Von Annette Groth
- Genozid mit Ansage
- Bemerkenswert
Das BIP-Mitglied Annette Groth, ehemalige Bundestagsabgeordnete, berichtet darüber, wie israelische Politiker und Prominente zu ethnischer Säuberung und Völkermord an den Palästinensern in Gaza aufrufen und große Teile der Bevölkerung eine solche Politik unterstützen. Es wurde sogar ein Holocaust gefordert. Israel gerät international zunehmend unter Druck.
Anfang Juni veröffentlichte Haaretz das Ergebnis einer Umfrage, wonach 82 Prozent der jüdischen Israelis für die Vertreibung der Bewohner Gazas plädieren. Eine Mehrheit von 56 Prozent befürwortete die „Umsiedlung (Zwangsvertreibung) arabischer Bürger Israels in andere Länder“. Und auf die direkte Frage, ob sie der Aussage zustimmen, dass die israelische Armee „bei der Eroberung einer feindlichen Stadt ähnlich vorgehen sollte wie die Israeliten, als sie unter der Führung Josuas Jericho eroberten, nämlich alle Einwohner zu töten“, stimmten fast die Hälfte, 47 Prozent, zu. Das ist schockierend, weil allgemein die Meinung vorherrscht, dass nur eine kleine Minderheit der jüdischen Israelis extreme Ansichten vertritt und sich für Vertreibung und das Töten von Palästinensern ausspricht.
Die rechtsextreme israelische Regierung kann also mit der Unterstützung großer Teile der jüdisch-israelischen Bevölkerung bei der Vertreibung der Palästinenser in der Westbank und in Gaza rechnen.
Eine Erklärung für diese menschenverachtende Haltung dürfte in der Entmenschlichung der Palästinenser liegen, die häufig als „menschliche Tiere“ bezeichnet werden (siehe BIP-Aktuell #277). Dementsprechend ruft die Gleichsetzung, das Töten von Palästinensern sei wie das Töten von Kakerlaken, keinen großen Widerspruch hervor.
Seit Oktober 2023 überbieten sich Politiker und israelische Prominente mit verbalen Vernichtungsphantasien, die den Genozid begleiten.
Schon am 7.Oktober 2023 schreibt das Knesset-Mitglied, Likud, Tali Gottlieb auf X: „Reißt Gebäude ein!! Bombardiert ohne Unterschied!! … Es gibt weltweite Legitimität! Macht Gaza dem Erdboden gleich. Ohne Gnade! Dieses Mal gibt es keinen Raum für Gnade.“ Am 13. Oktober 2023 erklärte Israel Katz, der jetzige Verteidigungsminister: „Die gesamte Zivilbevölkerung in Gaza muss das Gebiet sofort verlassen. Wir werden gewinnen. Sie werden keinen Tropfen Wasser und keine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen haben.“
Am 17. Oktober postete Moshe Feiglin, israelischer Politiker und Vorsitzender von Zehut (Zentrum zur Vertiefung der jüdischen Identität): „Es ist nicht die Hamas, die beseitigt werden sollte. Gaza sollte dem Erdboden gleichgemacht werden und die Herrschaft Israels sollte an diesem Ort wiederhergestellt werden. Dies ist unser Land.“
Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit, der 2007 von einem israelischen Gericht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Anstiftung zum Rassismus verurteilt wurde, prahlte im Januar 2024 damit, die Bemühungen um einen Waffenstillstand in Gaza zu stören, und drängte darauf, „die Lieferung von humanitärer Hilfe, Treibstoff, Strom und Wasser nach Gaza vollständig einzustellen.“
Während seines Besuchs in den USA im April dieses Jahres twitterte Ben-Gvir: „Ich hatte die Ehre und das Privileg, mich mit hochrangigen Vertretern der Republikanischen Partei in Trumps Anwesen Mar-a-Lago zu treffen. Sie bekundeten ihre Unterstützung für meine sehr klare Position, wie in Gaza vorzugehen ist, und dass die Lebensmittel- und Hilfsdepots bombardiert werden sollten, um militärischen und politischen Druck auszuüben, damit unsere Geiseln sicher nach Hause gebracht werden können.“
