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Das wichtigste Ziel ist die Beendigung des Massakers

BIP-Aktuell #282:

  1. Waffenstillstand jetzt!
  2. Gideon Levys Offener Brief an Roger Waters

Ein Waffenstillstand ist die dringlichste Forderung der palästinensischen Organisationen und vieler Regierungen. Ein Waffenstillstand ist notwendig, um die Evakuierung von Kranken und Verletzten zu ermöglichen, um die von Israel angegriffenen Zivilisten mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen und über die Freilassung der israelischen Geiseln zu verhandeln. Die israelische Regierung lehnt alle Forderungen nach einem Waffenstillstand vehement ab. Die USA, Deutschland und Kanada bemühen sich, statt eines Waffenstillstands kurze Kampfpausen zu erreichen.

Seit dem Beginn des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen nach dem 7. Oktober nimmt die Tötung palästinensischer Zivilisten im Gazastreifen kein Ende. Die israelischen Streitkräfte greifen WohnhäuserKrankenhäuser und Schulen an. Sie belagerten und zerstörten schließlich das größte Krankenhaus im Gazastreifen, das Al-Shifa Krankenhaus (siehe BIP-Aktuell #281). Die Zahl der Toten ist auf über 12.000 angewachsen, fast die Hälfte davon sind Kinder. Alle zehn Minuten wird in Gaza ein Kind getötet. Dieses Ausmaß an brutaler Gewalt ist beispiellos in der Geschichte Palästinas – fast alle palästinensischen Organisationen und Organisationen der palästinensischen Solidarität sowie viele Regierungen fordern mit großem Nachdruck einen Waffenstillstand.

Transparent der Jewish Voice for Peace mit der Forderung nach einem Waffenstillstand, das kürzlich veröffentlicht wurde. Quelle: Jewish Voice for Peace, 2023.

Die israelischen Streitkräfte erklären, dass sie gegen die Guerillakämpfer der Hamas kämpfen und dass die Zerstörungen und die Tötung von Zivilisten unvermeidlich seien. Außerdem behaupten sie, die Hamas nehme die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde in Geiselhaft. Was aber kann die Zivilbevölkerung in Gaza tun, um zu überleben? Als die israelische Armee die gesamte Bevölkerung in der nördlichen Hälfte des Gazastreifens, d. h. 1,1 Millionen Menschen, aufforderte, diesen Teil des Gazastreifens innerhalb von 24 Stunden zu verlassen, um nicht zu sterben, stellte sie in dieser Zeit die Angriffe nicht ein und bombardierte Konvois von Zivilisten, die versuchten, in den südlichen Teil des Gazastreifens zu fliehen, obwohl die Straßen zu gefährlich sind. Aus diesen Gründen ist ein Waffenstillstand von entscheidender Bedeutung, damit die Zivilbevölkerung Schutz oder medizinische Versorgung finden oder bei Bedarf evakuiert werden kann.

Auch von israelischer Seite fordern die Familien der 239 Geiseln von der Regierung einen Waffenstillstand, damit ein Gefangenenaustausch und die Freilassung der Geiseln ausgehandelt werden kann. Die ununterbrochene Bombardierung des Gazastreifens gefährdet das Leben der israelischen Geiseln, die dort festgehalten werden. Zwischen dem 14. und 18. November marschierten die Familien und ihre Unterstützer nach Jerusalem und forderten einen Gefangenenaustausch und einen Waffenstillstand, wurden aber von der Regierung abgewiesen. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu lehnte ein Angebot ab, einige der Geiseln im Gegenzug für einen Waffenstillstand freizulassen.

Die Frage des Waffenstillstands spaltet die ganze Welt. Während manche westlichen Regierungen, insbesondere die USA, eine Waffenruhe ablehnen und Israel erlauben, seine Angriffe weiter zu eskalieren, sind sich die Länder des Globalen Südens in ihrer Forderung nach einem Waffenstillstand einig. Auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete am 26. Oktober mit einer Mehrheit von 120 Ländern bei nur 14 Gegenstimmen eine Resolution, in der ein „humanitärer Waffenstillstand“ gefordert wird. Die Formulierung „humanitäre Waffenruhe“ wurde als Kompromiss zwischen der Forderung der meisten Länder nach einem vollständigen Waffenstillstand einerseits und der Forderung der Verbündeten Israels, lediglich eine humanitäre Pause (siehe unten) in Betracht zu ziehen, gefunden. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung. Am 16. November nahm der UN-Sicherheitsrat eine Resolution an, in der er eine humanitäre Pause der Kämpfe forderte, um humanitären Organisationen die Möglichkeit zu geben, dringend benötigte Hilfsgüter zu bringen. Die USA legten kein Veto gegen den Beschluss ein.  

