BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Aktuelle Beiträge

No more posts to show

Deutschland streicht die Mittel für zwei israelische zivilgesellschaftliche Organisationen

  1. Deutschland gegen israelische Friedensgruppen
  2. Erfreulich
  3. Israelische Truppen verhafteten und misshandelten eine palästinensische Menschenrechtsaktivistin. Der Vorwand? Ein auf ihrem Handy gefundenes Video

Die Bundesregierung entzieht der Nichtregierungsorganisation Kurve Wustrow und der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Fördermittel zur Unterstützung von zwei israelischen zivilgesellschaftlichen Organisationen: Zochrot und New Profile, zwei israelische NGOs, die sich für den Frieden und die Umsetzung des Völkerrechts einsetzen.

Kurve Wustrow und die Rosa-Luxemburg-Stiftung haben ihre Unterstützung für zwei israelische Organisationen der Zivilgesellschaft eingestelltZochrot und New Profile.


Logo von Zochrot.

Zochrot bedeutet auf Hebräisch „Frauen, die sich erinnern“. Die Organisation wurde 2002 gegründet, um der palästinensischen Nakba (der Vertreibung der Palästinenser seit 1947, siehe BIP-Aktuell #262) zu gedenken. Sie bringt z.B. Schilder und Markierungen in den zerstörten palästinensischen Gemeinden, die während der Nakba von den israelischen Streitkräften ethnisch gesäubert wurden, und in Straßen, deren Namen geändert wurden, um ihre palästinensische Geschichte auszulöschen, an. Zochrot sammelte Dutzende von Zeugenaussagen von Palästinensern, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, und von israelischen Soldaten, die an der ethnischen Säuberung und an den Operationen zur Tötung von Palästinensern, die versuchten zurückzukehren, beteiligt waren. Zochrot hat auch Pläne für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und für den nachhaltigen Wiederaufbau zerstörter Gemeinden als Teil der Umsetzung der Resolution 194 der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1948 entwickelt, in der das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr bestätigt wird. Eindrucksvoll dokumentiert wird ihre Arbeit in Lia Tarachanskys Dokumentation „On the side of the road“.

Zochrot veröffentlichte eine Erklärung als Reaktion auf die Kürzung ihrer Mittel, in der darauf hingewiesen wird, dass die deutschen Beamten in den Verhandlungen mit Zochrot wiederholt gefordert hätten, dass Zochrot das Existenzrecht Israels als „jüdischer und demokratischer Staat“ anerkennt. Die deutschen Beamten sagten auch, dass das Gedenken an die Nakba zwar in Ordnung sei, das Recht auf Rückkehr jedoch inakzeptabel sei.

Die Erklärung von Zochrot im Wortlaut:

