Israels extreme Rechte provoziert an der Heiligen Stätte
- Siedler in der Al-Aqsa-Moschee
- Prügel, dann Bulldozer: Wie Israel Palästinenser dafür bestraft, dass sie auf ihrem eigenen Land bauen
Das Pessachfest wird von religiösen Extremisten und Siedlern als Vorwand genutzt, um den Haram Al-Sharif, auf dem die Al-Aqsa-Moschee steht, unter Verletzung der Kompetenzen der jordanischen Waqf-Stiftung zu stürmen und dort zu beten. Obwohl ultraorthodoxe Juden das Beten auf dem Tempelberg vor der Ankunft des Messias ablehnen, werden die Provokationen mit Unterstützung der Regierung und im Zeichen einer neuen theologischen Auslegung, die Tieropfer in der Gegend des Haram Al-Sharif für die Herbeirufung des Messias fordert, immer gewalttätiger.
Unter fundamentalistischen Juden, die das biblische Königreich Judäa wiederherstellen wollen, markiert das Pessachfest die Zeit des Opfers im heiligen Tempel, der 70 n. Chr. zerstört wurde.
Vom Oberrabbinat Israels am Fuße des Tempelbergs aufgestelltes Schild: Hinweis und Warnung -Gemäß den Vorschriften der Thora ist das Betreten des Tempelbergs aufgrund der Heiligkeit dieses Ortes strengstens verboten. Quelle: 2014, Flickr.
Die ultra-orthodoxe Führung in Israel (BIP-Aktuell #316) vertritt die Ansicht, dass der jüdische Tempel erst nach der Ankunft des Messias wieder aufgebaut werde und Versuche, ihn vorher zu errichten, Blasphemie seien. Sie argumentieren auch, dass ein Teil des zerstörten Tempels, das „Allerheiligste“, von Juden mit Ausnahme des Hohepriesters nicht betreten werden darf. Am Fuß der Treppe, die zur Al-Aqsa-Moschee hinaufführt, haben sie ein Schild angebracht, das darauf hinweist, dass Juden aus religiösen Gründen diesen Bereich nicht betreten und dort nicht beten dürfen.
Seit dem 19. Jahrhundert erlaubt ein ungeschriebenes Status-quo-Abkommen dem muslimischen Waqf, die heiligen Stätten des Tempelbergs zu verwalten und das Recht von Menschen aller Glaubensrichtungen auf Gebete zu regeln. Im Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien von 1994 heißt es (Art.9, Abs. 2): Israel respektiert die derzeitige besondere Rolle des Haschemitischen Königreichs Jordanien in Bezug auf die muslimischen Heiligtümer in Jerusalem (http://www.kinghussein.gov.jo/peacetreaty.html). Diese Vereinbarung wurde von Israel gebrochen.
Eine Gruppe rechtsextremer Siedler, die sich „Der Tempelberg ist in unseren Händen“ („Har Habayit beyadeinu“) nennt, organisiert seit längerem immer größere Gruppen von Juden, die den Haram Al-Sharif betreten und Provokationen verursachen (Quelle auf Hebräisch).
Bereits 2022, als Itamar Ben-Gvir Mitglied der Knesset war, wurden die Provokationen in der Al-Aqsa-Moschee von der israelischen Regierung unterstützt (BIP-Aktuell #215), die damals noch nicht von Netanjahu, sondern von Naftali Bennett geführt wurde. Palästinensische Organisationen erklärten, dass der Zweck der Übergriffe nicht religiöser, sondern politischer Natur sei, nämlich, religiösen Zwist zu schüren und die Beziehungen Israels zu muslimischen Ländern zu sabotieren. In der Tat haben muslimische Länder (Jordanien, Türkei, Ägypten usw.) diese Aktionen verurteilt. Dr. Michael Wolfowitz wurde eingeladen, hierüber vor dem Ausschuss für Verfassungsangelegenheiten der Knesset zu sprechen; er meinte, es sei „antisemitisch“, die bewaffneten Übergriffe auf den Haram Al-Sharif als Gewaltakte zu bezeichnen (Quelle auf Hebräisch).
