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Aktuelle Beiträge

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Im vergangenen Jahr haben wir in bislang 48 ‚Themen der Woche’ (TdW) viele unterschiedliche Aspekte der Besatzung beleuchtet. Es ging um den Alltag der PalästinenserInnen, die Beschneidung ihrer Rechte auf sämtlichen Gebieten ihres Lebens, die Gewalt, der sie ausgesetzt sind; es ging um die Entstehungsgeschichte dieses ungleichgewichtigen Konfliktes, um die Teilung und Kolonisierung des Landes, um Gesetze und Verordnungen des Besatzungsregimes, die mehr mit rassistischer Ethnokratie als mit Demokratie zu tun haben.

Wir haben uns bemüht, die Situation des palästinensischen Volkes, seiner Unterdrückung und seiner verzweifelten Situation deutlich und in allen Facetten darzustellen. Daher werden wir demnächst – nach dem 50. TdW, symbolisch im 50. Jahr der Besatzung – dieses Format einstellen, werden aber den Blog (Newsletter) regelmäßig mit aktuellen Informationen zu Palästina und Israel weiterhin betreiben. Spätestens im Frühjahr 2018 werden wir die gesammelten TdW als digitales Buch veröffentlichen.


Israelische Zivilgesellschaft und Besatzung

Die seit 50 Jahren andauernde Besatzung des Westjordanlands hat ein Ziel – das Land in Besitz zu nehmen – und hat deswegen ein Opfer: die jetzigen nichtjüdischen Bewohner dieses Landes, das palästinensische Volk. Dennoch möchten wir heute ein Schlaglicht darauf werfen, wie sich diese Besatzung auf die israelische Gesellschaft auswirkt. Denn immer wieder taucht die Frage auf: Wo bleibt der Widerstand gegen die Besatzung aus der israelischen Zivilgesellschaft heraus? Und wie wirkt sich die Besatzung auf das Leben der Israelis aus?

Die israelische Zivilgesellschaft hat einige wenige Einzelpersonen sowie NGOs hervorgebracht, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen und sich bemühen, die israelische Gesellschaft über die Realität der Besatzung zu informieren. Im TdW#11 haben wir ausführlich über sie berichtet.  Sie genießen heutzutage kein gutes Ansehen bei der Mehrheit der israelischen Bevölkerung, werden oft als Verräter oder Nestbeschmutzer bezeichnet und sind häufig Anfeindungen ausgesetzt. Für die deutsche Öffentlichkeit wurde dies am deutlichsten, als Außenminister Gabriel sich im Sommer 2017 bei seinem Israel-Besuch mit Aktivisten von Breaking the Silence traf und dafür von Netanyahu ausgeladen wurde.

Es gibt in Israel außerdem eine ganze Reihe von Gesetzen, die es NGOs schwer machen, ihre Arbeit so fortzusetzen, wie man das in einer demokratischen Gesellschaft eigentlich erwarten würde. Spiegel Online berichtete im Sommer 2016 darüber, dass auch deutsche NGOs wie die Konrad-Adenauer- oder die Friedrich-Ebert-Stiftung davon betroffen sind.


Persönliche Einschätzungen

Wir haben einige israelische Persönlichkeiten danach befragt, was die Besatzung ihrer Meinung nach mit den Israelis mache. Hier ihre Antworten:


Menachem Klein
, Professor für Nahost- und Islam-Studien an der Bar Ilan Universität, Tel Aviv:
Occupation that lasts more than 50 years is not temporary nor leaves the occupier unaffected. Indeed it is more than occupation. The Israeli ruling system over the Palestinians has also Apartheid and colonial elements. Given that Israel controls the area between Jordan and the Mediterranean where the Jews are just about 50% of the population, Israel empowers its ethnic Jewish identity over her democracy.
Eine über 50-jährige Besatzung  ist weder temporär, noch bleibt sie ohne Auswirkungen auf die Besatzer. In der Tat ist es mehr als eine Besatzung: Das israelische Regierungssystem über die Palästinenser beinhaltet Elemente von Apartheid und Kolonialismus. Da Israel über das Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer herrscht, in dem Juden nur etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, gibt Israel seiner ethnisch-jüdischen Identität mehr Macht als seiner Demokratie.