Die israelische Regierung wehrt sich vehement gegen die Aufrufe zu einem Waffenstillstand. Sie spricht vom „Schwung“ (Quelle auf Hebräisch). Der Einmarsch in Gaza ist für Israel teuer, und die Gefahr, dass sich der Krieg auf die ganze Region ausweitet (siehe BIP-Aktuell #280), wird größer, je länger der Angriff andauert. Die israelische Regierung nutzt ihren Einfluss auf Politiker in anderen Ländern, um Kritik am Angriff und Druck auf Isarael zu verhindern. In einigen Zeitungen wird dies mit der Überzeugung des israelischen Außenministers Eli Cohen erklärt, dass Israel nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht, in der die internationale Gemeinschaft bereit ist, Israels Aggression gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu ignorieren. Irgendwann werde aber der internationale Druck auf Israel zunehmen mit der Folge, dass ein Waffenstillstand die Zeit, in der die israelischen Streitkräfte angreifen können, verringern würde (Quelle auf Hebräisch). Der Krieg belastet die israelische Wirtschaft stark, da bereits jetzt hunderttausende Beschäftigte nicht arbeiten können. Solange die israelische Regierung die Invasion des Gazastreifens auch nach einem Waffenstillstand wieder fortsetzen würde, können die Reservisten nicht entlassen werden, um an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren.

Abstimmung der UN-Generalversammlung am 27. Oktober über einen Waffenstillstand. Deutschland hat sich der Stimme enthalten. Quelle: UN, 2023.

Zwischen der Position der israelischen Regierung, ohne Pause weiter zu bombardieren und dadurch der Zivilbevölkerung keine Chance zu geben, sich in Sicherheit zu bringen oder sich zu ergeben, und der Position der großen Mehrheit der Welt, die einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des Tötens fordert, gibt es einen Kompromiss, der derzeit von den USA und von Deutschland unterstützt wird. Der Kompromiss sieht eine kurze „Pause“ der Kämpfe für jeweils einige Stunden vor. Das würde bedeuten: Es bliebe nicht genug Zeit, um für eine Nacht Schlaf zu finden, aber vielleicht genug, um einige Menschen mit humanitärer Hilfe zu erreichen und Zivilisten aus dem Gazastreifen zu evakuieren. Das gilt jedoch nur, wenn sie eine ausländische Staatsbürgerschaft und einen Staat haben, der bereit ist, sie aufzunehmen. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte: „Ich verstehe total den Impuls in dieser furchtbaren Situation, wo unschuldige Kinder, Menschen, Frauen, Mütter, Familien nicht nur so furchtbar leiden, sondern ums Leben kommen […] Es braucht Pausen, wo die Kinder, die apathisch in den Trümmern ihrer Häuser sitzen in Gaza, weil ihre Eltern unter dem Schutt verschüttet sind, wirklich auch erreicht werden können.“ Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hielt eine Rede, in der er zunächst sagte, er unterstütze einen Waffenstillstand, sich dann aber zurückhielt und sich lediglich der Forderung nach humanitären Pausen anschloss.

Am späten Dienstagabend, dem 21. November, akzeptierte die israelische Regierung eine von Katar vermittelte Vereinbarung mit der Hamas über eine viertägige Kampfpause im Austausch für die Freilassung von 50 israelischen Geiseln und 150 palästinensischen politischen Gefangenen.

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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

