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Der PEGA-Ausschuss des Europäischen Parlaments veröffentlicht eindeutige Empfehlungen

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben ein aussagekräftiges Dokument angenommen, in dem die Gefahr für die Demokratie beschrieben wird, die von Spionageprogrammen ausgeht. Zum ersten Mal erkennt ein wichtiges EU-Gremium die Verbrechen an, die der Staat Israel an den Palästinensern begangen hat. Sie machen die Unterdrückungsmethoden, die an Palästinensern getestet wurden und später gegen Europäer eingesetzt werden, deutlich.

Da israelische Spyware-Firmen wie die NSO Group, die das Pegasus-Programm herstellt, ihre Spionagetechnologie an 14 EU-Mitgliedstaaten verkauft haben, während andere israelische Spyware-Firmen wie Intellexa und Blue Ocean Spyware an noch mehr EU-Mitgliedstaaten verkauft haben, ist in Europa eine Kampagne zum Schutz der Privatsphäre der europäischen Bürger entstanden (siehe BIP-Aktuell #199).

Das Europäische Parlament richtete den PEGA-Ausschuss zur Untersuchung von Spionageprogrammen ein, um zu prüfen, ob die Spionagetechnologie für die Strafverfolgung eingesetzt werden kann oder ob sie ganz verboten werden sollte und ob und wie sie wirksam reguliert werden kann. Der Ausschuss reiste nach Israel, um sich mit der NSO Group zu treffen und befragte auch Opfer israelischer Spionageprogramme. Er gab Pressemitteilungen und eine Reihe von Berichten und Entwürfen heraus. Am 22. Mai veröffentlichte er seinen endgültigen Bericht.




MEP Sophia in’T Veld (Niederlande) von der Partei D66 und Chairwoman des PEGA Ausschusses. Quelle: 2022, European Parliament, Wikipedia.

Die ECCP (European Coordination of Committees for Palestine) ist eine Organisation, die an Palästina interessierte Gruppen der europäischen Zivilgesellschaft aus ganz Europa vertritt; BIP gehört diesem Verband an. Das ECCP hat mit dem PEGA-Ausschuss zusammengearbeitet, sich mit dessen Mitgliedern getroffen, Empfehlungen ausgesprochen und Informationen bereitgestellt. ECCP veröffentlichte eine Pressemitteilung als Reaktion auf den PEGA-Bericht.

Im PEGA-Abschlussbericht, der mit einer Mehrheit von 30 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen (zwei aus Polen und eine aus Ungarn) und 4 Enthaltungen der 37 Ausschussmitglieder angenommen wurde, warnt der PEGA-Ausschuss davor, dass Spähsoftware zu antidemokratischen Zwecken und gegen Menschenrechtsaktivisten eingesetzt wird. Dies verstößt gegen verschiedene europäische Gesetze, obwohl die bestehenden EU-Gesetze es den Unternehmen erlauben, von technischen Mängeln (Zero-Day-Schwachstellen) in Handys zu profitieren. Das ermöglicht es den Spähsoftware-Unternehmen, Handys zu infiltrieren.
Die Formulierung des PEGA-Berichts ist insofern beispiellos, als die Quelle der Spähsoftware israelische Unternehmen sind und die Spähsoftware an Palästinensern getestet wurde, um deren Recht auf Schutz ihrer Rechte zu verletzen:

426. … „Im Laufe der Jahre hat sich Israel zu einem der weltweit führenden Hersteller fortschrittlicher Überwachungstechnologien und Spionagesoftware entwickelt, da es über beträchtliches Fachwissen bei der Entwicklung nachrichtendienstlicher Instrumente verfügt. Diese Industrie exportiert ihre Produkte in alle Welt. In einer vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen und 2023 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Pegasus und die Außenbeziehungen der EU” (Pegasus and the EU’s external relations) wird festgestellt, dass „die Spionagesoftware-Industrie für die exportierenden Länder eine lukrative Einnahmequelle und ein Hebel für diplomatischen Einfluss sein kann.“
Dies wird auch durch Nachrichtenberichte bestätigt, in denen Experten die Nützlichkeit von Pegasus für den Aufbau diplomatischer Beziehungen, z. B. mit den Golfstaaten, hervorheben.

