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Die israelische Regierung unternimmt nichts gegen Siedlergewalt
Kolonisten organisieren Angriffe, die sie als „Preisschild“-Angriffe (price tag attacks) gegen wehrlose Palästinenser bezeichnen, insbesondere im C-Gebiet des Westjordanlandes. Die Soldaten wissen von diesen Angriffen, unternehmen aber nichts, um die palästinensische Bevölkerung zu schützen. Die israelische Regierung ignoriert ihre völkerrechtliche Verpflichtung, diese Gewalt zu verhindern.
 
Am 17. August 2021 organisierte ein Konvoi von etwa siebzig Kolonisten, viele von ihnen bewaffnet, einen Angriff auf das Gebiet von Homesh, einer geräumten israelischen Kolonie im Norden des Westjordanlandes. Die Kolonisten nahmen Tareq Z., einen fünfzehnjährigen Jungen, gefangen. Sie überfuhren ihn mit einem Auto, fesselten ihn an die Vorderseite des Wagens und fuhren ihn in eine nahe gelegene illegale Siedlung. Sie fesselten seine Arme und Beine mit Plastikbändern, hängten ihn an einen Baum und schlugen ihn mit einem Stock. Tareq Z. wurde bewusstlos und wachte blutend in einem Militärjeep auf. Die Soldaten, die ihn abholten, riefen seinen Onkel an, um ihn zu holen, boten dem verletzten Jungen aber keine medizinische Hilfe an. Keiner der Angreifer wurde festgenommen.
 
Dieser Angriff ist nur einer von vielen organisierten oder halb-organisierten Angriffen von Kolonisten auf palästinensische Dörfer (siehe BIP-Aktuell #162). Anfang August wurde bekannt, dass am 26. Juni ein Kolonist mit einem Gewehr, das er einem israelischen Soldaten abgenommen hatte, das Feuer auf unbewaffnete Palästinenser eröffnete. Der Soldat leistete dem Video zufolge keinen Widerstand. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) stellt die Gewalt der Siedler im Westjordanland eine ständige Bedrohung der Sicherheit der Palästinenser*innen dar. In den Berichten von OCHA für den Zeitraum vom 28. Juli bis zum 7. September 2020, also vor einem Jahr, wurden 26 Angriffe von Siedlern verzeichnet, bei denen ein Palästinenser getötet und vier verletzt wurden, Dutzende von Schafen wurden getötet oder verletzt, Ernten, Fahrzeuge und Gebäude zerstört und rassistische Graffiti gesprüht. In den OCHA-Berichten für den Zeitraum vom 27. Juli bis zum 6. September 2021 wurden 20 Angriffe von Kolonisten verzeichnet, bei denen sechs Palästinenser*innen verletzt wurden; es kam zu einer weiteren Zerstörung von Ernten, Diebstahl und Zerstörung von landwirtschaftlichen Geräten.
 

Neujahrsfeier des Jescha-Rates (der Dachorganisation der Kolonien) zusammen mit allen Divisionskommandeuren des israelischen Militärs. Quelle: IDF, 2019, Wikipedia.
 
Die Wut und Aggressivität der rechtsgerichteten kolonialen Bewegungen in Israel ist immens. Naftali Bennett, der früher dem Jescha-Rat, der Dachorganisation der Gemeinden der illegalen Kolonien, vorstand, ist Ministerpräsident geworden und steht an der Spitze einer Koalition, der auch linke Parteien und sogar eine arabische Partei angehören. Bennetts Rolle beim Sturz Netanjahus wurde von vielen seiner Wähler als ein Akt des Verrats angesehen, ein Mitglied seiner eigenen Partei stimmt daher offen gegen ihn. Die israelischen Sicherheitskräfte haben in der Folge Drohungen gegen Bennetts Leben registriert.
 
Obwohl Bennett weiterhin gegen die Gründung eines palästinensischen Staates ist, wurde seine Erklärung, Israel werde weiterhin das „natürliche Wachstum“ der Kolonien zulassen, von den Kolonisten als Bruch seines Versprechens interpretiert, die Kolonien schneller zu erweitern und das C-Gebiet zu annektieren. Die israelische Regierung erteilte vor kurzem eine vergleichsweise kleine Anzahl (ungefähr 1.000) von Baugenehmigungen für Palästinenser*innen im C-Gebiet, eine symbolische Geste, die jedoch von den Siedlern scharf kritisiert wurde (Quelle auf Hebräisch).
 
