Das Kohelet-Forum unterstützt die extreme Rechte in Israel
Das Kohelet-Forum gibt vor, eine Denkfabrik zur Förderung der wirtschaftlichen Freiheit zu sein, aber in Wirklichkeit fördert es eine autoritäre, illiberale Politik und die rassistische jüdische Vorherrschaft. Die Organisation hat weitreichenden Einfluss auf die neue israelische Regierung und stellt Materialien und Strategiepapiere zur Verfügung, die direkt in Gesetze und Exekutiventscheidungen umgesetzt werden. Kohelet-Forum wird von rechtskonservativen Kräften aus den USA und vom Tikva Fund unterstützt, der israelische Interessen in Deutschland und anderen Ländern fördert.
*********************************************************************
Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen starten eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften von EU-Bürger*innen, um den europäischen Handel mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu beenden.
Die Europäische Bürgerinitiative ist ein offizielles Instrument, um die Stimmen der EU-Bürger zu verstärken und ihre demokratische Beteiligung zu verbessern. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres nach ihrem Start eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern in allen EU-Mitgliedstaaten sammelt, ist die Europäische Kommission gesetzlich verpflichtet, den Vorschlag zu prüfen, mit den Unterzeichnern zu diskutieren und gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) unterliegt EU-Regularien:
https://www.cidse.org/de/2022/04/07/take-action-to-end-european-trade-with-illegal-settlements/
Hier kann man teilnehmen.
*********************************************************************
Das Kohelet-Forum ist eine rechtsgerichtete israelische Nichtregierungsorganisation, die 2012 gegründet wurde und heute die einflussreichste NGO in Israel ist. Kohelet ist ein anderer Name des biblischen Königs Salomo – das Buch Kohelet ist auf Deutsch als Prediger bekannt. Der Slogan des Kohelet-Forum lautet „nationale Souveränität, individuelle Freiheit“. Diese Kombination aus Nationalismus und Individualismus, aus zwei scheinbar widersprüchlichen Werten, ist bei den US-Konservativen weit verbreitet (Quelle auf Hebräisch).
Der Vorsitzende des Kohelet-Forums Moshe Koppel und sein Buch Judaism Straight Up. Quelle: Elad 2021, Wikipedia und Amazon.
Das Kohelet-Forum wurde seit der Vereidigung der neuen rechtsextremen Regierung in Israel in Dutzenden von Artikeln erwähnt, insbesondere weil mehrere Minister und wichtige Beamte offen die Veröffentlichungen des Kohelet-Forums zitieren und zugeben, dass sie dessen Grundsatzpapiere zur Formulierung ihrer Politik nutzen (Quelle auf Hebräisch). So fordert Justizminister Yariv Levin eine weitreichende Justizreform, die auf den Empfehlungen des Forums beruht, Kommunikationsminister Shlomo Karai initiiert eine Kampagne zur Privatisierung des öffentlichen Rundfunks, die das Ende des öffentlichen Rundfunks in Israel bedeuten könnte (Quelle auf Hebräisch), Diasporaminister Amichai Chikli verwendet Materialien des Kohelet-Forums (Quelle auf Hebräisch), der Vorsitzende des Verfassungsausschusses der Knesset Simha Rotman (von der Partei des religiösen Zionismus, siehe BIP Aktuell #236) ernannte Shimon Nataf, einen Mitarbeiter des Kohelet-Forums, zu seinem Berater (Quelle auf Hebräisch). Prof. Dr. iur. Yossi Dahan nannte Rotman „einen fleißigen Studenten des Kohelet-Forums“ (Quelle auf Hebräisch). Obwohl kein einziges israelisches Ministerium eine Geschäftsführerin hat, verfügt das Bildungsministerium jetzt über eine stellvertretende Geschäftsführerin, Avital Ben Moshe, die im Kohelet-Forum forscht. Dies ist nur eine unvollständige Liste (Quelle auf Hebräisch).
