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Facebook stellt Emi Palmor, eine israelische Beamtin, ein, um Beiträge zu zensieren, die Israel kritisieren

Zusammenfassung: Die israelische Regierung und insbesondere das Ministerium für strategische Angelegenheiten haben einen großen Schritt in Richtung Unterdrückung kritischer Stimmen auf Facebook getan. Nachdem Facebook unter Druck gesetzt wurde, die umstrittene IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus zu übernehmen und umzusetzen, hat Facebook eine hochrangige israelische Regierungsbeamtin und ehemalige Geheimdienstoffizierin eingestellt, die als Zensorin in seinem Aufsichtsgremium fungieren soll.
 
Facebook ist ein privates, gewinnorientiertes Unternehmen, aber es übt eine enorme politische Macht aus. Das Unternehmen sammelt Informationen über seine Benutzer und hat die Möglichkeit zu kontrollieren, welche Nachrichten welches Publikum erreichen. Politiker aus der ganzen Welt, insbesondere aus dem rechten Flügel, haben entdeckt, dass man mit Facebook die öffentliche Meinung beeinflussen kann, so wie es beispielsweise während der Kampagne zum Brexit-Referendum in Großbritannien und dem Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen  2016 in den USA der Fall war.
 

Dareen Tatour ist eine palästinensische Dichterin, die 2018 von Israel wegen „Aufhetzung“ durch ihre auf Facebook veröffentlichten Gedichte für fünf Monate inhaftiert wurde. Bildquelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Dareen_Tatour, Aufnahme durch Danielle Alma Ravitzki, 2018.
 
So ist es nicht überraschend, dass auch die israelische Regierung versucht, Facebook für ihre politischen Ziele einzuspannen. Der ehemalige israelische Minister für strategische Angelegenheiten Gilad Erdan (siehe BIP-Aktuell #114) hatte Facebook im Jahr 2016 beschuldigt, „Blut an den Händen“ zu haben, weil es keine privaten Informationen über Palästinenser sammele, um der israelischen Polizei Bericht zu erstatten. Kurz darauf, im Jahr 2017, verhaftete die israelische Polizei in Ostjerusalem einen Mann aufgrund von Informationen, die sie von Facebook erhalten hatte. Der Mann schrieb auf Arabisch „Guten Morgen“ auf Facebook, aber der Facebook-Algorithmus übersetzte die Nachricht fälschlicherweise mit „Greif sie an!“, und die israelische Polizei hielt den Mann wegen Anstiftung zu einem Anschlag fest, bis ein arabischsprachiger Polizeibeamter in der Lage war, den ursprünglichen Beitrag zu lesen.
 
2018 gründete sich eine neue Gruppe namens „Sada Social“, um gegen die Diskriminierung von Palästinensern auf Facebook und anderen Plattformen vorzugehen und gegen die Zensur von Postings zu protestieren, die den Staat Israel kritisieren. Im Dezember 2019 enthüllte der Guardian, dass ungeachtet der Bemühungen von Sada Social eine israelische Quelle über 21 Facebook-Konten auf der ganzen Welt rassistische Hassreden gegen Muslime verbreitete, insbesondere gegen die muslimischen US-Kongressabgeordneten Ilhan Omar und Rashida Tlaib, die die israelische Besatzungspolitik kritisieren.
 
In der neuen Koalitionsregierung in Israel hat Orit Farkasch-Hacohen die Nachfolge Erdans als Ministerin für strategische Angelegenheiten angetreten. Farkasch-Hacohen, eine Politikerin der Blau-Weiß Partei, ist in Israel nicht sehr bekannt. Sie erklärte, dass ihr Schwerpunkt im Ministerium die Förderung der israelischen Interessen in den sozialen Medien sein werde, insbesondere auf Facebook und Twitter. Indem sie absichtlich die Grenze zwischen Kritik am Staat Israel und Antisemitismus verwischt, will Farkasch-Hacohen die bestehenden Mechanismen in Facebook gegen Hassreden so verändern, dass Kritik an Israel zum Schweigen gebracht werden kann.
 
