Yoav Gallant war loyal gegenüber der Armee, sein Nachfolger Israel Katz ist loyal gegenüber Netanjahu
BIP-Aktuell #325:
- Gallant gefeuert
- „Erfreulich“: 52 Länder, angeführt von der Türkei, fordern die Vereinten Nationen auf, ein Waffenembargo gegen Israel zu verhängen. Die USA frieren die Lieferung von 130 gepanzerten Militär-Bulldozern an Israel ein
- JNF verliert im Eilverfahren vor dem Federal Court in Kanada
- „Krieg um Judäa und Samaria“: Maskierte Angreifer setzen Fahrzeuge in palästinensischer Stadt in Brand
Die sorgfältig geplante Entlassung von Verteidigungsminister Gallant und seine Ersetzung durch Israel Katz wird von der israelischen Opposition aus falschen Gründen kritisiert. Gallant als eine Kraft der Demokratie zu feiern, setzt voraus, dass man seine völkermörderischen Äußerungen ignoriert. Katz ist nicht besser, aber seine Ernennung hat den Israelis bewiesen, dass Netanjahus Prioritäten egoistischer sind, als sie dachten.
Am Mittwoch, den 6. November, als die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl nach und nach veröffentlicht wurden, entließ der israelische Premierminister Netanjahu seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant und ersetzte ihn durch Israel Katz, der zuvor als Außenminister Israels tätig war.
Yoav Gallant. Quelle: 2023, Israels Verteidigungsminister, Wikipedia.
Der Zeitpunkt der Entscheidung war strategisch gewählt. Netanjahu hatte bereits am 26. März 2023 versucht, Yoav Gallant zu entlassen, was in Israel wütende Proteste auslöste, die als „Gallant-Nacht“ bekannt wurden. Die Entlassung von Gallant wurde auch dieses Mal von Protesten begleitet, die als „Gallant-Nacht 2“ bekannt wurden. Die Proteste werden von manchen mit der israelischen Oppositionsbewegung in Verbindung gebracht. Gallant kritisierte die Justizreform der israelischen Regierung, war gegen die Errichtung einer Militärherrschaft über den Gazastreifen nach dem Krieg und forderte die Rekrutierung von Ultraorthodoxen für die israelische Armee (siehe BIP-Aktuell #316). Daher wurde seine Anwesenheit in der Regierung von der zionistischen Opposition positiv gesehen. Seine Entlassung wurde nun als ein weiterer Schritt Netanjahus zur Errichtung einer Diktatur betrachtet. In dieser Art und Weise haben auch deutsche Medien über die Entlassung von Gallant berichtet – als ob er eine Stimme der Vernunft wäre.
Gallants Einstellung ist jedoch keineswegs unbedenklich. Er ist ehemaliger Offizier für Spezialeinsätze und ehemaliger General. Im Jahr 2011 war er Kandidat für das Amt des Oberbefehlshabers des israelischen Militärs, wurde aber wegen eines Korruptionsskandals nicht ernannt, da er sein privates Grundstück in dem Dorf Amikam, in dem er lebt, vergrößerte, indem er sich öffentliches Land aneignete. Obwohl die Gemeinde Amikam Gallant das Land rückwirkend „zugestanden“ hatte und keine Anklage gegen ihn erhoben wurde (Quelle auf Hebräisch), ist Gallants Vergrößerung seines Privatgrundstücks ein Verhalten, das für einen Politiker und Soldaten, der sein Leben der Erweiterung des israelischen Staatsgebiets mit illegalen Mitteln gewidmet hat, nicht überraschend.
