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Die Europäische Union macht sich mitschuldig an den Menschenrechtsverletzungen durch die Streitkräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde

Die Europäische Union finanziert die palästinensischen Sicherheitskräfte, die eine brutale Kampagne zur Unterdrückung palästinensischer Proteste im gesamten Westjordanland führen. Statt die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zur Einhaltung der Menschenrechte aufzufordern, verschließt die Europäische Union die Augen vor diesen Menschenrechtsverletzungen und konzentriert sich auf unbegründete Anschuldigungen gegen die PA wegen angeblicher Aufwiegelung gegen Israel in palästinensischen Schulbüchern.

Die PA unter der Führung von Präsident Mahmoud Abbas befindet sich auf einem historischen Tiefpunkt in der öffentlichen Meinung der Palästinenser*innen. Nach der Absage der für 2021 geplanten Wahlen und der Ermordung des Menschenrechtsaktivisten Nizar Banat sind die palästinensischen Sicherheitskräfte hart gegen die wachsenden Proteste im Westjordanland vorgegangen, haben Massenverhaftungen vorgenommen und Gewalt gegen Demonstranten angewendet. Auch das israelische Militär beteiligt sich an der Unterdrückung der Proteste und verhaftet palästinensische Aktivist*innen, die die PA kritisieren (siehe BIP-Aktuell #184).

Palästinensische Sicherheitskräfte. Quelle: Rania Madi, Badil.

David Cronin, der über die Beziehungen der Europäischen Union zu Israel und zur PA forscht und Autor des Buches „Europe’s Alliance with Israel“ (2010) ist, schrieb in Electronic Intifada, dass die EU eine große Mitschuld an der Gewalt der palästinensischen Sicherheitskräfte gegen Palästinenser trägt, weil sie nichts dagegen unternimmt.

Laut Ahmad Melhem von Al-Monitor zeigt eine aktuelle Meinungsumfrage vom 25. August, dass 65 % der Palästinenser glauben, Palästina bewege sich in die falsche Richtung. 67 % der Palästinenser sprachen sich für die Aufhebung der Oslo- Abkommen aus, und 61 % waren gegen eine sogenannte Sicherheitskoordinierung zwischen der PA und Israel. 69 % sind besorgt wegen der Ermordung von Nizar Banat und unzufrieden mit der Untersuchung durch die PA nach seiner Ermordung.

Die Europäische Union ist der größte Geldgeber für die PA. Gemäß dem Wye-River-Memorandum von 1998 und den Oslo-Abkommen sind die palästinensischen Sicherheitskräfte verpflichtet, Gewalttaten von Palästinensern gegen israelische Bürger*innen und israelische Streitkräfte zu unterbinden, sie dürfen aber Palästinenser*innen nicht vor Gewalt durch israelische Siedler oder israelische Streitkräfte schützen.

Die Finanzierung durch die USA und die EU hat die PA zu einer gut abgesicherten Regierung gemacht. Laut einer Infografik des palästinensischen Wissenschaftlers Alaa Tartir wird fast ein Drittel des Haushalts für die Sicherheit ausgegeben. Im Westjordanland und im Gazastreifen gibt es 83.276 Sicherheitskräfte – eine Sicherheitskraft pro 48 Einwohner. Zählt man sowohl Polizei- als auch Militärpersonal als Sicherheitspersonal, so kommt in den USA eine Sicherheitskraft auf 142 Menschen.

Die EU hat in dürftigen Erklärungen die Annullierung der Wahlen und die Ermordung von Nizar Banat in palästinensischem Polizeigewahrsam verurteilt, aber nicht damit gedroht, die Mittel für Waffen, Fahrzeuge und Werkzeuge zu streichen, mit denen die palästinensische Bevölkerung unter Kontrolle gehalten wird. Europol bildet sogar aktiv die palästinensischen Sicherheitskräfte aus.

Nizar Banat. Quelle: Wikipedia.

Die EU führt gleichzeitig eine Kampagne gegen die PA  mit der Behauptung, palästinensische Schulbücher würden zu Gewalt gegen Israel auffordern und Antisemitismus propagieren. Für den 2. September wurde eine Sondersitzung des Europäischen Parlaments einberufen, um die Vorwürfe zu erörtern, obwohl das Georg-Eckert-Institut (GEI) die Anschuldigungen bereits widerlegt hat.

Das GEI hat 200 palästinensische Schulbücher untersucht und nur zwei Fälle von Antisemitismus gefunden. Die pro-israelische Kampagne, die eine Streichung  von EU-Mitteln für das palästinensische Bildungsministerium verlangt, fordert dagegen nicht, das Budget für die palästinensischen Sicherheitskräfte zu streichen.

In einem Werbevideo für Europol betonte die schwedische Strafvollzugsberaterin Anna Dahlgren, dass es nicht die Aufgabe der EU sei, die Unzulänglichkeiten der palästinensischen Sicherheitskräfte zu kritisieren. Sie sagte: „Ich glaube, dass es wichtiger ist, zuzuhören als zu reden und bescheiden zu sein und zu verstehen, dass wir nicht immer die Antworten haben, aber wir sind da, um zu unterstützen und zu helfen.“

Es ist beschämend, dass die EU-Organisationen die Bescheidenheit und die Fähigkeit zuzuhören vergessen haben, wenn es um palästinensische Schulbücher geht, unterstützen aber weiterhin die palästinensischen Streitkräfte, die Nizar Banat in der Haft getötet haben und sich weigern, seine Mörder vor Gericht zu stellen.