„Erstens ist das Engagement für die Idee eines jüdischen Staates und nicht für die Sicherheit und das Wohlergehen aller Menschen, die in diesem Land leben, das Festhalten an einer suprematistischen Ideologie. Dies ist die falsche Lehre aus dem Völkermord, den das Nazi-Regime an Jüd:innen, Roma und Sinti begangen hat. Sie ist jetzt besonders ungeheuerlich, da sich ein weiterer Völkermord direkt vor unseren Augen abspielt. Deutschland macht sich nicht nur mitschuldig an dem laufenden Völkermord, sondern ist auch aktiv am antipalästinensischen Rassismus beteiligt, wie die Unterdrückung palästinensischer Äußerungen in Deutschland zeigt. Die Ablehnung des Rechts von Palästinenser:innen, die gewaltsam vertrieben wurden, in ihre Heimat zurückzukehren, ist ein weiterer Ausdruck dieses Rassismus.
Zweitens ist das Recht auf Rückkehr im Völkerrecht verankert. Insbesondere wurde das Recht auf Rückkehr für Palästinenser:innen vor Jahrzehnten von der UNO anerkannt. Die deutsche Regierung vernachlässigt nicht nur ihre Verpflichtung, dieses Recht aufrechtzuerhalten, sondern trägt auch dazu bei, Stimmen in der israelischen Gesellschaft zum Schweigen zu bringen, die für dieses Recht eintreten – Stimmen, die eine echte, dauerhafte Lösung und Gerechtigkeit anstreben. Zu behaupten, es sei wichtig, etwas über die Nakba zu lernen, und sich gleichzeitig zu weigern, sie als einen andauernden Prozess anzuerkennen oder auch nur darüber zu diskutieren, wie sie wiedergutgemacht werden kann, ist sowohl absurd als auch unehrlich.
Drittens kann die Wendung „ein jüdischer und demokratischer Staat“ nicht über Israels undemokratische Merkmale hinwegtäuschen, und sie kann auch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die begrenzten Freiheiten, die einige Israelis genießen, in immer schnellerem Tempo ausgehöhlt werden. Dazu gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht, zu protestieren und sich zu organisieren. Indem die deutsche Regierung Zochrot und anderen israelischen Organisationen die Unterstützung entzieht und palästinensische Organisationen nicht unterstützt, macht sie sich an dieser Aushöhlung ebenso mitschuldig wie an den Angriffen auf palästinensisches Leben.
Wir sind stolz darauf, eine führende Stimme zu sein, die sich für das palästinensische Recht auf Rückkehr einsetzt. Wir sind auch stolz auf unsere bahnbrechende Bildungsarbeit, die Tausende von Israelis für die Ungerechtigkeiten sensibilisiert hat, auf denen dieser Staat aufgebaut wurde. Seit Jahren setzen wir uns für eine Vision von wahrer Gerechtigkeit und Rückkehr ein. Unabhängig von der staatlichen Finanzierung bleibt unser Engagement unerschütterlich, und wir werden unsere Bemühungen fortsetzen, bis Palästina frei ist und alle hier lebenden Menschen – einschließlich der zurückkehrenden Flüchtlinge – in Frieden und Würde leben können.“



New Profile ist eine 1998 gegründete israelische Antimilitarismus-Organisation. „Profil“ heißt das Einstufungssystem nach der Musterung der Rekruten. Das höchstmögliche Profil ist 97, was eine Voraussetzung für Eliteeinheiten ist, aber jedes Profil über der Zahl 65 wird als „Kampfprofil“ eingestuft. Das Profil 21 erhalten Rekrutierungskandidaten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Dienst zugelassen werden können. Sechs Frauen gründeten New Profile, um sich für das Recht der Israelis einzusetzen, ein ziviles Leben zu führen und ihrem Gewissen zu folgen. New Profile wurde in Israel von den Behörden bereits 2009 verfolgt, ihre Büros wurden durchsucht und die Mitarbeiter verhaftet, weil ihnen vorgeworfen wurde, junge Israelis zur Wehrdienstverweigerung zu animieren. Das israelische Gesetz sieht bis zu fünf Jahre Gefängnis für diejenigen vor, die zur Wehrdienstverweigerung anstiften (Quelle auf Hebräisch). New Profile ist jedoch in Israel legal tätig. Die Organisation bietet Unterstützung für junge Israelis, die sich entschieden haben, den Militärdienst zu verweigern oder zu vermeiden. Sie behält daher ihren Status als gemeinnützige Organisation nach israelischem Recht. Laut einem Dokument des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das in Haaretz zitiert wurde (Quelle auf Hebräisch), argumentierte das Ministerium, dass New Profile eine „illegale Organisation“ sei.

New Profile reagierte auf die Entscheidung mit einer Stellungnahme:

„Die Einstellung der Finanzierung durch die deutsche Regierung gefährdet unsere Arbeit unmittelbar. […] Es ist ein weiterer Schlag gegen die essentielle Existenz zivilgesellschaftlicher Organisationen in einem Raum, der mit jedem Tag militaristischer und gehorsamer wird. […] Die Entscheidung der deutschen Regierung spielt der faschistischen Rechten und ihren Plänen für einen nicht enden wollenden Krieg in die Hände. Sie trägt zum anhaltenden Völkermord und zur gewaltsamen Unterdrückung des palästinensischen Volkes bei, das das erste und wichtigste Opfer der deutschen Politik der Unterstützung der ultrarechten Regierung Israels ist.“