Bisheriger „Höhepunkt“ des verbalen Vernichtungsfeldzugs gegen die Palästinenser in Gaza ist der genozidale Aufruf des bekannten israelischen TV-Produzenten Elad Barashi. Er leitet den Haus- und Hofsender von Premierminister Netanjahu und schrieb in einem Post auf X vom 27. Februar 2025 über die Bevölkerung Gazas: „Gaza befindet sich im Todestrakt. 2,6 Millionen [sic!] Terroristen in Gaza sind zum Tode verurteilt. Sie verdienen den Tod. Menschen, Frauen, Kinder auf jede erdenkliche Art und Weise, lasst es einen Holocaust in Gaza geben – ja, lesen Sie das ruhig noch einmal – H-O-L-O-C-A-U-S-T. Wenn man mich fragt, so braucht es Gaskammern, Zugwaggons und andere grausame Arten des Todes für diese Nazis. (…) Überfahren. Ausrotten. Abschlachten. Dem Erdboden gleichmachen. Demontieren. Zerschmettern. Ohne Gewissen und Gnade sind Kinder und Eltern, Frauen und Mädchen zu einem grausamen und schweren Tod verurteilt. Gaza verdient den Tod. Lasst es einen Holocaust in Gaza geben.“
Elad Barashi, Fernsehproduzent bei Channel 14 in Israel, rief zum Holocaust an den Palästinensern im Gazastreifen auf. Quelle: 2025, Twitter.
Sein Posting vom 27. Februar dieses Jahres hat Barashi inzwischen zwar gelöscht, aber am 4. Mai thematisierte das Investigativ-Portal Drop Site News den genozidalen Aufruf, der für etwas Furore sorgte. Barashi reagierte darauf und erklärte, dass er den Gaza-Bewohnern noch immer „einen Holocaust“ wünsche und dass er sich nicht dafür entschuldigen werde. Als einzige größere Zeitung griff die TAZ diesen unfassbaren Aufruf auf; später veröffentlichte auch der Weltexpress darüber einen Artikel.
Die heutige Situation mit den vier (!) Lebensmittelverteilstellen durch eine private US- Hilfsorganisation, die Gaza Humanitarian Foundation, hat der ehemalige Generalmajor Giora Eiland bereits im September 2024 vorausgesagt: Er wolle alle Menschen, die sich in den Ruinen von Gaza-Stadt und Umgebung aufhalten, auffordern, das Gebiet zu verlassen. „Danach würden alle Zugänge abgeriegelt und eine vollständige Belagerung verhängt. Es würden kein Wasser, kein Treibstoff, keine Lebensmittel und humanitären Güter geliefert werden“ (siehe BIP-Aktuell #323).
Auf einer Pressekonferenz am 19. Mai 2025 sagte der bekennende Faschist und Finanzminister Bezalel Smotrich: „Der Ansatz dieser Operation ist völlig anders als alles, was bisher gemacht wurde. Keine Razzien oder Blitzoperationen mehr — jetzt erobern wir, säubern und bleiben. Bis die Hamas zerstört ist. Dabei wird auch alles, was vom Gazastreifen übrigbleibt, vernichtet, einfach weil dort alles zu einer einzigen großen Terrorstadt geworden ist. … Die Bevölkerung wird den Süden des Gazastreifens erreichen — und von dort aus mit Gottes Hilfe nach dem Plan von Präsident Trump in Drittländer umgesiedelt werden. Dies ist eine Wende in der Geschichte. Nicht weniger. Das ist der Kern der Sache. … In wenigen Tagen wird mit Gottes Hilfe ein amerikanisches Zivilunternehmen im Gazastreifen seine Arbeit aufnehmen, um die minimalen Lebensmittelhilfen direkt an die Zivilbevölkerung zu verteilen — und dabei sicherzustellen, dass kein einziges Korn die Hamas erreicht oder unsere Soldaten gefährdet.“
Dass die Vertreibung der Palästinenser sich nicht nur auf Gaza beschränken wird, bekräftigte Smotrich schon im Mai 2024: „Wir werden euch in Schutt und Asche legen, wie wir es jetzt im Gazastreifen tun.“ Und er sagte auch klar und deutlich, dass 2025 das Jahr der Annexion sein wird. Die kürzliche Legalisierung von 22 israelischen Siedlungen im Westjordanland ist ein Signal für die Vertreibung.
