BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
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Eine koordinierte Diffamierungskampagne gegen die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina

Zwei israelische Ministerien koordinieren eine Hetzkampagne gegen die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese. Die persönlichen Angriffe beruhen auf Lügen mit dem Ziel, sie aus ihrem Amt zu entfernen.

Israelische „Hasbara„-Organisationen diskreditieren die Rolle des Sonderberichterstatters für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten Palästinensischen Gebieten. Hasbara ist die israelische Propagandakampagne (siehe BIP-Aktuell #174). Das Amt des Sonderberichterstatters wurde von den Vereinten Nationen geschaffen, um die von Israel begangenen Menschenrechtsverletzungen an Palästinensern zu überwachen und zu dokumentieren. Das Amt, das ehrenamtlich ausgeübt wird, wurde von 2016 bis 2022 von Michael Lynk besetzt und wird derzeit von Francesca Albanese ausgeübt.




Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, Quelle: OHCR.

Albanese stellt fest, dass der Staat Israel sich des Verbrechens der Apartheid schuldig gemacht hat. Israel sei ein Siedlerkolonialstaat, der für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den besetzten Palästinensischen Gebieten bisher nicht zur Rechenschaft gezogen wird.

Albanese ist seit ihrem Amtsantritt im Mai 2022 wie auch schon ihre Vorgänger auf heftigen Widerstand gestoßen. Im Dezember verschärfte die Hasbara-Plattform der israelischen Regierung, ACT-IL, den Angriff auf sie, als sie mit einer Albanese diskriminierenden Kampagne ihre Entlassung aus dem Amt forderte; eine ähnliche Petition auf Change.org folgte.

Anfang dieses Monats eskalierte die Kampagne in einem Shitstorm von zeitgleich veröffentlichten Hetzartikeln und Tweets. Das kürzlich wiedereröffnete israelische Ministerium für strategische Angelegenheiten (Quelle auf Hebräisch) finanziert NROs, um indirekt israelische Narrative zu verbreiten, ohne dass die israelische Regierung ersichtlich ihre Finger im Spiel hat. So auch NGO Monitor, die Organisation, die auch hinter der Fälschung von Beweisen gegen sechs palästinensische zivilgesellschaftliche Organisationen (siehe BIP-Aktuell #193) sowie das International Legal Forum (ILF) steht.

Mehrere hasserfüllte Artikel, in denen Albanese des Antisemitismus beschuldigt wurde, wurden zwischen dem 9. und 12. April in der Times of Israel (die die Change.org-Petition gegen Albanese verstärkte), in World Israel News, dem Washington Free BeaconJewish News SyndicateEuropean Jewish Press, The Jerusalem Post und The Foreign Desk veröffentlicht. Die Artikel fielen mit einer Twitter-Kampagne zusammen, die UN-Generalsekretär Guterres und den UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk unter Druck setzte, Albanese zu entlassen.

Die Artikel enthielten glatte Lügen, beschuldigten Albanese ohne jeden Beweis des Antisemitismus und behaupteten, sie habe „die Hamas zur Gewalt angestiftet“, weil sie eine Konferenz, an der sie teilgenommen hatte, fälschlicherweise als eine „von der Hamas gesponserte“ Konferenz dargestellt hatten. Zudem habe sie „antijüdischen Terrorismus gebilligt“, weil Albanese das Recht der Palästinenser auf Selbstverteidigung bekräftigt habe.

Carinne Luck, Internationale Direktorin der Diaspora Alliance, hat BIP gesagt:

„Die unerbittliche Kampagne der israelischen Regierung und ihrer Unterstützer, die Anwendung der Universalen Menschenrechte und das Mandat des Sonderberichterstatters im Namen der Bekämpfung des Antisemitismus zu untergraben, schadet nicht nur Palästinensern und Israelis, sondern trägt auch nicht zum Schutz der Rechte und der Sicherheit der jüdischen Bevölkerung bei. Eine solche Verquickung von Antisemitismus mit Kritik an Israel macht es nur schwieriger, Antisemitismus zu erkennen, wenn er auftritt.“



Das israelische Ministerium für Diaspora-Angelegenheiten schloss sich am 14. April dem Ministerium für strategische Angelegenheiten an, als Minister Amichai Chikli enthüllte, dass die israelische Regierung aktiv an der Kampagne beteiligt ist. Chikli ist ein offen rassistischer Politiker, der unter der früheren israelischen Regierung gegen seine Jamina-Partei stimmte, nachdem diese sich auf die Bildung einer Koalition mit einer arabisch-palästinensischen Partei geeinigt hatte. Wegen seiner rassistischen und antidemokratischen Ansichten wurde in Berlin eine große Demonstration gegen Chikli organisiert, die seinem Besuch der Internationalen Konferenz über Antisemitismus zuvorkam. Er flog nach Israel zurück, ohne an der Veranstaltung teilgenommen zu haben (Quelle auf Hebräisch).




