BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Aktuelle Beiträge

No more posts to show

Die Tötung von Palästinensern wird erleichtert, weil sie durch die israelischen Medien ihrer Menschlichkeit beraubt werden

Die israelischen Medien entmenschlichen die Palästinenser*innen, indem sie eine andere Terminologie verwenden, wenn sie über Palästinenser*innen und Jüd*innen schreiben und dabei die offiziellen Verlautbarungen von Militär und Polizei übernehmen, ohne sie zu hinterfragen. Die Folge dieser Methode: Sie ermöglicht es den israelischen Streitkräften, Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung anzuwenden, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zieht.

Dr. Hazem Al-Joulani, 50 Jahre alt, war Direktor der al-Rayyan Hochschule für alternative Medizin in Ost-Jerusalem. Am Freitag, den 10. September, wurde er von israelischen Grenzpolizisten in der Nähe der Al-Aqsa-Moschee angeschossen und getötet. Auf dem Überwachungsvideo ist zu sehen, wie Al-Joulani auf einen der Grenzpolizisten zustürmt und seine linke Hand auf den Arm legt, während er in seiner rechten Hand ein Messer hält. Einige Sekunden lang macht er keine Anstalten, den schwer gepanzerten Grenzpolizisten zu erstechen. Die Grenzpolizisten schossen auf ihn, und einer von ihnen wurde durch einen Querschläger verletzt, aber das Messer blieb unbenutzt.

Dr. Hazem Al-Joulani. Quelle: Twitter, 2021.

Dieses Ereignis ist leider ein ganz normales und alltägliches Ereignis in den besetzten Gebieten. Bis zum 9. August dieses Jahres haben die israelischen Streitkräfte 299 Palästinenser in den besetzten Gebieten getötet

Die Polizeiversion des Vorfalls lautet, Hazem Al-Joulani habe versucht, die Grenzpolizisten zu erstechen. Daher gilt er in der israelischen Öffentlichkeit als Terrorist. Sobald ein Palästinenser derartig definiert wird, ist sein Leben verwirkt, und er wird nicht mehr als Mensch behandelt. Kein israelischer Medienkanal stellte die Version der Polizei, nach der die Grenzpolizisten in „Selbstverteidigung“ gehandelt haben, in Frage. Die Zeitung Israel Today berichtete, Hazem Al-Joulani sei an seinen Verletzungen „gestorben„. Vergleichen Sie dies mit der Berichterstattung der gleichen Zeitung über die Ermordung von Esther Hogan im Jahr 2020. Dort lautete der Zeitungstitel „Mutter von sechs Kindern bei offensichtlichem Terroranschlag getötet“. Die Ermordung der jüdischen Mutter wurde umgehend als Verhinderung eines Terroranschlages bezeichnet, ohne dass es dafür Beweise gab.

Der israelische Blogger Yossi Gurvitz deckte in seinem Blog die diskriminierende Berichterstattung von Kan News auf (Quelle auf Hebräisch). Kan ist die offizielle Rundfunkanstalt Israels, vergleichbar mit der BBC: Hazem Al-Joulani wurde durch die Tötung „neutralisiert“.

Screenshot aus der Berichterstattung von Kan News. Der hebräische Text lautet: „Versuchter Terroranschlag in Jerusalem: Ein Polizist wurde leicht verletzt, der Terrorist wurde neutralisiert und starb.“ Quelle: Yossi Gurvitz‘ Blog „George’s Friends“, 2021.

Das Wort „neutralisieren“ wird von den israelischen Medien verwendet, um verschiedene Mittel zur Verhinderung eines Terroranschlags zu beschreiben. In den israelische Medien wurde das Wort „neutralisiert“ auch benutzt, wenn ein (angeblischer) Terrorist verletzt oder verhaftet wurde. Das Wort degradiert Menschen zu einer Sache und vergleicht die Tötung eines Menschen mit der Neutralisierung einer Bombe. Nicht nur in Israel, auch in anderen Ländern wird das Wort „neutralisieren“ als Euphemismus zur Tötung verwendet. Es gibt sogar ein Computerspiel „Beat the terrorist“, in dem die Spieler aufgefordert werden, „potentielle“ Angreifer zu „neutralisieren“. Der Begriff wird zudem in einem rassistischen Kontext verwendet – wenn über die Tötung eines jüdischen Terroristen berichtet wird, wird das Wort „neutralisieren“ nicht verwendet.

