BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
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Nirit Sommerfeld: Manchmal sprachlos – niemals mundtot!

Liebe Freundinnen und Freunde,

am kommenden Freitag sollte unsere Geschäftsführerin Nirit Sommerfeld eine kurze Rede zur Einführung eines Benefizkonzertes für Gaza in der Erlöserkirche München Schwabing halten, dessen Erlös medico international zukommen soll. Nun hat eine kleine Gruppe selbsternannter Antisemitismusjäger derartig Druck auf die Kirche gemacht – mit Verleumdungen und Hasstiraden gegen sie, aber auch gegen medico international, Brot für die Welt, Misereor und andere Personen und Institutionen, die gar nicht im Zusammenhang stehen mit der geplanten Veranstaltung – , dass Sommerfeld infolge dessen vom zuständigen Pfarrer ausgeladen wurde. Das Konzert könne stattfinden, wenn er an ihrer Stelle die Einführungsrede hielte; dazu sei er von höherer Stelle angewiesen, denn es gebe in der evangelischen Landeskirche „Vorbehalte gegen ihre Person“, so der Pfarrer wörtlich. Welche Vorbehalte, konnte er nicht sagen. Eine Klärung sei erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich – jetzt solle doch erst einmal das Konzert in Ruhe stattfinden können, das sei doch im Interesse aller.

Bei dem Konzert handelt es sich um eine Veranstaltung des renommierten australischen Pianisten Michael Leslie, bei dem zwischen den Musikstücken von Bach und Beethoven die Charta der Menschenrechte von einem Schauspieler vorgelesen wird. Leslie sagte gestern das Konzert ab – mit einer mutigen Begründung:

“ (…) Nach Weisung des Kirchenvorstandes hat mir Herr Pfarrer Raabe eine Kompromislösung für das Konzert am 30.9. dargelegt – Begrüßung, Musik, Menschenrechtslesung, Applaus, Ende. Kein Beitrag von Nirit Sommerfeld. Die Begründung, dass Frau Sommerfeld keine einführenden Worte spricht, lautet: ein Benefizkonzert ist keine politische Veranstaltung und darf nicht in eine solche ausarten. Für mich ist es nicht akzeptabel, dass in die Gestaltung meines Benefizkonzertes in dieser Weise eingegriffen wird. Ich bin nicht bereit, ein Spielball in irgendwelchen Machenschaften zu werden, faule Kompromisse einzugehen oder gar mir vorschreiben zu lassen, mit wem ich bei meinen Benefizkonzerten zusammenarbeite. Aus diesem Grund sehe ich mich veranlasst, das Benefizkonzert im Gemeindesaal der Erlöserkirche abzusagen. Ich werde es in dieser Konzeption zu anderer Zeit und Ort auf jeden Fall aufführen. (…)“

Wie man einführende Worte zu einem Benefizkonzert für notleidende Menschen in Gaza sprechen soll, ohne politisch zu werden, ist uns nicht ganz klar. Fest steht, dass wir uns nicht mundtot machen lassen. Nirit Sommerfeld schreibt: „Ich werde – wenn auch schweigend – deutlich machen, was es heißt, mir als gebürtiger Israelin, als in Deutschland lebender Jüdin, als der Gerechtigkeit und der Versöhnung verpflichtete Demokratin, als Geschäftsführerin von BIB und nicht zuletzt als Künstlerin im Jahre 2016 in München den Mund zu verbieten. Wer immer in der Nähe ist – Euch alle möchte ich einladen, ab 19 Uhr meiner kleinen Performance beizuwohnen vor der Erlöserkirche München Schwabing, Ungererstraße 17 – schweigend. Ich möchte keinen Tumult, keinen Streit, kein Geschrei.“

Michael Leslie wird ebenfalls ab 19 Uhr da sein, ebenso Pfarrer Raabe. Ab 19.30 Uhr wird es sicherlich Gelegenheit zum Gespräch geben. BIB hat bereits eine Klärung mit dem verantwortlichen Kirchenvorstand und Vertretern der Landeskirche verlangt.