Minister für Diaspora-Angelegenheiten Amichai Chikli. Quelle: Reuven Kopisinski, 2022, Wikipedia.

Nicola Perugini, außerordentlicher Professor für internationale Beziehungen an der Universität Edinburgh, erklärte gegenüber BIP:

„Der Versuch, die Eroberung und Enteignung von Land als Akt der Selbstverteidigung zu rechtfertigen, ist ein immer wiederkehrendes Merkmal von Siedlerkolonialregimen. Seit der UN-Erklärung von 1960 über die Gewährung der Unabhängigkeit für koloniale Länder und Völker ist sich die internationale Gemeinschaft einig, dass dem Kolonialismus ein Ende gesetzt werden muss und dass kolonisierte Völker ein Recht auf Widerstand haben. Wie kann man verteidigen, was beendet werden muss?“

Sid Shniad, Gründungsmitglied von Independent Jewish Voices Canada, erklärte gegenüber BIP:

„Die verstorbene Knessetabgeordnete Shulamit Aloni erklärte, dass die Anhänger Israels auf Kritik an der israelischen Misshandlung von Palästinensern oft mit der Behauptung reagieren, dass diejenigen, die diese Kritik äußern, Antisemitismus betreiben. Die jüngste Anwendung dieser Taktik zeigt sich in der gegenwärtigen Kampagne gegen Francesca Albanese, die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die besetzten Palästinensischen Gebiete. Frau Albanese befindet sich in guter Gesellschaft, wenn man bedenkt, dass mehrere frühere Berichterstatter sowie Amnesty International und Human Rights Watch mit der gleichen Verleumdungskampagne belegt wurden.“

Francesca Albanese ist die erste Frau, die als Sonderberichterstatterin für Palästina fungiert. Auch ihre männlichen Vorgänger, Richard Falk, John Dugaard und der bereits erwähnte Michael Lynk, wurden von israelischen Beamten und israelfreundlichen Gruppen scharf angegriffen – insofern ist dieser gezielte und energische Versuch gegen Francesaca Albanese eine Fortführung der bisherigen israelischen Strategie.

Der Angriff auf Albanese kann nicht losgelöst von der in der israelischen rechtsextremen Regierung vorherrschenden Frauenfeindlichkeit betrachtet werden. Diese äußert sich in der geringen Zahl weiblicher Minister, im harten Durchgreifen der Regierung gegen Frauenrechte, das feministische Gruppen alarmiert hat, und in der Ernennung von May Golan, einer rechtsextreme Aktivistin, die öffentlich ihrer Wunsch geäußert hat, dass linke Frauen „von Ni***ern vergewaltigt“ werden (Quelle auf Hebräisch).

Die aktuelle Hasskampagne gegen Francesca Albanese fällt zeitlich mit dem für Muslime heiligen Monat Ramadan zusammen, in dem israelische Streitkräfte Gläubige in der Al-Aqsa-Moschee angegriffen, die Moschee entweiht und die Religionsfreiheit der Muslime verletzt haben. Anstatt auf die berechtigte Kritik der Sonderberichterstatterin Albanese einzugehen, versucht die israelische Regierung nun, die Spannungen mit den Palästinensern in einen religiösen Konflikt umzudeuten und jeden, der sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt, als Antisemiten zu denunzieren.