Die Organisation Kurve Wustrow schreibt auf ihrer Website, dass sie für gewaltfreien Aktivismus in Palästina eintrete; dennoch sei es ihr von der deutschen Regierung untersagt, den gewaltfreien Aktivismus in Israel zu unterstützen.
Der Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv, Gil Shohat, sagte gegenüber Haaretz (Quelle auf Hebräisch), dass „die Entscheidung, die staatliche Genehmigung für die Zusammenarbeit mit diesen Organisationen zu verweigern, ein ungewöhnlicher und besorgniserregender Schritt ist, besonders in einer Zeit, in der fortschrittliche Organisationen hierzulande aufgrund der eingeschränkten Meinungsfreiheit im Staat ständige Unterstützung brauchen, […] es ist wichtig, diesen Schritt als Teil eines Trends zu verstehen, der die demokratischen Räume auch in Deutschland schrumpfen lässt, was die Situation in Israel und in Palästina betrifft.“




Das Logo von New Profile. Der Text lautet: „eine Bewegung für die Entmilitarisierung der israelischen Gesellschaft“.



Haaretz zitiert eine Quelle in der deutschen Regierung, die sagte, dass „Israels Sicherheit und sein Recht, als jüdischer Staat zu existieren, im Mittelpunkt der Überlegungen für jede Finanzierung stehen, insbesondere nach den Schrecken des 7. Oktober und dem weltweiten Anstieg des Antisemitismus“ (Quelle auf Hebräisch). In der Praxis unterstützt Deutschland die israelische Regierung weiterhin politischrechtlich und militärisch (siehe BIP-Aktuell #283), verweigert aber zwei der sehr wenigen Organisationen in Israel, die anerkennen, dass der israelische Angriff auf Gaza einem Völkermord gleichkommt, die Unterstützung.

*******************************************************                       
Werde Mitglied im Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. (BIP) und unterstütze unsere Arbeit. Jahresbeitrag für stimmberechtigte ordentliche Mitglieder 150 €, für Fördermitglieder 100 €. 
Ein Aufnahmeantrag ist an den Vorstand zu stellen: info@bip-jetzt.de.
Weitere Informationen: www.bip-jetzt.de
Wenn Sie die Arbeit von BIP unterstützen möchten – dies ist unser Spendenkonto: BIP e.V., IBAN:  DE 43  2545  1345  0051  0579  58, BIC NOLADE21PMT
Hier können Sie BIP-Aktuell abonnieren: https://bip-jetzt.de/blog/
*******************************************************
Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter steht an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!

BA 332 „Erfreulich“:

  • Sounds of Palestine ist ein Musik-Sozialprojekt in Bethlehem. Das Programm ist von der venezolanischen Musikschul-Bewegung „El Sistema“ inspiriert und nutzt Musikerziehung als Medium, um langfristige soziale Veränderungen für die beteiligten Kinder und Familien zu erreichen. Mit Angeboten wie Orchestergruppen setzt Sounds of Palestine einen Kontrapunkt zu Krieg, Gewalt, Angst und Perspektivlosigkeit, welche auch in Bethlehem den Alltag der Menschen prägen.
    Für jede Orchestergruppe gab es vor kurzem einen sogenannten „open day“, an dem kein Musikunterricht stattfand, sondern der Schwerpunkt auf Begegnung, Spiel und Austausch lag, um den Kindern neue Impulse zu geben. Die Jüngsten, die Gruppe Al-Qastal, verbrachten den Tag in einem Olivenhain mit traditionellem – auf offenem Feuer gekochtem – Essen, selbst gebackenem Brot, palästinensischem Brauchtum und viel Bewegung.
    https://tf0cce3aa.emailsys1a.net/mailing/77/8033025/19937301/528/7e929643ed/index.html
  • Am 8. Januar 2025 spielte das Kulturkollektiv „Make Freedom Ring“ ein besonderes Benefizkonzert in Berlin, bei dem das Nasmé Ensemble sein Debüt in der deutschen Hauptstadt gab. Der Erlös des Abends kommt der Nothilfe von medico international in Gaza zugute. Michael Barenboim hat das Ensemble musikalisch begleitet. „Make Freedom Ring“ mit Michael Barenboim hat schon mehrere Benefizkonzerte organisiert, um auf die humanitäre Krise in Gaza aufmerksam zu machen, unter anderem in London, München oder Lissabon. https://www.medico.de/termin/2025-01-08/benefizkonzert-make-freedom-ring-nothilfe-fuer-gaza-704

BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

Israelische Truppen verhafteten und misshandelten eine palästinensische Menschenrechtsaktivistin. Der Vorwand? Ein auf ihrem Handy gefundenes Video
«Ein Clip, in dem ein Soldat einen jungen Mann mit Down-Syndrom quält, wurde auf dem Handy einer Menschenrechtsaktivistin und Mutter von sieben Kindern gefunden und führte zu ihrer Verhaftung und Misshandlung. In anderen Fällen wurde der Mantel ihres Sohnes aufgrund seiner Farbe beschlagnahmt und ihre Tochter wurde an einem Kontrollpunkt aufgefordert, ihren BH auszuziehen. So sieht das Leben in Hebron aus.
Ein Soldat der israelischen Streitkräfte misshandelt einen hilflosen jungen Palästinenser mit Down-Syndrom. Der Soldat drückt ihn mit aller Kraft gegen eine Wand, richtet sein Gewehr auf den Körper seines Opfers, droht, flucht und blafft ihn an. Sein Opfer beginnt zu husten und der Soldat schreit ihn auf Arabisch an: „Halt die Klappe!“ Und dann ruft er: „Wo ist dein Handy? Gib es mir!“ Es gibt kein Handy. Der Soldat verlangt dann: „Ausweis.“
Der verängstigte junge Mann, der etwa 25 Jahre alt ist, holt seinen Ausweis irgendwie aus seiner Tasche, nur um ihn dann wütend auf den Boden zu schleudern. Der Soldat beschimpft ihn als „Hurensohn“, sagt etwas Gemeines über seine Mutter, das hier nicht gedruckt werden kann, und erklärt dann: „Ich werde dich erschießen.“ 
Der Soldat schleudert dem hilflosen Mann, der hustet und sich zu übergeben beginnt, offenbar aufgrund des Drucks und der Angst, Flüche entgegen. Ein israelischer Polizist beobachtet die Szene, unternimmt aber nichts, um dem hilflosen Mann, Samur Rajabi, der in einem Stadtteil von Hebron lebt, zu Hilfe zu kommen. Ein Militärjeep erscheint am Tatort – und das Video wird unterbrochen. Es ist schwer mitanzusehen. 
Der Clip wurde im vergangenen Oktober von einem anonymen Passanten in einem Teil der H-2-Zone der Stadt aufgenommen, der von jüdischen Siedlern bewohnt wird. Anschließend wurde er in den sozialen Medien verbreitet, hauptsächlich unter Palästinensern. Eine der Personen, die ihn gesehen hat, war Fatma Jabbar, die ihn auf ihrem Handy gespeichert hat. Für die Besatzungsarmee in der Wiege der Apartheid in Hebron sollte sich dies als Vergehen herausstellen, das eine harte Bestrafung erfordert. 
Mehrmals täglich muss jeder Palästinenser, der in dem von Hebrons Siedlern besetzten Gebiet lebt, die Straßensperren passieren, die die Stadt durchziehen. Bei jeder Durchfahrt wird ihr Telefon von Soldaten inspiziert. Die Palästinenser wissen bereits, dass sie alles löschen sollten, was die Truppen verärgern könnte, aber Jabbar hat das Video des Missbrauchs behalten – und wurde dafür von den Soldaten misshandelt. 
Jabbar ist eine 41-jährige Frau, die uns bittet, ihr Gesicht nicht zu fotografieren, damit ihre Kinder – sie hat sieben – es nicht sehen. Jabbars Ehemann ist chronisch krank, und zwei ihrer Kinder im Teenageralter haben die Schule abgebrochen, um auf dem Markt Gelegenheitsjobs anzunehmen und die Familie zu unterstützen. 
[…]
