BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Aktuelle Beiträge

No more posts to show

Die Inhaftierung von Tausenden von Palästinensern in israelischen Gefängnissen ist ein wichtiges Element der Besatzung

Zusammenfassung: Dieser Blog wird am 47. internationalen Tag der palästinensischen Gefangenen veröffentlicht, zum Gedenken an 4.450 palästinensische politische Gefangene, die von einem Apartheid-System mit unterschiedlichen Rechtssystemen verurteilt wurden. Palästinensische Gefangene werden von den israelischen Behörden misshandelt und ausgebeutet. Im Vorfeld der bevorstehenden palästinensischen Wahlen verhaften die israelischen Streitkräfte Kandidaten, die ihnen nicht genehm sind.

Seit 1974 wird jeweils am 17. April der „Internationale Tag der palästinensischen Gefangenen“ begangen. Dieser Tag wurde vom Palästinensischen Nationalrat angeordnet und wird heute zum 47. Mal begangen. Er ist ein Anlass, um an die Tausenden von Palästinensern zu erinnern, die derzeit in israelischen Gefängnissen sitzen. Auf der ganzen Welt finden Veranstaltungen aus Solidarität mit den politischen Gefangenen statt, und jedes Jahr werden an diesem Tag Berichte über die Haftbedingungen der Gefangenen veröffentlicht.

Protest gegen Administrativhaft, Ofer-Gefängnis, Westjordanland, Quelle: Activestills, Ahmad Al-Bazz, 2019.

Nach Angaben der palästinensischen Organisation für Gefangenenrechte Addameer (was auf Arabisch „Gewissen“ bedeutet) befinden sich derzeit 4.450 palästinensische politische Gefangene in israelischen Gefängnissen. 440 von ihnen werden in Verwaltungshaft gehalten, ohne dass Anklage gegen sie erhoben wird, ohne das Recht, sich zu verteidigen. Diese sogenannte Administrativhaft kann beliebig oft verlängert werden. 140 der Gefangenen sind Kinder. 70 Gefangene sind israelische Staatsbürger, 300 sind Bewohner von Ost-Jerusalem, 250 sind Gefangene aus dem Gazastreifen. 10 der Gefangenen sind Mitglieder des palästinensischen Legislativrates (Parlamentsmitglieder). 498 Gefangene verbüßen eine Strafe von mehr als 20 Jahren, und 543 weitere Gefangene verbüßen eine lebenslange Haftstrafe.

Addameer zahlt einen hohen Preis für das Eintreten für die Rechte der palästinensischen politischen Gefangenen. Die Organisation wird ständig von israelischen Streitkräften schikaniert und bedroht. Dreimal (2002, 2012 und 2019) stürmten israelische Streitkräfte die Büros von Addameer und stahlen Dokumente, Computer und Unterlagen. Unter den gestohlenen Aufzeichnungen befand sich auch die Kommunikation zwischen Gefangenen und ihren Anwälten – ein klarer Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze.

In den vergangenen Wochen haben israelische Streitkräfte mehrere Städte im Westjordanland, darunter auch in Ost-Jerusalem, ins Visier genommen, um Kandidaten für die bevorstehenden palästinensischen Parlamentswahlen festzunehmen. Am Montag, den 12. April, verhafteten israelische Streitkräfte 24 Palästinenser im Westjordanland, die sowohl der Hamas als auch der Fatah angehören. Der Direktor des palästinensischen Gefangenenvereins, Nasser Abu Qous, war unter den Verhafteten. Die Verhaftungen sind Teil des israelischen Versuchs, die palästinensischen Wahlen zu stören (siehe BIP-Aktuell #165). Die Verhaftung von Hamas-Kandidaten rief erhebliche Empörung hervor und wird dazu führen, dass mehr Palästinenser bei den kommenden Wahlen aus Protest gegen diese Maßnahmen für die Hamas-Partei stimmen werden.

