Israelische Anti-Korruptions-NGO deckt diskriminierende Politik des Innenministeriums auf
In zehn Monaten als Innenministerin traf sich Ayelet Shaked 136 Mal mit jüdischen Bürgermeistern und nur 10 Mal mit nichtjüdischen Bürgermeistern, davon 7 Drusen. Sie weigerte sich konsequent, arabische Gemeinden in Israel zu besuchen, nutzte aber ihre Zeit, um illegale israelische Siedlungen im Westjordanland zu besuchen und sich mit rechtsextremen Organisationen zu treffen.
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Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen starten eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften von EU-Bürger*innen, um den europäischen Handel mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu beenden.
Die Europäische Bürgerinitiative ist ein offizielles Instrument, um die Stimmen der EU-Bürger zu verstärken und ihre demokratische Beteiligung zu verbessern. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres nach ihrem Start eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern in allen EU-Mitgliedstaaten sammelt, ist die Europäische Kommission gesetzlich verpflichtet, den Vorschlag zu prüfen, mit den Unterzeichnern zu diskutieren und gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) unterliegt EU-Regularien: https://www.cidse.org/de/2022/04/07/take-action-to-end-european-trade-with-illegal-settlements/
Hier kann man teilnehmen.
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Zwei Haaretz-Journalisten, Bar Peleg und Noa Spiegel, berichteten über den Inhalt des offiziellen Terminkalenders der israelischen Innenministerin Ayelet Shaked (Quelle auf Hebräisch). Shaked wurde im Juni 2021 zur Innenministerin ernannt, über ihre rassistische Politik gegen Palästinenser (siehe BIP-Aktuell #176) und gegen nicht-jüdische Ukrainer berichtete BIP bereits (siehe BIP-Aktuell #209). Als nicht-religiöse Politikerin in der religiös-rechten Yamina-Partei grenzt Shakeds Ideologie an Faschismus, sie warb in ihrem Wahlkampf sogar mit einer Schein-Anzeige für ein Parfum mit dem Namen „Faschismus“ (ohne dass es ihr politisch schadete), und sie nannte keine religiösen Argumente, um sich zu rechtfertigen.
Ayelet Shaked, israelische Innenministerin. Quelle: Wikipedia.
Shaked hielt ihren offiziellen Terminkalender geheim, deshalb legte die Anti-Korruptions-NGO Hatzlaha („Erfolg“) beim Bezirksgericht Tel-Aviv Berufung ein und verlangte, dass sie ihre Kalender freigibt. Schließlich entschied das Gericht zu Gunsten von Hatzlaha, und Shaked wurde gezwungen, eine Strafe von 6.000 NIS zu zahlen und ihre Kalender nach und nach zu veröffentlichen.
Hatzlaha gab die erste Serie von Kalendern an die Zeitung Haaretz weiter, in denen die offiziellen Sitzungen von Shaked während ihrer ersten zehn Monate im Amt verzeichnet waren. Sowohl die NRO Hatzlaha als auch die Journalisten von Haaretzwaren erstaunt, dass Shakeds Terminkalender eine konsequente Politik der Diskriminierung arabisch-palästinensischer Bürger des Staates Israel widerspiegelt. Shaked traf sich mit 136 Bürgermeistern jüdischer Städte und Gemeinden, manchmal mehr als einmal, und nur mit 10 Bürgermeistern nichtjüdischer Städte und Gemeinden, darunter 7 Drusen und nur drei Christen oder Muslime.
Shaked schickte zwar den Chef des Innenministeriums, den Siedler Yair Hirsch, zu Treffen mit arabischen Bürgermeistern, aber Shaked selbst erschien nicht zu diesen Treffen. Weil Israel nicht wirklich ein Rechtsstaat ist, sind Bürokratie und Verfahren immer von persönlichen Entscheidungen der Entscheidungsträger abhängig. Die Bürgermeister können Projekte in ihren Städten nicht ohne persönliche und direkte Unterstützung der Innenministerin oder des Innenministers vorantreiben. Aryeh Deri, der insgesamt zehn Jahre lang Innenminister für die mizrachisch-religiöse Shas-Partei war (unter Yitzhak Shamir, Yitzhak Rabin und Benjamin Netanjahu), hat tatsächlich viele Stimmen von Palästinensern mit israelischer Staatsbürgerschaft erhalten, weil er als Innenminister Straßen und andere Infrastrukturprojekte für Gemeinden genehmigte, in denen er dann die meisten Stimmen erhielt. Es handelt sich um ein korruptes System, das dazu führt, dass palästinensische Bürgermeister in Israel keine Projekte für ihre Städte fördern können, ohne sich mit dem Innenminister zu treffen.
In Israel leben etwa 150.000 Drusen (Quelle auf Hebräisch), während es insgesamt fast zwei Millionen Christen und Muslime gibt. Shaked traf sich sieben Mal mit drusischen Bürgermeistern und nur drei Mal mit Christen und Muslimen. Der Grund dafür ist, dass Shakeds Partei für ein Bündnis mit drusischen Israelis wirbt, um die Palästinenser zu spalten und zu behaupten, Drusen seien „loyale“ Bürger, während Christen und Muslime ein „Feind von innen“ seien.