Im Jahr 2013 wurde er in dem Film „The Lab“ von Yotam Feldman interviewt, in dem er erklärte, wie er den Angriff auf den Gazastreifen 2008-2009 befehligte, bei dem rund 1400 Palästinenser getötet wurden. Er meinte, Israel könne den militärischen Erfolg monetarisieren, indem es seine Militärtechnologie als kampferprobt („battle-tested“) vermarktet und sie mit Gewinn verkauft. Gallant sprach über Länder, die Israels Gewalt gegen Zivilisten kritisieren: „Es gibt eine Menge Heuchelei, sie verurteilen euch politisch, während sie euch fragen, was euer Trick ist, ihr Israelis, um Blut in Geld zu verwandeln.“ Gallant ging 2015 in die Politik und trat 2019 der Likud-Partei bei. Von 2020 bis 2021 war er Bildungsminister. In dieser Eigenschaft weigerte er sich, dem Mathematikprofessor Oded Goldreich einen Preis zu verleihen, weil dieser die Bundestagsresolution von 2019 kritisiert hatte, in der die BDS-Bewegung als antisemitisch bezeichnet wurde. Im Jahr 2023 wurde Gallant zum Verteidigungsminister ernannt.
Gallant hielt am 9. Oktober 2023 seine berühmtberüchtigte Rede, in der er die vollständige Aushungerung des Gazastreifens anordnete und die Palästinenser als „menschliche Tiere“ bezeichnete (siehe BIP-Aktuell #277) – woraufhin der kolumbianische Präsident Gustavo Petro anmerkte, dies sei die Sprache, die die Nazis während des Holocausts gegen die Juden verwendet hätten. Der deutsche Verteidigungsminister Pistorius ließ sich nicht abschrecken und lud Gallant am 12. Oktober als Ehrengast nach Berlin ein, um einen Vertrag über den Kauf israelischer Waffen zu unterzeichnen. Pistorius besuchte Tel-Aviv am 19. Oktober und sagte: „Es gibt keinen Zweifel, lieber Yoav, was immer wir tun können, um dich zu unterstützen, mit materieller Unterstützung, werden wir dies tun.“
Gallants Rede stand im Mittelpunkt der Anklage wegen Völkermordes, die Südafrika am 29. Dezember 2023 vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel erhob: Gallant war Verteidigungsminister, deshalb verstanden die Soldaten seine Worte als Aufforderung zum Völkermord. Für Südafrika sind sie der Beweis für die Absicht eines Völkermordes. Am 26. Januar entschied der IGH sinngemäß, es sei „plausibel“, dass Israel einen Völkermord begeht. Im Mai 2024 stellte der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen Yoav Gallant wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen.
Netanjahu hat Gallant nicht wegen dessen Kriegsverbrechen und Aufruf zum Völkermord entlassen, denn Netanjahu wird dieser Verbrechen ebenso beschuldigt. Er hat Gallant entlassen, weil er dem israelischen Militär und nicht Netanyahu gegenüber loyal ist. Gallant fordert, dass auch die Ultraorthodoxen für den Militärdienst rekrutiert werden. Netanjahu möchte jedoch nicht die Unterstützung seiner religiösen Anhänger, der Ultraorthodoxen und der messianischen Nationalorthodoxen verlieren, sonst hätte er keine Mehrheit mehr in der Knesset.
Ein weiterer möglicher Grund für die Entlassung von Gallant ist der Skandal, der derzeit in Israel untersucht wird. Im September hatten die BILD-Zeitung und die rechtsgerichtete britische Zeitung Jewish Chronicle geleakte Dokumente veröffentlicht, die angeblich von Hamas-Kämpfern in Gaza erbeutet worden waren und von Netanjahu zitiert wurden, um die Nichtunterzeichnung eines Gefangenenaustauschs und eines Waffenstillstandsabkommens mit der Hamas zu rechtfertigen. Die Untersuchung der Frage, wie solche Verschlusssachen an ausländische Medien gelangten, ergab, dass die Dokumente gefälscht sind und höchstwahrscheinlich von Netanjahus Leuten selbst gefälscht wurden, um den Ruf der Familien der Geiseln zu schädigen und sie als Handlanger der Hamas darzustellen. Fünf der Fälscher wurden in Israel verhaftet, aber Netanjahu selbst ist noch nicht angeklagt. Die Entlassung von Gallant soll anscheinend die Ermittlungen verhindern.
