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Die israelische Polizei ermordete einen Mann, da sie ihn des Terrorismus beschuldigte. Netanjahu behauptet, er und nicht der Ermordete sei Opfer des Geschehens.

Zusammenfassung: Die israelische Polizei ermordete Yaqoub Abu al-Qiyan im Jahr 2017 und versuchte, das Verbrechen zu vertuschen, indem sie al-Qiyan des Terrorismus beschuldigte. In der vergangenen Woche gab Netanjahu zu, dass die israelische Polizei gelogen hat, und der ehemalige israelische Staatsanwalt Shai Nitzan bestätigte diese Anschuldigung. Die Familie al-Qiyan fordert Gerechtigkeit für den Mord und für die Verleumdung.
 
Yaqoub Abu al-Qiyan war Lehrer, verheiratet und hatte dreizehn Kinder. Er hatte das Pech, als Beduine und Araber geboren zu werden und in der Stadt Umm El-Hiran zu leben. Dies hat dazu geführt, dass er 2017 von der israelischen Polizei getötet wurde. Danach wurde er fälschlicherweise als Terrorist beschuldigt.
 
Um El-Hiran ist eine Beduinenstadt in der Wüste Negev im Süden Israels, deren Abriss die israelische Regierung beschlossen hat, um eine ausschließlich jüdische Siedlung für national-orthodoxe Juden zu errichten, die „Hiran“ genannt werden soll. Im Januar 2017 kamen AktivistInnen aus dem ganzen Land, um sich den Bulldozern in den Weg zu stellen und gegen den Abriss der Stadt zu demonstrieren. Yaqoub Abu al-Qiyan schloss sich der Demonstration jedoch nicht an. Er befürchtete, dass sein Haus abgerissen werden könnte, und holte schnell die Habseligkeiten der Familie aus dem Haus und legte sie in sein Auto. Unter den Habseligkeiten befanden sich seine gesamten Ersparnisse von etwa 142.000 Euro in einer Stofftasche (in Um El-Hiran gab es keine Bankfilialen!). Das Geld wurde bis jetzt nicht an die Familie zurückgegeben.
 

Yaqoub Abu al-Qiyan. Quelle: ha-makom.
 
Als die Demonstration um ihn herum im Gange war, fuhr er langsam weg und versuchte, das Gebiet zu verlassen. Polizeibeamte eröffneten trotzdem das Feuer auf sein Auto. Dem gerichtsmedizinischen Bericht zufolge verlor er durch eine Kugel, die sein Bein traf, die Kontrolle über das Auto und ließ das Auto beschleunigen, so dass ein Polizeibeamter erfasst und getötet wurde: Erez Amadi Levy. Als Abu al-Qiyan im Auto langsam verblutete, verweigerte ihm die Polizei bis zu seinem Tod nach drei Stunden ärztliche Hilfe. Durch seinen Tod wurde seine Frau Dr. Amal Abusaad zum zweiten Mal Witwe [Quelle auf Hebräisch]. Der Polizeibeamte Erez Amadi Levy wurde innerhalb weniger Stunden beerdigt, was ungewöhnlich war, da es einen Teil der Familie daran hinderte, an der Beerdigung teilzunehmen.
 
Polizeiminister Gilad Erdan behauptete, dass Yakoub al-Qiyan ein gefährlicher Terrorist war, und brachte ihn in Zusammenhang mit dem IS (Islamischer Staat). Bei einer Durchsuchung seines Hauses nach seiner Ermordung fand die Polizei Zeitungsausschnitte, in denen der IS erwähnt wurde. Diese Zeitungsausschnitte stammten aus der rechten Zeitung „Israel Today“ [Ysrael Hayom] und wurden von al-Qiyan bei seiner Tätigkeit als Lehrer verwendet.
 
Letzte Woche, am 8. September, entschuldigte sich der israelische Premierminister Netanjahu bei der Familie al-Qiyan für Yakoub al-Qiyans Tötung und für die falschen Anschuldigungen. Er sagte: „Sie sagten, er sei ein Terrorist, aber er war kein Terrorist“ und fügte hinzu, dass „leitende Mitglieder des Anwaltsbüros und der Polizei al-Qiyan als Terroristen bezeichnet haben, um mich zu verletzen“. Netanjahu behauptet, dass die Vertuschung des Mordes an al-Qiyan und die posthume Beschuldigung, er sei ein Terrorist gewesen, Teil eines Komplotts ist, das ihn, Netanjahu, selber schlecht aussehen lassen soll. Netanjahu zufolge ist er und nicht al-Qiyan das Opfer. Alon Idan von Haaretz schrieb (auf Hebräisch), Netanyahus Entschuldigung sei eine  Instrumentalisierung der Entschuldigung selbst, indem er den Mord an einem unschuldigen Bürger manipuliert, um die Integrität der Polizei und der Staatsanwaltschaft, die Netanyahu der Korruption beschuldigen, in Frage zu stellen. Die Rolle des Polizeiministers Gilad Erdan, den Netanjahu selbst ernannt hat und der gegenwärtig der israelische Gesandte bei der UNO ist, ist bis jetzt nicht untersucht worden.
 

