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Geheimdienstliche Mittel und Spionage zur Bekämpfung von Menschenrechtsorganisationen
Zusammenfassung: Unter Führung von Minister Gilad Erdan versucht das Ministerium für strategische Angelegenheiten mit verdeckten Operationen und Spionage, die BDS-Bewegung zu bekämpfen. Es finanziert NGOs, Zeitungen, Propagandafirmen und Anwaltskanzleien, um Menschenrechtsaktivisten und Palästina-Solidaritätsaktivisten anzugreifen. Das Ministerium war erfolgreich bei der verstärkten Unterdrückung der Palästina-Solidarität und Meinungsfreiheit in demokratischen Ländern, hat nach fünf Jahren aber nicht sein Ziel erreicht, das Wachstum der BDS-Bewegung selbst zu bremsen.

Da es in Israel immer noch keine Koalition gibt und Netanjahu nach kreativen Wegen sucht, um an der Macht zu bleiben, ist die Wahrscheinlichkeit einer Kabinettsumbildung groß. Die rechtsextreme rassistische Kulturministerin Miri Regev ist die aussichtsreichste Kandidatin für die Übernahme des Ministeriums für strategische Angelegenheiten. Der derzeitige Minister Gilad Erdan erklärt in Interviews  (auf Hebräisch), warum er seinen Posten behalten möchte, und betont, er habe „jahrelange Erfahrung“ in der Leitung des Ministeriums. Es ist daher ein guter Zeitpunkt, Erdans Erfahrungen bei der Leitung des Ministeriums zu untersuchen, die sich direkt auf Menschenrechtsaktivisten in der ganzen Welt ausgewirkt haben.

Das Ministerium wurde 2006 gegründet und 2015 umstrukturiert, als Erdan Minister wurde und sich auf eine einzige Aufgabe konzentrierte: die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) zu stoppen. So erhielt er in Israel den Spitznamen „BDS-Minister“. Generaldirektorin des Ministeriums wurde die ehemalige Militärzensorin und Nachrichtenoffizierin Brigadegeneralin Sima Vaknin-Gil. Das Ministerium arbeitet in völliger Geheimhaltung, selbst sein Haushalt ist ein streng gehütetes Geheimnis. Dennoch haben in den fünf Jahren seiner Tätigkeit mehrere Berichte einige seiner Methoden offenbart.

Erdan sagte häufig, der Kampf gegen BDS müsse mit geheimdienstlichen Mitteln geführt werden. Er rekrutierte Geheimdienstoffiziere von Mossad und Militär, um Palästina-Solidaritätsaktivisten und ihr Umfeld zu überwachen und aufzuspüren. Anstatt sich auf israelische Spione zu verlassen, schuf das Ministerium ein Netzwerk pro-israelischer Organisationen in westlichen Ländern, insbesondere in den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland. Wie die Al-Jazeera-Dokumentationen „The Lobby“ und „The Lobby – USA“ zeigten, ist die Rekrutierung von Agenten und die Bespitzelung ausländischer Bürger ein illegaler Spionageakt, aber keines der vier betroffenen Länder hat die Agenten des israelischen Ministeriums verhaftet oder rechtliche Schritte gegen diese Spionage eingeleitet.


Foto: Minister Gilad Erdan, Quelle: Wikipedia

Wenn die in den israelischen Medien veröffentlichten Angaben des Ministeriums zutreffen, ist es fast sicher, dass die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) teilweise vom Ministerium für Strategische Angelegenheiten finanziert wird, um Vorträge und öffentliche Veranstaltungen zu verhindern und Palästina-Solidaritätsaktivisten in Deutschland anzuschwärzen und zu delegitimieren.

Berichten zufolge ist das Personal des Ministeriums recht klein, und der größte Teil des Budgets wird an externe Unternehmen für juristische und Propaganda-Dienstleistungen vergeben. Das Ministerium richtete eine spezielle Firma zur Durchführung von Operationen gegen BDS-Aktivisten mit dem Namen „Kela Shlomo“ ein (Salomons Schleuder, obwohl in der Bibel nicht Salomon, sondern David eine Schleuder hatte). Das Magazin „Seventh Eye“ (eine israelische Zeitschrift, die sich der Untersuchung der israelischen Medien widmet) enthüllte, dass das Ministerium die rechte Zeitung „Jerusalem Post“ für Artikel bezahlte, die BDS mit Antisemitismus gleichsetzen. Dies könnte erklären, warum ein sich selbst wiederholender und unprofessioneller Journalist wie Benjamin Weinthal trotz der geringen Qualität seiner Arbeit immer noch bei der Jerusalem Post arbeitet. (S. dazu unser BIP aktuell # 111)

Das Ministerium beauftragte Anwaltskanzleien, um pro-palästinensische Wohltätigkeitsorganisationen und Menschenrechts-NGOs zu schikanieren.