Francesca Albanese hat BIP gesagt:



„Dies ist weder das erste noch das letzte Mal, dass mein Mandat und meine Person angegriffen werden. Ein Apartheidregime kann, wie es der internationale Rechtsrahmen bestätigt, die Personen und Organisationen verfolgen, die sich ihm widersetzen. Ich muss mich weiterhin auf meine Arbeit und die Millionen von Menschen konzentrieren, die unter der Besatzung unterdrückt werden oder von ihr betroffen sind, sowie auf die vielen, die weltweit bedroht werden, weil sie die Besatzung anprangern.“

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Eine neue Folge von BIP-Gespräch ist da. Diese Woche sprechen wir mit Karin Wetterau, Mitglied des BIP.
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75 Jahre Israel – 75 Jahre Vertreibung der Palästinenser und Palästinenserinnen
Massaker in Deir Yassin

Die Vertreibung der Palästinenser begann bereits unmittelbar nach dem Teilungsbeschluss der UNO am 29. November 1947. Diese Vertreibungen und die Grausamkeiten wie das Massaker von Deir Yassin im April 1948 hatten nichts mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun – die arabischen Staaten erklärten Israel erst am 15. Mai 1948 den Krieg –, sondern waren Operationen nach den Richtlinien des Planes D.

Israel feiert im Jahr 2023 den 75. Jahrestag seiner Gründung am 14. Mai 1948. Palästinenser und Palästinenserinnen in den von Israel kontrollierten Gebieten und in der weltweiten Diaspora gedenken in diesem Zusammenhang ihrer damit verbundenen Vertreibung und Enteignung, der Nakba (wörtlich: „Katastrophe“).
Laut dem jüdisch-israelischen Historiker Ilan Pappe wurden bei der Besetzung der Ortschaften und den ethnischen Säuberungen Hagana-, Palmach- und Irgun-Truppen eingesetzt.

Im April 1948
wurde begonnen, Plan D (s. BIP-Aktuell 252) systematisch umzusetzen. Die Haganah begann mit der Eroberung ganz Jerusalems, einschließlich der palästinensischen Wohnviertel in West- und Ostjerusalem außerhalb der Altstadt sowie der Dörfer in den nördlichen und östlichen Vorstädten. Irgun und Haganah begannen die Offensive gegen Jaffa, die Stadt wurde Mitte Mai erobert. Die Haganah griff u.a. die Dörfer südöstlich von Haifa an, um die Stadt von ihrem Umland abzuschneiden, und besetzte sie. Die Straßenverbindung zwischen Tel Aviv und Jerusalem wurde erobert, die umliegenden Dörfer wurden weitgehend zerstört.

Im April

  • wurden 74 palästinensische Orte vollständig und 46 teilweise zerstört
  • wurde aus diesen Orten die gesamte Bevölkerung (fast 80.000 Palästinenser und Palästinenserinnen) vertrieben oder musste fliehen (nicht eingerechnet sind die aus den größeren Städten wie Tiberias, Haifa, Jaffa und Jerusalem bis dahin Vertriebenen)
  • wurden ca. 910 Palästinenser getötet, darunter Frauen und Kinder; für 11 Orte liegen keine Zahlen der Getöteten vor
  • wurden in 23 Orten Massaker oder Grausamkeiten („atrocities“) an den palästinensischen Einwohnern verübt.

Der „Atlas of Palestine“ berichtet

  • dass Palmach-Truppen, die von Yitzak Rabin, dem späteren israelischen Premierminister,  befehligt wurden, Beit Surik und Bidu in der Nähe von Jerusalem einnahmen und obwohl sie nicht auf Gegenwehr stießen, Häuser sprengten, wobei Dutzende von Menschen getötet wurden, die sich in den Häusern aufhielten;
  • über ein Massaker in Kafr Ana (Bezirk Lydda); betroffen waren vor allem ältere Menschen und Männer, die zu fliehen versuchten.

Eines der schlimmsten Massaker wurde am 9. April 1948 von Milizen der Haganah und der Irgun an den Einwohnern von Deir Yassin, westlich von Jerusalem, verübt, obwohl die Einwohner des Ortes sechs Jahre zuvor mit den jüdischen Gemeinden der Umgebung Freundschaft geschlossen hatten: „In der Geschichte der Haganah heißt es, dass sie ein Massaker verübten, `ohne zwischen Männern und Frauen, Kindern und alten Menschen zu unterscheiden`. Sie beendeten ihren Einsatz, indem sie einige der `Gefangenen`, die ihnen in die Hände gefallen waren, auf Autos luden und sie in einem `Siegeskonvoi` unter dem Jubel der jüdischen Massen durch die Straßen Jerusalems führten. Danach wurden diese `Gefangenen` in das Dorf zurückgebracht und getötet. Unter den Opfern waren Männer, Frauen und Kinder, insgesamt 245 Menschen. Die New York Times berichtete, dass etwa die Hälfte der Opfer Frauen und Kinder waren; weitere 70 Frauen und Kinder aus dem Dorf wurden verschleppt und später an die britische Armee in Jerusalem ausgeliefert.“
https://www.zochrot.org/villages/village_details/49106/en?Dayr_Yasin_