Shaked weigerte sich trotz wiederholter Einladungen des Bürgermeisters von Um Al-Fahem, Samir Mahamid, palästinensische Städte innerhalb Israels auch nur einmal zu besuchen. Sie traf sich jedoch mit Leitern illegaler israelischer Siedlungen: Kdumim, Hebron Hills, Beit El, Gush Etzion, Givat Zeev, Karnei Shomron, Kfar Edumim und Sumeria. Sie besuchte sogar eine Siedlung, die noch nicht einmal gebaut war – Mitzpe Yehuda-Edumim Hills (Quelle auf Hebräisch).
Zur Vorbereitung ihrer rassistischen Politik gegen Familienzusammenführungen (siehe BIP-Aktuell #176) traf sich Shaked mit Vertretern rechtsextremer israelischer Organisationen, darunter der NGO Kohelet Forum. Dieses behauptet, eine Organisation zu sein, die sich der freien Marktwirtschaft verschrieben hat, aber ihr Gründer Moshe Koppel nutzt die Organisation, um eine Trennungspolitik zum Schutz der „Reinheit des jüdischen Blutes“ zu fördern, zum Beispiel seien Heiraten zwischen Juden und Nichtjuden ein Zeichen der Illoyalität gegenüber der jüdischen Nation.
Samir Mahamid, Bürgermeister von Um El-Fahem. Quelle: 2022, Wikipeia.
Das Knessetmitglied Walid Taha kritisierte Shaked dafür, dass sie sich nicht mit den Leitern der arabischen Gemeinden getroffen hat: „Ich habe nicht eine Sekunde geglaubt, dass sie über wesentliche berufliche Erwägungen hinausgehende Überlegungen hinsichtlich ihres Umgangs mit der arabischen Bevölkerung und ihren Vertretern anstellen würde, aber was ich entdeckt habe, kann nicht als bloßes Versehen bezeichnet werden. Es besteht kein Zweifel, dass sie sich gegenüber den Bürgern des Staates diskriminierend verhalten hat, und ich glaube, dass ihr Verhalten gegenüber der arabischen Bevölkerung rassistisch motiviert war. Es gab viele notwendige und wichtige Angelegenheiten für die arabischen Gemeinschaften, die auf ihre Unterschrift warteten, und es fiel ihr schwer, sie zu unterzeichnen“ (Quelle auf Hebräisch).
Eine systematische Politik der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion ist ein Akt der Apartheid. Nach der Veröffentlichung von Berichten über die israelische Apartheid durch Al-Haq, B’tselem, Human Rights Watch und Amnesty International zeigen die neu aufgedeckten Terminkalender der Innenministerin, dass Apartheid ein fortwährendes Verbrechen des Staates Israel ist und sich immer neue Beweise häufen.
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In dieser Folge des BIP-Gesprächs sprechen wir mit Peter-Michael Kühn, einem Mitglied des BIP.
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Der Menschenrechtsaktivist Amos Gvirtz schreibt in seinem Beitrag „Sagt nicht, Ihr hättet es nicht gewusst Nr. 813“:
Es scheint, dass die Politik der Vertreibung der Palästinenser aus der Feuerzone 918 (südliche Hebron-Hügel) in eine neue Phase eintritt.
Am Dienstag, den 23. 8. 2022, hängten israelische Soldaten in den Dörfern Jenbah und al-Markez Schilder auf, die besagten, dass das Betreten und Verlassen dieser Dörfer von nun an verboten sei. Der Aushang lautete: Jedes Betreten und Verlassen der Dörfer wird bestraft.
Am Mittwoch, den 24.8.22, trafen Regierungsbeamte in Begleitung von Polizeikräften in Bir al-Maschasch (bei Abu Tlul) ein und zerstörten ein Haus. Am nächsten Tag fuhren sie nach az-Zarnug (westlich von Abu Tlul) und zerstörten ein Haus. In as-Sayyid (bei Hurah) zerstörten sie ebenfalls ein Haus. In al-Garrah (in der Nähe von Sa’wah) zerstörten die Dorfbewohner selbst ein Gebäude, weil ihnen angedroht wurde, dass die israelischen Streitkräfte dies tun müssten, wenn sie es nicht selbst zerstörten, und dass die Dorfbewohner die Kosten dafür zu tragen hätten.
Weitere Infos unter: https://www.icahd.de/sagt-nicht-ihr-haettet-es-nicht-gewusst-nr-810-811/
In Ramallah haben israelische Streitkräfte ebenfalls Yazan Na’iem ‘Afana, ein palästinensische Zivilist erschossen:
https://pchrgaza.org/en/under-crimes-of-excessive-use-of-force-palestinian-civilian-deadly-shot-by-israeli-occupation-forces-in-ramallah/
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.