427. Zusätzlich zu den strategischen Gründen im Inland hat sich Israel erfolgreich als innovative Start-up-Nation mit Unternehmen etabliert, die über die fortschrittlichste Technologie wie z. B. NSO, Cellebrite, Candiru, QuaDream und Intellexa verfügt. Der kollektive Umsatz der Branche wird auf mindestens 1 Milliarde USD jährlich geschätzt, das entspricht etwa 0,6% der israelischen Ausfuhren.
 
Israels Verteidigungskräfte und Nachrichtendienste, insbesondere seine Cybersicherheitsabteilung Unit 8200, haben eine wesentliche Rolle in Israels erfolgreicher Spyware-Industrie gespielt, und die Unternehmen unterhalten enge Beziehungen zu dieser. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 waren 80% der 2.300 Personen, die die 700 israelischen Cybersicherheitsfirmen gegründet haben, ehemalige Mitarbeiter der Nachrichtendienste der israelischen Verteidigungsstreitkräfte. Einer der prominentesten Vertreter der Branche ist der Eigentümer und Gründer von Intellexa, Tal Dilian.

428. Israelische Spionagefirmen haben Überwachungstechnologie in die ganze Welt verkauft, auch an EU-Mitgliedstaaten und autoritäre Golfstaaten. Nach Angaben der Zeitung Haaretz wurde der Verkauf von Pegasus als diplomatisches Druckmittel eingesetzt und erleichterte die Verhandlungen zur Aufnahme formeller diplomatischer Beziehungen zu Marokko, Bahrain und offiziell den Vereinigten Arabischen Emiraten im Rahmen des Abraham-Abkommens. Der Verkauf von Spionagesoftware an autoritäre Regime wurde kritisiert, insbesondere im Gefolge des Pegasus-Projekts. […]

429. Nach Ansicht von Experten schafft die Bereitschaft Israels, neue Überwachungssysteme an Palästinenser in den besetzten Gebieten einzusetzen, Anreize für ein Geschäftsmodell in der Überwachungsindustrie, von dem auch die NSO profitiert hat. Infolgedessen tragen die Länder, die von Israel vor Ort erprobte Spionagesoftware aus Israel erwerben, zu Menschenrechtsverletzungen in den genannten Regionen bei. Die EU-Mitgliedstaaten, die zu den renommiertesten Kunden von NSO gehören, stehen somit in direktem Widerspruch zur außen- und sicherheitspolitischen Agenda der EU hinsichtlich der Förderung von Menschenrechten und Demokratie.

430. Die Spionagesoftware Pegasus von NSO wurde eingesetzt, um die palästinensische Zivilgesellschaft ins Visier zu nehmen, darunter sechs palästinensische Menschenrechtsaktivisten. In den Fällen von Ubai Al-Aboudi, Geschäftsführer des Bisan-Zentrums für Forschung und Entwicklung, und Salah Hammouri, französisch-palästinensischer Bürger, Rechtsanwalt und Feldforscher bei der Addameer Prisoner Support and Human Rights Association, hat der Einsatz von Überwachungsspionageprogrammen offenbar zu ihrer Verwaltungshaft/Administrativhaft geführt. Die Überwachung aller sechs Personen bzw. Organisationen fällt mit der höchst umstrittenen Einstufung von sechs palästinensischen Menschenrechtsorganisationen als ´terroristisch`zusammen, was einen internationalen Aufschrei der Verurteilung dieser Entscheidung der israelischen Regierung auslöste. Dieser Fall der Überwachung palästinensischer Menschenrechtsaktivisten ist ein weiterer Beweis für die mangelnde Durchsetzung der Menschenrechtspolitik von NSO, die das Unternehmen genutzt hat, um seine Legitimität und Glaubwürdigkeit irreführend beim Verkauf an EU-Mitgliedstaaten zu erhöhen.”

Im Juni wird das Europäische Parlament über eine Reihe von Gesetzesvorschlägen zur Regulierung von Spähsoftware abstimmen. In der Zwischenzeit hat die EU-Handelsdirektion die Öffentlichkeit um Kommentare gebeten, bevor sie Vorschriften für den Export von Spionageprogrammen aus der EU in den Rest der Welt aufstellt. Das ECCP und BIP werden sich weiterhin in dieser wichtigen Kampagne für die Demokratie engagieren.