Vor zwei Jahren betrat Israels Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir (BIP-Aktuell #315), umgeben von bewaffneter Polizei, den heiligen Ort des Haram Al-Sharif, auf dem die Al-Aqsa-Moschee steht. Er ließ bei der Gelegenheit auch Videos von sich machen.
Eine neue theologische Bewegung innerhalb des national-orthodoxen Zweigs des Judentums, ein messianischer Zweig, entwickelte die Idee, dass durch das Opfern einer roten Färse in der Gegend von Haram Al-Sharif der Messias herbeigerufen werde und die Toten dadurch wieder zum Leben erwachen würden. Vor dem diesjährigen Pessachfest organisierte die Jerusalemer Stadtverwaltung eine öffentliche Veranstaltung, um Tausenden von Kindern zu zeigen, wie man das Tier opfert, das Blut auffängt und wegschüttet und das Fleisch rituell isst (Quelle auf Hebräisch).
In diesem Jahr fiel das Pessachfest auf Samstag, den 12. April. Am Morgen des Tages stürmten 765 Siedler durch das Al-Mugharbah-Tor auf das Gelände des Haram Al-Sharif, umgeben von bewaffneten Polizisten und Soldaten. Dies ist die höchste Zahl von Siedlern, die je in diesen Ort eingedrungen ist. Es war der Höhepunkt von 21 Siedlerübergriffen auf den Haram Al-Sharif während des diesjährigen Ramadan. Am 21. April kam es zu einem weiteren Übergriff auf die Al-Aqsa-Moschee, diesmal unter der Leitung des rechtsextremen israelischen Politikers Yehouda Glick, der früher Mitglied der Likud-Partei war. Nebenbei bemerkt ist er ein Freund der deutschen AfD.
Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit, vor dem Felsendom. Quelle: 2025, Tempelbergbewegung, Twitter.
Während die israelische Regierung behauptet, dass die Provokationen im Haram Al-Sharif durch die Religionsfreiheit der Juden gedeckt seien, schränkt sie die Religionsfreiheit für Muslime und Christen ein. In diesem Jahr beschränkte sie die Zahl der Palästinenser, die die Al-Aqsa-Moschee betreten durften, während des gesamten Ramadan auf 10.000. Ähnlich gingen die israelischen Streitkräfte gegen palästinensische Gottesdienste an den heiligen Stätten der Christen in Jerusalem während der Osterzeit vor. Obwohl im Westjordanland 50.000 Christen leben, stellte Israel nur 4.000 Genehmigungen für palästinensische Christen aus, um in Jerusalem zu beten, allerdings nur für eine Woche und ohne das Recht, dort zu übernachten.
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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Ein Bericht von Gideon Levy und Alex Levac, 19.4.2025, von BIP gekürzt
Prügel, dann Bulldozer: Wie Israel Palästinenser dafür bestraft, dass sie auf ihrem eigenen Land bauen
Die israelische Grenzpolizei, die in ein ruhiges Dorf im Westjordanland kam, um zwei Hauszerstörungen zu überwachen, schlug gnadenlos auf die Mitglieder einer Familie ein und verschonte nicht einmal ältere Menschen.
