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Assad hat Israel nie angegriffen, aber Israel feiert seinen Sturz

  1. Die komplexe Geschichte des Konflikts Israels mit Syrien
  2. Erfreulich
  3. Israelische Razzien im Westjordanland – Dutzende Palästinenser festgenommen

Zwischen Israel und Syrien besteht ein Dauerkonflikt, der mit der Gründung des Staates Israel begann und trotz der Veränderungen im syrischen Regime anhält. Die Aggression ging zumeist von der israelischen Seite aus und wurde von den USA unterstützt. Doch mit dem Sturz des Assad-Regimes, das seit über 50 Jahren konsequent auf Vergeltungsmaßnahmen gegen israelische Aggressionen verzichtet hat, feiern die Israelis seinen Sturz als weiteren Sieg.

Syrien erlangte seine Unabhängigkeit zwei Jahre vor Israel. Während des Krieges von 1948, als die israelischen Streitkräfte eine umfassende ethnische Säuberung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung aus ihren Häusern durchführten (die Nakba siehe BIP-Aktuell #262), haben syrische Streitkräfte an der Seite anderer arabischer Länder Israel angegriffen. Darüber hinaus wurde in Damaskus die Arabische Rettungsarmee (ARA) unter der Führung von Fawzi Al-Qawuqji gegründet, die an der Seite der arabischen Armeen kämpfte, um die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung zu verhindern. Das Versagen Syriens, die ethnische Säuberung und die Gründung des Staates Israel zu verhindern, ist einer der Faktoren, die zum Staatsstreich von 1949 führten, bei dem Oberst Husni Al-Za’im die Macht übernahm.


Präsident Hafez al-Assad und Präsident Saddam Hussein, die beiden Führer der Baath-Partei in Syrien und Irak, bei einem Treffen im Jahr 1979. Quelle: Syriahr.com.



Syrien litt unter instabilen Regierungen und einem weiteren Staatsstreich im Jahr 1954. Es war in Grenzstreitigkeiten mit der Türkei und in einen Aufstand der Drusen verwickelt. Die sozialistische Baath-Partei wurde 1947 gegründet und gewann in der syrischen Politik an Einfluss, insbesondere nachdem Syrien 1956 als Reaktion auf den Einmarsch Israels in Ägypten an der Seite des Vereinigten Königreichs und Frankreichs einen Pakt mit der Sowjetunion geschlossen hatte. Der wachsende Panarabismus unter der Führung des Ägypters Gamal Abdel Nasser führte 1958 zum Zusammenschluss Syriens mit Ägypten zur Vereinigten Arabischen Republik, die bis 1961 bestand. Im Jahr 1964 übernahm die Baath-Partei in Syrien die Macht und errichtete ein Ein-Parteien-System.

1967 begann Israel den sogenannten Sechstagekrieg, zerstörte einen Großteil der syrischen Luftwaffe und eroberte die syrischen Golanhöhen. Etwa 140.000 Syrer wurden vom Golan nach Syrien vertrieben, und die verbleibende Bevölkerung des Golan wurde der israelischen Besatzung unterworfen, die bis heute andauert. Dem Historiker Tom Segev zufolge argumentierte Israel, der Grund für den Angriff auf Syrien seien Provokationen der syrischen Streitkräfte gewesen, die das Feuer auf israelische Bauern in der entmilitarisierten Zone unterhalb des Golan eröffneten. Segev zeigt jedoch, dass die israelische Militärführung gepanzerte Traktoren in die entmilitarisierte Zone schickte, um die syrischen Streitkräfte zu provozieren und einen casus belli zu schaffen. Israels Verteidigungsminister Moshe Dayan gab 1976 in einem Interview zu, dass Israel mehr als 80 % der Zusammenstöße mit Syrien im Vorfeld des Krieges provoziert hatte.

Nach der syrischen Niederlage in diesem Krieg unterstützte Syrien die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) in Jordanien, und der syrische Verteidigungsminister Hafez Al-Assad übernahm 1970 die Macht als Präsident Syriens bis zum Jahr 2000. Am 6. Oktober 1973 starteten Syrien und Ägypten einen Überraschungsangriff auf Israel, den die Israelis „Jom-Kippur-Krieg“ nennen, allgemein als Oktoberkrieg bekannt. Israel hatte die Fähigkeiten der arabischen Armeen unterschätzt und geglaubt, sie seien unfähig zu einem Angriff. Die Israelis wurden jedoch überrumpelt. Die syrischen Streitkräfte waren in der Lage, den besetzten Golan zurückzuerobern, aber die USA griffen ein und lieferten Israel mitten im Krieg moderne Waffen, die es der israelischen Armee ermöglichten, den besetzten Golan zurückzuerobern. Präsident Hafez Al-Assad erklärte sich bereit, im Gegenzug für die Rückgabe der besetzten Gebiete einen Friedensvertrag mit Israel zu unterzeichnen, aber Israel hat dem nie zugestimmt.