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Wenn wir in diesen Monaten an die wichtigsten Ereignisse der Nakba vor 75 Jahren erinnern, dürfen wir wesentliche Fakten und Zusammenhänge und die Tatsache nicht übersehen, dass die Nakba 1947/1948 der Beginn der fortdauernden Nakba bis heute ist.

Mit diesen Themen befasst sich der folgende Beitrag aus der israelischen Tageszeitung Haaretz.

Sechs grundlegende Fakten über die Nakba, die jeder kennen sollte. (Von Dotan Halevy, Maayan Hillel und die Redakteure des Social History Workshop)

Im Gegensatz zu dem, was die Propaganda behauptet, geht es für die Palästinenser am Nakba-Tag nicht darum, das Ereignis der Gründung Israels als Katastrophe zu bezeichnen. Es geht um die Katastrophe, die seither das ständige Schicksal der Palästinenser ist, als Folge der anhaltenden Politik Israels und vieler anderer Länder, die sich weigern, die Palästinenser als ein Volk und eine nationale Gruppe mit Anspruch auf Selbstbestimmung zu betrachten. Der Nakba-Tag erinnert an eine anhaltende und ausführlich dokumentierte historische Katastrophe, eine Katastrophe, auf der der Staat Israel, wie wir ihn kennen, aufgebaut wurde. (…)
Fünfundsiebzig Jahre nach der Vertreibung von Hunderttausenden von Palästinensern gibt es einige grundlegende Fakten, die jeder kennen sollte, um die anhaltende Bedeutung der Nakba zu verstehen:

1. Die Bevölkerung: Vor dem Krieg von 1948 lebten 600.000 Juden und 1,4 Millionen Palästinenser im britischen Mandatsgebiet Palästina. Von diesen 1,4 Millionen Palästinensern lebten 900.000 in dem Gebiet, das nach dem Krieg zum Staat Israel werden sollte. Der größte Teil dieser Bevölkerung, 700.000 – 750.000 Menschen, wurde entweder aktiv vertrieben oder floh über die Grenze – nach Syrien, Libanon, Ägypten oder Transjordanien – oder in Gebiete, die von den am Krieg beteiligten arabischen Armeen kontrolliert wurden (das Westjordanland und der Gazastreifen).
Am Ende des Krieges verblieb somit eine palästinensische Minderheit von 156.000 Menschen innerhalb der Grenzen Israels. Davon waren 46.000 Binnenflüchtlinge, die entweder vertrieben wurden oder aus ihren Häusern und von ihrem Land flohen und an anderen Orten innerhalb Israels weiterleben mussten. Die historische Forschung hat keine Beweise dafür gefunden, dass die arabische Führung einen pauschalen Aufruf an die Bevölkerung erteilte, ihre Häuser zu verlassen.
Diese Behauptung stammt offenbar aus der israelischen Propaganda der 1950er und 1960er Jahre, die versuchte, die palästinensische Entwurzelung als Ergebnis einer freiwilligen Entscheidung darzustellen. Entgegen der landläufigen Meinung in Israel war der einzige dokumentierte Fall, in dem arabische Führer die arabische Bevölkerung zur Flucht aufforderten, in Haifa. Sie verließ die Stadt, als sie von den paramilitärischen Kräften der vorstaatlichen Haganah angegriffen wurde, obwohl einige der jüdischen Führer sie zum Bleiben aufforderten.
Ohne die Nakba hätte Israel, wie wir es kennen, nicht entstehen können.