Yahav Zohar, israelischer Reiseführer, Jerusalem-Experte, langjähriger ICAHD Mitarbeiter:
The continued military government of Palestinians is trapping all the people of this country further in a cycle of violence that promises to continue for generations. Israel is becoming a nation of prison guards and secret police men and the constant violence used against Palestinians seeps in to make Israeli society more authoritarian and violent, more paranoid, less free. 
Die andauernde militärische Regierung über die Palästinenser hält alle Menschen dieses Landes in einem Kreislauf der Gewalt gefangen, der noch Generationen lang fortzubestehen verspricht. Israel entwickelt sich zu einer Nation von Gefängniswärtern und Geheimpolizisten; die dauerhafte Gewalt, die gegen Palästinenser angewandt wird, sickert in die israelische Gesellschaft ein und macht sie autoritärer, gewalttätig, paranoider, weniger frei.

Nirit Sommerfeld, israelisch-deutsche Schauspielerin und Sängerin:
Die Notwendigkeit, mit diesem Widerspruch umzugehen, eigentlich eine demokratische, freie Gesellschaft zu sein, sozialistisch und von hohen Idealen geprägt, und gleichzeitig ein brutales Unterdrückungsregime aufrecht zu erhalten, hat große Teile der israelischen Gesellschaft vergiftet. Es hat sie einerseits empathielos gegenüber ihren palästinensischen Mitmenschen gemacht, andererseits empfänglich für radikale, vor allem national-religiöse Ideen. Die linken Intellektuellen beklagen sich zwar über die rechte Regierung („Ich würde sofort die Siedlungen zurückgeben!“), sind aber nicht bereit, für eine wirkliche politische Wende einzutreten; zu gründlich hat man uns von permanenter existenzieller Bedrohung überzeugt. Vielen Israelis ist dieser Zustand nur durch Verdrängung erträglich oder durch Rückzug ins innere oder äußere Exil (Berlin).

Robert Spitz, deutsch-israelischer Schauspieler und Regisseur:
Die fortdauernde Besatzung und die damit einher gehende Unterscheidung von Menschen mit Bürgerrechten (Israelis) und Menschen mit eingeschränkten Bürgerrechten (Palästinenser) zersetzt die moralischen und ethischen Standards der israelischen Gesellschaft. Elementare Bürgerrechte, wie z.B. das Recht auf Leben, auf Unversehrtheit, Eigentum, freie Meinungsäußerung für jeden geraten in Gefahr. 

Nomika Zion, Begründerin von The Other Voice:
Palästinenser sind für uns unsichtbar, wir haben keinen Kontakt zu ihnen. Sie haben kein Gesicht, keinen Namen, keine Identität. Sie sind einfach nur Terroristen. Wenn wir aber aufhören, im Anderen den Mitmenschen zu sehen, dann hören wir selbst auf, Mensch zu sein. Wir brauchen Hilfe von außerhalb, um uns vor uns selbst zu retten. Wir haben ein System von täglichen Demütigungen aufgebaut. Jeden Tag überschreiten wir eine weitere rote Linie.

Gideon Levy, Journalist für Ha’Aretz:
I don’t like this direction because it victimizes the Israelis again. The occupation is first of all terrible to the Palestinians. Many think that Israel is paying a moral price but now we have to concentrate on the Palestinians who pay the real price.
Ich mag diesen Ansatz nicht, denn wieder stellt er die Israelis als Opfer dar. In allererster Linie ist die Besatzung schrecklich für die Palästinenser. Viele glauben, dass Israel einen moralischen Preis zahlt, aber jetzt ist es an der Zeit, sich auf die Palästinenser zu konzentrieren, die den realen Preis bezahlen.

Einige SchriftstellerInnen haben in literarischen Texten den Wandel der israelischen Gesellschaft beschrieben, unter ihnen Amos Oz, David Grossmann, Sayed Kashua oder zuletzt Lizzie Doron, deren Buch Sweet Occupation über die ‚Combatants for Peace’ (Friedenskämpfer) bisher nur auf Deutsch erschienen ist. Zu bedrohlich scheint es israelischen Verlegern, die Idee unters Volk zu bringen, dass Palästinenser und Israelis die Waffen niederlegen und sich gleichberechtigt begegnen.


Wer zahlt den Preis?