Israelischer Botschafter bei der UNO und ehemaliger Polizeiminister Gilad Erdan, Quelle: Wikipedia, 2014
 
Als Antwort auf Netanjahus Entschuldigung und die Anschuldigungen gegen die Staatsanwaltschaft veröffentlichte der ehemalige Staatsanwalt Shai Nitzan einen Brief, in dem er schrieb, dass die Staatsanwaltschaft bereits 2017 einen Bericht veröffentlicht habe, der auf Beweisen basierte, die der vom Polizeiminister diktierten Version der Ereignisse widersprachen. Nitzan räumte ein, dass den israelischen Behörden ebenso wie den Aktivisten vor Ort von Anfang an klar war, dass al-Qiyan ein unschuldiger Zivilist war, der zu Unrecht von der Polizei getötet wurde. Trotzdem wurden die Schützen für die Tötung Yakoub al-Qiyans, eines israelischen Staatsbürgers, nicht zur Rechenschaft gezogen.
 
In den letzten Wochen wurde in Israel die Fernsehsendung Manayek“ sehr populär.  „Manayek“ ist ein Slangwort, das aus dem Arabischen stammt und „Spitzel“ oder „Informant“ bedeutet. In Israel wird das Wort als abwertender Begriff für die Polizeieinheit „Makhash“ (die Abteilung für die Untersuchung von Vergehen der Polizei) verwendet. Die Fernsehsendung zeichnet das Bild eines korrupten Systems, in dem Polizeibeamte Ausreden erfinden, um nicht gegen ihre Kollegen zu ermitteln und von der Polizei begangene Verbrechen zu vertuschen.
 
Netanjahus Entschuldigung bei der al-Qiyan-Familie stieß bei palästinensischen Solidaritätsaktivisten, bei Organisationen, die sich für Menschenrechte und Gleichberechtigung einsetzen, auf große Empörung. Und doch hat diese Geschichte auch eine positive Seite. Netanyahus Entschuldigung und Shai Nitzans Brief haben bewiesen, dass die Realität in der Fernsehsendung „Manayek“ nicht ganz so fiktional ist wie die meisten Israelis gerne glauben würden. Die israelische Polizei lügt systematisch nach der Tötung von Palästinensern. Electronic Intifada reagierte darauf, indem sie den Fall al-Qiyan mit der Tötung von Ahmad Erakat am 25. Juni dieses Jahres durch die israelische Grenzpolizei in Verbindung brachte. Im Fall von Ahmad Erakat, der die Hochzeit seiner Schwester vorbereiten  wollte, beschuldigte die Polizei Erakat, ein Terrorist zu sein, der versucht habe, israelische Soldaten mit seinem Auto zu rammen. Die Aufnahmen der Sicherheitskameras zeigen, dass Erakat mit 5 km/h durch den Kontrollpunkt fuhr. Familienmitglieder im Auto sagten aus, dass es sich um einen Autounfall handelte und dass die Soldaten sofort und ohne Vorwarnung das Feuer eröffneten. Wieder einmal widersprachen Zeugenaussagen der Version der Polizei, und genau wie im Fall von al-Qiyan macht die Tendenz der israelischen Polizei zu lügen, um ihre Verbrechen zu vertuschen, ihre Version unglaubwürdig.
 
Yaqoub Abu al-Qiyans Witwe Frau Dr. Amal Abusaad sagte: „Jeder kannte von Anfang an die Beweise, dass er unschuldig war. Sie schlossen den Fall ab, weil er ein Beduine war.“ Zu Netanyahus Entschuldigung meinte sie: „Besser spät als nie“. Sie sagte, ihr verstorbener Ehemann sei „ein Pädagoge gewesen, der Israel in Übersee vertrat und niemanden hasste“. Aber sie fragte: „Warum konnte die Polizei damals nicht die Wahrheit sagen?“
 
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P.  Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand 

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Das Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. (BIP) lädt ein zu einer Video-Konferenz am Donnerstag, 8. Oktober 2020, 19 Uhr MEZ, zum Thema:
 
„Die Annexion palästinensischen Landes geht weiter.
Wie reagieren die Palästinenser?“
 
Referentin: Dr. Bettina Marx, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah
 
Auch ohne dass der offizielle Annexionsplan umgesetzt wird, schaffen Siedler und israelische Armee facts on the ground. Wie reagieren palästinensische Autonomiebehörde (PA) und Zivilgesellschaft? Zeigt sich eine Spaltung zwischen der PA und dem Widerstand an der Basis in den Dörfern?
Diesen Aspekten und Fragen wird Dr. Bettina Marx nachgehen. Sie leitet das HBS-Büro in Ramallah seit September 2015 und verfügt über langjährige Erfahrungen im Nahen Osten als Journalistin für die ARD und die Deutsche Welle. Sie ist ausgewiesene Expertin insbesondere für Fragen der innerpalästinensischen Politik und der Lage der Menschen vor Ort. Ihr Grund legendes Buch „Gaza. Berichte aus einem Land ohne Hoffnung“ aus dem Jahr 2009 unterstreicht ebenso wie zahlreiche Artikel in diversen Medien ihre große Kenntnis unterschiedlicher Aspekte der Situation im Nahen Osten. Für ihre Arbeit wurde sie 2015 durch die „Deutsche Initiative für den Nahen Osten“ mit einem Medienpreis ausgezeichnet.

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