Das Wohnzimmer der Familie Manasra im Dorf Wadi Fukin sieht eher aus wie eine Ambulanz. Auf einem abgewetzten Sofa sitzt der Familienvater Nasser Manasra, ein 64-jähriger Bauarbeiter. Er hat sechs Kinder und 19 Enkelkinder. Sein Sohn Ibrahim, 39 Jahre alt und Vater von sechs Kindern, sitzt ihm gegenüber auf dem Sofa. (…) Vater und Sohn sind Opfer der hemmungslosen Gewalt der Grenzpolizeieinheit, die letzte Woche hierherkam, um die Zerstörung des Hauses eines anderen Familienmitglieds, Mohammed, zu sichern. Nach den Videos, die wir gesehen haben, und den Aussagen von Augenzeugen gab es kein Eingreifen der Bewohner, aber das hielt die Polizisten nicht davon ab, auf jeden loszugehen, der sich näherte oder versuchte, den Verwundeten zu helfen. (…) Wadi Fukin ist ein kleines Dorf westlich von Bethlehem im Tal zwischen der großen ultraorthodoxen Siedlung Betar Ilit (im Westjordanland) und der Stadt Tzur Hadassah (innerhalb der Grünen Linie). Es hat weniger als 1.500 Bewohner inmitten vieler Siedler, die in das Dorf kommen, um ihre Autos reparieren und waschen zu lassen und um einzukaufen. Es gibt nur noch wenige Orte im Westjordanland, an denen diese überholte Lebensweise noch existiert. Trotzdem sind seit Beginn des Krieges die meisten Dorfbewohner arbeitslos, da es den Palästinensern verwehrt ist, in Israel zu arbeiten.
Dienstag letzter Woche machte Nasser Manasra sich früh morgens auf den Weg zu seinem kleinen Gemüsegarten am Rande des Dorfes. (…) Mit schmerzverzerrtem Gesicht erzählt er, dass er gegen 6.30 Uhr einen Konvoi von 10 bis 15 Fahrzeugen der Grenzpolizei und der Zivilverwaltung (einer Einheit der Militärregierung) zusammen mit zwei Bulldozern sehen konnte, die sich darauf vorbereiteten, von Tzur Hadassah in Richtung seines Dorfes aufzubrechen. (…) Sein Sohn Mohammed hatte kurz zuvor einen Abrissbefehl für sein neues Haus erhalten. Er hatte Angst, dass die Truppe auf das noch unbewohnte Haus seines Sohnes zusteuerte. Der Abrissbefehl wurde im vergangenen November erlassen, nachdem der Bau des Hauses abgeschlossen war. Die Zivilverwaltung wartet in der Regel bis zum Abschluss der Bauarbeiten, bevor sie den Abriss in Gang setzt.
Mohammed, der 41 Jahre alt ist und drei Kinder hat, ein viertes ist unterwegs, hat ebenfalls in Israel gearbeitet und ist jetzt arbeitslos. Er baute das Haus in den letzten vier Jahren auf dem Privatgrundstück der Familie und versuchte, von der Zivilverwaltung eine Baugenehmigung zu bekommen. Aber Palästinensern wurden seit langem keine Baugenehmigungen erteilt, so dass sie keine andere Wahl haben, als ohne Genehmigung zu bauen. Seit Beginn des Krieges sind im Westjordanland Dutzende von illegalen Siedler-Außenposten entstanden, in einigen Fällen auf gestohlenem Privatland. Niemand hat daran gedacht, sie abzureißen, aber wenn es um Mohammed Manasras neues Haus geht, das auf seinem eigenen Grundstück steht, ist der Abriss obligatorisch.
Gegen 7.30 Uhr sah Nasser, wie sich der Konvoi seinem Dorf näherte. (…) Nasser eilte nach Hause, sammelte Mohammeds Kinder ein – die Familie seines Sohnes wohnte noch im Stockwerk darüber – und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum neuen Haus. (…). Mohammed hatte 400.000 Schekel (ca. 110.000 US-Dollar) in sein Traumhaus investiert. Als er anfing, arbeitete er selbst in Betar Ilit.
Gegen 9.30 Uhr war das erste Haus dem Erdboden gleichgemacht worden, und der Konvoi setzte sich in Richtung Mohammeds Haus in Bewegung. Etwa zehn Familienmitglieder waren vor Ort, sagt Nasser. Niemand warf Steine oder versuchte sich zu wehren. Ein Jugendlicher kletterte auf das Dach des Hauses, die Grenzpolizei drohte ihm, ihn zu verhaften, wenn er nicht sofort herunterkäme, und Nasser drängte ihn auch, wieder herunterzukommen – was er auch tat. Als er sich wieder auf dem Boden befand, begannen die Polizisten, ihn zu schlagen, ohne Grund, so Nasser. Auch Nasser wurde auf dem felsigen Gelände niedergeschlagen. Er spürte unerträgliche Schmerzen in seinem Rücken. Als sein Sohn Ibrahim ihm zu helfen versuchte, wurde er von einem Metallgegenstand, vermutlich einer Tränengasgranate, am Kopf getroffen und verletzt.