Jabbar lebt im Jaber-Viertel, das zu H-2 gehört. [Das Hebron-Protokoll von 1997 führte zur Teilung der Stadt in die Abschnitte H-1 und H-2; letzterer umfasst die kleine jüdische Siedlung der Stadt und die damit verbundenen strengen Sicherheitsbeschränkungen für Palästinenser.] Ihr Haus liegt an der Straße, die von der Siedlung Kiryat Arba östlich der Stadt nach Hebron führt, eine Straße, die nur für Juden zugänglich ist. In den letzten fünf Jahren hat Jabbar als Freiwillige für B’Tselem – das israelische Zentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten – dokumentiert, was in ihrer Stadt geschieht. Sie sagt, sie habe angesichts der täglichen Ungerechtigkeiten, die dort geschehen, nicht länger schweigen können. 
Nachdem sie einen Vorfall gefilmt hat, schickt Jabbar das Material sofort an Manal Jabari, Koordinatorin des Dokumentationsprojekts der Organisation, und löscht den Clip dann von ihrem Handy. Seit dem 7. Oktober gilt es hier als gefährlich, Videoaufnahmen zu machen; die meisten Freiwilligen zögern, ein Gerät herauszuholen, mit dem sie filmen können. 
Im Viertel Jaber leben noch etwa 280 palästinensische Familien, die nirgendwo anders hinkönnen. Nur Autos von Juden dürfen dort hineinfahren, selbst palästinensische Krankenwagen dürfen nicht hineinfahren. Gibt es so etwas sonst noch irgendwo auf der Welt?
Seit dem Ausbruch des Krieges im Gazastreifen im Oktober 2023 ist die Härte hier noch größer geworden. In den ersten vier Monaten waren die palästinensischen Bewohner von H-2 fast den ganzen Tag über in ihren Häusern eingesperrt. Der Kauf von Lebensmitteln und Medikamenten war nur eine Stunde am Tag erlaubt; da die Armee und die Siedler die drei örtlichen Geschäfte daran hinderten, zu öffnen, konnten viele Bewohner selbst dann keine Vorräte beschaffen. Es gab auch Häuser, vor deren Türen die Armee Stacheldrahtrollen anbrachte, um die Bewohner am Verlassen des Hauses zu hindern. Nach vier Monaten wurde das Verlassen des Hauses erlaubt, allerdings nur bei Tageslicht. Nachts gibt es keinen Ausgang, auch nicht in Notfällen. Nach 17 Uhr traut sich niemand mehr nach draußen. Wenn Jabbar oder eines ihrer Kinder es wagen, auf das Dach ihres Hauses zu steigen – selbst das ist verboten – , werden sie sofort von den Soldaten verjagt. 
Zwanzig Meter von Jabbars Haus entfernt befindet sich der Kontrollpunkt Nr. 102. Bei jedem Verlassen ihres Hauses und jeder Rückkehr muss sie einen Metalldetektor passieren. Vor einiger Zeit war Jabbar mit ihrer 15-jährigen Tochter auf dem Weg nach Hause, und ein Metallband im BH ihrer Tochter löste den Detektor aus. Die Soldaten befahlen dem Mädchen, ihren BH auszuziehen, aber da kein weiblicher Soldat an der Sperre stand, weigerte sie sich, sich auszuziehen, und ihr wurde der Durchgang verweigert. Letztendlich übernachtete sie bei Verwandten außerhalb des Viertels. Ein anderes Mal beschlagnahmten die Soldaten an der Straßensperre die neue Jacke, die Fatma ihrem Sohn gekauft hatte, wegen ihrer Farbe: olivgrün. Es ist Palästinensern verboten, olivgrüne Jacken zu tragen. Ihr 12-jähriger Sohn wurde eine Stunde lang an der Straßensperre festgehalten, bis er nachgab und ohne seine Jacke nach Hause ging.
Am Dienstagmorgen, dem 3. Dezember, trat Jabbar vor ihr Haus und telefonierte mit einer Freundin. Ein weißer israelischer Jeep fuhr die Straße entlang in Richtung Kontrollpunkt, kam an ihr vorbei und kehrte dann sofort mit Soldaten zurück. Der Fahrer behauptete, Jabbar habe ihn beim Fahren gefilmt. Jabbar stritt dies ab, wurde aber angewiesen, die Soldaten zur Absperrung zu begleiten. Dort legten sie ihr Handschellen an, beschlagnahmten ihr Handy und zwangen sie, sich auf den Boden zu setzen. Ein paar Minuten später kamen die Soldaten mit dem Handy zurück. „Du Hure, warum hast du dieses Video?“, schrien sie sie an und bezogen sich dabei auf den Clip von 2023 über den Missbrauch des hilflosen Mannes, den sie auf ihrem Handy gefunden hatten und der als Beweis für ein Verbrechen gilt. 
