Zusammenfassung der Ereignisse des Jahres seit dem 7. Oktober 2023
BIP-Aktuell #320:
- Ein Jahr des Grauens
- Erfreulich
- Berichte von B’tselem und DCI
Die Ereignisse des Jahres, die am 7. Oktober mit einem Überraschungsangriff auf Israel begannen und sich zu einem andauernden Völkermord in Gaza und einem regionalen Krieg ausweiteten, sind aufgrund der einseitigen Unterstützung des Westens für Israel eskaliert. Kein noch so großes Maß an Leid, Zerstörung und Töten in Gaza reicht aus, um die zerfallende israelische Gesellschaft und Wirtschaft zu stabilisieren. Der Krieg in Gaza ist zu einem regionalen Krieg geworden, und die ganze Welt ist daran beteiligt. Mit seinen Waffenlieferungen an Israel hat Deutschland dazu beigetragen, dass das Völkerrecht mit Füßen getreten wird: Die deutschen Medien haben nicht genug über die Fakten und Hintergründe berichtet, die deutsche Regierung hat gegen das Völkerrecht verstoßen und die Öffentlichkeit falsch informiert.
Am 7. Oktober 2023 wurden bei einem Überraschungsangriff der Hamas auf Israel Hunderte von Zivilisten und Soldaten getötet und Hunderte als Geiseln genommen. 845 Zivilisten und über 350 Soldaten wurden getötet, die meisten durch die Hamas und einige durch Beschuss durch eigene Truppen. 239 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.
Die 155-mm-Haubitze L52 wurde von Rheinmetall und Elbit Systems gemeinsam entwickelt und ist die tödlichste und zerstörerischste Waffe, die von der israelischen Armee nach dem 7. Oktober gegen Zivilisten eingesetzt wurde. Quelle: 2023, Twitter.
Der Angriff erschütterte das Vertrauen der israelischen Bevölkerung in die militärische Überlegenheit ihres Landes. Die rechtsextreme Regierung Israels (siehe BIP-Aktuell #237) reagierte unverhältnismäßig. Aufrufe zur Ausrottung der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens von Israels höchster Führungsebene (siehe BIP-Aktuell #277) waren keine leeren Worte. Innerhalb weniger Stunden mobilisierte Israel seine Armee für einen beispiellosen militärischen Angriff auf den Gazastreifen, der sich nicht nur gegen die Hamas, sondern vor allem gegen die Zivilbevölkerung richtete – schwere Bombardierungen aus der Luft und mit schwerer Artillerie, direkter Beschuss mit Panzern und Handfeuerwaffen sowie der Einsatz des Hungers als Waffe, der unermessliches Leid, Unterernährung und Krankheiten mit nachhaltiger Wirkung verursachte (siehe BIP-Aktuell #311).
Die Kombination aus der Absicht, die Bevölkerung auszurotten (siehe BIP-Aktuell #298), der offenen Entmenschlichung einer ganzen Gruppe von Menschen, indem sie die Palästinenser als Tiere bezeichnen oder leugnen, dass es in Gaza Zivilisten gibt und der systematischen Tötung von Zivilisten, ohne ihnen auch nur die Möglichkeit zu geben, zu fliehen oder sich zu ergeben, ist ein Akt des Völkermords (siehe BIP-Aktuell #285). Südafrika hat deshalb beim IGH einen Dringlichkeitsantrag gegen Israel wegen des Verbrechens des Völkermords eingereicht. Am 26. Januar entschied der IGH, dass Israels Vorgehen als „plausiblen“ Völkermord zu bezeichnen ist, und wies Israel an, das Töten von Zivilisten einzustellen. Israel ignorierte das Urteil. Letzte Woche veröffentlichte Al-Jazeera einen Film, in dem die Beweise dafür untersucht wurden, dass israelische Soldaten vorsätzlich rassistisch, nationalistisch und religiös motivierte Gräueltaten begangen haben. Die Soldaten wussten, dass sie für Verbrechen gegen Palästinenser nicht bestraft werden (siehe BIP-Aktuell #303).