(…)
Zwei Videos, die von einem Augenzeugen aufgenommen wurden, zeigen, wie Polizisten einen älteren Mann umzingeln, der den Hang hinuntergeht, offenbar Nasser, und ihn schubsen, bis er zu Boden fällt. Dann treten und schlagen sie auf ihn ein. Danach schlagen sie einen jungen Mann, der ihm zu Hilfe kam, und einen anderen älteren Mann, die beide zu Boden fallen. Die Videos zeigen keinen Hinweis auf gewaltsamen Widerstand, nur Polizeigewalt. (…)
Ein Sprecher der israelischen Polizei erklärte diese Woche auf Anfrage von Haaretz: „Während des Eingreifens der Grenzpolizei und der Beamten der Zivilverwaltung in Wadi Fukin, auf dem Territorium der Etzion-Brigade, griff am 8. April 2025 ein Terrorist einen Kämpfer der Grenzpolizei an und versuchte, ihm seine Waffe zu entreißen. Der Terrorist wurde bei dem Angriffsversuch am Kopf verletzt, vor Ort festgenommen und ins Krankenhaus evakuiert.“
Plötzlich haben wir also einen „Terroristen“ am Ort. Und zwar nicht irgendeinen „Terroristen“, sondern einen, der versucht hat, einem Polizisten das Gewehr zu entreißen. Wenn ja, wie kommt es, dass er nicht schon früher verhaftet wurde? Aber was bedeuten Worte? Haaretz forderte die Polizei auf, ihnen das Video zu schicken, das die Schläge zeigt. Aber als Reaktion darauf ignorierte sie das Video und erfand einen „Terroristen“.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Sieben Menschen, die meisten von ihnen ältere Menschen, wurden geschlagen und verwundet und zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Vier von ihnen wurden über Nacht festgehalten. Nassers Körper ist immer noch geschunden und er leidet unter starken Schmerzen; Ibrahims Kopf bleibt bandagiert. Alles, was sie wollten, war, ihren Familienmitgliedern zu helfen. Soweit bekannt, hat keiner von ihnen versucht, die Truppen anzugreifen.
Gegen 11 Uhr, unmittelbar nachdem das Haus zerstört und die Verwundeten evakuiert worden waren, traf Amer Aruri, ein Feldforscher der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem, am Tatort ein. Er sah, wie Grenzpolizisten mit einem Kippa tragenden Juden zusammenstießen. Es war ein Freund der Familie, der in Tzur Hadassah lebt, ihr Haus überblickt und gekommen war, um der Familie zu helfen. Er versuchte, den Abriss zu verhindern und dem Sicherheitspersonal zu erklären, dass diese Familie noch nie jemanden verletzt hatte. Er organisierte auch eine Petition, die von Dutzenden Einwohnern von Tzur Hadassah unterzeichnet wurde und die einen Stopp der Hauszerstörungen in dem freundlichen und friedlichen Dorf fordert. Aber natürlich ohne Erfolg. Aruri sah, wie die Polizisten den Israeli Anton heftig schubsten. (…)
Wir fuhren dann zu den Ruinen des Hauses. Unter dem Trümmerhaufen war noch zu sehen, dass hier ein neues Haus gestanden hatte – Keramik und Steinverkleidung sind heute nur noch Scherben. (…)
https://www.haaretz.com/israel-news/twilight-zone/2025-04-19/ty-article-magazine/.highlight/beatings-then-bulldozers-how-israel-punishes-palestinians-for-building-on-their-own-land/00000196-4c5d-ddef-a5df-dfff4de20000
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.
5 Kommentare
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