Hafez Al-Assad regierte Syrien brutal, schlug verschiedene Aufstände nieder, inhaftierte und folterte seine Gegner. Dass Israel die besetzten palästinensischen Gebiete mit eiserner Faust regierte und Freiheitsaktivisten folterte und inhaftierte, darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. In der Zwischenzeit hatten die islamische Revolution im Iran und der iranisch-irakische Krieg die Baath-Partei im Irak auf die Seite der USA gezogen. Diese versorgten den Irak mit Waffen und Geld, um den Iran anzugreifen und damit das ideologische Bündnis zwischen dem Irak und Syrien zu untergraben. Als die USA 1990 in den Irak einmarschierten, schloss sich Syrien der US-Koalition gegen den Irak an. Hafez Al-Assads Sohn Bassel Al-Assad kam 1994 bei einem Autounfall ums Leben. Sein Bruder Rifaat Al-Assad wurde 1998 aus dem Amt des Vizepräsidenten entlassen, wodurch der Weg für Hafez Al-Assads zweiten Sohn Bashar Al-Assad geebnet wurde, der nach dessen Tod im Jahr 2000 sein Nachfolger wurde.

Israel und Syrien haben danach ihren Konflikt auf libanesischem Boden fortgesetzt. Syrien besetzte Teile des Libanon, während Israel Milizen ausbildete und bewaffnete, um gegen die palästinensischen Gruppen im Libanon zu kämpfen. Im Jahr 1981 annektierte Israel illegal den besetzten Golan, 1982 marschierte Israel in den Libanon ein und griff die syrische Armee an. Israel nutzte den Einmarsch in den Libanon auch zu einem Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Shatilla, das von maronitischen christlichen Milizen mit logistischer Unterstützung des israelischen Militärs durchgeführt wurde. Israel hielt den Südlibanon bis 2000 besetzt, und Syrien besetzte Teile des Libanon bis 2005.

Im Jahr 2002 behaupteten die USA, Syrien habe sich Massenvernichtungswaffen beschafft, ohne dabei zu erwähnen, dass Israel bereits im Besitz solcher Waffen war. Israel nahm 2003 seine Angriffe gegen Syrien mit der Bombardierung eines Palästinenserlagers in der Nähe von Damaskus wieder auf. Im September 2007 führte Israel einen Luftangriff auf Syrien durch, bei dem es sich nach israelischen Angaben um einen Angriff auf eine im Bau befindliche Nuklearanlage handelte. In dieser Zeit hat sich Syrien bemüht, die gegen das Land verhängten US-Sanktionen zu beenden und nach den Konflikten mit dem Irak und dem Libanon wieder freundschaftliche diplomatische Beziehungen zu anderen arabischen Staaten aufzunehmen. Es hat auch geheime Verhandlungen mit Israel über einen möglichen Friedensvertrag geführt, aber Israel hat sich letztlich geweigert, sich aus dem besetzten Golan zurückzuziehen.

Nach der Entscheidung Israels, auf den besetzten Golan nicht zu verzichten, erneuerten die USA 2010 die Sanktionen gegen Syrien. Nachdem Bashar Al-Assad Demonstrationen gegen sein Regime blutig niedergeschlagen hatte, begann im April 2011 in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg, der bis zum Sturz von Präsident Bashar Al-Assad 13 Jahre andauerte. Schon 2011 hat die USA zum Regimewechsel aufgerufen. Als der Bürgerkrieg begann, sagte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak, dass Assads Regime kein weiteres halbes Jahr überdauern werde (Quelle auf Hebräisch). 2019 erkannte US-Präsident Trump die illegale Besetzung und Annexion des syrischen Golan durch Israel an, und Israel errichtete auf dem Golan eine Siedlung namens „Trump Heights“. Israel hat während der gesamten Dauer des Bürgerkriegs unablässig Luftangriffe gegen Syrien geflogen, und Syrien hat nie Vergeltung geübt. Israel unterstützte darüber hinaus einige der Rebellengruppen, insbesondere die Jabhat Al-Nusra, einen Ableger von Al-Qaida. In der Tat hat Syrien Israel seit 1973 nicht ein einziges Mal angegriffen. Im Jahr 2012 kündigte die Hamas-Partei in Palästina aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs ihre Beziehungen zum Assad-Regime in Syrien auf. Die Hamas beglückwünschte das syrische Volk zu seiner Befreiung vom Assad-Regime.