Angesichts der Massaker in Gaza, der oft gewalttätigen Vertreibung von Palästinensern in der Westbank und der zahlreichen Verstöße gegen Völkerrecht und Menschenrechte ist es unbegreiflich, dass die Bundesregierung immer noch Waffen nach Israel liefert. Auf Anfrage der Linken im Bundestag wegen Waffenexporten nach Israel teilte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) Ende Mai mit, dass diese einen Wert von fast einer halben Milliarde Euro umfassen. Der Zeitraum umfasste den Beginn des Krieges Anfang Oktober 2023 bis Mitte Mai 2025. Welche Waffen mit welchem Zweck in welchem Umfang geliefert wurden, wollte die Bundesregierung »aus Gründen des Staatswohls« nicht genau aufschlüsseln. Sie betont, dass die Bundesregierung über »Genehmigungen für Rüstungsexporte« stets »nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen«, entscheide. Dass internationales Recht Waffenexporte in ein Land verbietet, das unter dem Verdacht eines Genozids steht, scheint keine Rolle zu spielen.
Ob die Bundesregierung Waffenlieferungen verbieten und andere Maßnahmen ergreifen sollte, wird auch in Israel debattiert.
Für Sion-Tzidkiyahu, Dozentin an der Hebräischen Universität Jerusalem und Direktorin des Programms für israelisch-europäische Beziehungen bei Mitvim (Israelisches Institut für regionale Außenpolitik) hängen mögliche politische Maßnahmen gegen Israel weitgehend davon ab, wie die Regierung Netanjahu den Krieg im Gazastreifen fortsetzen wird. „Eine unkritische Ausrichtung auf Israel birgt die Gefahr, dass Deutschlands Glaubwürdigkeit untergraben wird und das Land zunehmend Vorwürfen der Doppelmoral ausgesetzt ist. Dies könnte die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf der breiteren geopolitischen Bühne schwächen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine“, so Sion-Tzidkiyahu.
Es ist zu hoffen, dass der Protest der deutschen Bevölkerung gegen die menschenverachtende israelische Politik in Gaza und in der Westbank zunimmt und die Bundesregierung unter Druck setzt. Schon jetzt ist die Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferungen nach Israel; die Kritik an beiden Regierungen wächst.
Auch innerhalb der EU könnte die Bundesregierung zu einer restriktiveren Haltung gegenüber der israelischen Regierung gedrängt werden. Bei einer kürzlichen Abstimmung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich einer Überprüfung des EU-Israel- Assoziierungsabkommens haben sich 17 EU-Staaten für eine Überprüfung ausgesprochen. Dabei geht es um Artikel 2, der alle Vertragspartner zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet. Die niederländische Regierung, ein enger Verbündeter Israels, hat diese Abstimmung initiiert, Deutschland hat dagegen gestimmt. Die 17 Länder, die für eine Überprüfung waren, sind neben den Niederlanden, Belgien, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden, Österreich, Dänemark, Estland, Malta und Polen. Rumänien, Slowakei und Estland enthielten sich, die übrigen haben dagegen gestimmt.
Dr. Sion Tzidkiyahu von den Mitvim-Instituten spricht in Tel-Aviv bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Quelle: 2020, Facebook.