Am 20. Mai beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ISGH) Karim Khan Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu, Yoav Gallant, Yahiyah Sinwar, Ismail Haniyeh und Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen. Die Hamas begrüßte die Ankündigung und erklärte, sie sei bereit, sich einem Prozess zu stellen, doch der israelische Geheimdienst ermordete Ismail Haniyeh in Teheran am 31. Juli, bevor er verhaftet werden konnte. Netanjahu hingegen bezeichnete den IStGH als antisemitisch. Der Gerichtshof hat die Haftbefehle noch nicht öffentlich ausgestellt, entweder aufgrund des Drucks der USA oder weil geheime Haftbefehle möglicherweise besser geeignet sind, Kriegsverbrecher zu fassen, wenn sie in Staaten reisen, die das Römische Übereinkommen des IStGH unterzeichnet haben. Deutschland hat das Übereinkommen unterzeichnet und erklärt, dass es die Haftbefehle des IStGH anerkennt, auch gegen Israelis.
Teil der israelischen Strategie war es, das UNRWA, den größten und wichtigsten Lieferanten humanitärer Hilfe für die Bevölkerung des Gazastreifens, anzugreifen, um die Palästinenser ohne Lebensmittel, Wasser und Medikamente zurückzulassen. Israel nutzte Desinformationen, um das UNRWA ohne Beweise des Terrorismus zu beschuldigen und überzeugte westliche Staaten, darunter auch Deutschland, die Finanzierung des UNRWA auszusetzen (siehe BIP-Aktuell #291), während israelische Soldaten 222 UNRWA-Mitarbeiter in Gaza töteten.
Am 29. Juli griff ein israelischer Mob das Gefangenenlager Sde Teiman an, um eine Untersuchung gegen Soldaten zu verhindern, die im Verdacht stehen, palästinensische Gefangene, die unter unmenschlichen Bedingungen gehalten wurden, zu vergewaltigen, zu foltern und zu verstümmeln. Der Vorfall machte das Ausmaß von Aufwiegelung zu rassistischer Gewalt in der Politik und Teilen der israelischen Gesellschaft und die Straffreiheit der israelischen Soldaten deutlich (siehe BIP-Aktuell #315).
Das israelische Militär verfügte nicht über genügend Waffen und Munition, um die unerbittliche Bombardierung des Gazastreifens länger als ein paar Tage fortzusetzen, aber seine Verbündeten im Westen versorgten es mit einem fast unbegrenzten Vorrat an Waffen und Munition. Die USA sind Israels größter Waffenlieferant, gefolgt von Deutschland und Italien. Im April reichte Nicaragua daher eine Klage gegen Deutschland wegen Mittäterschaft an Israels Völkermord ein, ein Verfahren, das noch nicht abgeschlossen ist, obwohl einige deutsche Zeitungen fälschlicherweise so berichteten, als habe Deutschland den Fall „gewonnen“: Deutschland behauptet, die Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen nach Israel eingeschränkt zu haben (siehe BIP-Aktuell #300), und seit kurzem ist Serbien der zweitgrößte Waffenlieferant Israels, basierend auf einer Vereinbarung zwischen Serbien und Israel, nach der beide Staaten den vom anderen begangenen Völkermord nicht als solchen anerkennen.
Die Waffenlieferungen an Israel und die völkerrechtswidrige diplomatische Unterstützung durch die USA ermutigten Israel zur Eskalation der Kämpfe. Die Gefahr eines regionalen Krieges (siehe BIP-Aktuell #280) wurde leider zur Realität, als Israel in den Libanon einmarschierte, einen illegalen Angriff mit in Pagern versteckten Sprengsätzen startete und Hassan Nasrallah, den Generalsekretär der Hisbollah, ermordete.
Ein Jahr nach dem Angriff vom 7. Oktober liegt der Gaza-Streifen in Trümmern. Über 60 % der Gebäude sind zerstört, alle Universitäten wurden vernichtet, und alle Krankenhäuser wurden angegriffen (siehe BIP-Aktuell #281). Das Gesundheitssystem in Gaza ist nicht mehr in der Lage, genaue Schätzungen über die Zahl der Opfer abzugeben, die offiziell mit über 42.000 Toten angegeben wird, auch wenn die tatsächliche Zahl vermutlich viel höher ist. Darüber hinaus verübt Israel auch im Westjordanland Massaker, bei denen im letzten Jahr fast 700 Menschen getötet wurden. Dabei wurden immense Schäden an der Infrastruktur und der Wirtschaft angerichtet (siehe BIP-Aktuell #290).