Der israelische Historiker Ilan Pappe (Die ethnische Säuberung Palästinas, S. 131) schreibt: „Damals verkündete die jüdische Führung stolz hohe Opferzahlen, um Deir Yassin zum Epizentrum der Katastrophe zu machen – eine Warnung an alle Palästinenser, dass sie ein ähnliches Schicksal erwartete, wenn sie sich weigern sollten, ihre Häuser zu verlassen und die Flucht zu ergreifen.“

In den nächsten Monaten werden wir in BIP Aktuell weiterhin an die wichtigsten Ereignisse der Nakba erinnern.

BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

17. April – Tag der palästinensischen politischen Gefangenen:
Israel setzt separate, rassistische Maßnahmen für palästinensische Gefangene als kollektive Vergeltung ein

„Heute begeht Adalah den Tag der palästinensischen Gefangenen, um auf die Notlage der in israelischen Gefängnissen inhaftierten Palästinenser hinzuweisen, deren Zahl derzeit auf 4.900 geschätzt wird. Israel geht immer wieder gegen palästinensische Gefangene vor, indem es willkürliche Gesetze und Maßnahmen anwendet und grausame, unmenschliche Maßnahmen explizit gegen diese Gefangenen einsetzt.

Der 21-jährige palästinensische Gefangene Ahmad Manasra wurde im Alter von 13 Jahren wegen versuchten Mordes verhaftet. Eine Änderung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes von 2016 ermöglichte es dem Bewährungsausschuss, rückwirkend zu entscheiden, dass Ahmads Handlungen, selbst als Minderjähriger, einen „Terrorakt“ darstellten, so dass er trotz seines sich verschlechternden Gesundheitszustands, der eine sofortige medizinische Behandlung außerhalb des Gefängnisses erfordert, nicht für eine vorzeitige Entlassung in Frage kam. Die Berufung von Adalah beim Obersten Gerichtshof gegen die Entscheidung einer unteren Instanz, ihm die vorzeitige Entlassung zu verweigern, wurde abgewiesen. Nach internationalem Recht ist eine rückwirkende Bestrafung unzulässig.

Manasras Fall ist ein Beispiel für die unmenschlichen Bedingungen, unter denen palästinensische Gefangene, darunter auch Minderjährige, in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, deren Leben auf dem Spiel steht, und zeigt, wie Israel gesonderte Rechtsmechanismen schafft, die nur auf Palästinenser angewandt werden.

Manasra wird seit fast eineinhalb Jahren in Einzelhaft gehalten, obwohl bei ihm Schizophrenie diagnostiziert wurde, und im März 2023 verlängerte das Gericht seine Einzelhaft um weitere sechs Monate. Unter Berufung auf einen Artikel des Anti-Terror-Gesetzes beschlagnahmte Israel auch die Einzahlungen von Manasras Familie auf sein Kantinenkonto (das ihm den Kauf lebenswichtiger Lebensmittel im Gefängnis ermöglicht), führte eine Razzia in der Wohnung seiner Familie durch und konfiszierte ihre Besitztümer. Die Bestimmung sieht vor, dass Israel Eigentum von palästinensischen Gefangenen beschlagnahmen kann, wenn diese von der Palästinensischen Autonomiebehörde Zulagen erhalten.

Eine Online-Kampagne zur Freilassung von Manasra hat an Schwung gewonnen, und eine Online-Petition zu seiner Freilassung wurde von rund einer halben Million Menschen unterzeichnet. Auch UN-Experten haben Israel aufgefordert, ihn unverzüglich freizulassen, da das „schlecht definierte und zu weit gefasste Gesetz zur Terrorismusbekämpfung zu vielen Fällen von Willkür und Missbrauch geführt hat“ und Manasras Fall „eine weitere moralisch und rechtlich nicht zu rechtfertigende Folge des Gesetzes ist“.“
https://www.adalah.org/en/content/view/10709?mc_cid=97fefd1fb2&mc_eid=6d98142289

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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