Die Kolonisten haben in den letzten Jahren eine Politik entwickelt, die sie „tag mekhir“ („Preisschild“) nennen. Diese Politik bedeutet, dass sie, wenn sie mit der Siedlungspolitik der israelischen Regierung, die sie als „links“ ansehen, im Westjordanland nicht zufrieden sind oder wenn sie der Meinung sind, dass die israelische Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde zu freundlich gesinnt ist, Selbstjustiz an zufällig ausgewählten Palästinensern üben, indem sie Menschen töten, Eigentum zerstören, Angriffe verüben und Graffiti sprühen.
 
Gemäß der Vierten Genfer Konvention, die auch Israel unterzeichnet hat, werden Einheimische eines eroberten Landes als „geschützte Personen“ definiert. Die Verantwortung für den Schutz dieser Bevölkerung liegt beim Militär der Besatzungsmacht. Der Polizei der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland ist es strengstens untersagt, sich mit israelischen Siedlern anzulegen, und sie darf im C-Gebiet, wo die meisten Angriffe der Siedler stattfinden, überhaupt nicht operieren.
 

Kolonisten und Soldaten Seite an Seite in Burin. Quelle: ISM, 2009, Wikipedia.
 
Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz müsste sich eigentlich seiner Verantwortung stellen: Die Gewalt der Kolonisten wird von ihm aber nicht verurteilt, und er hat das Militär nicht angewiesen, Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Einhalt zu gebieten, so dass die Soldaten im besten Fall die Augen vor der Gewalt verschließen oder sie im schlimmsten Fall aktiv unterstützen und sich sogar an ihr beteiligen. Die israelische Menschenrechtsorganisation Yesh Din („Es gibt ein Recht“)  hat 63 Vorkommnisse in der Zeit von 2017 bis 2020 untersucht und festgestellt, dass in keinem Fall Anklage gegen die Kolonisten erhoben wurde.
 
Am 13. Juli veröffentlichte eine Gruppe von 100 israelischen Soldat*innen, die ihren regulären Militärdienst absolviert haben, darunter viele, die gegenüber Breaking the Silence ausgesagt haben, einen offenen Brief, in dem sie Verteidigungsminister Gantz und den Minister für innere Sicherheit, Omer Bar-Lev, auffordern, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gewalt der Kolonisten zu beenden. Einer der Unterzeichner, der Fallschirmjäger-Offizier Snir Klein, berichtete in der Zeitung Ynet, dass ihm nie gesagt wurde, es sei Teil seiner Verantwortung, Palästinenser*innen unter der Besatzung zu schützen. Er schrieb: „Vor Ort weiß die Armee, wie sie palästinensische Gewalt stoppen kann, und vermeidet es, jüdische Gewalt zu stoppen. Diese Situation schützt ein Verbrechen und ist ein Verbrechen an sich und ein weiterer Aspekt der Apartheid, die wir in den besetzten Gebieten geschaffen haben“.
 
Weder Benny Gantz noch Omer Bar-Lev haben auf das Schreiben geantwortet.
 
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Wir laden Sie ein zum online-Vortrag unseres Geschäftsführers Dr. Shir Hever am 4. Oktober um 19 Uhr. Das Thema  heißt: „Die israelische Ein-Stimmen-Mehrheitskoalition und ihre Bedeutung für Israelis und Palästinenser:innen“:
https://bibjetzt.wordpress.com/2021/09/15/die-israelische-ein-stimmen-mehrheitskoalition-und-ihre-bedeutung-fur-israelis-und-palastinenserinnen/
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Palästina-Nahost Initiative Heidelberg und Nahostgruppe Mannheim statt.
 
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

Kollektive Bestrafung durch israelische Massenverhaftungen, einschließlich der Familienangehörigen von Gefangenen, die in Jenin geflohen sind
Palestine Update schreibt:
Die Palästinenser weisen darauf hin, dass solche Handlungen auch einen Akt der Verfolgung der geschützten Bevölkerung darstellen können, wenn sie als Teil eines weit verbreiteten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen werden. In Anbetracht der umfangreichen Verhaftungen und der geografischen Ausdehnung von Jenin bis Jerusalem könnte dies durchaus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden. Insbesondere Artikel 7(1)(h) des Römischen Statuts stellt Verfolgung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof unter Strafe. Die willkürliche Verhaftung und rechtswidrige Inhaftierung von Palästinensern als Angehörige einer rassischen Gruppe stellt einen unmenschlichen Akt der Apartheid dar, der ebenfalls ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist und durch das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid verboten wird. Al-Haq fordert die internationale Gemeinschaft auf, einzugreifen, um eine humane Behandlung aller Gefangenen zu gewährleisten, und Drittstaaten aufzufordern, gemeinsam darauf hinzuwirken, dass Israels illegales Apartheidregime und das System der Masseninhaftierung von Palästinensern, das es zur Segregation der Bevölkerung einsetzt, zerschlagen wird, da es dem palästinensischen Volk als Ganzes weiterhin das Recht auf Selbstbestimmung verweigert.“
Quelle: Palestine Update 497 vom 22. September 2021, https://palestineupdates.com/youth-in-the-struggle-for-a-new-future/
 