2. Das Land: Mit wenigen Ausnahmen durften palästinensische Flüchtlinge niemals in ihre Häuser und auf ihr Land zurückkehren, eine erklärte israelische Politik, die bereits während des Krieges festgelegt wurde. Die Verhinderung der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge (im israelischen Sprachgebrauch als ”Infiltration” bezeichnet) war ein zentrales Projekt in der Anfangszeit des israelischen Staates. Zu diesem Zweck zerstörte Israel während des Krieges und in den Jahren
unmittelbar danach etwa 400 verlassene palästinensische Dörfer und palästinensische Stadtviertel oder siedelte dort jüdische Einwanderer an. Im Laufe der Zeit wurden die Namen der Dörfer von der Landkarte getilgt, als ”Ruinen” gekennzeichnet oder in hebräische Namen umbenannt.
Das meiste Land dieser Dörfer wurde unmittelbar nach dem Krieg von 1948 enteignet und durch das Absentees Property Law, das palästinensische Binnenflüchtlinge als ”anwesende Abwesende” definierte, zu Staatsland. Weitere Landenteignungen folgten in den kommenden Jahrzehnten. Die palästinensischen Binnenflüchtlinge durften auch nicht in ihre Dörfer zurückkehren, da die Militärverwaltung, der die Palästinenser in Israel bis Ende 1966 unterlagen, ihre Bewegungsfreiheit einschränkte.
Insgesamt wurden 85 Prozent des Landbesitzes der Palästinenser in dem Gebiet, das vor 1948 zum Staat Israel wurde, enteignet und in Staatseigentum überführt. Infolgedessen wurden auch landwirtschaftliche Flächen, die die Haupteinkommensquellen der in Israel verbliebenen palästinensischen Minderheit darstellten, vom Staat beschlagnahmt.

3. Kultur und Politik: Neben der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung und der Beschlagnahme ihrer Einkommensquellen beseitigte die Nakba auch eine dynamische nationale Gemeinschaft mit einer blühenden Kultur, die tief in dem Land verwurzelt war, das 1917 zum Mandatsgebiet Palästina wurde. In den 1930er und 1940er Jahren entwickelten sich Haifa, Jaffa, Jerusalem, Akko, Gaza und andere Städte zu blühenden Zentren der palästinensischen Wirtschaft und Freizeitgestal- tung. In diesen Städten gab es arabische Anwalts- und Wirtschaftsprüfungsfirmen,
Kinos, Theater, Cafés, Restaurants, Hotels, Bibliotheken, Strände und Sportvereine sowie Kulturvereine, in denen sie ihre seit langem bestehenden Beziehungen zu Intellektuellen, Künstlern und Politikern aus dem gesamten Nahen Osten festigten.
Wie die zionistische Bevölkerung hatte auch die palästinensische Bevölkerung seit dem Ende der osmanischen Ära die Vision, sich zu einem souveränen und demokratischen Staat zu entwickeln. Der Krieg von 1948 hat diesen Prozess beendet. Bei Kriegsende war Nazareth die einzige arabische Stadt in Israel, während die Palästinenser in den anderen großen Städten eine kleine Minderheit waren.

4. Die Ursachen der Nakba: Haben die Palästinenser die Katastrophe von 1948 selbst herbeigeführt, indem sie sich dem UN-Teilungsplan von 1947 widersetzten? Auf diese Frage gibt es eine normative und eine praktische Antwort.
Normativ gesehen muss man sich ehrlich fragen: Wenn heute eine Gemeinschaft von Einwanderern nach Israel käme, historische Besitzansprüche auf das Land anmelden würde und uns jüdischen Israelis vorschlüge, es mit ihnen zu teilen, würden wir das für gerechtfertigt halten und zu einem ´Kompromiss` bei der Aufteilung des Landes bereit sein? Für die Palästinenser war der Teilungsplan gleichbedeutend mit der Forderung: ´Ihr seid in mein Haus eingedrungen, und jetzt seid bereit, einen Kompromiss über die Aufteilung der Räume zu schließen.´
Eine deutliche Mehrheit der Palästinenser und ihrer politischen Führung war bereit, die jüdischen Einwanderer in Palästina als gleichberechtigte Minderheit in einem künftigen Staat mit arabischer Mehrheit zu akzeptieren. Doch selbst für diejenigen, die zu einem Kompromiss über die Aufteilung des Landes bereit waren, stellte der UN-Teilungsplan von 1947 eine ungerechte Aufteilung der Gebiete und Ressourcen dar.
Die Palästinenser betrachten die Nakba nicht nur als ein historisches Ereignis, sondern sie erfahren sie als ständige Bedrohung ihrer Existenz. (…) Damit sind wir bei der praktischen Antwort angelangt.
Als über den Teilungsplan abgestimmt wurde, befand sich der größte Teil des Landes im geplanten jüdischen Staat nicht in jüdischem Besitz und war die Heimat von 350.000 arabischen Palästinensern.
Der jüdische Staat wollte die Stadt Haifa und ihren Hafen, den wichtigsten Wirtschaftsfaktor des Landes, die Küstenebene, in der der größte Teil des palästinensischen Zitrusanbaus beheimatet war, die Straßen, die das Land durchzogen, und das fruchtbare Land in den Tälern umfassen. Der gesamte
Negev wurde dem jüdischen Staat zugewiesen – obwohl der jüdische Landbesitz dort sehr gering war – , da man davon ausging, dass die Juden befähigter waren als die dort lebenden Eigentümer, es in Zukunft zu entwickeln.

