Der noch nicht ausgestrahlte Film „Auserwählt und ausgegrenzt“ der Filmemacher Joachim Schroeder und Sophie Hafner ist in aller Munde – und erzeugt genau das, was seine Macher beabsichtigten: Einen Aufschrei über Antisemitismus, als sei es in Deutschland wieder so weit und man dürfe noch nicht einmal darüber sprechen, wie schlimm es bestellt sei um die Meinungsfreiheit, gerade bei diesem Thema.
Dass dem nicht so ist, beweist die ARD, indem sie den Film am kommenden Mittwoch, den 21. Juni 2017, trotz „handwerklicher Bedenken“ ausstrahlt und anschließend bei „Maischberger“ darüber diskutieren lässt.
Zusammenhang von Antisemitismus und Israelkritik?
Antisemitismus ist eine Form von Rassismus. Er ist Feindschaft gegen Juden als Juden: man unterstellt jüdischen (oder als jüdisch wahrgenommenen) Personen, Gruppen oder Institutionen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften. So steht es im Antisemitismusbericht 2017 an den Deutschen Bundestag auf S.24.
Liegt der Kritik an Israels Siedlungspolitik und seinen Verstößen gegen Menschenrechte Antisemitismus zugrunde? Die bisher umfassendste Untersuchung zum Verhältnis dieser beiden Einstellungsmuster an einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung wurde von Wilhelm Kempf durchgeführt und als Buch veröffentlicht (Wilhelm Kempf: Israelkritik zwischen Antisemitismus und Menschenrechtsidee. Eine Spurensuche. Berlin, Regener, 2015). Die Studie zeigt, dass
- die Mehrheit der Deutschen die Palästinenser unterstützt
- sie dies zum größten Teil nicht aus judenfeindlichen Ressentiments, sondern aus menschenrechtlichen Erwägungen und aus besserer Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse tut
- ein kleinerer Teil in der Tat antisemitische Vorurteile mit der Kritik an Israel verknüpft; diese Menschen haben aber nicht nur Vorurteile gegen Juden, sondern auch gegen Muslime
- antisemitische (und antimuslimische) Vorurteile bei den Unterstützern Israels sogar stärker ausgeprägt sind als bei den menschenrechtsgeleiteten Unterstützern Palästinas
Durch Gleichsetzung von Israelkritik mit Antisemitismus wird also die wirkliche Gefahr des Antisemitismus verharmlost.
Lesen Sie hierzu ein Interview auf den Nachdenkseiten mit Prof. Rolf Verleger, der an der Kempf-Studie mitwirkte.
Der Film verzerrt den Nahostkonflikt
Wir haben uns die Mühe gemacht und haben diesen Film angeschaut. Unserer Meinung nach ist er nicht nur handwerklich mangelhaft, sondern vor allem inhaltlich. Seine Logik ist: ‚Es gibt keinen Grund, Israel zu kritisieren, denn die Palästinenser haben Unrecht, daher ist jede Kritik an Israel unsachlich.‘ Tatsächlich beantwortet er entscheidende Konfliktfragen falsch, etwa diese: Ist Israel eine Demokratie? Wem gehört das Land? Für wen ist Israel ein politisches Vorbild? Einen Begleittext zu diesen Fragen finden Sie HIER.
Wir möchten Sie daher auffordern, sich den Film anzusehen und sich dann in die öffentliche Debatte einzumischen, denn dies könnte eine Chance sein, das Blatt in der Wahrnehmung des Israel-Palästina-Konflikts zum einen und des wirklich gefährlichen Antisemitismus zum anderen zu wenden. Denn der Film vertauscht Ursache und Wirkung, verlagert das (falsch dargestellte) Nahostproblem als Ursache des (neuen) Judenhasses in die Verantwortung der „Araber“ und bedient dabei alle üblichen Stereotypen, um Palästinenser zu diskriminieren. Seine Machart bedient sich genau der post-faktischen Narration, die er bei Antisemiten anprangert.
Die ARD gab bekannt, die Dokumentation am kommenden Mittwoch, 21.6.17 um 22.15 Uhr im Ersten zu zeigen. Im Anschluss an die Ausstrahlung folgt eine Diskussionsrunde mit der Moderatorin Sandra Maischberger. Machen Sie sich also selbst ein Bild und mischen Sie sich ein ins Gespräch!
Hier einige Links, die Sie anschreiben können:
maischberger@wdr.de
redaktion@arte.tv
redaktion@wdr.de
Zu den Sendern finden sich auch online Diskussionsforen sowie Facebook- und Twitterseiten. Sprechen Sie auch Ihre persönlichen Kontakte oder Redaktionen Ihrer Lokalpresse an. Denken Sie daran, denjenigen zu danken, die diese Debatte konstruktiv unterstützen, indem sie auch Sie zu Wort kommen lassen!
Vortrag von Prof. Dr. Rolf Verleger zum Thema
Am 3. und 4. Juli 2017 wird unser Vorsitzender Prof. Dr. Rolf Verleger in München und Gräfelfing jeweils einen Vortrag zum Zusammenhang von Antisemitismus und Israelkritik in der deutschen Bevölkerung halten. Wir freuen uns sehr, wenn Sie kommen oder andere dort hinschicken und hinterher mit uns diskutieren.
Hier alle Details zu den Veranstaltungen:
Ist Israelkritik antisemitisch?
Montag, 3. Juli 2017, 19 Uhr
LOST WEEKEND
Coffeeshop & Bookstore
Schellingstrasse 3
80799 München
Eintritt: 5 € / erm. 3 €
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Was Dir verhasst, tu Deinem Nächsten nicht an
Zum Zusammenhang von Antisemitismus und Israelkritik
in der deutschen Bevölkerung
Dienstag, 4. Juli 2017, 19 Uhr
großer Pfarrsaal der kath. Kirche St. Stefan (I. Stock)
Rottenbucher Str. 20
82166 Gräfelfing
Eintritt: 5 € / erm. 3 €
2 Kommentare
Israelkritik hat nichts mit Antisemitismus zu tun, Genau so wenig wie Islam mit Islamismus!
Ich wage eine Prognose, ohne die Zusammensetzung der Diskussionsrunde bei der Maischberger zu kennen: Israelkritik, so wird der erlauchte Kreis befinden, in dem sich Wolffsohn, Beck oder die Berger (oder eine Vertreterin) befinden werden, sei natürlich kein Antisemitismus, das behaupte ja keiner, meistens aber doch. Denn Israel sei ja schließlich die einzige Demokratie, modern und liberal usw. der Region, dazu Erbarmen erregend klein, fragil und von einer Übermacht belagert, die die Juden ins Meer treiben wollten. Sollte sich ein Vertreter Palästinas oder wenigstens der DPG darunter befinden, wird man ihn zuallererst fragen, wann er sich endlich von Terroranschlägen seiner Leute distanziere.