Aus Sorge vor einem möglichen Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde hat sich die israelische Regierung oft auf die EU verlassen, die Abbas-Regierung zu unterstützen, vor allem, weil diese auf Sicherheitskräfte angewiesen ist, um die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Am 30. August traf der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz mit Präsident Abbas zusammen. Es war das erste Treffen zwischen einem israelischen Minister und Präsident Abbas seit 2010. Obwohl der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett klarstellte, dass es keine Friedensverhandlungen und keine Absicht gibt, den Palästinensern die Gründung eines souveränen Staates zu ermöglichen, versuchte Gantz, die Palästinensische Autonomiebehörde zu unterstützen, indem er 1.000 Baugenehmigungen im C-Gebiet versprach und ihr ein Darlehen in Höhe von 155 Millionen Dollar anbot.

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Eine neue Folge des Podcasts BIP-Gespräch ist da. Diese Woche sprechen wir mit Judith Bernstein aus der Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München.
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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

Israelische Siedler ketteten Tareq an ein Auto und hängten ihn danach an einen Baum
Der 15-jährige Tareq Z. überlebte letzte Woche einen unglaublich brutalen Angriff israelischer Siedler. Die Siedler verfolgten ihn und rammten ihn mit ihrem Auto, ketteten ihn an die Motorhaube, hängten ihn an den Handgelenken an einen Baum, verbrannten ihm die Fußsohlen und schlugen ihn mehr als anderthalb Stunden lang, bis er das Bewusstsein verlor. Obwohl er den Angriff überlebt hat, kann er immer noch nicht gehen.
Israelische Siedler greifen täglich palästinensische Kinder und Familien gewaltsam an. Obwohl sie Zivilisten sind, erhalten israelische Siedler von der israelischen Regierung Schusswaffen, und viele von ihnen haben ultranationalistische Überzeugungen, die sich in extremer Gewalt gegenüber Palästinenser*innen, auch gegenüber Kindern, äußern. Nur selten wird Anklage erhoben, und noch seltener werden israelische Siedler wegen Gewalt oder Vergehen gegen Palästinenser*innen verurteilt. Ohne internationalen Druck auf die israelischen Behörden ist es unwahrscheinlich, dass einer von Tareqs Angreifern jemals zur Rechenschaft gezogen wird.
https://www.dci-palestine.org/israeli_settlers_abduct_attack_15_year_old_palestinian_boy?utm_campaign=tareq_settler_violence&utm_medium=email&utm_source=dcipalestine

Am Samstagmorgen erlag ein 12-jähriger palästinensischer Junge, Omar Hassan Abu Anil, seinen Verletzungen, die er am vergangenen Wochenende bei Zusammenstößen mit israelischen Streitkräften an der Grenze erlitten hatte. Mindestens 11 Palästinenser*innen wurden nach Berichten aus dem Gazastreifen am Samstagabend bei Protesten an der Grenze zum Gazastreifen durch israelische Schüsse und Tränengas verwundet, kurz nachdem aus dem Gazastreifen abgeschossene Brandballons zwei Buschbrände im Süden Israels verursacht hatten.
Drei der Palästinenser*innen wurden durch israelischen Beschuss verwundet und in ein Krankenhaus in Gaza evakuiert. Augenzeugen an der Grenze berichteten, das israelische Militär setze scharfe Munition, Tränengas und Drohnen ein.
https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-12-year-old-gazan-dies-of-wounds-a-week-after-israeli-fire-at-border-protest-1.10159544#:~:text=The%20Gaza%20Health%20Ministry%20identified,City%20during%20last%20Saturday’s%20protest ebenso: https://www.dci-palestine.org/13_year_old_palestinian_boy_shot_by_israeli_forces_succumbs_to_his_wounds_in_gaza

Ein BIP Aktuell-Leser moniert, wir würden uns in unseren Beiträgen nur auf „uns genehme Quellen“ beziehen. Gideon Levys Haaretz-Artikel erscheint uns als angemessene Antwort darauf:
„Können wir uns nur um einen verwundeten israelischen Soldaten sorgen und nicht auch um die Opfer in Gaza?
Auch für die Verwundeten gibt es eine Rangordnung des öffentlichen Interesses, genau wie für die Gefallenen und die Gefangenen – auf der Grundlage ihrer Identität, ihrer Zugehörigkeit und ihrer Politik. Es gibt Hadar Goldin und Shmueli und es gibt andere [israelische – Red.] Familien. Shmueli ist nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein, der schwer verwundet wurde. Der Schmerz seiner Familie und seiner Freunde ist durchaus menschlich und verständlich. Weniger verständlich ist er für alle anderen. (…) In Gaza gibt es mehr als 300 Hinterbliebene der vorangegangenen Protestwelle, mindestens 36 Familien, die Kinder verloren haben, die von dieser verfluchten Mauer getötet wurden, und Tausende von Familien mit einem verwundeten oder behinderten Familienmitglied unter den 27.000 Verwundeten, von denen 88 Gliedmaßen verloren haben. Keiner denkt an sie. Keiner spricht über den Jungen Omar. Ist es in Israel erlaubt, sich Sorgen um ihn zu machen? Ist es erlaubt zu denken, dass er das Hauptopfer ist? Oder sind wir alle Schmueli, nur Schmueli?“
https://www.haaretz.com/opinion/.premium-everyone-s-worried-about-a-wounded-israeli-soldier-what-about-the-victims-in-gaza-1.10151556?utm_source=mailchimp&utm_medium=email&utm_content=author-alert&utm_campaign=Gideon%20Levy&utm_term=20210826-05:55
Unsere Aufgabe als Redaktionsteam von BIP Aktuell sehen wir darin, der deutschen Öffentlichkeit diese, auf der völkerrechtswidrigen Besatzung beruhende deutliche Asymmetrie immer wieder vor Augen zu halten.

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand un dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. 
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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