2016 wurde vom israelischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die finanzielle Unterstützung israelischer Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) aus dem Ausland auf 8.000 € jährlich begrenzt. Der Grund hierfür: Viele dieser NGOs sind Friedens- und Menschenrechtsgruppen, die sich mit der Lebensrealität der Menschen unter Besatzung befassen. Dadurch machen sie immer wieder die Notwendigkeit der Beendigung der Besatzung deutlich – und im Ausland stoßen sie zunehmend auf Resonanz. ZEITonline brachte im Mai 2016 dazu dieses Interview mit Israels Ex-Staatsanwältin Talia Sasson.
Ohne die vielen NGOs wäre die humanitäre Situation in Gaza noch katastrophaler als sie ohnehin schon ist, und sie wäre auch in der Westbank katastrophal. Daher möchten wir Ihnen in den nächsten Wochen in loser Folge Frauen und Männer und deren NGOs vorstellen, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, aber auch solche, die um Aufklärung und Bewusstsein über die Besatzungsrealität in der israelischen Gesellschaft bemüht sind.
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Visualizing Palestine erstellt Daten-basierte Werkzeuge, um ein an Fakten und Menschenrechten orientiertes Narrativ der Palästinensisch-Israelischen Sache zu generieren.
Struktur und Ziele von NGOs
Neben internationalen NGOs gibt es rein israelische und rein palästinensische Organisationen, aber auch solche, die bewusst eine Zusammenarbeit beider Seiten suchen oder sogar voraussetzen. Die älteste solche NGO ist das Alternative Information Center (AIC), das 1984 von palästinensischen und israelischen Graswurzelorganisationen gegründet wurde. Mittlerweile weltberühmt ist der Parents Circle mit über 600 Mitgliedern, in dem Familien beider Seiten zusammen kommen, die Angehörige durch den Konflikt verloren haben.
Vorrangiges Ziel palästinensischer Gruppen ist mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für die palästinensische Zivilgesellschaft. Israelische Gruppen zielen auf juristische Unterstützung für Palästinenser sowie auf Austausch und auf Aufklärung von Geschichte und Gegenwart in der israelischen Zivilgesellschaft. Außerdem gibt es international arbeitende NGOs mit Fokus auf Menschenrechte oder direkte Hilfeleistung, die in Israel oder Palästina Niederlassungen haben und mit örtlichen NGOs zusammen arbeiten, wie etwa amnesty international, Ärzte ohne Grenzen oder die deutsche NGO medico international.
Unrecht an Kindern
Diese Bilder gingen um die Welt: Fotostrecke auf SpiegelOnline vom August 2015
Wir möchten Ihnen an dieser Stelle zwei NGOs vorstellen, die sich vor allem um Kinder kümmern, die Opfer von Militärgewalt oder Verhaftung werden. Beide arbeiten sehr ähnlich, leisten wichtige Arbeit und sind bei uns kaum bekannt. Sie folgen der UN-Kinderrechtskonvention, die im Wesentlichen folgende Regeln für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren festgelegt hat:
• Kinder müssen über ihre Rechte, z.B. die Aussage zu verweigern, informiert werden.
• Kindern dürfen weder die Augen verbunden, noch dürfen sie gefesselt werden.
• Kindern darf weder Gewalt angetan, noch dürfen sie bedroht oder ein Geständnis von ihnen erpresst werden.
• Kinder müssen vor dem Verhör Gelegenheit bekommen, einen Anwalt zu konsultieren.
• Kinder müssen während des Verhörs in Begleitung ihrer Eltern oder eines Erziehungsberechtigten sein.
• Alle Untersuchungen müssen auf Video aufgenommen werden.
• Kein Kind aus der besetzten Westbank darf gemäß der Genfer Konvention in ein Gefängnis außerhalb der Westbank gebracht werden.
Defense for Children International – Palestine (DCI) ist die einzige Menschenrechtsorganisation, die sich ausschließlich mit den Rechten von Kindern befasst. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, eine sichere und lebenswerte Zukunft für palästinensische Kinder in den Besetzten Gebieten zu ermöglichen. Die Mitarbeiter untersuchen und dokumentieren seit über zwanzig Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen und stellen in dringenden Fällen auch Rechtsberatung zur Verfügung. Jährlich werden etwa 120 bis 150 Kinder und Jugenliche unter 18 Jahren durch drei Rechtsanwälte von DCI vertreten.
Über die Bedingungen von Kindern in israelischer Haft und über Prozesse vor dem Militärgericht berichtet Ayed Abu Eqtaish, Accountability Programme Director von DCI-Palestine: „Bei den Befragungen der Kinder sind zunächst weder die Eltern noch ein Anwalt anwesend. Um ein Kind in Haft besuchen zu können, dauert es etwa drei Monate, ehe der Antragsteller ein permit, eine Genehmigung erhält. Die Israelis finden immer Gründe zur Verzögerung. Etwas besser stellt sich die Situation in Ostjerusalem dar: Hier werden oft Hausarrest und Geldstrafen verhängt.“
Im Jahr 2014 wurden 21 Kinder in Einzelhaft genommen. Die längste Dauer betrug 28 Tage. Keine Beschwerde gegen die illegale Behandlung führte jedoch bislang zu einem Gerichtsverfahren.
Military Court Watch (MCW) beobachtet und dokumentiert die Verhaftung von Kindern vom ersten Moment an bis zu ihrer Freilassung, um belegen zu können, in welcher Weise den betroffenen Kindern ihre Rechte verweigert werden. Dazu gehören Zeugenaussagen der Kinder und ihrer Familien ebenso wie die Beobachtung der Entwicklungen innerhalb der Militärjustiz.
Der englisch-australische Rechtsanwalt Gerard Horton lebt und und arbeitet seit Jahren in Ramallah für MCW. Die Grundlage ihrer Arbeit beschreibt er so: „Kinder in israelischer Militärhaft haben alle Rechte und Schutzmaßnahmen, die nach internationalem Recht gelten. Keinem Staat ist es erlaubt, Kinder, die unter seiner Besatzung leben, zu diskriminieren, vor allem nicht durch die Anwendung eines anderen Rechtssystems.“
Aktuell: Preis auf der Berlinale 2017
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