Privatisierungen, der Abbau öffentlicher Dienstleistungen und eine Politik, die sich zurückhält und nicht interveniert, sind die Fundamente dieser Politik. Im August 2021 machte der Geschäftsführer des Kohelet-Forums, Meir Rubin, ein Foto von einem schwarzen Straßenreiniger, der sich auf einer Bank ausruht und veröffentlichte es auf Twitter mit der Beschwerde, dass die kommunalen Steuern verschwendet werden, weil der Straßenreiniger sich ausruht. Kohelet Forum hat auch das finnische Unternehmen Wolt (Lebensmittellieferungen) gegen die Kuriere unterstützt, die vor Gericht forderten, als Arbeitnehmer behandelt zu werden. Kohelet Forum sprach sich gegen den Arbeitnehmerstatus der Kuriere aus und verteidigte das Recht von Wolt, seine Gewinne zu steigern, indem es die Kuriere zwingt, für die Versicherung und das Benzin ihrer eigenen Motorräder zu zahlen (Quelle auf Hebräisch).
In den politischen Empfehlungen des Kohelet-Forums an die Regierung wird eine weitreichende Politik der Privatisierung von Schulen, Gesundheitsdiensten und öffentlichen Verkehrsmitteln befürwortet (Quelle auf Hebräisch). Das Kohelet Forum fordert die Einstellung von Subventionen zur Förderung des Tourismus und sogar die Kürzung von Renten und Leistungen für pensionierte Militäroffiziere (siehe BIP-Aktuell #182). Diese neoliberale Politik ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs.
Die Pläne des Kohelet-Forums zur Justizreform sind in den Schlagzeilen viel präsenter, weil sie Teil einer illiberalen Umgestaltung sind, die die Gewaltenteilung aufheben wird. Die Reform basiert auf vier Grundsätzen: (1) Erlaubnis für die Politiker, Richter zu ernennen und zu entlassen; (2) Gesetze, die auch von den Gerichten nicht aufgehoben werden können , wenn sie mit der absoluten Mehrheit von 61 von 120 Knessetmitgliedern beschlossen wurden, die sog. ”Überwindungsklausel”; (3) Gerichte dürfen nicht mehr auf der Grundlage „vernünftiger“ Gründe entscheiden, sondern nur noch auf der Grundlage des Wortlauts des Gesetzes; (4) und schließlich soll die politische Haltung und nicht die Qualifikation für die Ernennung von Anwälten im Dienste der Regierung und des Parlaments ausschlaggebend werden. Dreihundert hochrangige israelische Wirtschaftswissenschaftler haben sich in einer kritischen Petition gegen die Justizreform ausgesprochen und davor gewarnt, dass internationale Investitionen ausbleiben und Israels Kreditwürdigkeit Schaden nehmen wird, wenn die Regierung offen eine autoritäre Politik verfolgt. Der Vorsitzende des Kohelet-Forums, Moshe Koppel, wurde über die Rolle des Kohelet-Forums bei der Justizreform befragt und sagte, dass „wenn 80 % der Reformvorschläge angenommen werden, dies gut für das israelische Volk sein wird“. Auf die Frage, welche Teile der Reform am wichtigsten seien, nannte er die Punkte 1, 3 und 4 und war bereit, auf Punkt 2, die ”Überwindungsklausel”, zu verzichten. (Quelle auf Hebräisch).