5. Warum lassen die Palästinenser die Vergangenheit nicht hinter sich?
Für die Palästinenser ist die Nakba nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart. Der Prozess, der 1948 begann, ist im Grunde nie beendet worden. Nach dem Krieg enteignete Israel palästinensisches Land und stellte seine palästinensischen Bürger bis 1966 unter Militärrecht. Dann, 1967, errichtete Israel eine Militärregierung im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen. Die Militärregierung und das Siedlungsprojekt nehmen immer mehr palästinensisches Land in Besitz und setzen sich über die individuellen Freiheiten, die Menschenrechte und die grundlegende Würde der Palästinenser hinweg, wodurch die Möglichkeit, dass die Palästinenser in Zukunft einen unabhängigen Staat gründen, praktisch zunichte gemacht wird.
Die Realität des Lebens als Flüchtlinge hat Generationen von Palästinensern zu einem Leben in Leid und Armut verurteilt, das auch Jahrzehnte nach dem Krieg noch andauert. Ihre Lage hat sich in den Kriegen von 1967 und 1982 sowie in den regelmäßigen Kriegen und der Belagerung des Gazastreifens seit 2007 nur noch verschlimmert. Natürlich ist Israel nicht allein für die Lage der Palästinenser in den
Flüchtlingslagern und die militärischen Zusammenstöße verantwortlich. Aber die Wurzeln dieser Konflikte gehen zweifellos auf das Jahr 1948 als prägenden Moment zurück und verleihen ihm jedes Mal aufs Neue eine Bedeutung. Daher betrachten die Palästinenser die Nakba nicht nur als ein historisches Ereignis, sondern als eine ständige Bedrohung ihrer Existenz. Sie wird bei jeder Begegnung mit einem Soldaten an einem Kontrollpunkt, bei jeder Landenteignung, bei jeder Einschränkung der Bewegungsfreiheit und bei jedem Krieg gegen den Gazastreifen erneut bekräftigt.
So ist das Trauma von 1948 weiterhin ein Pfeiler der palästinensischen Identität und des kollektiven Gedächtnisses.
Heißt das, dass es keinen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation gibt? Ganz und gar nicht. Im Laufe der gemeinsamen Geschichte von Israelis und Palästinensern gab es unzählige Gelegenheiten, das Unrecht von 1948 zu beheben, indem Israel die palästinensische Tragödie ehrlich anerkennt, die nationalen Rechte der Palästinenser anerkennt, sie für ihre materiellen Verluste entschädigt, einen Teil der Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren lässt und schließlich durch geeignete politische Vereinbarungen tragfähige Grenzen zieht oder gemeinsam über die Gründung eines binationalen Staates entscheidet. Israel hat sich aus eigenen Erwägungen heraus dagegen entschieden, aber es könnte sich in Zukunft auch anders entscheiden.