Die Soldaten legten ihr Handschellen an und verbanden ihr die Augen. Die Kinder begannen zu weinen. Sie wurde in ein Militärfahrzeug gestoßen, das losfuhr. Durch den Stoff, der ihre Augen bedeckte, sah sie, wie einer der Soldaten ein Selfie mit ihr machte.
Etwa anderthalb Stunden später, so Jabbar, kam ein Militärjeep an, aus dem vier Soldaten ausstiegen – einer davon war derselbe gewalttätige Soldat aus dem Video. „Hier ist die Person, die dich gefilmt hat“, sagte einer der Soldaten zu ihm. Der Soldat begann, sie zu beschimpfen. Wieder „Hure“ und „Schlampe“. Jabbar behauptete, dass nicht sie das Video aufgenommen hatte, sondern dass sie es über soziale Medien erhalten hatte. 
Jabbar sagt, die Soldaten schienen froh zu sein, dass sie erwischt worden war. Der Soldat aus dem Clip nahm ihr Handy und ging mit seinen Kumpels weg. Sie wurde mit Handschellen auf dem Boden sitzengelassen. Nach etwa drei Stunden beschlossen ihre Entführer, sie freizulassen, aber nicht bevor sie sie zu Fuß in ein anderes Viertel namens Ar-Ras führten, das weit von ihrem eigenen Viertel entfernt war, wo sie sie freiließen. In der Zwischenzeit waren ihre Kinder von der Schule nach Hause gekommen und wussten nicht, wo ihre Mutter war. Gegen 14 Uhr kamen Soldaten bei ihrem Haus an und fanden nur ihre Kinder vor. Die Soldaten sagten, sie würden später wiederkommen und gingen. Jabbar war inzwischen zurückgekehrt.
Um 19 Uhr waren die Soldaten zurück. Sie befahlen ihr, sich anzuziehen, da die Armee draußen wartete. Die Soldaten legten ihr Handschellen an und verbanden ihr die Augen.
Auf Nachfrage gab der IDF-Sprecher diese Woche gegenüber Haaretz folgende Erklärung ab: „Im Rahmen einer Standard-Sicherheitskontrolle an einem Kontrollpunkt wurden auf Fatma Jabbars Telefon Bilder von IDF-Truppen gefunden. Daraufhin wurde sie von der Polizei festgehalten und einer Kontrolle unterzogen, nach der sie wieder freigelassen wurde. Die Behauptungen, dass ihr Gerät Beweise für Gewalt durch Soldaten enthielt, sind erlogen und haltlos.“ 
Gegen 20:30 Uhr desselben Abends brachten Soldaten sie zurück zu Nr. 102 und ließen sie ein Formular unterschreiben. Sie ließen sie mit den Plastikhandschellen los und filmten sie, als sie in ihr Haus ging. Sie schlief die ganze Nacht nicht: Die Soldaten hatten ihr befohlen, um 8 Uhr morgens zur Polizeistation zu gehen, und sie befürchtete, verhaftet zu werden. Am Morgen fragte der Ermittler sie, was sie gefilmt habe und warum. Sie wiederholte, dass sie das Video nvon dem Missbrauch nicht gedreht habe, als ob es eine Art Verbrechen wäre, dies zu dokumentieren. Schließlich gaben sie ihr das Handy zurück und ließen sie gehen.»

https://www.haaretz.com/israel-news/twilight-zone/2025-01-10/ty-article-magazine/.highlight/idf-troops-arrested-and-abused-a-palestinian-activist-the-pretext-a-video-on-her-phone/00000194-4eaf-d775-ab9f-4fbfbc060000?utm_source=mailchimp&utm_medium=email&utm_content=author-alert&utm_campaign=Gideon+Levy&utm_term=20250110-08:16


Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..