Anfang Juni wurde ein vertraulicher Bericht der Menschenrechtsabteilung der Europäischen Union bekannt, in dem Israel vorgeworfen wird, gegen das humanitäre Völkerrecht zu verstoßen und in seinem andauernden genozidalen Krieg im Gazastreifen Hunger als Waffe einzusetzen. Das Dokument enthält auch Warnungen des Europäischen Sonderbeauftragten für Menschenrechte, der darauf hinwies, dass Israels Vorgehen in Gaza Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnte. Der Bericht wurde den EU-Außenministern während eines Treffens vorgelegt; es wurde empfohlen, den politischen Dialog mit Israel auszusetzen und Waffenausfuhren in das Land zu stoppen.
Die Berichterstatterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), Saskia Kluit, erklärte ebenfalls im Mai, dass Israels Vorgehen in Gaza ethnische Säuberungen und Völkermord darstellen könnte.
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Bermerkenswert BA 353
„OurMoneyDestroysOurHomes“
Beduinen-Boykott zielt auf israelische Unternehmen als Reaktion auf Hauszerstörungen durch den Staat Israel
Während die Abrisse von Häusern in nicht anerkannten Negev-Dörfern zunehmen, boykottieren Beduinen in ganz Südisrael jüdisch-israelische Unternehmen und große Einkaufszentren, um gegen die staatliche Politik zu protestieren.
https://www.haaretz.com/israel-news/2025-06-05/ty-article/.premium/bedouin-boycott-targets-israeli-businesses-in-response-to-house-demolitions-by-the-state/00000197-3a99-da41-a9f7-3f9de9610000?utm_source=mailchimp&utm_medium=Content&utm_campaign=daily-brief&utm_content=dc6f564245
und:
Die automatische Erneuerung des militärischen Memorandum of Understanding mit Israel stellt einen Verstoß gegen die Verfassungsprinzipien Italiens und internationale Verpflichtungen dar: Dies ist die Position von zehn italienischen Rechtsexperten, die eine formelle Mitteilung an die Regierung gerichtet haben.
Eine Gruppe italienischer Anwälte hat die Regierung Meloni am Mittwoch formell benachrichtigt und die sofortige Aussetzung des Memorandum of Understanding über die militärische und verteidigungspolitische Zusammenarbeit zwischen Italien und Israel gefordert, das am 8. Juni 2025 stillschweigend erneuert werden soll.
Die Mitteilung vom 21. Mai 2025 war an das Büro des Premierministers, das Verteidigungs- und das Außenministerium sowie den Präsidenten der Republik gerichtet.
Sie wurde von einer Gruppe von Experten für Verfassungs- und Völkerrecht unterzeichnet: Michele Carducci, Veronica Dini, Domenico Gallo, Ugo Giannangeli, Fausto Gianelli, Fabio Marcelli, Ugo Mattei, Luigi Piccione, Luca Saltalamacchia und Gianluca Vitale, die alle von der Anwaltskanzlei Piccione in Bari vertreten werden. Nach Ansicht der Unterzeichner würde Italien seine verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Verpflichtungen verletzen, wenn es die militärische Zusammenarbeit mit einem Staat fortsetzt, der wegen extrem schwerer Verbrechen vor den höchsten Gerichten der Welt angeklagt ist.
Die Initiative, die von Anwälten und Akademikern mit Expertise im Völkerrecht getragen wird, basiert auf den jüngsten Entwicklungen in der internationalen Rechtsprechung und auf „der äußerst ernsten Situation, die sich derzeit in Gaza, im Westjordanland und in Ostjerusalem entfaltet“, wie Fausto Gianelli, ein prominenter Anwalt und einer der Unterzeichner, dem Palestine Chronicle sagte.
Laut Gianelli „stellt die Erneuerung dieses Abkommens eine Bestätigung der Unterstützung Italiens für Israels Kriegsmaschinerie dar“. https://www.palestinechronicle.com/italy-israel-defense-agreement-italian-lawyers-file-complaint-with-government/
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.