Der berühmteste palästinensische Gefangene ist Marwan Barghouti, der während der Zweiten Intifada der Chef der Tanzim-Organisation und einer der Anführer des Aufstands war. Er wurde 2002 von israelischen Streitkräften verhaftet. Barghouti weigerte sich, die Autorität des israelischen Gerichts anzuerkennen und wurde wegen Mordes zu fünfmal lebenslänglicher Haft verurteilt. Dennoch setzt Barghouti seinen politischen Aktivismus vom Gefängnis aus fort. Er ruft zu einer dritten Intifada gegen die israelische Besatzung auf und kritisiert die aktuelle Fatah-Führung dafür, dass sie mit den israelischen Streitkräften kooperiert. Er gründete 2005 eine neue politische Partei namens „al-Mustaqbal“ („die Zukunft“) und kündigte über seine Frau an, bei den palästinensischen Wahlen in diesem Jahr zu kandidieren. Selbst wenn er ins Amt gewählt wird, ist es unwahrscheinlich, dass die israelischen Behörden seine diplomatische Immunität respektieren und ihn freilassen.

Leitfaden zur administrativen Verhaftung. Quelle: Visiualizing Palestine, 2013.

Die Vierte Genfer Konvention verbietet es dem Besatzer, Gefangene in sein eigenes Staatsgebiet zu verlegen. Dennoch befinden sich alle Gefängnisse für palästinensische Gefangene mit Ausnahme des Ofer-Gefängnisses auf der israelischen Seite der Grünen Linie und nicht im besetzten Palästina. Auch die Verwaltungshaft ist strengstens untersagt. Die Gefangenen werden von einem Militärgerichtssystem angeklagt und verurteilt; ein Anwalt wird von der PA gestellt. Das Militärgerichtssystem basiert auf einer anderen Gesetzgebung und sieht andere Strafen als das Zivilrecht für die israelische Bevölkerung und die jüdischen Siedler in den illegalen Kolonien vor. Während diese dem israelischen Gesetz unterliegen, werden ihre palästinensischen Nachbarn für gleiche oder ähnliche Rechtsverstöße zu längeren Haftstrafen verurteilt. Detaillierte Informationen über das diskriminierende Militärgerichtssystem findet man bei http://www.militarycourtwatch.org.

Die Bedingungen in diesen Gefängnissen sind notorisch hart. Viele der Gefangenen müssen in Zelten schlafen und erhalten nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Lebensmittel und Hygieneartikel werden nur spärlich zugeteilt. Die Gefangenen dürfen ein „Kantinenkonto“ haben, auf das ihre Familie oder die Palästinensische Autonomiebehörde Geld überweisen kann. Dieses Konto wird von den Gefangenen genutzt, um lebensnotwendige Produkte wie Mehl und Reis zu kaufen, mit denen die Gefangenen dann ihr eigenes Essen kochen können. Die Kantinen, in denen diese Produkte verkauft werden, wurden im Jahr 2009 an ein gewinnorientiertes privates Unternehmen namens Dadash outgesourct. Das Unternehmen, konkurrenzlos innerhalb der Gefängnismauern, setzt hohe Preise für die Produkte fest und profitiert davon, dass die Gefangenen keine Wahl haben. Von einer Ausbeutung der Gefangenen zu sprechen, scheint hier angemessen, zumal der Israeli Prison Service (IPS) manchmal Geldstrafen gegen die Gefangenen verhängt und diese Beträge dann von den Kantinenkonten der Palästinenser beschlagnahmt. In diesem Zusammenhang hat die Knesset 2018 folgendes Gesetz erlassen: Steuergelder, die die israelischen Behörden im Namen der Palästinenser erheben, werden der Palästinensischen Autonomiebehörde wieder entzogen, wenn die PA sie auf die Konten der Gefangenen überweist (siehe BIP-Aktuell #164).

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.


******************************************************************

BIP-Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverstöße im besetzten Palästina

 

Arik Asherman, früherer Präsident von Rabbis for Human Rights, wurde von jüdischen Siedlern brutal angegriffen, als er Palästinenser verteidigte.

