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Statt auf Beweise verlässt sich die israelische Regierung auf deutsche Komplizenschaft

Ende 2021 bezeichnete Israel sechs palästinensische zivilgesellschaftliche Organisationen als Terrororganisationen, ohne Beweise vorzulegen. Gegen diese Organisationen wurde eine aggressive Kampagne mit Spionage, Razzien und Abschiebung gestartet. Trotz anfänglicher Kritik schwankt Deutschland in seiner Verteidigung der palästinensischen Menschenrechtsgruppen und hat bei zwei Abstimmungen in der UN-Vollversammlung gegen die Anwendung des Völkerrechts auf die israelische Besatzung gestimmt. Die neue rechtsextreme israelische Regierung rechnet mit der deutschen Komplizenschaft bei ihrer Politik der De-facto-Annexion.

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Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen starten eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften von EU-Bürger*innen, um den europäischen Handel mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu beenden.
Die Europäische Bürgerinitiative ist ein offizielles Instrument, um die Stimmen der EU-Bürger zu verstärken und ihre demokratische Beteiligung zu verbessern. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres nach ihrem Start eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern in allen EU-Mitgliedstaaten sammelt, ist die Europäische Kommission gesetzlich verpflichtet, den Vorschlag zu prüfen, mit den Unterzeichnern zu diskutieren und gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) unterliegt EU-Regularien:
https://www.cidse.org/de/2022/04/07/take-action-to-end-european-trade-with-illegal-settlements/
Hier kann man teilnehmen.
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BIP berichtete über die Einstufung von sechs palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen als „Terrororganisationen“ ohne Beweise vom Oktober 2021 (siehe BIP-Aktuell #193) und später über die Reaktion von neun EU-Mitgliedern und Norwegen, die die haltlosen Anschuldigungen zurückwiesen (siehe BIP-Aktuell #222). Nachdem die Organisationen als Terrororganisationen eingestuft worden waren, drohte das israelische Verteidigungsministerium israelischen Anwälten, sie selber wegen Unterstützung des Terrorismus anzuklagen, falls sie versuchen sollten, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. Es wurde bekannt, dass der israelische Geheimdienst das Spionageprogramm Pegasus verwendet hat, um die Telefone der Mitarbeiter dieser sechs Organisationen zu hacken. Israelische Soldaten durchsuchten die Büros der sechs Organisationen sowie einer siebten. Die betroffenen Organisationen gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie sich verpflichten, sich weiterhin für die Verteidigung der Menschenrechte und die Beendigung der israelischen Besatzung einzusetzen.

Die Logos der sechs zu Unrecht des Terrorismus beschuldigten palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Nach einem Artikel von Christian Meier in der FAZ vom 15. Dezember schwankt die deutsche Regierung in ihrem Widerstand gegen das willkürliche und autoritäre Vorgehen der israelischen Regierung. Die Frage, wie mit der israelischen Aggression umzugehen ist, wurde vom Außenministerium an das Kanzleramt verwiesen, und es ist noch nicht entschieden, ob Deutschland palästinensische zivilgesellschaftliche Organisationen weiterhin finanzieren wird. Auch ist noch nicht klar, ob Deutschland irgendwelche Schritte unternehmen wird, um Israel aufzufordern, entweder Beweise für seine Anschuldigungen zu liefern oder die Anschuldigungen zurückzunehmen.

Das Jahr 2022 war das tödlichste Jahr im Westjordanland seit 18 Jahren, seit dem Ende der zweiten Intifada. Im Jahr 2022 wurden 220 Menschen bei israelischen Angriffen getötet, 167 davon im Westjordanland, zu dem auch Ostjerusalem gehört. 48 der Opfer waren Kinder, was die höchste Zahl von Todesopfern unter Kindern im Westjordanland seit 15 Jahren bedeutet. Die Organisation Defense for Children International – Palestine (DCI-P) gehört zu den sechs palästinensischen Organisationen der Zivilgesellschaft, die von den israelischen Behörden kriminalisiert werden, obwohl ihre Arbeit wichtiger denn je ist.