Das Kohelet Forum begnügt sich jedoch nicht mit der neoliberalen Wirtschaftspolitik. Es fördert ein Verständnis von „nationaler Souveränität“ als rein jüdische Souveränität. Kohelet Forum hat sich im Juli 2018 in der Knesset erfolgreich für die Verabschiedung des Gesetzes über den Nationalstaat eingesetzt (siehe BIP-Aktuell #27). Das Forum hat auch eine Tochterorganisation namens Shiloh gegründet, die ein vom Waffenhändler Israel Ziv verfasstes Strategiepapier veröffentlichte, das vom neuen Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir (siehe BIP Aktuell #236) als Rechtfertigung für die Ausweitung seiner Befugnisse und die Forderung nach der Einrichtung einer Nationalgarde verwendet wurde (Quelle auf Hebräisch). Diasporaminister Amichai Chikli reiste in die USA, um sich mit rechtsgerichteten zionistischen jüdischen Organisationen zu treffen und zeigte eine Präsentation, in der er vor der nicht-jüdischen Einwanderung nach Israel warnte. Auf der Präsentation war das Logo des Kohelet-Forums zu sehen (Quelle auf Hebräisch). Die Haaretz-Journalistin Yoana Gonen schrieb darüber einen Artikel mit der Überschrift „So etwas wie Kohelet-light gibt es nicht. Mit den ökonomischen Vorrechten kommt das nationalistische Recht“ (Quelle auf Hebräisch). Prof. Dr. Moshe Koppel ist der Gründer und Vorsitzende von Kohelet Forum. Im Jahr 2020 veröffentlichte er das Buch „Judaism Straight Up: Why Real Religion Endures“, ein Buch, in dem er dazu aufruft, die Rassereinheit zu bewahren und Mischehen mit Nicht-Juden zu vermeiden. Das Buch wird auf der Website von Kohelet Forum beworben.
Mehr als 90 % der Einnahmen des Kohelet-Forums stammen aus Spenden. Die beiden größten Spendenquellen kommen von Jeffrey Yass, einem rechtsgerichteten US-Milliardär, der Geld für Politiker gespendet hat, die eine Rolle bei der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 gespielt haben und rassistische Fernsehspots gegen schwarze Politiker finanzierten.
Jewish Voice for Peace protestierte gegen Jeffrey Yass. Source: Mondoweiss, 2021.
Die andere Spendenquelle stammt vom Tikva Fund, einer ultrakonservativen rechten Stiftung, die verschiedene rechte Organisationen in Israel wie das Shalem Center (in der illegalen Siedlung Kiryat Moriya in Ost-Jerusalem) und das Institut für Zionistische Studienunterstützt. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) steht in enger Verbindung mit den rechtsextremen und rassistischen Elementen der israelischen politischen Szene, da ihr Vorsitzender Volker Beck das ranghöchste Mitglied des Tikva-Fonds in Deutschland ist.
*********************************************************************
Eine neue Folge des BIP-Gesprächs ist da. Diese Woche sprechen wir mit Wieland Hoban, dem Vorstandsvorsitzenden der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V.
*********************************************************************
Wir trauern um Dr. Clemens Messerschmid. Clemens war unser unermüdlicher Mitstreiter, ein kompromißloser Kämpfer für die Rechte der Palästinenser. Seine immer wieder upgedateten Kenntnisse über die verheerende Wassersituation und ihre Ursachen in Gaza und die krasse Benachteiligung der Palästinenser bei der Wasserversorgung im Westjordanland werden uns fehlen. Seine Vorträge bleiben uns in steter Erinnerung.
Clemens unterstützte BIP. Wir veröffentlichten einen seiner Texte als BIP Aktuell. Mit Shir Hever führte er ein Gespräch im Rahmen unserer Gesprächsreihe.
Dr. Clemens Messerschmid
Panzerabwehrrakten auf FlüchtlingslagerIsraelische Besatzungssoldat:innen haben im Westjordanland erneut einen unbewaffneten Palästinenser erschossen.
„Abdullah Sami Qalalweh (26) wurde am Freitagabend durch “Kugeln der israelischen Besatzung in der Nähe der Stadt Huwara, südlich von Nablus” getötet, so das palästinensische Gesundheitsministerium in einer Erklärung. Die offizielle palästinensische Nachrichtenagentur WAFA zitierte Ahmad Jibril, einen Sprecher des Palästinensischen Roten Halbmonds, mit den Worten, das Opfer sei nur wenige Minuten, nachdem es von den israelischen Besatzungskräften lebensgefährlich verletzt worden war, gestorben. Die israelische Armee teilte mit, ihre Streitkräfte hätten auf einen “Angriff” auf die Soldaten eines militärischen Außenpostens reagiert, nachdem ein Verdächtiger “auf einen militärischen Außenposten in der Nähe eines Armeestützpunktes in der Region Huwara zugelaufen” sei. Qalalweh habe “versucht, einen der Soldaten anzugreifen”, woraufhin “ein anderer Soldat, der sich vor Ort befand, auf den Verdächtigen geschossen und ihn getroffen” habe. Dabei bestätigt selbst die Armee, dass Qalalweh unbewaffnet war.