Der Rechts“ruck“ in der israelischen Gesellschaft kann eher als kontinuierliche Neigung nach rechts betrachtet werden, als konsequentes Ergebnis dauerhafter Aufrechterhaltung eines Unrechtszustandes, der mit den ursprünglich proklamierten Werten des Staates aus seiner Gründerzeit unvereinbar ist. Daher lässt er sich nur durch ein ganzes Konstrukt von Ideen und Darstellungen aufrecht erhalten, in denen sich Israelis grundsätzlich als von Antisemitismus bedrohte, seit 2000 Jahren verfolgte, von Feinden umgebene eingeschworene Gemeinschaft verstehen.

Vor allem die (echte und konstruierte) Bedrohung durch die „feindliche arabische Nachbarschaft“ (Hauptfeind ist heute der nicht-arabische Iran) trägt dazu bei, dass im israelischen Alltag oft Sätze zu hören sind wie „Nie wieder mit uns!“, „Geschichte ist nun mal nicht gerecht“ oder „Wir haben keine Wahl – man will uns vernichten und wir werden uns verteidigen“.

Zweifelsohne: Die Israelis zahlen einen Preis für ihre komplette Herrschaft über ein Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung nicht von ihnen regiert werden will – schon gar nicht durch ein Besatzungsregime. Aber anders als die Palästinenser haben die Israelis eine Wahl, politisch und moralisch. Dass sich eine Mehrheit findet, die diese ohne Not nutzen wird, um ihren alten, manchmal beschwerlichen, aber doch gesicherten Standpunkt zu verlassen, ist nicht unbedingt zu erwarten. Es wird höchstwahrscheinlich nicht ohne politischen Druck von außen gehen.


Auf ein gutes, ein besseres Neues Jahr 2018!

Wir wünschen Ihnen besinnliche Tage zwischen den Jahren und einen guten Rutsch in ein friedvolleres, energiereiches Neues Jahr 2018, in dem wir unseren gemeinsamen Zielen ein stückweit näher kommen werden: Gleichheit, Gerechtigkeit und ein friedliches Zusammenleben für Palästinenser und Israelis sind möglich!

Nächste Woche melden wir uns noch einmal mit einem abschließenden Beitrag zu den Themen der Woche und der Aussicht auf unseren zukünftigen Newsletter.

Unsere Petition an die Bundesregierung für die Anerkennung Palästinas ist weiterhin online und braucht dringend noch mehr Unterschriften. Bitte unterschreiben auch Sie und verbreiten den Aufruf bei Ihrer Familie, Ihren Freunden und Bekannten! Bitte verbreiten Sie unseren Newsletter auf Facebook, Twitter oder per Mail mit diesen Links. Danke.

Ein Kommentar

  1. Hallo,

    durch Gespräche mit Flüchtlingen in Tirol (zumeist Syrern) ist mir aufgefallen, dass die über die Situation in Nahost, Israel, Pal. viel, viel besser informiert sind als wir. Die wissen viel, viel mehr Nachrichten über die Brutalitäten in Nahost, Israel, Palästina.

    Ich bin dieser Frage nachgegangen und muss feststellen, dass in unseren Medien (ARD, ORF, ..) sehr viele Nachrichten über israelische Brutalitäten nicht berichtet werden. Da werden prima vista ca. 80% der Nachrichten unterdrückt, die für Israel negativ wären.

    Dass die israelische Armee mit Scharfschützen mit scharfer Munition auf Demonstranten schiesst, erfährt man von ARD, ORF nicht. Dass ein Behinderter im Rollstuhl (der zwei amputierte Beine hatte) am 15.12.17 erschossen wurde, erfährt man von ARD, ORF auch nicht. Dass die israelische Armee sogar scharf durch den Gaza-Zaun schiesst, der bis zu 11 m hoch ist, erfährt man bei ORF, ARD auch nicht!

    Da besteht ein mysteriöser “Schwund” an Nachrichten, der völlig einseitig ist.

    Bei zionBILD oder zionWELT ist mir klar, warum. Die haben Dienstverträge, die denen nicht erlauben objektiv, neutral zu berichten. Die Springer-essensentials verpflichten die Springer-“Journalisten” ausdrücklich, auch einseitig über Israel/Nahost zu berichten.

    Bei den anderen Medien wie ARD, ORF, APA, DPA, .. ist mir nicht klar, warum dort soviel Kritik bzw. negative Israelinfos unterdrückt werden.

    MfG Fred Baumgartner

    If You are not a Jew Israel discriminates You. (religious discrimination)

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