Israel verbietet Palästinensern im Westjordanland, landwirtschaftliche Produkte über Jordanien zu exportieren
Zusammenfassung: Verteidigungsminister Naftali Bennett unternahm einen populistischen Schritt, um seine Wahlchancen zu verbessern. Er verbietet, palästinensische Agrarprodukte aus dem Westjordanland über Jordanien zu exportieren. Das ist ein Verstoß gegen das Pariser Protokoll von 1994 über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Israel und der palästinensischen Behörde. Aber wird dieser Verstoß, der Teile der palästinensischen Wirtschaft lahmlegt, für Israel irgendwelche Konsequenzen von Seiten der internationalen Gemeinschaft haben?
Der israelische Verteidigungsminister Naftali Bennett hat ein Problem. Als rassistischer rechter Politiker hat er häufig den Einsatz von mehr Gewalt gegen die Palästinenser im Gaza-Streifen verlangt und fordert die weitgehende Annexion von Land im Westjordanland. Seit er am 9. November zum Verteidigungsminister ernannt wurde, musste er seine Rhetorik zügeln, um die Kontrolle über die Sicherheitslage nicht zu verlieren. Andererseits findet die nächste Runde der israelischen Wahlen am 2. März statt, und Bennett will das Image des „starken Mannes“ gegen die Palästinenser pflegen.
Seine Lösung bestand darin, eine weitere Zwangsmaßnahme gegen die Palästinenser im besetzten Westjordanland zu verkünden. Ab Samstag, dem 8. Februar, ist es den Palästinensern verboten, landwirtschaftliche Güter nach und durch Jordanien zu exportieren. Das Verbot wurde einen Tag zuvor erklärt, so dass Händler und Bauern keine Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten und Verträge zu kündigen. Fast alle Agrarexporte aus dem besetzten Westjordanland (außer den Exporten nach Israel selbst) werden über Jordanien und nicht über Israel abgewickelt, weil die Exporte an den Kontrollposten aufgehalten werden und die israelischen Behörden von den Landwirten Gebühren für die Sicherheitskontrollen kassieren und damit unter dem Deckmantel der Sicherheit vereinbarungswidrig effektiv Zölle erheben.
Foto: Bennett als Verteidigungsminister und Netanjahu. Quelle: Das israelische Regierungsmedienbüro (GPO)
Bennett begründete seine Entscheidung als Gegenmaßnahme zum Beschluss der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Einfuhr von Rindern israelischer Bauern zu verbieten. Diese Rechtfertigung zeigt die koloniale Arroganz, von der die israelische Politik geleitet wird: Erstens allein schon, dass diese Frage der Wirtschaftspolitik in die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums fällt: Die Entscheidung von Palästinensern, Viehzucht zu betreiben, ist in den Augen der israelischen Regierung eine „Sicherheitsfrage“, wie das Beispiel von Beit Sahour während der Ersten Intifada zeigt, als achtzehn Kühe zu einer „Bedrohung der Sicherheit Israels“ erklärt wurden (wir empfehlen den Film „18 Kühe zwischen zwei Fronten“ über diese Ereignisse). Zweitens verbietet bereits das israelische Landwirtschaftsministerium den Verkauf vieler palästinensischer Agrarprodukte in Israel, aber Bennetts Entscheidung, den Palästinensern zu verbieten, ihre landwirtschaftlichen Produkte in den Rest der Welt zu exportieren, ist eine gezielte Machtdemonstration mit dem Ziel, der palästinensischen Wirtschaft zu schaden.
Foto: Filmplakat „18 Kühe zwischen zwei Fronten“, 2014. Quelle: Kino Lorber.
Der Gaza-Streifen wird seit 2005 belagert, und seit 2006 sind Exporte aus dem Gaza-Streifen fast vollständig verboten, was zur Zerstörung seiner Wirtschaft, zur Ausbreitung von Armut und Arbeitslosigkeit und zu seiner Verwandlung in eines der am stärksten von Hilfe abhängigen Gebiete der Welt beitrug. Exporte aus dem Westjordanland sind ebenfalls stark eingeschränkt, aber trotzdem stieg der Export von Waren aus dem Westjordanland langsam von 746 Millionen Dollar im Jahr 2011 auf 1,15 Milliarden Dollar im Jahr 2018 – eine wesentliche Lebensader für die palästinensische Wirtschaft, ohne die die Lebensbedingungen im Westjordanland denen im Gazastreifen ähnlich würden. Bereits 2013 hatte die Weltbank festgestellt, dass die Unternehmen im Gazastreifen und Westjordanland unter der israelischen Blockadepolitik leiden, und vor dem ökonomischem Niedergang und langfristigen Schäden in den Besetzten Palästinensischen Gebieten gewarnt.