Die israelische Regierung, hat keine politische Strategie, sondern verfolgt ausschließlich militärische Ziele: töten und zerstören. Die Folge ist, dass sich Israel in einer tiefen Krise befindet. Das politische System wurde von der extremen Rechten gekapert (siehe z.B. BIP-Aktuell #255), die Familien der Geiseln sind der Überzeugung, dass die Regierung keine Anstrengungen unternimmt, die Geiseln zu befreien, die Kluft zu den Ultra-Orthodoxen ist tiefer denn je (siehe BIP-Aktuell #316), die israelische Wirtschaft befindet sich in einem Zustand des beispiellosen Niedergangs (siehe BIP-Aktuell #313), und viele Israelis verlassen das Land. Das israelische Militär hat Opfer zu beklagen, gibt aber nicht die volle Zahl der getöteten und verletzten Soldaten und Zivilisten an. Es macht auch keine Angaben über das Ausmaß der Schäden, die durch den Raketenbeschuss aus dem Libanon, Iran, Irak und Jemen verursacht wurden, ebenso wenig wie über die Kosten für das Abfangen von Raketen und Drohnen.
Gaza ist zu einem globalen Thema geworden. Die Europäische Union ist in der Frage gespalten, ob sie sich an das Völkerrecht halten und Sanktionen gegen Israel verhängen soll, zumal Israel in weiten Teilen der Welt als Modell für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gilt, ein Staat, der ausschließlich der Maxime „militärische Sicherheit zuerst“ folgt. Der Globale Süden hat sich gegen den westlichen Imperialismus und Kolonialismus, den Israel aus ihrer Sicht verkörpert, zusammengeschlossen, allen voran Südafrika vor dem IGH, aber auch Kolumbien, das seine Beziehungen zu Israel abbrach und ein Energieembargo verhängte, Malaysia, das seine Hoheitsgewässer für israelische Schiffe sperrte, Namibia, das ein Schiff mit Waffen nach Israel blockierte (siehe BIP-Aktuell #318), die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, die 57 Staaten vertritt und Israel des Völkermordes beschuldigt. An Universitäten auf der ganzen Welt errichteten Studenten Protestcamps, um ein Ende des Genozids zu fordern (siehe BIP-Aktuell #305). Bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung über die Annahme des Gutachtens des IGH, in dem die israelische Besatzung als illegal und Israel als Apartheidstaat bezeichnet wird und Sanktionen gefordert werden, stimmten 124 Staaten dafür (darunter Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Portugal, Slowenien und Spanien). 42 Staaten enthielten sich der Stimme, darunter Österreich, Dänemark, Deutschland und Italien. 14 Staaten stimmten dagegen, darunter Israel, Ungarn, Tschechien und die USA.
Die USA haben Glaubwürdigkeit und diplomatische Macht verspielt, indem sie Israels Völkermord unterstützten, und Kamala Harris könnte deswegen sogar die Wahlen verlieren. Auch die Wahlergebnisse in Großbritannien und Frankreich wurden durch den Krieg in Gaza beeinflusst. Die Heuchelei der NATO, die sich gegen Invasionen und Besetzungen Russlands ausspricht, aber Israels Invasionen und Besetzungen unterstützt, hat ihre Glaubwürdigkeit untergraben, mit katastrophalen Folgen für die Ukraine.