Foto: Generaldirektorin des Ministeriums ist die ehemalige Militärzensorin und Nachrichtenoffizierin Brigadegeneralin Sima Vaknin-Gil. Quelle: Wikipedia

In ähnlicher Weise brüstete sich Erdan mit seiner Rolle bei der Beeinflussung von Parlamenten auf der ganzen Welt für das Ziel, gegen BDS vorzugehen. Insbesondere die Bundestagsresolution vom 17. 5. 2019, die in der Behauptung gipfelte, dass BDS mit dem Nazi-Slogan „Kauft nicht bei Juden“ gleichzusetzen sei, war vermutlich auf Initiative des Ministeriums zustande gekommen. Erdan dankte besonders den „Freunden im Bundestag“, die an der Verabschiedung der Resolution mitgewirkt hätten, und erklärte, sein Ministerium habe ihnen Berichte geschickt, die die BDS-Bewegung mit Terrororganisationen in Verbindung bringen. Dazu passt, dass ein halbes Jahr vor der Entscheidung des Bundestages der deutsche Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus Dr. Felix Klein mit einem Vertreter des Ministeriums für strategische Angelegenheiten auf dem „5. Deutschen Israelkongress“ in Frankfurt zusammensaß und Strategien zur Bekämpfung der BDS-Bewegung diskutierte.

Als „Der Spiegel“ kurz darauf ein Lobbynetzwerk enthüllte, das deutschen Politikern im Gegenzug für die Unterstützung der israelischen Politik und insbesondere der Anti-BDS-Resolution Spenden vermittelte, wurde das Nachrichtmagazin von pro-israelischen Gruppen des Antisemitismus beschuldigt.

Erdan sagte 2016, „es wird sich nicht lohnen, BDS zu unterstützen“. Dass dies eine Drohung sein würde, war klar. Im Jahr 2017 verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das BDS-Anhängern die Einreise nach Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete verbietet. Im Jahr 2018 wurde einer jungen palästinensischstämmigen Studentin aus den USA, Lara Alqasem, auf der Grundlage dieses Gesetzes die Einreise zum Studium der Menschenrechte an der Hebräischen Universität verweigert. Das Ministerium behauptete, dass es in den Social Media Alqasems Aktivitäten gefolgt war und ihre Unterstützung für BDS entdeckt hatte. Alqasem legte Berufung ein, und nach Wochen in israelischem Arrest gewann sie mit ihrer Berufung an das Oberste Gericht und konnte ihr Studium beginnen, – was viele Zweifel an der Wirksamkeit der Überwachungstechniken des Ministeriums aufkommen ließ.

Die israelische Zeitung „TheMarker“ enthüllte, dass fast ein Fünftel des Budgets des Ministeriums der Förderung von Anti-BDS-Propaganda innerhalb Israels in hebräischer Sprache gewidmet ist. Der rassistische Komiker Avri Gilad, der sagte, es sei gerechtfertigt, 1.000 palästinensische Zivilisten zu töten, wenn dadurch das Leben eines israelischen Soldaten geschützt werde, wurde vom Ministerium beauftragt, in Anzeigen in hebräischer Sprache Israelis davon zu überzeugen, BDS nicht zu unterstützen. Die israelische Tageszeitung „Yedioth Ahronot“ (und ihre Online-Version „Ynet“) veröffentlichte eine Reihe von Feature-Artikeln, in denen Werbung für das Ministerium und Erdan selbst betrieben wurden.

Israelische Politiker wissen, dass die einzige Möglichkeit, die BDS-Bewegung zu stoppen, darin besteht, die täglichen Gräueltaten an den Palästinensern unter israelischer Besatzung zu beenden und alle jüdischen und palästinensischen Bürger gleich zu behandeln. Die Rolle des Ministeriums besteht darin, die israelische Öffentlichkeit zu belügen: ihr zu sagen, dass mehr „hasbara“ (Propaganda) und verdeckt-illegale Operationen gegen palästinensische Solidaritätsaktivisten die andauernde Besatzung garantieren.

Im Jahr 2017 wurde ein geheimer Bericht der Anti-Defamation League (ADL) geleakt, der zeigte, dass in den USA das pro-israelische Propagandabudget in nur sechs Jahren um das 20-fache erhöht wurde, aber die BDS-Bewegung weiter wuchs. Im Jahr 2019 musste sich die große US-amerikanische pro-israelische Organisation „The Israel Project“ (TIS) auflösen, weil viele ihrer Spender von den Methoden des Ministeriums für strategische Angelegenheiten angewidert waren.

Der weltbekannte Journalist Glenn Greenwald schrieb bereits 2016, dass der Versuch, Opposition gegen Israels Besatzung zum Schweigen zu bringen, die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit im Westen darstellt. Dem Ministerium für Strategische Angelegenheiten gelang es, den Raum für öffentliches Engagement in Deutschland und anderswo einzuschränken.

Aber trotzdem glauben wir, dass Versammlungs- und Meinungsfreiheit stärker sind als Propaganda; daher werden uns die Drohungen des Ministeriums für strategische Angelegenheiten nicht davon abhalten, uns für Gerechtigkeit in Israel/Palästina einzusetzen.

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Ankündigung: Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass unsere für September 2020 geplante Konferenz angesichts der Covid-19-Krise auf nächstes Jahr verschoben wird.