Den Unterschied zwischen Marketing und Berichterstattung erkennen
Die israelische Rüstungsindustrie arbeitet intensiv daran, die Exporte in einer Zeit der tiefen Wirtschaftskrise in Israel zu steigern. Die Marketingstrategie der israelischen Rüstungsindustrie beruht auf einem Hype und dem Ruf des israelischen Militärs. Da die Gewalt des israelischen Militärs sich hauptsächlich gegen Zivilisten richtet, sind die wichtigsten Kunden der israelischen Waffen zumeist autoritäre Regime, die diese Waffen ebenfalls gegen Zivilisten einsetzen. Für das Arrow3-System zahlt Deutschland 4 Milliarden Euro, obwohl es versprochen hatte, nicht mehr als 3 Milliarden zu zahlen.
Während sich die israelische Wirtschaft aufgrund der sogenannten Justizreform und des Vertrauensverlusts internationaler Investoren in einer tiefen Krise befindet (siehe BIP-Aktuell #251), wird die Ausfuhr von Waffen zu einem Exportschlager und zu einer wichtigen Devisenquelle. Der Vizepräsident für internationales Marketing und Geschäftsentwicklung des größten israelischen Rüstungsunternehmens Elbit Systems, Ran Kril, gab der israelischen Zeitung TheMarker (die zu Haaretz gehört) ein Interview, das von Elbit Systems bezahlt wurde, um die Botschaft des Unternehmens zu verbreiten. In diesem Interview sagte Kril, dass Israels Waffenexporte wegen des Krieges in der Ukraine und wegen des Abraham-Abkommens, das neue Märkte für israelische Waffen eröffnet, boomen (Quelle auf Hebräisch).
Screenshot aus dem NTV-Artikel.
Es ist daher interessant, dass die deutsche Zeitung NTV (die zum gleichnamigen Fernsehsender gehört) einen Artikel veröffentlicht hat, der israelische Militärtechnologie bewirbt. In dem Artikel stellt sich heraus, dass die von den israelischen Wissenschaftlern angebotene Wundertechnologie nicht zur möglichen Verbesserung des Lebens, zum Beispiel in der Medizin, sondern zum Töten von Menschen gedacht ist. Der Schwerpunkt des Artikels liegt auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Militär. Er bezeichnet den Angriff auf den Gazastreifen in diesem Jahr als „Minikrieg“ und behauptet, dass die israelischen Waffen bei diesem Angriff von Künstlicher Intelligenz gesteuert wurden.
Bei dem israelischen Angriff auf Gaza „Operation Schild und Pfeil“ im Mai dieses Jahres (siehe BIP-Aktuell #260) wurden drei palästinensische Kämpfer sowie zehn unbeteiligte Zivilisten getötet und zwanzig Zivilisten verletzt.
Sophia Goodfriend hat in ihrem Artikel für das +972 Magazine ebenfalls über den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) durch das israelische Militär berichtet, allerdings aus einer kritischen Perspektive. Sie warnt davor, dass die Lenksysteme der KI die israelischen Waffen tödlicher machen und dass sie von den israelischen Offizieren wie ein Spielzeug behandelt werden, das ohne Rücksicht auf das Leben wehrloser Zivilisten eingesetzt wird.
Sowohl der Artikel von NTV als auch der von Goodfriend berufen sich auf dieselbe Quelle – das israelische Militär selbst, das sich rühmt, KI einzusetzen. Aber kann man dem israelischen Militär glauben? Israel hinkt in der Tat in der Technologie der künstlichen Intelligenz hinterher, aber die Behauptung, dass diese Technologie in seine Waffen eingebaut ist, ist Teil der gleichen Marketingbemühungen, die Elbit Systems unternimmt.
KI ist eine sich schnell entwickelnde Technologie, die selbst von ihren eigenen Entwicklern nicht vollständig verstanden wird. In einer Weltrangliste der Länder, die auf der Grundlage ihrer „Bereitschaft“ für KI erstellt wurde, werden die Länder nicht nach den Fähigkeiten ihrer KI-Systeme eingestuft, sondern nach ihrer Fähigkeit, diese gefährliche Technologie zu regulieren und zu kontrollieren. Während die Europäische Union rasch neue Vorschriften zum Schutz der Bürgerrechte vor potenziellem Missbrauch durch Systeme der KI einführt, hat Israel bereits 2022 beschlossen, dass es keine Gesetze zur Regulierung der KI vorantreiben wird (Quelle auf Hebräisch).
