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Der Wert des Ullrich-Gutachtens

Zusammenfassung: Das Gutachten von Peter Ullrich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung macht klar: Einsatz für palästinensische Rechte ist nicht antisemitisch. Da Politik und Medien sich weiterhin dieser simplen Erkenntnis verschließen und tatsächliche Antisemiten sogar weiter hofieren, wird der Hauptwert dieses Gutachten darin liegen, als Argumentationshilfe für kommende Gerichtsverfahren zu dienen.

Ein Monat ist vergangen seit dem Attentatsversuch gegen die Jüdische Gemeinde Halle. Dem Attentat folgten in der Öffentlichkeit allerlei Vorschläge für den Kampf gegen rechtsradikale Ideologie und Strukturen. Weitgehend unerwähnt blieb der mächtigste europäische Politiker, der genau den Irrsinn propagiert, der das zentrale Element der Ideologie des Attentäters bildet: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban predigt seit mehreren Jahren, dass die Flüchtlingswelle nach Europa ein jüdisches Werk sei: Das habe alles der jüdisch-ungarische US-Bürger George Soros angezettelt, mit dem Ziel, das christliche Abendland von innen heraus zu schwächen.

Kein deutscher Antisemitismusbeauftragter sah ein Problem darin, dass sich nun am 8. November Edmund Stoiber in Budapest von eben diesem Orban einen Orden verleihen lässt. Auch die sich so judenfreundlich gebende WELT (wenn es um die Verteidigung von Israels Radikalnationalismus geht) kam überhaupt nicht auf die Idee, dies zu problematisieren. Woher auch? Man weiß ja in Politik und Medien, was Antisemitismus ist: Antisemitismus ist Israelkritik. Das ist schließlich die Botschaft der von Bundestag und Bundesregierung angenommenen Definition von Antisemitismus, die eine Vereinigung namens International Holocaust Remembrance Association (IHRA) herausgegeben hat.

Nun hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Gutachten des Sozialwissenschaftlers Peter Ullrich veröffentlicht. (S. auch das Interview der taz mit ihm.) Ullrich beschäftigt sich seit Jahren empirisch-wissenschaftlich mit Antisemitismus. Er kommt hier zu dem Ergebnis: Die IHRA-Definition ist nach rationalen Maßstäben unbrauchbar. Denn sie ist so unscharf gehalten, dass in beliebig angesammelten Beispielen alles und jedes als „Antisemitismus“ bezeichnet werden kann. Solche Beispiele werden im IHRA-Text nach der eigentlichen Definition aufgelistet und handeln – nicht zufälligerweise – mehrheitlich von Kritik an Israels Politik. (Vgl. auch Norman Paechs ähnliche Kritik an der IHRA-Definition bereits vor zwei Jahren.)


Peter Ullrich

Deshalb propagiert Israels Regierung diese Definition, und genau dafür wird sie hier und heute in Deutschland verwendet, zur Unterdrückung von Opposition (übrigens zum Entsetzen des Mannes, von dem die IHRA-Definition stammt und der sie als reine Arbeitsdefinition für die Polizeiarbeit entworfen hatte, um mögliche fremdenfeindliche Vorfälle als antisemitisch zu klassifizieren): Opposition gegen Israels permanenten Bruch des Völkerrechts, gegen seine Diskriminierung der Palästinenser und seine Unterdrückung ihres zivilen Widerstands, gegen Israels Vorreiterrolle für rechtsnationalistische Politiker auf der ganzen Welt.

Es ist nicht so schwer zu definieren, was Antisemitismus ist. „Antisemitismus ist Juden-Diskriminierung“, schreibt kurz und bündig der Philosoph Georg Meggle. Genauer gesagt: Antisemitisch sei eine Einstellung genau dann, wenn ihr zufolge eine Person schon allein deswegen weniger wert sein soll, weil sie Jude ist. (S. dazu auch Abi Melzers Buch „Die Antisemitenmacher“.) Dies hat – so Meggle weiter – begrifflich nichts mit Gegnerschaft zu Israels Politik zu tun, und sei diese Gegnerschaft auch noch so radikal (wie beispielsweise bei den streng orthodoxen Neturej Karta in Jerusalem).

Mit dieser Definition, mit dem Gutachten von Peter Ullrich und wohl auch mit der Kritik der fünf UN-Sonderberichterstatter am Anti-BDS-Beschluss des Bundestags werden wir gute Karten haben, wenn der nächste gerichtliche Streit um Meinungsfreiheit ausgetragen werden wird. Dieser Streit wird kommen, es wird nicht der letzte sein, aber die McCarthy-Ära in den USA (1950-1954) ging nach vier Jahren vorbei, und so wird es auch hier sein.
Den Einsatz gegen Antisemitismus à la Viktor Orban sollten wir aber unseren Politikern nicht ersparen.

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