BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Aktuelle Beiträge

No more posts to show
Nach mehr als drei Monaten Hungerstreik halten israelische Gerichte die Administrativhaft weiterhin für gerechtfertigt
Zusammenfassung: Maher al-Akhras ist keines Verbrechens angeklagt, hat aber mehr als fünf Jahre in einem israelischen Gefängnis verbracht. Das einzige Mittel, um gegen die willkürliche Inhaftierung zu protestieren, ist ein Hungerstreik, aber selbst dieser hat den israelischen Obersten Gerichtshof nicht dazu veranlasste, das Grundrecht jedes Menschen auf ein faires Gerichtsverfahren anzuerkennen.
 
Maher al-Akhras ist ein 49-jähriger Palästinenser, Vater von sechs Kindern aus der Stadt Silat al-Dahr im besetzten Westjordanland, unweit von Dschenin. Die israelischen Behörden werfen al-Akhras vor, Mitglied des Islamischen Dschihad, also einer Terrororganisation, zu sein. Obwohl er dies bestreitet, wurde Maher al-Akhras nicht vor Gericht gestellt, und es wurde ihm nicht mitgeteilt, welche Beweise gegen ihn vorliegen. Im Laufe seines Lebens wurde er immer wieder verhaftet und verbrachte insgesamt fast fünf Jahre in israelischen Gefängnissen, ohne jemals wegen eines Verbrechens von einem ordentlichen Gericht verurteilt worden zu sein.
 
Am 27. Juli wurde er erneut verhaftet, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wurde. Der israelische Geheimdienst (Shin Bet oder ISA) behauptet, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Staates Israel darstellt und er deshalb vier Monate in Haft bleiben muss. Wenn es keine weiteren belastenden Informationen über ihn gebe, so versprach die Geheimpolizei, werde er am 27. November wieder freigelassen. Al-Akhras weigerte sich zu akzeptieren, dass Israel das Recht hat, ihn ohne Anklage zu verhaften, und begann einen Hungerstreik (Quelle auf Hebräisch).
 
Heute, mehr als drei Monate nach Beginn des Hungerstreiks, schwebt Al-Akhras in Lebensgefahr, weil Organversagen droht. Er ist weiterhin bei Bewusstsein, leidet unter ständigen Schmerzen und verweigert weiterhin Nahrung. Nach Ansicht der Ärzte ist ein Großteil der Schädigungen durch den langen Hungerstreik irreversibel. Maher Al-Akhras wird nie wieder völlig gesund sein.
 
Am 6. September wurde Maher al-Akhras in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Erst am 23. September erörterte der Oberste Gerichtshof Israels seinen Antrag auf Freilassung aus der Haft. Das Gericht entschied, dass seine Haft offiziell „ausgesetzt“ werden kann, solange sich Maher al-Akhras in kritischem Zustand im Krankenhaus befindet. Aber sobald sein gesundheitlicher Zustand stabil werde, dürfe der Geheimdienst ihn erneut verhaften. Dies geschah einen Monat später, am 23. Oktober, als die Geheimpolizei verlangte, dass er in ein Gefängniskrankenhaus verlegt wird. Auf der Grundlage eines israelischen Gesetzes, das die Zwangsernährung von Gefangenen erlaubt (siehe unten), war zu befürchten, dass Maher al-Akhras in einem Gefängniskrankenhaus zwangsernährt wird. Gegen die Entscheidung des Geheimdienstes wurde Berufung eingelegt, und der Oberste Gerichtshof verschob die Verlegung in ein Gefängniskrankenhaus.
 
 

Hungerstreiks haben bei politischen Gefangenen autoritärer Regime eine lange Tradition. Wenn die Gefangenen nur Wasser und Salz zu sich nehmen, können sie wochen- und manchmal monatelang überleben, obwohl sich ihr gesundheitlicher Zustand immer weiter verschlechtert. Quelle: Visualizing Palestine, 2016.
 
Das israelische System der Administrativhaft ist Teil des doppelten Rechtssystems. Das sog. „Habeas- Corpus-Recht“ – das Recht eines Gefangenen, vor Gericht gestellt zu werden, zu wissen, welche Vorwürfe gegen ihn oder sie erhoben werden und sich dagegen zu verteidigen – ist nur Israelis vorbehalten. Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten können vom Militär nach Belieben bis zu sechs Monaten inhaftiert werden. Alle sechs Monate kann die Haft um weitere sechs Monate verlängert werden, so dass die Gefangenen nicht wissen, ob und wann sie jemals freigelassen werden. Nach Angaben der Menschenrechtsrechtsorganisation Addameer befanden sich im September etwa 350 Palästinenser in israelischen Gefängnissen in Administrativhaft. Das auf Israelis und Palästinenser angewandte doppelte Rechtssystem qualifiziert den Staat Israel als Apartheidstaat. Die Verletzung des Habeas- Corpus-Rechts disqualifiziert den Staat Israel als demokratischen Rechtsstaat.
 
Im Juni 2015 verabschiedete das israelische Parlament, die Knesset, ein Gesetz, das die Zwangsernährung von Gefangenen gegen ihren Willen erlaubt. Der Oberste Gerichtshof lehnte eine Petition gegen dieses Gesetz ab und entschied 2016, dass das Gesetz bestehen bleibt, obwohl zivile Ärzte sich weigern, es zu befolgen. Die Zwangsernährung von Gefangenen wird als ein Akt der Folter definiert. Sie verstößt gegen Artikel 2 (2) der internationalen Konvention gegen Folter, gegen Artikel 12 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) und gegen den gemeinsamen Artikel 3 (1) der Genfer Konventionen. In Artikel 6 der Erklärung von Tokio der World Medical Association von 1975 heißt es, dass Ärzte sich nicht an Maßnahmen zur Zwangsernährung von Häftlingen beteiligen dürfen, da eine solche Zwangsmaßnahme das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen verletze. Die UNO gab als Reaktion auf das israelische Gesetz eine Erklärung ab, in der das Recht der Gefangenen auf Hungerstreik betont und die Administrativhaft verurteilt wurde. Darum fordert Amnesty International seit vielen Jahren die Abschaffung der Administrativhaft.


Das System der israelischen Administrativhaft. Quelle: Visualizing Palestine, 2013.
 
Währenddessen machten sich Aktivisten der politischen Rechten in Israel über das Leiden von Maher al-Akhras lustig und griffen Mitglieder seiner Familie an, die vor dem Gerichtssaal warteten. US-Außenminister Mike Pompeo wurde nach der Haltung der USA zur Administrativhaft von Maher al-Akhras und seinem Hungerstreik gefragt. Pompeo antwortete nur, dass „Israel das Recht hat, sich zu verteidigen“. Das ist wichtig, wenn das nächste Mal westliche Politiker die Behauptung aufstellen, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, denn in Wahrheit geht es darum, Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts zu rechtfertigen. Dann sollte daran erinnert werden, dass Israel nach Ansicht der USA das Recht hat, sich gegen einen sterbenden 49-jährigen Mann zu „verteidigen“, der nicht mehr laufen kann. Im Gegensatz dazu verurteilte der UNO-Sonderberichterstatter Michael Lynk die Inhaftierung von Al-Akhras und das System der Administrativhaft.
 
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand 

 
***********************************************************************
Wöchentliche BIP-Empfehlungen:
Der folgende Artikel des israelischen Menschenrechtsanwalts Michael Sfard bietet ein wichtiges Update zu BIP-Aktuell #141:
https://www.haaretz.com/opinion/.premium-israelis-who-pillage-palestinian-olive-harvesters-are-not-my-brothers-1.9250112

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.