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Der israelische Oberste Gerichtshof lehnt eine juristische Überprüfung israelischer Waffenexporte ab

Nachdem israelische Aktivist*innen fünf Jahre lang den Obersten Gerichtshof Israels angerufen hatten, um mehr Transparenz bei den israelischen Waffenexporten zu fordern, einschließlich der Namen der Empfängerländer und Details über die Art der gelieferten Waffen und Sicherheitssysteme, traf das Gericht eine historische Entscheidung, um zukünftige Debatten über den israelischen Waffenhandel zu verhindern. Die israelische Regierung hat dadurch fast völlige Freiheit beim Verkauf von Waffen an autoritäre Regimes und an Armeen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen.

Fünf Jahre lang führte der israelische Menschenrechtsanwalt Eitay Mack einen juristischen Kampf in Israel, um die Dokumente und Vereinbarungen bezüglich der israelischen Waffenexporte an autoritäre Regimes, an Länder unter Militärembargo, an Länder, die sich mitten im Bürgerkrieg befinden oder in denen Kriegsverbrechen und sogar Völkermord begangen werden, offenzulegen. Ihm schlossen sich Dutzende israelischer Aktivist*innen an, die die Revisionsklage unterstützt haben und bessere rechtliche und moralische Standards für die israelischen Waffenexporte fordern. Einer dieser Unterstützer, Eli Yosef, hat sogar eine politische Partei gegründet; zwei Mitglieder der Knesset, Ofer Cassif (Hadash, Gemeinsame Liste) und Tamar Zandberg (Meretz), haben diesen Kampf aus der Knesset heraus unterstützt.

Menschenrechtsanwalt Eitay Mack. Quelle: SocialTV, 2017.

Mack entdeckte Beweise für israelische Waffen, die unter anderem kurz vor und während des Völkermordes nach Ruanda geschickt wurden, an Diktaturen in Lateinamerika und  an die Militärjunta in Myanmar, um gegen die Rohingya-Minderheit eingesetzt zu werden. Immer wieder wies das Gericht seine Forderung zurück, die Dokumente des israelischen Verteidigungsministeriums offenzulegen. Besonders interessant ist die Argumentation des Gerichts in Bezug auf den Völkermord in Ruanda. Das Verteidigungsministerium argumentierte, dass die Offenlegung der Dokumente die Außenbeziehungen und den Ruf Israels gefährden könnte. Das Gericht akzeptierte dieses Argument – und gab damit stillschweigend zu, dass die Rolle, die israelische Rüstungsunternehmen in diesem Krieg gespielt haben, nichts ist, worauf das Land stolz sein kann.

Das Tavor-Gewehr wurde an viele Militärs und paramilitärische Gruppen in der ganzen Welt exportiert. Quelle: Keren Manor, Activestills, 2008.

Der jüngste Antrag bezog sich auf das israelische Cyber-Unternehmen „Cellebrite“, das Überwachungstechnologie an die russische und weißrussische Regierung sowie an die chinesischen Behörden verkauft hat. Cellebrite produziert ein Kitsystem zum Hacken von Handys, um Informationen über Bewegungen und Gespräche des Telefonbesitzers herauszufinden.

Diese Technologie wurde verwendet, um regierungskritische Aktivist*innen wie Alexei Navalny (Russland), Maxim Znak und Maria Kolesnikova (in Weißrussland) und viele Aktivist*innen in Hongkong zu verfolgen und zu verhaften. Cellebrite kündigte an, den Verkauf nach Russland, Weißrussland und Hongkong einzustellen. Die Kläger fordern jedoch, dass Cellebrite die bereits verkauften Systeme deaktiviert, um weitere Menschenrechtsverletzungen in allen drei Ländern zu verhindern.