6. Die Nakba ist eine Angelegenheit der Palästinenser – warum sollten sich Israelis damit befassen? Weil der Krieg von 1948 kein Krieg zwischen zwei getrennten Ländern war, in dem eine Seite einfach verloren hat. Die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung hat die Entstehung Israels als demokratisches Land mit einer klaren jüdischen Mehrheit erst ermöglicht. Ohne die Nakba hätte Israel, wie wir es kennen, nicht entstehen können. Das bedeutet, dass die jüdischen Israelis eine
große Verantwortung dafür tragen, den Verlust anzuerkennen, auf dem ihr Land aufgebaut ist. Die Auslöschung der palästinensischen Kultur und Geschichte hat es dem modernen Staat Israel ermöglicht, eine direkte Verbindung zwischen sich und der biblischen Ära herzustellen, während die lange und reiche arabische Geschichte des Landes ignoriert wurde.
Aber das Wichtigste ist die Gegenwart und Zukunft aller Menschen in diesem Land. Wenn die Israelis ihren Kindern eine Realität hinterlassen wollen, die nicht aus einem ewigen Konflikt besteht, der auf Unterdrückung, Gewalt und Auslöschung beruht, müssen sie sich mit den Wunden von 1948 auseinandersetzen. Die Anerkennung und Solidarität mit der palästinensischen Katastrophe und dem palästinensischen Schmerz negieren nicht das Israelsein, das Jüdischsein oder das Recht der Israelis,
in Frieden und Sicherheit zu leben. Eine solche Anerkennung und Solidarität sind eine echte Chance für ein friedliches und sicheres Leben in Israel.”

Dotan Halevy ist Postdoktorand an der Polonsky Academy for Advanced Studies in the Humanities and Social Sciences am Van Leer Institute in Jerusalem.
Maayan Hillel ist Dozentin am Crown Family Center for Jewish and Israel Studies an der Northwestern University. Der Social History Workshop ist ein Blog, der von Historikern und Wissenschaftlern des Nahen Ostens gegründet wurde, um aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über die Region und die Welt einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
https://www.haaretz.com/israel-news/2023-05-18/ty-article-magazine/.premium/six-basic-facts-about-the-nakba-
everyone-should-know/00000188-2e5d-d6e4-ab9d-eefdb0fe0000

BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

Refuser Solidarity Network schrieb uns am 5.6.:

„Wir möchten Euch darüber informieren, dass Yuval Dag, ein 20-jähriger israelischer Kriegsdienstverweigerer, dessen Erklärung über die Verweigerung des Kriegsdienstes wir bereits mit Euch geteilt haben, erneut inhaftiert worden ist. Schreibt bitte Yuval hier einen Solidaritätsbrief (s.u.)

Yuval hat sich in den letzten Monaten dreimal geweigert, zum israelischen Militär zu gehen, weil er die Besetzung der palästinensischen Gebiete ablehnt. Jedes Mal wurde er vor Gericht gestellt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er erhielt Strafen von insgesamt 50 Tagen, von denen er bereits 46 Tage abgesessen hat. Letzte Woche weigerte er sich ein viertes Mal und erhielt eine zusätzliche Strafe von 20 Tagen. Er bleibt jedoch standhaft und weiß, dass er das Richtige tut. In seiner Verweigerungserklärung schrieb Yuval:

´Die Besatzung kann nicht länger als nebensächlich betrachtet werden. Sie kann nicht länger als ein Sicherheitsbedürfnis betrachtet werden. Die Besatzung ist ein politisches Unternehmen, das von der Armee betrieben wird und der großen Mehrheit der Menschen, die hier leben, schadet. Sie dient einer rassistischen und kolonialistischen Agenda der jüdischen Vorherrschaft. Selbst diejenigen, die all die Jahre lang die Augen verschlossen haben, die versucht haben, die Existenz der Besatzung zu ignorieren und zu verdrängen, können sie nach dem Pogrom, das in Huwara von Siedlern unter dem Schutz von Soldaten der israelischen Armee verübt wurde, nicht mehr ignorieren. Die Tatsache, dass diese Gewalt, die von der Regierung ausgeht, so transparent und unentschuldbar geworden ist, verlangt von uns, die Augen zu öffnen und Widerstand zu leisten.`
RSN und Mesarvot hoffen, dass Yuval so bald wie möglich freigelassen wird, damit er seinen Aktivismus gegen die Besatzung als freier Mann fortsetzen kann. Wenn Ihr Yuval in der Zwischenzeit noch keinen Solidaritätsbrief geschrieben haben, schreibt ihm über diesen Link:“ https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSfAphjWgw9OR9Mo7xidSsJ0HrgWAYA3pfklrkdNV-dYwkwhxw/viewform

https://mailchi.mp/refuser/refusers-solidarity-15090141?e=cc93687dcc

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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