Israel Katz ist dafür bekannt, dass er Netanjahu gegenüber sehr loyal ist und seine Befehle ohne zu fragen ausführt (Quelle auf Hebräisch). Israel Katz ist ein langjähriges Mitglied der Likud-Partei und war bereits als Student an Angriffen auf palästinensische Studenten der Hebräischen Universität Jerusalem beteiligt, bei denen er Eisenketten als Waffen einsetzte. Er war seit 1998 Mitglied der Knesset und diente als Landwirtschafts-, Verkehrs-, Geheimdienst-, Finanz-, Energie- und Außenminister, bevor er nun als Nachfolger von Gallant zum Verteidigungsminister ernannt wurde.
Am 11. Oktober sagte Katz in seiner Eigenschaft als Energieminister:
„Jahrelang haben wir Gaza mit Strom, Wasser und Treibstoff versorgt. Statt sich zu bedanken, haben sie Tausende von menschlichen Tieren geschickt, um Babys, Frauen und ältere Menschen abzuschlachten, zu ermorden, zu vergewaltigen und zu entführen. Deshalb haben wir beschlossen, die Versorgung mit Wasser, Strom und Treibstoff zu unterbrechen, und jetzt ist das örtliche Kraftwerk zusammengebrochen, und es gibt keinen Strom in Gaza. Wir werden die Belagerung so lange aufrechterhalten, bis die Bedrohung durch die Hamas von Israel und der Welt abgewendet ist. Was gewesen ist, wird nicht mehr sein.“
Am 12. Oktober sagte er:
„Humanitäre Hilfe für Gaza? Kein Schalter wird umgelegt, kein Ventil geöffnet, kein Tankwagen wird einfahren, bis die israelischen Geiseln nach Hause kommen. Humanitär für humanitär. Niemand soll uns über Moral belehren.“
In seiner Eigenschaft als Außenminister traf sich Katz mit dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borell, und stellte die Idee vor, eine künstliche Insel vor der Küste des Gazastreifens zu errichten, auf die die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens verbannt werden und dort unter gefängnisähnlichen Bedingungen leben soll. Borell sagte: „Ich denke, der Minister hätte seine Zeit besser nutzen können, um sich um die Situation in seinem Land oder die hohe Zahl der Toten in Gaza zu kümmern.“
Israel Katz. Quelle: 2015, Büro des Ministers, Wikipedia.
Die Ernennung von Katz zum Verteidigungsminister ist ein Indiz für Netanjahus Strategie, der Innenpolitik Vorrang vor militärischen Erwägungen einzuräumen. Liberale zionistische Teile der Gesellschaft haben kommentiert, seine Ernennung werde Reservisten davon abhalten weiterzukämpfen und somit die Zahl der Soldaten verringern, die Israel in seinem laufenden Krieg in Gaza und im Libanon zur Verfügung stehen (Quelle auf Hebräisch).
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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter werden wir in Zukunft an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ platzieren – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!
52 Länder, angeführt von der Türkei, fordern die Vereinten Nationen auf, ein Waffenembargo gegen Israel zu verhängen
Das Völkerrecht war noch nie ein Druck- oder Abschreckungsmittel gegen Israel, das darauf besteht, unschuldige Menschen, darunter auch Kinder, zu massakrieren
5. November 2024 von Aseel Saleh
Der türkische Außenminister Hakan Fidan gab am Sonntag, dem 3. November, bekannt, dass die Türkei einen von 51 anderen Ländern und zwei Organisationen unterzeichneten Brief an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geschickt habe, in dem ein Stopp der Waffenlieferungen an Israel gefordert werde. Fidan kündigte den gemeinsamen Aufruf zu einem Waffenembargo während einer Pressekonferenz an, die im Anschluss an die dritte Ministerkonferenz zur Überprüfung der türkisch-afrikanischen Partnerschaft in Dschibuti stattfand.