Am Sonntag, den 27. Juni, entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Klage ohne Diskussion pauschal abgelehnt wird und das Gericht keine weiteren Einsprüche gegen die israelischen Waffenexporte verhandeln wird. Das Gericht betonte, dass die Regierung, außer in sehr extremen Fällen, einen großen Spielraum bei der Entscheidung über Waffenexporte hat. Eitay Mack veröffentlichte eine Erklärung, dass weitere Berufungen an den Obersten Gerichtshof nicht mehr möglich seien  – das Gericht habe sich seiner Verantwortung entzogen, die israelische Waffenexportpolitik zu überwachen und zu genehmigen. Aus dieser Stellungnahme haben wir einen Absatz übersetzt:

„Wegen der Schwierigkeit, die bestehende israelische Gesetzgebung als ‚Rechtsnormen‘ zu definieren, war es von großer Bedeutung, gegen den Waffenexport gerichtlich vorzugehen: Unsere Appelle ermöglichten es den Gerichten, mit Vertretern des Außen- und des Verteidigungsministeriums Prüfgespräche zu führen. In diesen Gesprächen ging es unter anderem um die Frage, wie gut die Ministerien Normen wie das völkerrechtlich vorgeschriebene Verbot der Unterstützung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter, Verschwindenlassen von Personen, Vergewaltigung, außergerichtliche Hinrichtungen und willkürliche Freiheitsberaubung von Bürgern einhalten. Tatsächlich erließen die Gerichte in allen Fällen auf Antrag des Verteidigungsministeriums Nachrichtensperren, aber durch die Einschaltung internationaler Organisationen und öffentlicher Erklärungen des Außenministeriums (Erklärungen, die durch den Druck der Öffentlichkeit und der Medien vom Ministerium erzwungen wurden), stellt sich heraus, dass kurz nach Einreichung der Klagen beschlossen wurde, den Export tödlicher Waffen in den Südsudan zu stoppen, den Export nach Burundi einzuschränken, alle Sicherheitsexporte nach Burma (d.i. Myanmar) zu beenden, keine Exportgenehmigungen für Waffen an die Kommandoeinheit des kamerunischen Diktators mehr zu erteilen, keine Tavor-Gewehre mehr an die Neonazi-Milizen in der Ukraine zu liefern und den Verkauf des Cellebrite-Systems an Diktaturen in Weißrussland, China, Hongkong und Russland zu stoppen.“

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, seine eigene Zuständigkeit bezüglich des Waffenhandels aufzugeben, sollte im Kontext einer langen Kampagne der israelischen Rechten verstanden werden, angeführt von Innenministerin Ayelet Shaked von der Jamina-Partei, der Partei von Premierminister Naftali Bennet. Shaked war zuvor Justizministerin in Netanjahus Regierung von 2015-2019. Diese Kampagne wurde von Justizminister Amir Ohana in den Jahren 2019-2020 weiter vorangetrieben. Sie zielte darauf ab, das Justizsystem zu schwächen, indem Richter ernannt wurden, die der Regierung gegenüber loyal sind oder der Meinung sind, dass das Gericht sich nicht in die Entscheidungen des Parlaments und der Regierung einmischen sollte. Ähnliche Kampagnen zur Schwächung der Justiz werden in anderen Staaten mit rechtspopulistischen Regierungen wie Ungarn und Polen geführt.

Ohne mögliche gerichtliche Prüfungen israelischer Waffenexporte kann man nicht darauf vertrauen, dass sich die israelische Regierung an internationale Konventionen hält, weder an Waffenembargos noch an internationales Recht.

Der Waffenhandel ist für die israelische Regierung nicht nur ein Exportgeschäft und eine Einnahmequelle, sondern ein politisches Instrument zur Herstellung von Verbindungen zu Regierungen, zu denen der Staat Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Solche Rüstungsverbindungen wurden in den 1960er Jahren zur Aufnahme von Beziehungen mit Westdeutschland und zuletzt zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den VAE genutzt.

Kunden israelischer Waffen entscheiden sich für den Kauf aufgrund der Marketingstrategie israelischer Waffenfirmen, die für ihre Waffen als „kampferprobt“ (battle tested) gegen Palästinenser werben. Dies wurde in Yotam Feldmans Film „Das Labor“ (The Lab) gezeigt. Auffallend dabei ist, dass es sich hier um Regierungen, Sicherheitsabteilungen innerhalb von Regierungen und Milizen handelt, die von israelischen Waffen angezogen werden, die von der israelischen Armee gegen unbewaffnete Zivilisten eingesetzt wurden. Sie wollen ihre wehrlose Bevölkerung terrorisieren und Überwachungsmethoden einsetzen, um Oppositionelle in der Bevölkerung zu kontrollieren, denen das Recht auf demokratische Vertretungen verweigert wird. So ist es nicht verwunderlich, dass autoritäre Regime und systematische Völkerrechtsverletzer zu den besten Kunden der israelischen Waffenindustrie gehören.  Große Anstrengungen werden daher vom israelischen Verteidigungsministerium und vom Außenministerium unternommen, um zu verhindern, dass die israelischen Gerichte beschließen, die Namen der Kunden und die Waffentypen offenzulegen.