 

Wie in den Jahren zuvor, hielt sich Asherman in der Gegend von Dir Jarir auf, um jüdische Siedler zu bitten, ihre Herde von gepflügten Feldern fernzuhalten, die lokalen Palästinensern des Ortes gehören. Er benutzte seinen Twitter-Account, um ein Video zu teilen, das die Minuten vor dem Angriff zeigt: Ein hitziges Gespräch zwischen ihm und mehreren Siedlern. Einer von ihnen beschimpfte Asherman als „Mörder“, während er ihn bedrohte. Nach dem Angriff sagte Asherman, dass israelische Besatzungstruppen danebenstanden und zusahen, wie er mit einem Knüppel geschlagen wurde. Darüber berichtet dieses Video in Palestine Chronicle am 7.4.2021: https://www.palestinechronicle.com/video-prominent-rabbi-assaulted-by-jewish-settlers-as-he-defends-palestinians/
„Der brutale Angriff auf mich geschah, weil die israelischen Sicherheitskräfte erlaubten, den illegalen Outpost Ma’aleh Ahuvia wieder aufzubauen, nachdem sie ihn am Tag zuvor evakuiert hatten“, erklärte Asherman, „Sie hielten die Viehherden nicht davon ab, das Land von Dir Jarir zu betreten, um das abzugrasen, was dort wächst.“ Die Siedler seien „von einem unersättlichen Drang getrieben, Palästinenser zu enteignen.“ Fast täglich gingen sie dorthin, um das zu stehlen, was die Palästinenser gepflanzt haben – um Terror zu verbreiten, um finanziellen Schaden zu verursachen mit dem Ziel, die Beduinen dazu zu bringen, aufzugeben und nicht mehr zu ihren Sommerbehausungen zurückzukehren.
Auch andere Medien haben über diesen neuerlichen Angriff auf Arik Asherman berichtet, u.a. (https://www.middleeastmonitor.com/20210408-prominent-rabbi-assaulted-by-israeli-settlers-as-he-defends-palestinians/ und https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-israeli-settler-assaults-left-wing-activist-after-dispute-on-west-bank-grazing-land-1.9693220
FAZ-Nahostkorrespondent Jochen Stahnke berichtet am 9.4. in einem großen Artikel über diesen Verstoß gegen das Völkerrecht: „Bauernhöfe mit System. Israelische Siedler beanspruchen im Westjordanland die Felder rings um ihre Häuser. So besetzen sie immer mehr Land“. https://zeitung.faz.net/faz/politik/2021-04-09/ce4f493fc980d550b17100715348db13/?GEPC=s9
Dass diese Angriffe auf Arik Asherman nicht einmalig sind, zeigt dieses Video aus dem Jahr 2015, als ein Siedler ihn mit einem Messer angriff: https://www.youtube.com/watch?v=FpecFERU9wQ
Die israelische Polizei macht auch nicht mehr vor gewählten Knesset-Abgeordneten Halt: Ofer Cassif, ein jüdisches Mitglied der mehrheitlich arabischen Partei „Gemeinsame Liste“, nahm an einer Demonstration gegen den Ausbau einer jüdischen Siedlung in Sheikh Jarrah, einem palästinensischen Viertel im annektierten Ost-Jerusalem, teil. Das AlJazeera-Video vom 9.4. zeigt, wie er dabei von der Polizei geschlagen wurde: https://www.aljazeera.com/news/2021/4/9/video-shows-police-beating-israeli-politician-in-jerusalem

8 Kommentare

  1. Sehr geehrtes BIP-Team, leider ist der aktuelle Newsletter Nr. 166 anscheinend so verrutscht, daß ich ihn nicht ganz ausdrucken kann, sondern nur die ersten 4 Wörter. Ich bitte Sie daher um ein nochmaliges Senden an asohling@web.de. Danke Antje Ohling

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.