Im Jahr 2022 wurden im Westjordanland mehr als 3.000 Palästinenser verhaftet, und es wurden 1.829 Haftbefehle für eine Administrativhaft, d.h. Haft ohne jedes Rechtsverfahren, ausgestellt (siehe BIP-Aktuell #226). Die wichtigste Organisation, die sich für palästinensische politische Gefangene und deren Rechte einsetzt, ist Addameer, die auch eine der sechs betroffenen palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen ist. Ein führender Anwalt von Addameer, Salah Hammouri, wurde von den israelischen Behörden verhaftet und ohne Beweise angeklagt. Trotz internationalen Drucks und trotz der Tatsache, dass er französischer Staatsbürger ist, wurde er aus Palästina ausgewiesen, ohne dass die französische Regierung Gegenmaßnahmen ergriffen hätte.

Die Entscheidung, die palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen als Terrororganisationen zu bezeichnen, stammt von der vorherigen israelischen Regierung, als Benny Gantz Verteidigungsminister war. Aber in Wirklichkeit war es eine Politik, die von der rechtsextremen Organisation NGO Monitorformuliert wurde, die von Gerald Steinberg geleitet wird, einem engen Freund von Benjamin Netanjahu. Ironischerweise nutzte Netanjahu eine zivilgesellschaftliche Organisation, um von der Opposition aus Einfluss auf die Regierungspolitik zu nehmen, und sein Erfolg war ein Schlüsselelement seiner Strategie zur Rückkehr an die Macht. Organisationen der Zivilgesellschaft ohne Beweise terroristischer Aktivitäten zu beschuldigen und sie für Verbrechen zu bestrafen, die sie nicht begangen haben, ist Teil von Netanjahus Botschaft „das Gesetz ist das, was ich sage, dass es das Gesetz ist“ und „die Regierung kann die Gerichte bei der Urteilsfindung überstimmen“.

Salah Hammouri, der am 18. Dezember 2022 abgeschoben wurde, reichte eine Klage gegen das israelische Spionageunternehmen NSO Group ein. Quelle: Addameer.

Der Grund dafür, dass die palästinensischen Organisationen ins Visier genommen wurden, insbesondere Al-Haq, die größte palästinensische Menschenrechtsorganisation, liegt nicht darin, dass sie sich an terroristischen Aktivitäten beteiligt haben, sondern dass sie rechtliche Schritte gegen die israelische Besatzung eingeleitet haben. Jahrelang haben diese Organisationen Beweise für Kriegsverbrechen des israelischen Militärs und für die Verletzung des Völkerrechts gesammelt. Ihre Informationen waren ausschlaggebend für die Entscheidung der ehemaligen Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs Fatou Bensouda, eine Untersuchung gegen israelische Kriegsverbrechen einzuleiten, eine Untersuchung, die sowohl von der israelischen als auch von der deutschen Regierung abgelehnt wurde.

Der UN-Sonderuntersuchungsausschuss kam auf der Grundlage der von den sechs palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und insbesondere Al-Haq gesammelten Beweise zu dem Ergebnis, dass die israelische Besatzung keine vorübergehende Maßnahme in Kriegszeiten ist, sondern vielmehr ein fortlaufendes Projekt der Annexion und Kolonisierung (siehe BIP-Aktuell #239). Damit verstößt die Besatzung gegen die Vierte Genfer Konvention und ist illegal.

Am 11. November 2022 stimmte die UN-Generalversammlung mit großer Mehrheit für die Annahme der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses. Am 30. Dezember 2022 hielt die Generalversammlung eine weitere Abstimmung ab und stimmte mit großer Mehrheit dafür, die Untersuchung der Rechtswidrigkeit der Besatzung an den Internationalen Gerichtshof zu verweisen. Bei beiden Abstimmungen stimmte Deutschland mit einer kleinen Anzahl von Ländern gegen die Umsetzung des Völkerrechts.