In der Medienberichterstattung über Gewalttaten werden verschiedene Begriffe verwendet, um zwischen Jüd*innen und Palästinenser*innen zu unterscheiden. So werden zum Beispiel unterschiedliche Alterskategorien verwendet. Ein jüdisches Kind im Alter von 10 Jahren wird korrekt als Kind bezeichnet – sein palästinensischer Altersgenosse dagegen als Jugendlicher. Diese Formulierung soll die Unschuld des jüdischen Opfers („ein Kind noch!“) betonen, im Gegensatz zum palästinensischen „Jugendlichen“, von dem eine konkrete Bedrohung ausgeht. Die Verwendung des Passivs gegenüber dem Aktiv ist ein weiteres Mittel zur Entmenschlichung der Palästinenser. Terroristen töteten einen jüdischen Zivilisten, aber ein Palästinenser wurde während einer Konfrontation getötet (ohne ausdrücklich zu schreiben, dass es israelische Soldaten waren, die ihn getötet haben). Das Wort „Mord“ wird verwendet, um die Tötung von Jüd*innen durch Palästinenser*innen oder andere Jüd*innen oder die Tötung von Palästinenser*innen durch Palästinenser*innen zu beschreiben, aber die Tötung von Palästinenser*innen durch Jüd*innen wird in den Medien als „Tötung“ oder, im Fall von Hazem Al-Joulani, als „Neutralisierung“ beschrieben.

Israelische Medienkanäle beschäftigen Militär- und Polizeireporter, die regelmäßig Aussagen, die sie vom Militär und der Polizei erhalten, wiederholen, abdrucken und verlesen, ohne sie in Zweifel zu ziehen (Quelle auf Hebräisch). Palästinensische Quellen werden nur selten befragt und erhalten kaum die Gelegenheit, über ihre Sicht der Vorkommnisse zu berichten. In den wenigen Fällen, in denen eine israelische Zeitung oder eine Fernsehsendung eine palästinensische Menschenrechtsorganisation zitiert, heißt es: „Die Palästinenser sagen…“, ohne dass die jeweilige Organisation genannt wird, als ob alle Palästinenser eine Einheit wären. Zudem wird damit der Eindruck erweckt, die Information stamme von irgendeinem voreingenommenen Palästinenser. Diese Form der Verallgemeinerung ist eine weitere bewusste Form der diskriminierenden Sprache.

Hier die Erklärung der Polizei im Fall Hazem al-Joulani, die von den israelischen Medien wortwörtlich zitiert wurde:

„Kurz nach 16 Uhr kam der mit einem Messer bewaffnete Angreifer … zum Posten der Beamten am Rats-Tor in der Altstadt von Jerusalem und versuchte, die dortigen Kräfte zu verletzen. Durch die schnelle Reaktion der Beamten und Grenzsoldaten, die das Feuer auf den Angreifer eröffneten, konnte dieser neutralisiert werden, bevor er seine Absicht verwirklichen konnte.“

Die von Polizei und Medien verwendete Sprache hat direkte Auswirkungen auf das israelische Gerichtssystem. Der berüchtigte Fall des Feldwebels Elor Azaria, der 2016 in Hebron den wehrlosen Palästinenser Abdel Fatah Al-Sharif ermordete, war nicht deshalb so bekannt, weil die Tötung eines wehrlosen Palästinensers ungewöhnlich war, sondern weil Azaria vor Gericht stand, nachdem B’tselem ein Video der Schießerei veröffentlicht hatte. Die meisten Fälle, in denen Palästinenser von israelischen Soldaten getötet wurden, werden weder untersucht noch wird eine Anklage erhoben. Azaria weigerte sich, vor Gericht zu argumentieren, dass er in Notwehr gehandelt habe. Hätte er das getan, wäre er nicht verurteilt worden, obwohl Abdel Fatah Al-Sharif unbewaffnet und ohnmächtig am Boden lag, als Elor Azaria ihn erschoss. Nach Angaben der israelischen Medien war Abdel Fatah Al-Sharif bereits „neutralisiert„, als Azaria seine Waffe abfeuerte. Azaria wurde wegen „Totschlags“ zu einer neunmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Diese Diskriminierung der Palästinenser*innen durch die israelische Polizei, die Medien und das Gerichtssystem ist einer der Gründe, warum Vergleiche mit rassistischer Gewalt gegen Afroamerikaner in den USA gezogen werden. Auch in den USA behaupten Polizeibeamte immer wieder, sie hätten sich bedroht gefühlt, bevor sie von ihren Waffen Gebrauch machten, um eine schwarze Person zu töten. Der Unterschied besteht darin, dass die Medien in den USA (mit Ausnahme der rechtsextremen rassistischen Medien) keine diskriminierende Terminologie wie die „Neutralisierung“ eines Menschen verwenden. Die Tatsache, dass die Menschlichkeit der Opfer anerkannt wird, hat es möglich gemacht, Derek Chauvin im April dieses Jahres für den Mord an George Floyd zu verurteilen. Eine solche Verurteilung hat es in Israel/Palästina nie gegeben.