Konkret sagte Farkasch-Hacohen, dass die israelische Regierung Facebook unter Druck setzen werde, die IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus zu übernehmen und sie auf Beiträge auf der ganzen Welt anzuwenden. Diese Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) ist sehr vage und kann daher nicht sinnvoll verwendet werden, um tatsächliche Antisemiten aufzuspüren (s. z. B. Bauer 2019Ullrich 2019Zechlin, 2020). Sie erhält ihren eigentlichen Sinn durch die hinzugefügten Beispiele, insbesondere dass sich „Erscheinungsformen von Antisemitismus … auch gegen den Staat Israel, der [nicht etwa „insofern er“, sondern allgemein „der“ – also immer] dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten“ können. Farkasch-Hacohen will deshalb erreichen, dass das globale Medienunternehmen Facebook jeden Angriff auf Israel als Angriff auf Juden behandelt.
 

Emi Palmor, neu ernannte Facebook-Zensorin. Quelle: Emi Palmor: Wikipedia, 2015.
 
Die Antwort von Facebook auf den Druck von Farkasch-Hacohen ist die Einstellung einer israelischen Beamtin als Mitglied des Aufsichtsgremiums, das die Facebook-Posts zensieren wird. Laut einem Artikel von Philip Giraldi in der American Herald Tribune ist dies Emi Palmor, eine höhere Beamtin im israelischen Justizministerium. Sie diente in der berüchtigten israelischen Geheimdiensteinheit „8200“ (die sich auf Cyber-Überwachung spezialisiert hat, auch über Facebook). Im Justizministerium formulierte Palmor die Politik der bedingten Amnestie für palästinensische Gefangene, nach der die Amnestie rückwirkend aufgehoben werden kann, wenn Freigelassene bei Handlungen erwischt werden, die die israelische Regierung als „Terrorismus“ definiert (mit anderen Worten: bei allen Widerstandsaktionen gegen die israelische Besatzung) – ein weiteres Beispiel für Apartheid in Israel, da diese Regelung nur für palästinensische, nicht aber für israelische Gefangene gilt. Mit dieser Politik sollte es den israelischen Streitkräften erleichtert werden, palästinensische Gefangene, die im Rahmen eines Gefangenenaustauschabkommens freigelassen wurden, wieder in Haft zu nehmen. Palmor stieg im Februar 2014 in den Rang einer Generaldirektorin des israelischen Justizministeriums auf.
Nun ist sie also Israels oberste Zensorin bei Facebook.

 
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Prof. Dr. Rolf Verleger, BIP-Vorsitzender 

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Das Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. (BIP) lädt ein zu einer Video-Konferenz am Donnerstag, 8. Oktober 2020, 19 Uhr MEZ, zum Thema:
 
„Die Annexion palästinensischen Landes geht weiter.
Wie reagieren die Palästinenser?“
 
Referentin: Dr. Bettina Marx, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah
 
Auch ohne dass der offizielle Annexionsplan umgesetzt wird, schaffen Siedler und israelische Armee facts on the ground. Wie reagieren palästinensische Autonomiebehörde (PA) und Zivilgesellschaft? Zeigt sich eine Spaltung zwischen der PA und dem Widerstand an der Basis in den Dörfern?
Diesen Aspekten und Fragen wird Dr. Bettina Marx nachgehen. Sie leitet das HBS-Büro in Ramallah seit September 2015 und verfügt über langjährige Erfahrungen im Nahen Osten als Journalistin für die ARD und die Deutsche Welle. Sie ist ausgewiesene Expertin insbesondere für Fragen der innerpalästinensischen Politik und der Lage der Menschen vor Ort. Ihr Grund legendes Buch „Gaza. Berichte aus einem Land ohne Hoffnung“ aus dem Jahr 2009 unterstreicht ebenso wie zahlreiche Artikel in diversen Medien ihre große Kenntnis unterschiedlicher Aspekte der Situation im Nahen Osten. Für ihre Arbeit wurde sie 2015 durch die „Deutsche Initiative für den Nahen Osten“ mit einem Medienpreis ausgezeichnet.

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