Obwohl die israelischen Rüstungsunternehmen intensiv daran arbeiten, das Image Israels als führendes Land in der Militärtechnologie zu stärken, haben Länder, die von diesem Hype überzeugt waren, dies inzwischen bereut, wie z. B. Georgien, das sich während des Krieges gegen Russland 2008 stark auf israelische Waffen verlassen hat. Andere wichtige Abnehmer israelischer Waffen setzen diese jedoch hauptsächlich gegen Zivilisten ein, gegen Flüchtlinge, Demonstranten oder Menschenrechtsaktivisten, die unbewaffnet sind und sich nicht selbst verteidigen können. Zu diesen Kunden gehören vor allem Indien, Myanmar und die Philippinen.
Bei dem Versuch Israels, seine Waffenverkäufe zu steigern und die Wirtschaft zu stabilisieren, erweist sich Deutschland gegenwärtig als wichtigster Kunde. Die deutsche Regierung hat beschlossen, das Raketenabwehrsystem Arrow3 zu kaufen, das von der staatlichen israelischen Firma IAI hergestellt wird. In einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU vom 7. März 2023 antwortete die Regierung am 27. März in der Antwort Nr. 23, dass die Regierung 3 Milliarden Euro für den Kauf von Arrow3 veranschlagt hat, der endgültige Preis aber noch verhandelt wird. Im Juni gab die Regierung jedoch bekannt, dass sie Arrow3 für 4 Milliarden Euro kaufen wird. Es ist möglich, dass IAI-Mitarbeiter, die der deutschen Sprache mächtig sind, die Antwort der Regierung an die CDU/CSU gelesen und beschlossen haben, einen exorbitanten Betrag für das System zu verlangen.
Das Arrow2-System wird in Rishon Letzion ausgestellt. Von Arrow3 gibt es keine Bilder. Quelle: 2008, BY-SA 3.0 Wikipedia.
Angesichts der enormen Kosten des Arrow3-Systems drängt die deutsche Regierung nun die Schweiz und Österreich, der Skyshield-Initiative beizutreten, einer Unterabteilung der NATO mit 15 Mitgliedsstaaten zur gemeinsamen Luftverteidigungskooperation, der auch Nicht-NATO-Mitglieder beitreten können.
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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Israel erweitert Gesetz, das es Dörfern und Städten erlaubt, Palästinenser abzuweisen
Das israelische Parlament hat in aller Stille ein Gesetz verabschiedet, das dazu führen könnte, dass palästinensische Bürger Israels in fast der Hälfte der kleinen Dörfer und Städte des Landes nicht mehr leben dürfen.
„Dem israelischen Parlament wird vorgeworfen, ein ´rassistisches` Gesetz verabschiedet zu haben, das palästinensische Bürger Israels in fast der Hälfte der kleinen Dörfer und Städte des Landes ausschließen würde. Das am Dienstag verabschiedete Gesetz über die so genannten ´Zulassungsausschüsse` würde eine umstrittene Rechtsvorschrift aus dem Jahr 2011 verschärfen, die es denselben Gremien – die sich aus Mitgliedern der örtlichen Gemeinschaft zusammensetzen – erlaubt, Bewerber für Wohnungen und Grundstücke in Hunderten von jüdisch- israelischen ´Gemeinden`, die auf staatlichem Grund und Boden errichtet wurden, zu prüfen. Menschenrechtsaktivisten haben betont, dass dies darauf abzielt, kleinen jüdischen Gemeinden die Macht zu geben, Palästinenser am Kauf oder der Anmietung von Wohnungen zu hindern. In Israel gibt es fast zwei Millionen palästinensische Bürger, die schätzungsweise 20 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen.