In Deutschland wurde über die Ereignisse des vergangenen Jahres seit dem 7. Oktober zumeist sehr einseitig berichtet. Die Polizei ging hart gegen die Redefreiheit der Palästinenser vor, und sogar der Slogan „From the river to the sea Palestine will be free“ wurde bei vielen Demonstrationen verboten. Deutsche Zeitungen versäumten es, über den Völkermord zu berichten, der teilweise mit deutschen Waffen begangen wurde. Die deutsche Regierung behauptete, dass Israel im Gazastreifen legal operiere. Erst Mitte September, nach 11 Monaten Völkermord, beschwerten sich deutsche Journalisten offen darüber, dass Israel ihnen nicht erlaubt, über die Fakten aus Gaza zu berichten. Trotz dieser Behinderungen der Berichterstattung konnte sich jeder, der es wissen wollte, aus UN-Quellen, aus internationalen Medien und sogar aus deutschsprachigen Quellen informieren. Niemand kann sich damit herausreden, er habe nicht gewusst, was vor sich geht.
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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter werden wir an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ platzieren – in der Hoffnung, dass es auch Meldungen gibt, die uns Mut machen, denn: „Aufgeben ist keine Option“!
BA 320 „Erfreulich“:
- Für ihren Einsatz gegen die israelische Siedlungspolitik bekommt die Jugend gegen Siedlungen (Youth against Settlements), und der Gründer Issa Amro, den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) Gelobt wird vor allem ihre Gewaltfreiheit.
- Das Recherchekollektiv „Forensic Architecture“ erhält ebenfalls den Alternativen Nobelpreis. Ein Interview mit ihrem Gründer Eyal Weizman: https://www.zeit.de/kultur/2024-10/eyal-weizman-forensic-architecture-recherchekollektiv-alternativer-nobelpreis-kritik
- Immerhin: Zum ersten Mal wird es im Kongress eine Abstimmung über die Blockierung von Waffenlieferungen an Israel geben. Senator Bernie Sanders hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, um einen kürzlich von der Regierung Biden genehmigten Waffenverkauf an Israel im Wert von 20 Milliarden Dollar zu blockieren. „Traurigerweise wurde ein Großteil des Gemetzels im Gazastreifen mit von den USA bereitgestellter militärischer Ausrüstung angerichtet“, so Sanders in einer Erklärung. „Die Bereitstellung weiterer Angriffswaffen zur Fortsetzung dieses katastrophalen Krieges würde gegen amerikanisches und internationales Recht verstoßen. Die Verkäufe würden Netanjahus extremistische Regierung belohnen, selbst wenn sie weiterhin massive Zerstörungen im Gazastreifen anrichtet, die Aussichten auf ein Waffenstillstandsabkommen untergräbt, das die Freilassung der Geiseln sichern würde, und ihre Bemühungen um eine illegale Annexion des Westjordanlandes vorantreibt. Der Kongress muss handeln, um Leben zu retten, amerikanisches und internationales Recht zu wahren und für die Interessen der USA einzutreten. Wir müssen unsere Komplizenschaft mit Israels illegaler und wahlloser Militärkampagne beenden, die massenhaft Tod und Leid unter der Zivilbevölkerung verursacht hat.“
https://mondoweiss.net/2024/10/for-the-first-time-ever-there-will-be-a-vote-in-congress-on-blocking-weapons-to-israel/?ml_recipient=134172530555487426&ml_link=134172519639811391&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_term=2024-10-03&utm_campaign=Daily+Headlines+RSS+Automation
NTV am 5. Okt.: Macron hat im Radiosender France Inter für einen internationalen Lieferstopp von Waffen an Israel plädiert, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen. „Frankreich liefert keine“, sagte Macron. Es sei vorrangig, zu einer „politischen Lösung“ zurückzukehren und Waffenlieferungen „für die Kämpfe im Gazastreifen zu beenden“.
