie Israel politische, finanzielle, militärische und rechtliche Unterstützung gewährt. Die Mitschuld Deutschlands an den Gräueltaten Israels muss aufhören.”
https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSevHkL5W5XT5dggM_RkWPi9jXc4AtHE4SwTHstQqQI85YVuMg/viewform
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Negev Coexistance Forum https://www.dukium.org schreibt in einer Email vom 15.11. über einen Einsatz ihrer Aktivisten:
„Wie schwierig und schmerzhaft ist es, mit anzusehen, wie das Dorf von Menschen, die wir seit Jahren kennen und mit denen wir zusammenarbeiten, die in Umm al-Hiran geboren und aufgewachsen sind, dem Erdboden gleichgemacht wird …
Trotz unserer dringenden Aufrufe, die Abrissarbeiten einzustellen, wurde Umm al-Hiran, ein nicht anerkanntes Beduinendorf in der israelischen Negev/Naqab-Wüste, vollständig zerstört und alle Bewohner wurden evakuiert. Das Dorf war diese Woche täglich von Abrissarbeiten betroffen, und heute wurde sogar die Moschee – das letzte noch stehende Gebäude – von der israelischen Landverwaltung abgerissen.“
Aussage eines Aktivisten der NCF:
„Heute wurde das letzte Gebäude in Umm al-Hiran abgerissen – die Moschee.
Wir wachten um 3:30 Uhr morgens auf und erfuhren, dass drei Mitglieder des Dorfrats verhaftet worden waren. Niemand wusste, wohin sie gebracht worden waren. Ein Anwalt lief stundenlang zwischen Polizeistationen hin und her und wurde bei seiner Suche nach seinen Klienten ständig weitergeschickt.
Später kamen wir in Umm al-Hiran an. Viele Polizeifahrzeuge waren unterwegs. Oben an der Straße wurde ein ´Kriegsraum` eingerichtet. Drohnen und Hubschrauber kreisten über dem Ort.
Alle Häuser im Dorf wurden von den Bewohnern selbst abgerissen, um hohe Geldstrafen zu vermeiden. Am Tag zuvor war Atwa, einer der Dorfbewohner, der um 3:30 Uhr morgens festgenommen worden war, mit Polizeibeamten durch die Stadt gegangen, um ihnen dies zu zeigen. Die Moschee war das einzige Gebäude, das die Dorfbewohner nicht abreißen konnten. Als sie vor der großen Anzahl von Polizeibeamten standen, beschlossen die Dorfbewohner, dass sie die Moschee lieber selbst abreißen würden, als dass die Polizei dies tun würde. Sie organisierten einen Traktor aus dem nahe gelegenen Dorf Hura, aber der Traktor steckte an einer Straßensperre fest, die die Polizei zuvor errichtet hatte. Obwohl versucht wurde, dies mit der Polizei zu klären, bemerkten wir schließlich, wie die Einsatzkräfte von der Straße auf die Moschee zukamen.
Zwischen den Dorfbewohnern, Aktivisten und Medienvertretern befanden sich etwa 30 bis 40 Personen. Etwa 100 Polizisten tauchten auf und trieben uns in einen kleinen Grundstück. Etwa sieben große Abrissbagger trafen ein. Alles für eine Moschee. Warum? Der einzige Grund, der mir einfällt, ist, die Geldstrafen zu erhöhen.
In Wirklichkeit zerstörten zwei Bulldozer die Moschee innerhalb einer halben Stunde, während die Dorfbewohner zusahen. Wir fragten die Dorfbewohner, ob sie erklären wollten, was geschah oder wie sie sich fühlten, und sie antworteten: ´Wozu? Es hört ja doch niemand zu.`
Nach dem Abriss der Moschee wurden wir alle zum Fußballfeld weiter unten gebracht, und die restlichen schweren Maschinen begannen, die restlichen Häuser, die bereits abgerissen worden waren, erneut zu zerstören.
Was die drei inhaftierten Dorfbewohner angeht, so hat ihr Anwalt sie nach mehreren Stunden schließlich gefunden. Es ist immer noch unklar, warum sie inhaftiert wurden. Sie werden derzeit von der Polizei verhört.“
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.
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