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Der Angriff auf kritische Juden in Berlin ist Teil einer weltweiten Kampagne
Zusammenfassung: Der Angriff auf die School for Unlearning Zionism (Schule zum Hinterfragen des Zionismus) in Berlin zeigt, dass unter dem Vorwand, Antisemitismus zu bekämpfen, rechte nicht-jüdische Deutsche gegen Juden Angriffe starten, die sich weigern, nach Israel auszuwandern. Die IHRA-Definition und der Bundestagsbeschluss werden in Deutschland dazu genutzt, Rassismus zu legitimieren.
 
School for Unlearning Zionism (Schule zum Hinterfragen des Zionismus) wurde von einer Gruppe jüdischer Israelis gegründet, um das vorherrschende Selbstverständnis des Zionismus zu hinterfragen und Raum für eine kritische und offene Diskussion über den Zionismus und seine Alternativen zu schaffen, vor allem für Menschen, die Schulen in Israel besucht haben, in denen der Zionismus das vorherrschende Konzept ist (siehe zum Beispiel das Buch von David Ranan „Ist es noch gut, für unser Land zu sterben?“ 2011). Yehudit Yinhar hat als Studentin an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee mit Unterstützung ihrer Professoren das „Oktoberprogramm“ ins Leben gerufen: eine Ausstellung und eine einmonatige Vortragsreihe in hebräischer und englischer Sprache mit jüdischen und palästinensischen Referenten, um verschiedene Aspekte der Geschichte des Zionismus zu beleuchten, mit besonderem Schwerpunkt auf Ereignissen, die sich in der Vergangenheit in einem Oktober ereignet haben (z.B. der Krieg von 1973 und die Zweite Intifada).
 
Die Reaktion erfolgte unmittelbar. Es begann mit dem Journalisten Frederik Schindler, der einen Drohbrief an die Hochschule schickte, in dem er die Namen von vier Rednern des Programms nannte, die alle jüdisch sind. Schindler argumentierte, dass diese Redner ihre Unterstützung für die BDS-Bewegung zum Ausdruck gebracht hätten. Damit wendete er die McCarthy-Methode der Kontaktschuld an, um zu behaupten, die Hochschule würde BDS mit öffentlichen Geldern unterstützen, die der „Schule zum Hinterfragen des Zionismus“ bewilligt worden waren. Der Brief liegt Yehudit Yinhar vor. Die Rektorin der Universität, Leonie Baumann, kündigte sofort und ohne Rücksprache mit den am Projekt beteiligten Professoren und Studenten an, dass die Finanzierung des Programms gestrichen wird, obwohl die Referenten bereits Verträge unterzeichnet hatten, und löschte das Programm von der Website der Hochschule. Volker Beck, früher Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, forderte in einem Interview mit der Berliner Zeitung, diejenigen, die beschuldigt werden, für die BDS-Bewegung einzutreten, nicht mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Die israelische Botschaft bezeichnete das Programm in der Jüdischen Allgemeinen als „umarmenden Antisemitismus“. Die Amadeu-Antonio-Stiftung stellte das Oktoberprogramm der Schule zum Hinterfragen des Zionismus als antisemitisch dar, ohne zu erwähnen, dass es von jüdischen Israelis erarbeitet wurde, und führte es in der Chronik antisemitischer Vorfälle neben tätlichen Angriffen auf Juden auf.
 

Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Quelle: Angela M. Arnold, 2011, Wikipedia.
 
Pro-jüdische und pro-palästinensische Gruppen haben die „Schule zum Hinterfragen des Zionismus“ gegen antisemitische Angriffe verteidigt. Die Berliner Zeitung interviewte Yehudit Yinhar, und die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost veröffentlichte eine Stellungnahme, Palästina Spricht äußerte sich solidarisch, das Palästinakomitee Stuttgart veröffentlichte einen Bericht in seinem Newsletter, ebenso wie TAZDeutschlandfunk972 MagazineTachlesThe Left Berlin, und Sozialistische Zeitung. Zuletzt schrieb Mati Shemoelof für Mondoweiss: „In einer ersten Anwendung des Anti-BDS-Beschlusses zensiert Deutschland Israelis.“ Als Juristen der Hochschule mit einem Eilantrag bei Gericht drohten, stellte die Kunsthochschule Berlin-Weißensee das Programm wieder auf ihre Website. Inzwischen wurden die Vorträge wie geplant vor einem großen Publikum fortgesetzt, und einige der Vorträge sind auf der Facebook-Seite der Gruppe zu sehen.
 
Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Angriffe auf die „Schule zum Hinterfragen des Zionismus“ durch zwei Faktoren befördert wurden – durch die umstrittene IHRA-Definition, die von der israelischen Lobby beeinflusst wurde, um Kritik am Staat Israel als Antisemitismus bezeichnen zu können (siehe BIP-Aktuell #133), und durch die Resolution des Deutschen Bundestages, der die BDS-Bewegung mit Antisemitismus gleichsetzte. Prof. Ulrich Duchrow sagte dazu, dass dann „Gandhi gleich Hitler ist“. Keine der Personen und Organisationen, die an den Angriffen beteiligt waren – Frederik Schindler, Volker Beck, Leonie Baumann, der Zentralrat der Juden, die israelische Botschaft und die Amadeu-Antonio-Stiftung – haben die Tatsache erwähnt, dass gegen die Erklärung des Bundestages eine Klage anhängig ist und dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die BDS-Bewegung für legal und nicht antisemitisch befunden hat (siehe BIP-Aktuell #124).
 
Dennoch erschweren solche Angriffe das Leben von Juden in Deutschland. Wenn deutsche Institutionen nur zionistische Juden akzeptieren, respektieren sie nicht deren Recht auf Gedanken- und Meinungsfreiheit. Der Aufruf, Juden öffentliche Gelder zu verweigern, die sich positiv zu BDS äußern oder denen dies, ohne einen Beleg zu haben, nur vorgeworfen wird, reicht aus, um vielen deutschen Juden die Arbeit im öffentlichen Dienst und in der Wissenschaft zu erschweren. Seit den Anfängen des Zionismus nutzten Zionisten antisemitische Tendenzen bei europäischen Christen, um Unterstützung für ihre Bewegung zu gewinnen, wie etwa mit dem Appell von Theodor Herzl an den russischen Zaren. Heute sprechen pro-israelische nicht-jüdische Deutsche wie etwa Volker Beck in den höchsten Tönen von vermeintlichem Kampf gegen Antisemitismus, aber wenn es Juden verboten sein soll, ihre Meinung in öffentlichen Einrichtungen zu äußern, dann stellen sie die Dinge auf den Kopf. Statt sich darüber zu empören, dass Juden öffentliche Gelder entzogen werden, nutzen sie die IHRA-Definition und den Bundestagsbeschluss, Juden und Menschenrechtsorganisationen als die „neuen Antisemiten“ darzustellen.


Facebook-Seite der „Schule zum Hinterfragen des Zionismus“. Quelle: Facebook.
 
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand 

3 Kommentare

  1. Wie verlogen die Antisemitismusdebatte seitens der Bundesregierung u. a. geführt wird, zeigt sich auch in ihrer Verweigerungshaltung gegenüber Holocaust-Überlebenden wie Salo Müller. Entschädigungen werden ihnen vorenthalten.
    Salo Muller ist Jude. Mehr als 70 Verwandte hat der Niederländer im Holocaust verloren, seine Eltern wurden 1943 in Auschwitz ermordet. Er selbst wurde gerettet. Nach der Trennung von seinen Eltern begann für ihn eine Odyssee durch acht verschiedene Verstecke.
    Für ihre Fahrt ins Vernichtungslager, für ihr oft tagelanges Martyrium in überfüllten, verplombten Viehwaggons mussten die Deportierten zumeist selbst aufkommen. Vier Pfennige rechnete die Reichsbahn bei der NS-Führung pro Person und Schienenkilometer ab, Kinder kosteten die Hälfte – und ab 400 Menschen gab es einen Mengenrabatt.
    Das Geld holte sich das Reichssicherheitshauptamt direkt bei den Verhafteten, trieb es über Zwangsabgaben ein oder nahm es aus dem geraubten Vermögen der Deportierten. Ein so zynisches wie lukratives Geschäft. Umgerechnet 445 Millionen Euro soll die Reichsbahn laut der Initiative „Zug der Erinnerung“ am Massentransport in die Vernichtungslager verdient haben.
    Bis heute wird den Opfern die Entschädigung verweigert.
    „Nur wer zahlt, meint es ernst!“ sagt Salo Muller.
    http://www.zug-der-erinnerung.eu/aktuell20201107.html

    Und genauso ist Gerechtigkeit auch für die PalästinenserINNEN zu fordern!

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