Präsident Bashar Al-Assad trifft den iranischen Präsidenten Raisi. Source: 2022, Khamanei, Wikipedia.



Zu den Rebellen, die Al-Assad am 8. Dezember gestürzt haben, gehören auch die von Israel unterstützten Rebellengruppen. Die Feierlichkeiten in Israel zum Sturz des Assad-Regimes erscheinen jedoch seltsam, wenn man bedenkt, dass Syrien unter beiden Assads, Vater und Sohn, bereit war, Israel nicht anzugreifen, auch wenn Israel Syrien wiederholt angegriffen hat – eine stillschweigende Übereinkunft, die wahrscheinlich nicht fortgesetzt wird. Israel schickte seine Armee nach Syrien und eroberte weiteres Gebiet, wobei es nicht nur die politische Instabilität ausnutzt, sondern auch massiv gegen das Völkerrecht verstößt.

Peter Münch schreibt in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung vom 14. Dezember:



„Auf ira­ni­scher Sei­te kann all das nach der Lo­gik des Kon­flikts nur zu ei­nem Ent­schluss füh­ren: zum Bau der Bom­be, be­vor es zu spät ist. An­ge­sichts der ak­tu­el­len Schwä­che ist dies der schnells­te Weg zu neu­er Stär­ke und Ab­schre­ckungs­kraft. Wie einst die USA und die So­wjet­uni­on im Kal­ten Krieg stün­den sich dann im Na­hen Os­ten die Atom­mäch­te Iran und Is­ra­el ge­gen­über. Doch nie­mand soll­te sich dar­auf ver­las­sen, dass die­ses Gleich­ge­wicht des Schre­ckens ein ums Über­le­ben kämp­fen­des is­la­mis­ti­sches Re­gime in Iran und den um sei­ne Exis­tenz kämp­fen­den jü­di­schen Staat vom Ein­satz der ul­ti­ma­ti­ven Waf­fe ab­hält. Is­ra­el und Iran be­we­gen sich da­mit nicht nur ein­fach auf den Ab­grund zu. Sie lie­fern sich ein Wett­ren­nen ins Ver­der­ben. An­ge­sichts die­ser dra­ma­ti­schen La­ge ist es ver­wun­der­lich, dass der Rest der Welt der­zeit vor al­lem als stau­nen­der Be­ob­ach­ter auf die Zei­ten­wen­de in Nah­ost schaut.“



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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter steht an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!

BA 330 „Erfreulich“:

BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Israelische Razzien im Westjordanland – Dutzende Palästinenser festgenommen

11. Dezember 2024

„Israelische Streitkräfte haben Dutzende von Palästinensern aus verschiedenen Städten im Westjordanland festgenommen, während das Militär in die besetzten Gebiete einmarschierte. 
In der Stadt Hebron (Al-Khalil) im südlichen Westjordanland wurden 15, in Jericho 17 und weitere Palästinenser in Silat al-Harithiya westlich von Jenin und in Nablus festgenommen.
Illegale jüdische Siedler überfielen unter dem Schutz der israelischen Streitkräfte die Häuser der palästinensischen Bewohner in Massafer Yatta, südlich von Hebron. Außerdem beschlagnahmten die israelischen Behörden 94 Dunums landwirtschaftliches Land in Beit Jala im südlichen Westjordanland. Palästinensische Medien berichteten, die Beschlagnahmung sei Teil der laufenden Bemühungen um den Ausbau der Siedlungen.
Am Montag erschossen ´Sicherheitskräfte` der Palästinensischen Autonomiebehörde einen jungen Mann in der besetzten Stadt Jenin im Westjordanland. Auf Videoaufnahmen, die in den sozialen Medien geteilt wurden, ist zu sehen, wie der 17-jährige Rehbi al-Shalabi auf einem Motorrad nur wenige Meter vor dem Sicherheitsfahrzeug der PA-Kräfte zum Stehen kommt. Sie eröffnen das Feuer auf al-Shalabi, der sofort vom Fahrrad fällt. Auch sein Bruder wird bei der Schießerei verletzt.“
https://www.palestinechronicle.com/israeli-raids-across-west-bank-scores-of-palestinians-detained/


Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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