Neunzehn palästinensische Anti-Korruptions-Aktivisten von der palästinensischen Polizei erst nach Hungerstreik freigelassen |
Zusammenfassung: Eine weltweite Kampagne protestierte beim palästinensischen Premierminister Mohammed Shtayyeh gegen die Verhaftung von Aktivisten, die am 19. Juli gegen Korruption in der Palästinensischen Autonomiebehörde demonstriert hatten. Die Inhaftierten traten in den Hungerstreik. Über die Unterdrückung der Menschenrechte durch die palästinensische Regierung in Ramallah wird nur sehr wenig berichtet, aber die Palästinenser im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen fordern ganz ähnlich wie gegenwärtig die Demonstranten in Jerusalem und Tel Aviv mehr Demokratie, Transparenz und Gerechtigkeit. Jetzt, nach zwei Wochen in Haft, wurden die Aktivisten endlich freigelassen. Über die Anti-Korruptionsproteste in Israel und die Wut Tausender Israelis gegen die ineffizienten Maßnahmen der Regierung wegen der Verbreitung von Covid-19-Infektionen und gegen die unzureichenden Maßnahmen zur Unterstützung der kriselnden israelischen Wirtschaft wird täglich in den internationalen, aber auch in den deutschen Medien berichtet. Sehr wenig erfährt die Öffentlichkeit über ähnliche Proteste von PalästinenserInnen im besetzten Westjordanland, die von der Korruption in ihrer Regierung frustriert sind und Transparenz fordern. Auch über die repressive Rolle, die die palästinensischen Sicherheitskräfte spielen, anstatt für die palästinensische Befreiung zu kämpfen, wird nur selten berichtet. Selbst die Ankündigung von Präsident Mahmoud Abbas, die Sicherheitskooperation mit dem israelischen Militär aus Protest gegen die israelischen Annexionspläne zu beenden, bleibt vage und unklar: Wurde die Sicherheitskooperation völlig ausgesetzt? Nicht einmal die Palästinenser wissen es, und vermutlich glauben sie es auch nicht, da Abbas die Beendigung der Sicherheitspartnerschaft nicht zum ersten Mal angekündigt hat. Mohammed Shtayyeh, Premierminister der palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland. Quelle: Sinn Féin, Brüssel, 2015. Amnesty International berichtete über die brutale Verhaftung von Aktivisten, deren einziges Verbrechen darin besteht, dass sie Kritik an der Politik der palästinensischen Regierung geübt und gegen diese Politik protestiert haben. Sie wurden verhaftet und wegen „illegaler Versammlung“ angeklagt. Der deutsche Zweig von Amnesty International veröffentlichte eine kurze Zusammenfassung des Berichts, und Amnesty International startete eine Kampagne, mit der Aufforderung, Briefe an Premierminister Mohammed Shtayyeh zu schicken. Hier ist eine Übersetzung des Musterbriefs: „Eure Exzellenz, Am 19. Juli wurden 19 Anti-Korruptions-Aktivisten von palästinensischen Sicherheitskräften verhaftet, weil sie in der Stadt Ramallah im Westjordanland friedlich protestierten. Sechzehn dieser Aktivisten werden der „illegalen Versammlung“ und „Verletzung der Notstandsregeln“ beschuldigt. Zehn von ihnen befinden sich weiterhin in Haft, darunter Fayez Swaity, Jihad Abdou, Ali Abu Diab, Musa al-Qasiya, Amer Hamdan, Usama Khalil, Mohammad Azzam, Firas Brewish und Jamil Abu Kbash. Am 22. Juli verlängerte das Magistratsgericht von Ramallah ihre Haft um weitere 15 Tage. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Aktivisten willkürlich festgenommen wurden. Nach Angaben des Anwalts befinden sich 10 der Aktivisten im Hungerstreik. Dschihad Abdou und Jamil Abu Kbash wurden aufgrund der Verschlechterung ihres Gesundheitszustands infolge des Hungerstreiks in den medizinischen Komplex von Ramallah verlegt. Ihr Anwalt besuchte sie am 23. Juli und sagte, dass Dschihad Abdou von bewaffneter Polizei bewacht wird, die ihn trotz seines sich verschlechternden Gesundheitszustands manchmal an sein Krankenhausbett fesselt. Der Anwalt wurde daran gehindert, Jamil Abu Kbash zu sehen. Die Aktivisten werden derzeit in einer Haftanstalt in der Polizeidirektion von Ramallah festgehalten. Amnesty International bekräftigt erneut seine Besorgnis darüber, dass der zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhängte Ausnahmezustand nicht als Vorwand benutzt werden darf, um friedliche öffentliche Kritik an der Regierung zu unterdrücken oder die Menschenrechte willkürlich einzuschränken. Alle Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie müssen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung respektieren. Palästinenser, deren Rechte durch die israelische Besetzung routinemäßig verletzt werden, sollten nicht auch noch Menschenrechtsverletzungen durch ihre eigene Regierung erleben. Ich fordere Sie dringend auf, unverzüglich dafür zu sorgen, dass alle Anklagepunkte gegen diese Aktivisten fallen gelassen und sie unverzüglich freigelassen werden, da sie ausschließlich wegen ihrer friedlichen Aktivitäten inhaftiert wurden; sicherzustellen, dass kein Häftling dafür bestraft wird, dass er sich im Hungerstreik befindet; und dass die Behörden friedliche öffentliche Kritik an der Regierung zulassen und keine ungerechtfertigten Beschränkungen des Rechts auf friedliche Versammlungen erlassen, auch nicht im Namen der Kontrolle der COVID-19-Pandemie.“ BIP-Fördermitglied „Lieber Mohammad, Ich bin schockiert über diese Verhaftungen. Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür, dass solche Dinge in einer Situation geschehen, in der ganz Palästina versucht, die Herausforderungen der Besatzung und des Corona-Virus zu überwinden. Schließlich ist der Kampf gegen die Besatzung zuallererst ein Kampf für die Freiheit. Die Palästinensische Autonomiebehörde sollte dafür sorgen, dass die in Palästina lebenden Palästinenser zumindest unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde frei sind. Ich fordere Dich dringend auf, dafür zu sorgen, dass diese jungen Menschen unverzüglich freigelassen werden. Mit meinen besten Grüßen und im Vertrauen auf Deine positive Antwort Deine Helga” Palästinensischer medizinischer Komplex in Ramallah, wo die hungerstreikenden Gefangenen inhaftiert sind. Quelle: Ameen Ramal, Wikipedia, 2017. Die von der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas-Regierung in Gaza begangenen Menschenrechtsverletzungen sind schwerwiegend, aber sie rechtfertigen natürlich nicht die israelische Besetzung und weitere Verletzungen der palästinensischen Rechte durch israelische Institutionen. Als Human Rights Watch im Oktober 2018 eine umfassende Studie über die Menschenrechtsverletzungen an Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen durch die beiden palästinensischen Regierungen veröffentlichte (Zusammenfassung auf Deutsch), wurde der Direktor von Human Rights Watch in Israel-Palästina, der US-Bürger Omar Shakir, ein Jahr später von den israelischen Behörden aus dem Gebiet ausgewiesen, weil er angeblich eine Boykott-Kampagne gegen Israel unterstützt. Die Palästinensische Autonomiebehörde sollte sich kein Beispiel an solchen Maßnahmen der israelischen Behörden nehmen, mit denen Kritiker mundtot gemacht werden. Tatsächlich wurden nun aufgrund der anschwellenden Protestwelle gegen diese willkürlichen Verhaftungen aus Anlass des islamischen Opferfests alle 19 inhaftierten Aktivisten wieder freigelassen. Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Prof. Dr. Rolf Verleger, BIP-Vorsitzender |
3 Kommentare
Vielen Dank für die auch halbwegs Eingeweihten – ich habe 2008 am EAPPI teilgenommen – nicht geläufigen, aber nötigen Infos!
Barbara Stoller