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
B´Tselem berichtet:
- Deir Dobwan, Bezirk Ramallah: Soldat stiehlt palästinensisches Auto, nachdem er und zwei Siedler mit zivilem Pick-up den Weg versperrt haben
„Am Dienstag, dem 10. September 2024, gegen 11:00 Uhr, fuhr Samir Safi mit seinem Auto im östlichen Teil des Dorfes Deir Dobwan, als ein ziviler Pick-up auf seine Spur fuhr und ihm den Weg versperrte. In dem Pick-up saßen ein Soldat und zwei Siedler. Safi setzte zurück und versuchte zu wenden. In diesem Moment stieg der Soldat aus dem Wagen, rannte zu Safis Auto, öffnete die Tür und befahl ihm auszusteigen. Der Siedler, der den Wagen fuhr, wendete und hielt an. Dann stieg er zusammen mit dem anderen Siedler aus, beide mit Knüppeln bewaffnet. Safi stieg aus seinem Auto aus, und der Soldat befahl ihm zu gehen. Safi entfernte sich, der Soldat stieg ins Auto und fuhr davon. Safi meldete den Diebstahl dem palästinensischen District Coordination Office (DCO).“ - Khirbet Wadi al-Faw, Jordantal: Aufgrund von Gewalt durch Siedler verließ eine Familie die Gemeinde und die letzte verbliebene Familie zog in die Nähe
„In der ersten Septemberwoche 2024 drangen drei bewaffnete Siedler aus Richtung der Siedlung Maskiyyot und des Außenpostens Havat Eretz Shemesh in die Gemeinde Khirbet Wadi al-Faw im nördlichen Jordantal ein. Der Außenposten wurde Ende der 2010er Jahre in der Nähe der Gemeinde errichtet. Die drei Siedler umrundeten die Häuser der letzten beiden in der Gemeinde verbliebenen Familien.
Am 5. September 2024 betraten etwa acht Siedler die Gemeinde, gingen um die Zelte herum, besprühten die Bewohner mit Pfefferspray, bedrohten sie mit vorgehaltener Waffe und forderten sie auf, die Siedlung zu verlassen.
Aus Angst um ihr Leben bauten die Brüder Walid Ka’abneh und Mahmoud Ka’abneh und ihre Familien am nächsten Tag (6. September 2024) ihre Zelte ab, luden all ihre Habseligkeiten in ihr Fahrzeug und fuhren in die Gegend von ‚Atuf, um die Zelte aufzubauen. Am selben Abend jedoch trafen Soldaten und Mitglieder des Regionalrats für die Siedlung im Jordantal ein und untersagten ihnen, die Zelte aufzubauen. Die Familien waren gezwungen, zum Gemeinschaftsgelände in Wadi al-Faw zurückzukehren, wo Siedler auf sie warteten. Die Siedler schrien und beschimpften die Familien, während sie ihr Fahrzeug ausluden. Die Siedler gingen dann weg, und die Familien bauten einige der Zelte auf. Am nächsten Tag trafen Soldaten und Mitglieder des Siedlungsregionalrats ein, gingen um die Zelte herum und beschuldigten Mahmoud Ka’abneh, die Siedler am Vortag angegriffen zu haben, gingen aber wieder, ohne etwas zu unternehmen.
Am 9. September 2024 befanden sich die beiden Familien immer noch auf dem Gemeindegelände, fürchten um ihr Leben und sind jederzeit bereit, die Siedlung zu verlassen.“
DCI-Palestine berichtet:
„Sie steckten mich in eine geschlossene Kiste ohne Fenster“: Palästinensische Kinder werden von israelischen Streitkräften gefoltert und misshandelt
26. September 2024
Ramallah, 26. September 2024 – „Palästinensische Kindergefangene werden von israelischen Streitkräften schwer gefoltert und misshandelt. Diese Kinder erleiden körperliche Misshandlung, psychische Folter und schlechte Bedingungen, was eine schwerwiegende Verletzung ihrer Rechte und ihres Wohlergehens darstellt.
´Ein Soldat schlug mir mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, bis ich blutete`, berichtete der 17-jährige Hasan, der im Megiddo-Gefängnis im Norden Israels inhaftiert ist, gegenüber Defense for Children International – Palestine. Das Megiddo-Gefängnis ist eines von mehreren Haftanstalten in Israel, in denen palästinensische Kinder festgehalten werden. Die Überstellung palästinensischer Gefangener, ob Erwachsene oder Kinder, aus den besetzten palästinensischen Gebieten nach Israel stellt nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen dar.