Mit dem Tod von Qalalweh steigt die Zahl der in diesem Jahr von den Besatzungskräften getöteten Palästinenser auf 37, darunter 9 Kinder und eine ältere Frau. Im gleichen Zeitraum wurden 1 ukrainischer und 6 israelische Siedler, darunter ein Kind, in den besetzten palästinensischen Gebieten getötet. Ein weiterer Israeli verstarb diese Woche an Verletzungen, die er bei einem palästinensischen Anschlag in Israel erlitt.
Mindestens 13 Palästinenser:innen wurden am Samstag verletzt, zwei von ihnen schwer, nachdem israelische Besatzungskräfte bei einer Razzia im Flüchtlingslager Aqbat Jabr in der Stadt Jericho im besetzten Westjordanland Tränengas, scharfe Munition und sogar Raketen abgefeuert hatten. Das ortsansässige Krankenhaus rief die Einwohner:innen zu Blutspenden auf. Die israelischen Streitkräfte feuerten während ihres 5-stündigen Überfalls eine Panzerabwehrrakete ab, um Palästinenser:innen festzunehmen, wie der israelische Rundfunk bestätigte. Die palästinensische Gesellschaft des Roten Halbmonds beschuldigte Israel, wieder einmal Krankenwagen den den Zugang zu den Verletzten blockiert zu haben.
Jericho, eine Stadt mit 37.000 Einwohner:innen, wurde vom israelischen Militär eine Woche lang weitgehend abgeriegelt, da die israelischen Besatzer:innen nach Verdächtigen für eine Schießerei aus dem Auto heraus in der Nähe einer illegalen israelischen Siedlung unweit von Jericho fahndeten.
Die israelische Armee hat mind. 10 Personen verhaftet, unter denen sich Verdächtige befinden sollen, die für die Schießerei gesucht wurden. Auch soll ein Journalist verhaftet worden sein. “Dies ist Teil eines sehr gewalttätigen Jahresbeginns im besetzten Westjordanland — 36 Palästinenser wurden bisher getötet”, so Journalist Smith von Al Jazeera, nachdem er auch auf das Blutbad von Jenin am 26.01.2023 verwies, bei dem 10 Palästinenser:innen getötet wurden.
“Und das alles vor dem Hintergrund der neuen rechtsextremen israelischen Regierung, in der ein Kabinettsminister sitzt, der von Siedler:innen gewählt wurde, die entschlossen sind, das Siedlungsprojekt im besetzten Westjordanland voranzutreiben und den Palästinenser:innen das Leben noch schwerer zu machen als es ohnehin schon ist.”, so Smith weiter.
In Aqbat Jabr, einem von 19 palästinensischen Flüchtlingslagern im besetzten Westjordanland, leben mehr als 8.000 Menschen. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen verfügen die Menschen dort über unzureichende Unterkünfte und Abwassersysteme.
Die jüngste Zunahme der Tötungen durch israelische Soldat:innen ist Teil der verstärkten nächtlichen Razzien, insbesondere in den nördlichen besetzten Städten Jenin und Nablus, die unter dem Banner der Niederschlagung des begrenzten bewaffneten palästinensischen Widerstands gegen die völkerrechtswidrige israelische Besatzung durchgeführt werden. Zum anderen spielt die regelmäßige Straflosigkeit bei Ermordungen durch Soldat:innen eine Rolle.“ https://occupied-news.medium.com/panzerabwehrrakten-auf-flüchtlingslager-sonntag-05-02-2023-284b98196c12
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.