Anmerkung der Redaktion:
Der Brief von Gideon Levy an Roger Waters an dieser Stelle ist ungewöhnlich. Wir möchten ihn dennoch hier veröffentlichen, unterstreicht er doch einmal mehr Gideon Levys unbeugsame Haltung in Bezug auf die universale Geltung der Menschenrechte.
Roger Waters: Hör auf, die Hamas-Gräueltaten vom 7. Oktober zu leugnen!
„Lieber Roger,
ich erlaube mir, Dir einen offenen Brief zu schreiben, nachdem Du Dich über den Krieg geäußert hast. Das hat in Israel eine Welle von scharfer Kritik ausgelöst; man hat Dich als Antisemiten bezeichnet. Eine solche Kritik hast Du nicht verdient. In einem Interview mit der argentinischen Zeitung Pagina 12 sagtest Du letzte Woche, Du wüsstest, was in Deinem Herzen ist: ´Ich habe in meinem ganzen Leben nicht einen einzigen antisemitischen Gedanken gehabt`.  
Auch ich habe nie gespürt, dass in Deinem Blut eine Spur von Antisemitismus fließt. Du warst und bleibst der gigantische Roger Waters, der Künstler und inspirierende Mann des Gewissens. Aber dieses Mal liegst du falsch.
Von Dr. Eran Naftali, einem Dozenten an der Universität Tel Aviv, den ich nicht kenne, erhielt ich den Wortwechsel, den Ihr beide hattet. Du schriebst einige harte Aussagen über das, was Israel in Gaza tut, und sagtest, dass ´Israel nicht das Recht hat, einen Strafzettel in Gaza auszustellen, geschweige denn einen Völkermord zu begehen`.
Und dann wiederholtest Du sofort, was Du bereits in früheren Interviews gesagt hattest, nämlich dass ´wir nicht alle Einzelheiten der Geschehnisse kennen. Meines Erachtens sind alle Berichte verdächtig. Der israelische Bericht enthält Geschichten über enthauptete Babys, viele vergewaltigte Frauen, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt wurden. … Diese frühen Geschichten wurden völlig diskreditiert, aber der Schaden war angerichtet. Jetzt wissen wir mehr.`
Du fügtest hinzu: ´Es gibt auch eine Menge Beweise dafür, dass das israelische Militär, das zu spät zur Schlacht kam, wahllos Freund und Feind gleichermaßen abschlachtete. Warum haben die israelischen Soldaten sie nicht kommen hören? Ich weiß nicht, was wirklich passiert ist, aber ich bin neugierig. Ist Neugierde ein Verbrechen?`
Und dann hast Du geendet mit dem, was auch ich von ganzem Herzen glaube, nämlich dass ´der unerträgliche Schmerz bleiben wird, bis Israel und die USA und alle anderen mitschuldigen Nationen gleiche Menschen-, Bürger- und Religionsrechte für alle unsere Brüder und Schwestern ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion oder Nationalität vom Jordan bis zum Mittelmeer und hoffentlich darüber hinaus akzeptieren und umsetzen.`
Ich möchte auf die anhaltenden Zweifel eingehen, die Du bezüglich der Ereignisse vom 7. Oktober geäußert hast: Dort hat eine Gräueltat stattgefunden, Roger, eine Gräueltat, wie wir sie in der blutigen Geschichte dieses Konflikts noch nie gesehen haben. Diese Gräueltat hat einen Kontext, nämlich die verbrecherische Blockade und den religiösen Fundamentalismus, der in ihrem Schatten entstanden ist, aber kein Kontext der Welt kann eine solche Barbarei rechtfertigen.
Ich verlasse mich nicht auf israelische Berichte, die Du, manchmal zu Recht, anzweifelst. Ich war am Morgen nach dem Massaker im Kibbuz Be’eri, am Ort des Tanzfestes im Re’im-Park, in der Stadt Sderot und im Kibbuz Nir Oz. Ich habe das alles mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich sah die Blutspuren, die verbrannten Häuser, die überall verstreuten Leichen und nahm überall den Geruch des Todes wahr. Es war furchtbar. Kein Mensch und kein Land hat so etwas verdient.
In den bescheidenen Wohnzimmern in Be’eri standen wahrscheinlich viele Pink-Floyd-Platten; einige der Opfer wuchsen mit ´The Dark Side of the Moon` auf. An diesen Orten des Mordes wurdest Du und die von Dir geschaffene Musik sehr bewundert. Man kann nicht den Unschuldigen spielen und das Ausmaß des dort begangenen Bösen in Zweifel ziehen.
Es spielt nicht einmal eine Rolle, wie viele Frauen vergewaltigt und ob Babys geköpft wurden. Es war Massenmord, grausam, wahllos, ein vorsätzlicher Mord an Unschuldigen, an Alten und Frauen, Männern und Kleinkindern, Partygängern und Kibbuzniks, die Haaretz lasen und an einen Frieden mit Gaza glaubten.
Ich bin der Letzte, der die Verbrechen Israels auf die leichte Schulter nimmt, auch die, die es jetzt in Gaza begeht. Es verdient die schärfste Kritik und muss bestraft werden. Aber zu bezweifeln, was dort geschehen ist, ist offenkundig unmoralisch. Wenn Du Deine weltweite Konzerttournee beendet haben wirst, kannst Du nicht anders, als offen anzuerkennen, was im Süden Israels geschehen ist, ohne Wenn und Aber.
Eine Gräueltat rechtfertigt nicht eine andere. Wer wie ich von den Szenen der Zerstörung im Shifa-Krankenhaus schockiert ist, kann nicht anders, als von dem Anblick von Be’eri und dem Park, in dem die Party stattfand, schockiert zu sein.
Ich wünschte, du wärst hier, lieber Roger. Ich würde dich mitnehmen und dir die schrecklichen Bilder im Süden zeigen, und dann würden wir zusammen nach Gaza fahren und uns die schrecklichen Bilder dort ansehen. Der Horror ist sowohl hier als auch dort. Das musst du erkennen.“
https://www.haaretz.com/opinion/2023-11-19/ty-article/.premium/an-open-letter-to-roger-waters/0000018b-e3be-d168-a3ef-f7fe96410000

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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