Das Gesetz erlaubt es den Ausschüssen offiziell nicht, Wohnungskandidaten aus Gründen der Rasse, Religion, des Geschlechts, der Nationalität, einer Behinderung, des Standes, des Alters, der Abstammung, der sexuellen Orientierung, des Herkunftslandes, der Ansichten oder der Parteizugehörigkeit abzulehnen. Der Wortlaut des Gesetzes von 2011 erlaubt es den Ausschüssen jedoch, Kandidaten abzulehnen, die sie für ´unpassend für das soziale und kulturelle Gefüge` der Gemeinschaft halten.´ In der Praxis hat diese Befugnis zum Ausschluss palästinensischer Bürger Israels aus diesen Gemeinden geführt, die auf staatlich kontrolliertem Land errichtet wurden`, erklärte Adalah, das Zentrum für die Rechte arabischer Minderheiten in Israel, in einer Erklärung nach Verabschiedung des Gesetzes. Hassan Jabareen, der Gründer von Adalah, ist besorgt über die jüngste Gesetzgebung des Zulassungsausschusses und Israels Justizreformpläne, die das Gericht für politische Einmischung öffnen sollen. Im Jahr 2012 verklagte Adalah die israelische Regierung mit dem Argument, das Gesetz über die Zulassungsausschüsse sei ein rassistisches Gesetz, das sich vor allem gegen Palästinenser richte. Vier Mitglieder des Obersten Gerichtshofs Israels stimmten dem zu, während fünf Mitglieder der Meinung waren, es sei noch zu früh, um in dieser Angelegenheit zu entscheiden.
Da das israelische Parlament nun die Zahl der Städte erweitert, die prüfen können, wer in ihrer Gemeinde lebt, ´sprechen wir über fast die Hälfte der Städte im Land`, die für Palästinenser potenziell tabu sind, so Jabareen. Mit der jetzt beschlossenen Erweiterung von bislang 400 Haushalten wird diese Grenze auf Gemeinden mit bis zu 700 Haushalten angehoben, und nach fünf Jahren kann der Minister für Wirtschaft und Industrie die Zahl der Zulassungsausschüsse auf Städte mit mehr als 700 Haushalten erhöhen.
Angesichts der hohen Konzentration von Palästinensern, die im Norden und Süden des Landes leben, liegt der Schluss nahe, dass das Gesetz sorgfältig darauf abzielt, eine demografische Vorherrschaft der Juden zu sichern. ´Wir sprechen hier eindeutig über ein Land, das beschlossen hat, ein Apartheidstaat innerhalb der grünen Linie zu sein`, sagte Jabareen und bezog sich dabei auf die Grenzen Israels vor 1967. ´Ein großer Teil dieses Landes ist für arabische Bürger nicht zugänglich.`
´Seltsam ist, dass dieses Gesetz gestern ohne jegliche Aufmerksamkeit der Medien oder der Öffentlichkeit [in Israel] verabschiedet wurde. Es wird immer einfacher, die Rechte von Arabern zu verletzen`, fügte Jabareen hinzu. Neben den Politikern der beiden arabischen Parteien im Parlament stimmten nur zwei Abgeordnete der oppositionellen Arbeiterpartei gegen das Gesetz, alle anderen stimmten dafür. Ahmad Tibi, ein palästinensischer Abgeordneter des israelischen Parlaments, der gegen das Gesetz gestimmt hat, erklärte gegenüber MEE [Middle East Eye], dass jüdische Gemeinden bei der Vergabe von Wohnraum und Land weiterhin bevorzugt behandelt würden, während ´in Galiläa oder in anderen Teilen Israels noch nie ein neues arabisches Dorf errichtet worden ist`.
´Der Bauplanungsprozess in Israel ist zionistisch und ideologisch geprägt, was zu einer Entfremdung und Feindseligkeit gegenüber der arabischen Bevölkerung führt`, sagte Tibi. Im Laufe der Jahre habe Israel eine Reihe verschiedener Instrumente eingesetzt, um Palästinenser an der Ausweitung ihrer Gemeinden zu hindern, so Tibi. Im Jahr 2017 wurde das Kaminitz-Gesetz verabschiedet. Es verhängte strenge Strafen für Bauarbeiten, die es als illegal erachtete, aber Aktivisten sahen darin eine Bestrafung der Palästinenser des Landes, die nur selten die Erlaubnis erhalten, ihre Häuser zu erweitern.
´Arabische Städte haben das Recht, für ihre Zukunft zu planen`, sagte Tibi. ´Es gibt einen Mangel an Land für junge Paare, und es werden keine Grundstücke zur Verfügung gestellt.` ´Einige der jungen Araber gehen in andere Städte, gemischte Städte oder jüdisch-israelische Städte, aber dieses Gesetz der Zulassungsausschüsse hindert sie daran, Hunderte von Städten und Dörfern mit nationaler Priorität zu betreten`, fügte er hinzu. ´Ich befürchte, dass dieses Verbot auf gemischte Städte ausgeweitet wird und es jüdische Viertel geben wird, die Araber ausschließen.`
Von Lubna Masarwa in Jerusalem und Elis Gjevori in Istanbul https://www.middleeasteye.net/news/israel-palestine-admissions-committees-law-expanded
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