Grund sind die Beschränkungen, denen die palästinensische Wirtschaft unterliegt. Sie sind nicht neu und verstoßen bereits jetzt faktisch gegen das „Pariser Protokoll„, den wirtschaftlichen Anhang zu den Oslo-Abkommen, der im April 1994 vom palästinensischen Verhandlungsteam und der israelischen Regierung unterzeichnet wurde. In Artikel VIII Abschnitt 11 heißt es:
„Die Palästinenser werden das Recht haben, ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf der Grundlage von Ursprungszeugnissen, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgestellt werden, ohne Einschränkungen auf externe Märkte zu exportieren“.
Die israelische Regierung entschied nur eine Woche, nachdem der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas damit gedroht hatte, alle Abkommen mit Israel zu kündigen (siehe unser vorheriges BIP-Aktuell), nun auch ganz offiziell, sich nicht an diese Klausel des Pariser Protokolls zu halten).
Die berühmte Orangenmarke „Jaffa“ aus der palästinensischen Stadt Jaffa ist inzwischen vom Staat Israel kolonisiert worden und gehört nun einem Verband israelischer Unternehmen. Dies hinderte die Supermärkte in der ganzen Welt, auch in Deutschland, nicht daran, „Jaffa“-Orangen unter einer gestohlenen Marke zu führen. Es ist daher nicht überraschend, dass die israelische Regierung davon ausgeht, dass es keine Konsequenzen für die Einschränkungen palästinensischer Exporte geben wird.
Foto: Der Film „Jaffa, the Orange Clockwork” von Eyal Sivan erzählt die Geschichte der Jaffa-Marke. Quelle: Momento-Films.com
Verbraucher in Deutschland werden nun feststellen, dass sie keine palästinensischen Oliven, Olivenöl, Seife, Datteln und andere Produkte mehr kaufen können. Die meisten werden wahrscheinlich nicht gegen die Ungerechtigkeit protestieren, die den palästinensischen Bauern widerfährt.
Für Naftali Bennett ist dies nur eine populistische Entscheidung, um bei den bevorstehenden Wahlen mehr Stimmen zu gewinnen, aber sie wird die Existenzgrundlage tausender palästinensischer Familien zerstören. Was können die Palästinenser gegen willkürliche israelische Sanktionen tun? Sie können nichts tun.
Aber die Europäische Union kann eine Menge tun. Sie könnte erklären, dass keine israelischen Agrargüter in der EU verkauft werden dürfen, solange die Beschränkung für die palästinensischen Bauern nicht aufgehoben wird und dass diese Maßnahme der EU aufgehoben wird, sobald Israel seine Maßnahme gegen die palästinensische Wirtschaft beendet. Dieser Schritt würde die israelische Regierung zur Rücknahme ihrer Entscheidung bewegen.
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3 Kommentare
16.02.2020
Kommentar:
Was ist schon die angeblich „antisemitische“ BDS-Bewegung, mittels derer verzweifelte Palästinenser, aufrechte Israelis sowie deren moralische Unterstützer zur Erhaltung und Rettung der durch das israelische Besatzungssystem (nicht durch „Semiten“) minimalisierten Rechte der Palästinenser beitragen wollen, im Vergleich zu der brutalen völkerrechtswidrigen Stangulierung der palästinensischen Wirtschaft?
Warum darf die israelische Regierung, die „einzige Demokratie im Nahen Osten“, ohne Sanktionen seitens der EU und anderer demokratischen Länder der UN befürchten zu müssen, so krass gegen das Pariser Protokoll von 1994 verstoßen?
Die Europäische Union muss reagieren. Der in BIP erwähnte Vorschlag, die EU möge beschließen,
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dass keine israelischen Agrargüter in der EU verkauft werden dürfen, solange die Beschränkung für die palästinensischen Bauern nicht aufgehoben wird und dass diese Maßnahme der EU aufgehoben wird, sobald Israel seine Maßnahme gegen die palästinensische Wirtschaft beendet,
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ist sachlich begründet und gerechtfertigt.
Wolfgang Pfannekuch
Wolfgang Pfannekuch
Rechtsanwalt und Notar a.D..
Kirchweg 60,
34119 Kassel
Mobil: 0160 / 1 222 33 9
Es ist ungeheuerlich, wie sich die Politiker in Israel über geltendes Recht hinwegsetzen, ohne jegliche Konsequenzen der Deutschen Politiker!!!, bzw der ganzen Welt! Was därfen sie sich in Zukunft noch alles erlauben, ohne dass die Welt aufschreit bei soviel Ungerechtigkeit und perfider Gewalt!