Die neue israelische Regierung, die am 29. Dezember vereidigt wurde, ist extremistisch, gewalttätig und gefährlich. Der neue Außenminister Eli Cohen reagierte auf die Abstimmungen in der UNO mit den Worten, dass „die palästinensische Führung diejenige ist, die vor Gericht gestellt werden muss.“ Dem neuen Finanzminister Bezalel Smotrich wurde außerdem die Befugnis über die Militärregierung in den besetzten palästinensischen Gebiete übertragen, was ihn faktisch zum Gouverneur der besetzten Palästinenser macht. Dies unterstreicht für jedermann erkennbar, dass die Annexion in der Realität vollzogen wurde. Dies widerspricht eindeutig der Vierten Genfer Konvention. Ein Mitglied der Knesset aus Smotrichs Partei, Zvika Vogel, räumte ein, dass die Besatzung dauerhaft ist (Quelle auf Hebräisch). Das deutsche Abstimmungsverhalten in der UNO ist somit paradox und nimmt die Realität nicht zur Kenntnis.

Indem es seine Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen in Palästina selber in Frage stellt und gegen die Umsetzung des Völkerrechts stimmt, untergräbt Deutschland legale und friedliche Mittel des Widerstands gegen die israelische Aggression und die illegale Besatzung. Diese Politik schürt die Flammen der Gewalt im Nahen Osten.

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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

UNOCHA berichtet über die israelischen Menschenrechtsverletzungen im November/Dezember 2022
„Während des Berichtszeitraums wurde eine von Gebern finanzierte Schule im Süden Hebrons abgerissen, und eine weitere Schule erhielt eine Abrissverfügung. Am 23. November rissen die israelischen Behörden die von der EU finanzierte Schule Isfey Al Faqua ab, in der 21 Schüler aus drei Gemeinden im Süden Hebrons unterrichtet wurden, nachdem der israelische Oberste Gerichtshof eine einstweilige Verfügung zum Verbot des Abrisses aufgehoben hatte. Isfey Al Fauqa ist eine von 13 Hirtengemeinschaften mit rund 1 150 Menschen, von denen die Hälfte Kinder sind, und liegt in einem Gebiet, das von den israelischen Behörden als „Feuerzone 918“ in Masafer Yatta (Hebron) ausgewiesen wurde. Darüber hinaus erließen die israelischen Behörden am 29. November mit einer Frist von 96 Stunden eine Abrissverfügung gegen eine weitere, von der EU finanzierte Schule in Khashem al Karem im Süden Hebrons. Am 1. Dezember erwirkten die Rechtshilfepartner eine gerichtliche Verfügung gegen den Abriss, die 21 Tage lang gültig ist, solange in dieser Zeit keine weiteren Bauarbeiten an der Schule stattfinden.

In Ostjerusalem haben die israelischen Behörden 13 Gebäude abgerissen oder zum Abriss gezwungen, darunter neun Häuser, von denen vier von ihren Eigentümern abgerissen wurden, um die Zahlung von Geldstrafen zu vermeiden, die von den israelischen Behörden verhängt wurden. Im Jahr 2022 stieg der Anteil der Gebäude, die von ihren Eigentümern in Ostjerusalem aufgrund von Abrissverfügungen abgerissen oder versiegelt wurden, von 27 Prozent in den fünf Jahren zuvor auf 53 Prozent. Dies ist auf die neue israelische Gesetzgebung zurückzuführen, die die Eingriffsbefugnisse der israelischen Gerichte einschränkt und es der Jerusalemer Stadtverwaltung ermöglicht, Druck auf Familien auszuüben, damit diese ihre Häuser selber abreißen. Bei den vier Selbstabrissen in Ostjerusalem drohten die israelischen Streitkräfte den betroffenen Familien Berichten zufolge mit Gefängnis oder Geldstrafen, falls sie den Abriss nicht rasch abschließen würden.“
https://www.ochaopt.org/content/west-bank-demolitions-and-displacement-november-2022

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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