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Eine neue Folge des Podcasts BIP-Gespräch ist da. Diese Woche sprechen wir mit dem Hydrologen Clemens Messerschmid.
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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

  1. Die Wirklichkeit in einem Outpost im besetzten Palästina: Vier Tote und Drohnen, die Tränengas sprühen

Amira Hass beschreibt am 23.6. in Haaretz die brutalen, menschenverachtenden Handlungen von Militär und bewaffneten Siedlern gegenüber bereits ernsthaft verletzten Palästinensern: „Der Protest um den illegalen Außenposten von Evyatar hat in sechs Wochen vier Menschenleben gefordert. Palästinenser, auf deren Land der Außenposten gebaut wurde, berichteten von bewaffneten Zivilisten, vermutlich Siedlern, inmitten von israelischen Soldaten.
Es war der zwölfte Tag, seit begonnen wurde, den illegalen Außenposten auf dem Land von Beita, Qablan und Yatma zu errichten. Zehn Palästinenser wurden durch israelische Schüsse getötet, vier von ihnen allein in der Gegend von Nablus. Etwa 1.650 Menschen wurden verletzt. Die Demonstrationen fanden auf dem Berg Sabih statt, wo Soldaten und Siedler bereits auf sie warteten und Tränengas auf die Palästinenser feuerten, gefolgt von gummiummantelten Geschossen. Manchmal fuhren sie auf den unbefestigten Straßen in Richtung der Demonstranten, stiegen aus ihren gepanzerten Fahrzeugen und feuerten dann aus einer Entfernung von ein paar Dutzend Metern Tränengas und Gummigeschosse ab. Der Armeesprecher beantwortete die Fragen von Haaretz nicht, ob bei den Demonstrationen in Beita auch Soldaten verwundet wurden und ob es stimme, dass die Drohne, die Tränengas auf die Demonstranten abfeuerte, aus Evyatar kam und von innerhalb des Außenpostens aktiviert wurde.“
https://www.haaretz.com/israel-news/.premium.MAGAZINE-reality-of-a-west-bank-outpost-four-dead-palestinians-and-drone-spraying-tear-gas-1.9933446?utm_source=mailchimp&utm_medium=email&utm_content=author-alert&utm_campaign=Amira%20Hass&utm_term=20210623-19:09

Am 28. Juni fügte Amira Hass dem obigen Bericht Erläuterungen über das Verhalten der israelischen Armee hinzu:

  1. Soldaten im Einsatz in Beita können ruhig schlafen

In der Regel begründet der verantwortliche Militärsprecher das Vorgehen der Armee mit den Worten „Gewalttätiges ungeordnetes Verhalten … gefährdet das Leben israelischer Zivilisten … deshalb wurde eine militärische Einheit vor Ort eingesetzt.“
Amira Hass kommentiert: „Die Verwundung und Tötung von palästinensischen Demonstranten sind keine „Fehler“. Auf unbewaffnete palästinensische Zivilisten zu schießen, ist Teil der „Nichtkämpfer-Ausbildung“ (Noncombat), das Generationen von israelischen Soldaten, die von ihrem Heldentum überzeugt sind, beigebracht wurde. Die Lizenz zum Töten und Verwunden unbewaffneter Menschen wird im Rahmen der Ausbildung der Soldaten erteilt, während sie ihre Rolle als Verteidigungsarmee für das Siedlungsunternehmen erfüllen.“ https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-soldiers-deployed-in-beita-sleep-well-1.9946754?utm_source=mailchimp&utm_medium=email&utm_content=author-alert&utm_campaign=Amira%20Hass&utm_term=20210628-02:04

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand un dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. 
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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