Israelische Militärverhaftungen, die oft zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens stattfinden, sind eine Hauptursache für Traumata bei inhaftierten palästinensischen Kindern. Laut den von DCIP gesammelten Unterlagen werden alle inhaftierten Kinder innerhalb der ersten 48 Stunden nach ihrer Festnahme von den israelischen Streitkräften in irgendeiner Form misshandelt.
57 Prozent der inhaftierten palästinensischen Kinder werden laut den von DCIP gesammelten Unterlagen mitten in der Nacht festgenommen. Viele Menschenrechtsgruppen haben auf die schädlichen Auswirkungen dieser Praxis hingewiesen. Nachtverhaftungen können die Erwartung eines Kindes, im Schlaf sicher zu sein, zunichte machen und unter anderem zu Schlafstörungen führen.
Israelische Streitkräfte nahmen Hasan fest, nachdem sie am 6. Juni gegen 5 Uhr morgens in sein Haus im Flüchtlingslager Jenin im nördlichen besetzten Westjordanland eingedrungen waren und es beschädigt hatten. Die israelischen Streitkräfte erklärten Hasan weder den Grund für seine Festnahme, noch hatten sie einen Haftbefehl. Sie blieben etwa eine Stunde lang im Haus und richteten ein riesiges Chaos an.
´Sie schlugen mich vor den Augen meiner Mutter und meiner beiden jüngeren Schwestern`, sagte Hasan. ‚Meine Mutter versuchte, mich zu verteidigen, aber einer der Soldaten stieß sie mit Gewalt und warf sie zu Boden. Ich war sehr wütend über dieses Verhalten, und die Szene hat mich bis heute nicht losgelassen.‘
Die israelischen Streitkräfte legten Hasan für etwa eine Stunde Handschellen an, verbanden ihm die Augen und brachten ihn in einem Militärfahrzeug in ein israelisches Militärlager in der Nähe der Stadt Muqeibla in Israel, in der Nähe des Grenzübergangs Al-Jalame, nördlich von Jenin.
´Auf beiden Seiten des Militärfahrzeugs befanden sich Soldaten, und sie ließen mich zwischen ihnen auf dem Metallboden liegen`, sagte Hasan. ‚Sie hörten nicht auf, mich auf dem Weg mit Schlägen und Tritten mit ihren Militärstiefeln zu misshandeln.‘
´Sie beleidigten mich etwa eineinhalb Stunden lang. Das Militärfahrzeug fuhr sehr schnell, und wenn es über eine Bodenwelle fuhr, sprang ich in die Luft und schlug auf den Metallboden, der mit meinem Blut bedeckt war`, sagte Hasan.
´Ich wurde gezwungen, bis 4 Uhr morgens am nächsten Tag im Militärlager auf dem Boden zu sitzen, währenddessen behandelten mich die Soldaten schlecht. Ich war immer von Soldaten umgeben, die mich willkürlich angriffen. Ich wurde weder mit Essen noch mit Wasser versorgt und durfte nicht auf die Toilette gehen`, sagte Hasan.
Unabhängig vom Grund der Inhaftierung sind inhaftierte Kinder durch mehrere grundlegende Garantien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts geschützt, die ihr Recht auf Leben, Freiheit von Verhaftung und Schutz vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewährleisten. Die israelischen Streitkräfte haben fast allen Kindern, die von DCIP befragt wurden, die Augen verbunden und die Hände gefesselt. Die Kinder berichten häufig, dass sie während des Verhörs Dokumente unterschrieben haben, die auf Hebräisch verfasst waren, einer Sprache, die sie nicht verstehen.
Die häufige und systematische Praxis Israels, Kinder festzunehmen, verstößt gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, Kinder nur als letztes Mittel festzunehmen und in Gewahrsam zu nehmen. Artikel 37 der UN-Kinderrechtskonvention sieht außerdem vor, dass Kinder, denen die Freiheit entzogen wird, ´weder der Folter noch einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen werden dürfen`“.
*Hasan ist ein Pseudonym, um die Privatsphäre und Sicherheit des Kindes zu schützen. https://www.dci-palestine.org/_they_placed_me_inside_a_closed_box_with_no_windows_palestinian_children_subjected_to_torture_and_ill_treatment_by_israeli_forces
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.