Zu den Unterzeichnern gehörten neben der Türkei auch der Iran, Palästina, Bahrain, Bangladesch, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bolivien, Brasilien, Brunei, Burkina Faso, Algerien, Dschibuti, China, Indonesien, Marokko, Gambia, Südafrika, Irak, Katar, Kasachstan, Kirgisistan, Kolumbien, Komoren, Kuwait , Kuba, Libyen, Libanon, Malediven, Malaysia, Mexiko, Ägypten, Mauretanien, Namibia, Nigeria, Nicaragua, Norwegen, Pakistan, Russland, St. Vincent und die Grenadinen, São Tomé und Príncipe, Senegal, Somalia, Sudan, Saudi-Arabien, Chile, Tunesien, Oman, Jordanien, Venezuela, Vietnam, Jemen und Simbabwe. Zwei Organisationen schlossen sich ebenfalls dem Aufruf an, darunter die Arabische Liga und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit.
https://peoplesdispatch.org/2024/11/05/52-countries-led-by-turkiye-urge-the-un-to-call-for-an-arms-embargo-on-israel/
Endlich mal eine gute Nachricht: Die USA frieren die Lieferung von 130 gepanzerten Militär-Bulldozern an Israel ein! https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2024/11/10/live-israeli-warships-kill-3-palestinians-released-from-detention-in-gaza?update=3314495
10. November 2024 JNF verliert im Eilverfahren vor dem Federal Court in Kanada
Kanadas bekannteste zionistische Wohltätigkeitsorganisation hat nur noch wenige Tage Zeit, um sich aufzulösen.
https://www.justpeaceadvocates.ca/breaking-news-jnf-loses-court-appeal-canadas-most-iconic-zionist-charity-has-days-to-disband/?fbclid=IwY2xjawGeoa1leHRuA2FlbQIxMQABHcJ4MA6RO1iBr2iRFHYH78JfuvXE44qeS6oqHAoccsYlV0VAjyDXEAoORA_aem_I-dRXpeFvstNDkPxof-z3w
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
4.11.2024: „Krieg um Judäa und Samaria“: Maskierte Angreifer setzen Fahrzeuge in palästinensischer Stadt in Brand
„Bewohner von El Bireh in der Nähe von Ramallah sagen, dass jüdische Siedler mindestens 17 Autos in Brand gesetzt haben, wobei die Flammen auf ein nahe gelegenes Gebäude übergriffen. Israelische Polizei und Shin Bet leiten Ermittlungen ein.
Überwachungsvideos zeigen eine Gruppe maskierter Männer, die die Autos in Brand setzen und dann vom Tatort fliehen. Anwohner behaupten, es handele sich um jüdische Siedler. Neben den verbrannten Fahrzeugen sprühten die Angreifer die Worte ´Für Judäa und Samaria – Krieg`.
Gegen 4 Uhr morgens wurden die Bewohner der Stadt durch Schüsse geweckt und entdeckten die ausgebrannten Fahrzeuge und Schäden an einigen Gebäuden, die durch das sich ausbreitende Feuer verursacht wurden.
Yousef Abed, ein Einwohner von El Bireh, berichtete der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA, dass die Brände lebensgefährlich waren, und erzählte, wie er gemeinsam mit seinen Nachbarn gegen die Flammen kämpfte.
Nabil Abu Rudeineh, Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, verurteilte die Brandstiftung und sagte, dass `die Verbrechen und Angriffe von Siedlern das Ergebnis der fortschreitenden genozidalen Politik Israels sind.`“ https://www.haaretz.com/israel-news/2024-11-04/ty-article/.premium/war-for-judea-and-samaria-masked-assailants-set-fire-to-vehicles-in-palestinian-city/00000192-f658-d506-a3ba-f6fea56e0000?utm_source=mailchimp&utm_medium=Content&utm_campaign=haaretz-today&utm_content=97d61cb1d4
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