11 Kommentare

    1. Lieber Herr Dr Baron, das möchte ich den oberen auch meiner Kirche so nicht unterstellen. Vielmehr weiß ich auf Grund eigener Recherchen, wie sehr auf Entscheidungsträger_Innen geistlicher oder politischer Institutionen moralischer Druck ausgeübt wird. Persönlich empfinde ich diese Argumentationen als auf dem Rücken der wirklichen Opfer des Holocausts ausgetragene Stimmungsmache.

  1. Ein unglaublicher Vorgang. Ich schäme mich für meine evangelisch-lutherische Kirche. Gerade erst hatten die Münchner Bischöfe beider großen Kirchen gefordert, dass es einer größeren politischen Ausrichtung der Stimme der Kirchen bedarf, um authentisch gehört zu werden. Das wird durch den unerhörten Beschluss des Kirchenvorstandes konterkariert. „Das Gespenst ihrer Entbehrlichkeit“ – so ein Urteil aus den 60iger Jahren über Kirche – geht einmal mehr um.
    Pastor i.R. Volker Bethge M.A., Lübeck

  2. Es ist langsam unfassbar, welche Entscheidungen in München in schon seit längerer Zeit im Zusammenhang mit Veranstaltungen gefällt werden, auf denen auf das wohl unstrittige, Jahrzehnte lange Leid der palästinensischen Bevölkerung durch die israelische Besatzungspolitik aufmerksam gemacht werden soll. Ein tägliches Leid, das in den öffentlichen Medien kaum mehr thematisiert wird. Wer zieht da in unserer doch so freien Gesellschaft die Fäden, übt solchen Druck aus, dass auch Pfarrer in die Knie gehen?

  3. Wunderbare Reaktion, Respekt vor den BiB – Akteuren! So entstehen Vorbilder für alle, die danach suchen und noch nicht recht fündig geworden sind. Schade nur, dass in diesem „Münchener Fall“ bislang keine braubare vorbildliche Haltung seitens der offiziellen Kirche laut geworden ist. Ulrich Daske, Gummersbach

  4. Wenn ich in München wohnte, hätte ich mich an der stillen Demonstration beteiligt!

    Ich frage mich, welche Art christlicher Überzeugung den Pfarrer der Münchener Erlöserkirche bewogen hat, solch einem häßlichen ‚Druck der Straße‘ nachzugeben. Einem Fall, bei dem offensichtlich nicht nur Frau Sommerfeld, sondern auch andere menschenrechtlich aktive Gruppen verbal angegriffen worden sind. Da hätte der eigentlich zuständige Kirchengemeinderat heftig dazwischen gehen müssen.

    Wunderbar, dass der Musiker das Konzert abgesagt hat.

    Dem Gespräch ab 19.30 Uhr hätte ich gern zugehört. Und: Ich finde wichtig, dass BIB eine Klärung mit dem verantwortlichen Kirchenvorstand und den zuständigen Vertretern der Landeskirche verlangt, wenn möglich zusammen mit dem Pressevertreter einer unabhängigen Zeitung.

  5. Schade,schade, aber Mut zur Absage!
    In beiden christlichen Kirchen werden während des Gottesdienstes immer in den Fürbitten auch u.a.für die Menschen in Syrien usw. gebetet, die unter Krieg und Unterdrückung leiden. Da werden meiner Meinung nach die Fürbitten auch für politische Situationen genutzt. Allerdings wurde meines Wissens noch nie für die Menschen im Gaza gebetet, die sind anscheinend nicht „Fürbitten-tauglich.“ Wo bleibt da die kirchliche Ausgewogenheit?

  6. Sehr geehrte Frau Sommerfeld,
    heute bin ich nach über 40 Dienstjahren in der Evangelische Kirche, zuletzt in einer Leitungsfunktion auf mittlerer Ebene, in den Ruhestand getreten. Es kam immer wieder einmal vor – und nun also noch zum Schluss – dass ich sagen muss: Ich schäme mich für meine Kirche. Dietrich Bonhoeffer wird als Ikone herumgezeigt, aber gelernt ist nichts, wenn man statt für die Stummen den Mund aufzutun, mundtot macht, wie Ihnen jetzt geschehen. Ich werde mich an den Kirchenvorstand der Erlösergemeinde wenden und ihm mein deutliches Befremden mitteilen.
    Seien Sie freundlich gegrüßt und ausdrücklich bedankt für Ihr Menschenrechtsengagement!

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