******************************************************************
Eine neue Folgedes Podcasts BIP-Gespräch ist da. Diese Woche sprechen wir mit BIP-Mitglied Lerke Scholing.
******************************************************************

Wir laden Sie ein zum online-Vortrag unseres Geschäftsführers Dr. Shir Hever am 4. Oktober um 19 Uhr. Das Thema wird „Die israelische Ein-Stimmen-Mehrheitskoalition und ihre Bedeutung für Israelis und Palästinenser:innen“:
https://bibjetzt.wordpress.com/2021/09/15/die-israelische-ein-stimmen-mehrheitskoalition-und-ihre-bedeutung-fur-israelis-und-palastinenserinnen/
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Palästina-Nahost Initiative Heidelberg und Nahostgruppe Mannheim statt.

BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.

1. Raed zündete sich eine Zigarette an. Daraufhin erschossen ihn israelische Soldaten und ließen ihn am Straßenrand sterben 
Israelische Soldaten erschossen einen 39-jährigen palästinensischen Gärtner, aber sie machten sich nicht die Mühe, den Leichnam zu untersuchen. Eineinhalb Stunden lag er sterbend oder tot auf der Straße – bis sein Sohn im Teenageralter ihn fand. Quelle: Gideon Levy 10. September 2021. https://www.haaretz.com/israel-news/.premium.HIGHLIGHT.MAGAZINE-raed-lit-a-cigarette-then-israeli-soldiers-shot-him-and-left-him-to-die-on-the-side-1.10196726?utm_term=20210910-00%3A27&utm_campaign=Gideon+Levy&utm_medium=email&utm_content=author-alert&utm_source=mailchimp

2. Israelische Streitkräfte schießen auf Palästinenser bei Bethlehem und verletzen ihn lebensgefährlich
Israelische Soldaten eröffneten heute in der Nähe des Siedlungsblocks Gush Etzion, südlich der Stadt Bethlehem im Westjordanland, das Feuer auf Mohammad Kamal Blu, 27, einen Bewohner der Stadt Beit Fajjar, und verletzten ihn schwer, wie die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtet. Ähnlich wie bereits oben im Text beschrieben, erfolgte die stereotype Reaktion der israelischen Armee, die behauptete, er habe versucht, einen Messerangriff zu verüben; es wurden jedoch keine israelischen Opfer gemeldet. Die Soldaten hinderten palästinensische Sanitäter daran, sich dem Tatort zu nähern und den Palästinenser zu versorgen, der blutend am Boden lag. Israelische Medien berichteten, dass sich der Mann in einem bedrohlichen Zustand befand und anschließend in das Shaare Zedek Krankenhaus in Westjerusalem gebracht wurde.
Quelle:
https://www.palestinechronicle.com/watch-israeli-forces-shoot-critically-injure-palestinian-man-near-bethlehem/https://www.palestinechronicle.com/watch-israeli-forces-shoot-critically-injure-palestinian-man-near-bethlehem/mailto:?subject=WATCH%3A Israelische Streitkräfte schießen auf Palästinenser bei Bethlehem&body=https%3A%2F%2Fwww.palestinechronicle.com%2Fwatch-israeli-forces-shoot-critically-injure-palestinian-man-near-bethlehem%2F

3. Zakaria Zubeidi nach brutaler Schlägerei durch israelische Polizei im Krankenhaus
Zakaria Zubeidi, einer der vier palästinensischen Freiheitskämpfer, die nach ihrer waghalsigen Flucht aus dem Gilboa-Gefängnis von den israelischen Besatzungstruppen gefangen genommen wurden, wurde heute aufgrund der brutalen Schläge, denen er während seiner Verhaftung ausgesetzt war, ins Krankenhaus gebracht. Hasan Abed Rabbo, Sprecher der Palästinensischen Kommission für Häftlingsangelegenheiten, erklärte gegenüber WAFA, der 46-jährige Zubeidi habe extreme Schläge auf die linke und rechte Gesichtshälfte erlitten und sei heute, nachdem sich sein Zustand verschlechtert hatte, zur medizinischen Behandlung in das Rambam Medical Center in Haifa gebracht worden. Quelle: https://www.palestinechronicle.com/zakaria-zubeidi-hospitalized-due-to-brutal-beating-by-israeli-police/

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand un dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. 
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.