Israelische Grenzpolizisten stürmen  das Haus einer Bewohnerin von Beit Ummar, befiehlt ihr, auf dem Dach zu stehen, während sie mit Steinen beworfen werden
Am Freitagnachmittag, den 30. Juli 2021, wurde Shawqat ‚Awad, ein Bewohner von Beit Ummar im Bezirk Hebron, der von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurde, im Dorf beigesetzt. Während der Beerdigung griffen die israelischen Sicherheitskräfte die Teilnehmer an, die sie mit Steinen bewarfen. Manal ‚Awad, eine Dorfbewohnerin, stand auf dem Dach ihres Hauses mit Blick auf die Hauptstraße des Dorfes und beobachtete die Zusammenstöße.
Als sie sah, dass sich Soldaten und Grenzpolizisten ihrem Haus näherten, eilte sie zurück ins Haus. Ihre fünf Kinder im Alter von 2 bis 13 Jahren befanden sich im Haus. Die Soldaten und Grenzpolizisten drangen gewaltsam in ihr Haus ein und befahlen ihr, mit ihnen auf das Dach zu gehen. Manals verängstigte Kinder wurden allein im Haus gelassen. Auf dem Dach angekommen, befahlen die Soldaten und Grenzpolizisten Manal, sich neben sie zu stellen, während sie Tränengaskanister und gummiummantelte Metallgeschosse auf Anwohner auf der Straße abfeuerten, die sie mit Steinen bewarfen. Awad wurde mitten in der Konfrontation eine Stunde lang ohne jeglichen Schutz am Tatort festgehalten und musste für die Einsatzkräfte militärische Gegenstände die Treppe hinauftragen.
Das Militär hat während der Zweiten Intifada ganz offen palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzt, obwohl der Oberste Gerichtshof Israels bereits im Jahr 2005 entschied, dass jeglicher Einsatz von palästinensischen Zivilisten bei Militäroperationen verboten ist. Die Soldaten befahlen Palästinensern, die willkürlich ausgewählt wurden, militärische Befehle auszuführen, die eine echte Gefahr für ihr Leben darstellten, z. B. verdächtige Gegenstände von den Straßen zu entfernen, Menschen aufzufordern, aus ihren Häusern zu kommen, damit das Militär sie verhaften kann, sich vor die Soldaten zu stellen, während diese hinter ihrem Rücken schossen, und vieles mehr.
https://www.btselem.org/human_shields/20210914_border_police_officers_use_palestinian_woman_in_beit_omar_as_human_shield

Muhammad Hassan versuchte, das Haus seines Bruders vor einer Invasion von Siedlern und Soldaten zu verteidigen – und bezahlte dafür mit seinem Leben
Am Samstag, dem 3. Juli 2021, gegen 18.00 Uhr, drang eine Gruppe von etwa sieben Siedlern, einige maskiert und einige mit Knüppeln bewaffnet, in das Dorf Qusrah südöstlich von Nablus ein. Sie begannen, das Haus der Familie ‚Odeh mit Steinen zu bewerfen. Mehrere Dorfbewohner kamen in das Gebiet und warfen Steine auf die Siedler, um das Haus zu verteidigen und sie zu vertreiben. Etwa 15 Minuten später trafen vier Soldaten und etwa 20 Siedler ein, die sich den Steinwürfen auf das Haus anschlossen. Nach einer Weile gingen die Siedler und Soldaten zu einem im Bau befindlichen Haus von ‚Ali Hassan und warfen Steine auf dieses und ein benachbartes Haus. Alis Bruder, Muhammad Hassan (21), arbeitete zu diesem Zeitpunkt auf dem Dach und warf Steine auf die Siedler, um sie abzuwehren. Hassan, der hinter einem Zaun auf dem Dach Zuflucht gefunden hatte, wurde mehrere Minuten lang mit Steinen von Kolonisten beworfen, während derer die Soldaten und Siedler in der Nähe des Hauses standen, offenbar ohne echte Sorge um ihre Sicherheit. Während die Steinwürfe auf Hassan weitergingen, richtete einer der Soldaten seine Waffe auf ihn und eröffnete das Feuer, wodurch er in die Schulter getroffen wurde. Hassan stürzte auf das Dach. Unmittelbar danach betraten mehrere Siedler das Erdgeschoss und zertrümmerten Bodenfliesen, die für das neue Haus bestimmt waren. https://www.btselem.org/firearms/

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand un dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. 
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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