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Städtepartnerschaft erfordert Solidarität in Krisenzeiten, aber die meisten deutschen Städte ziehen Vereinbarungen mit israelischen Städten vor.
Zusammenfassung: Ein Brief von Städtepartnerschaftsvereinen gegen die israelische Annexion des Westjordanlandes lenkt die Aufmerksamkeit auf die tägliche Gewalt und die Bewegungseinschränkungen, unter denen die Palästinenser leiden. Deutsche Kommunen gehen Partnerschaften mit israelischen Städten ein, ohne die Situation der Menschenrechte in diesen Städten zu prüfen. Partnerschaften mit palästinensischen Städten sind eine Möglichkeit, Solidarität zu bekunden.

Sieben Städtepartnerschafts-Vereine für deutsch-palästinensische Zusammenarbeit haben einen Brief verfasst, in dem die drohende Annexion und die israelische Gewalt gegen PalästinenserInnen kritisiert wird. Sie haben den Brief an den Bundespräsidenten, die Bundeskanzlerin, den Außenminister, den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, die Bundestagsfraktionen und die Palästinensische Mission geschickt. Den Brief gibt es auch auf Arabisch.

Michael Kellner ist der Geschäftsführer des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem, e.V. Er ist auch Mitglied im Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. (BIP). Er schreibt:

„Die Idee zu diesem Brief hat sich bei einer Videokonferenz der Städtepartnerschaftsvereine Bergisch Gladbach-Beit Jala, Köln-Bethlehem und des AK Palästina/Brühl-Battir am 27. Mai entwickelt. Wir sprachen u.a. über die bevorstehende Annexion der palästinensischen Gebiete durch Israel. Wir wollten einfach nicht schweigen und uns mit unseren schwachen Kräften für das Land und die Menschen unserer Partnerstädte einsetzen. Es folgte natürlich eine Diskussion darüber, wer uns bei der Formulierung des Briefes behilflich sein könnte und wie wir an die notwendigen Namen und Adressen kommen könnten. Aber die Idee hatte uns schon gepackt, und sehr schnell waren Aufgaben und Arbeiten eingeteilt.

Bei der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)/ Engagement Global fanden wir eine Liste der 16 Städtepartnerschaften und auch einige Vereine. Nun ging das Suchen los und damit verbunden auch das Versenden unseres Briefes an uns bekannte Vereine, das Knüpfen von Kontakten und auch unser Argumentieren für unsere Aktion. Insgesamt haben wir außer den Unterschriften unserer zwei Vereine und des Arbeitskreises weitere sechs Unterschriften unter unsere Briefe entgegennehmen können. Zwei weitere Vereine wollten lieber einen eigenen bzw. unseren mit nur ihrer Unterschrift nach Berlin senden. Ein Verein lehnte offensichtlich aus Angst vor erwarteten Schwierigkeiten („gefährliches Eis“) die Unterschrift ab. Unseres Wissens ist dies die erste gemeinsame Aktion der deutsch-palästinensischen Städtepartnerschaftsvereine, -Arbeitskreise und -initiativen. Es ist ein vorsichtiger Anfang. Wir hoffen darauf, dass wir in Zukunft mehr und besser zusammenarbeiten werden. Dann werden wir auch als zivilgesellschaftliche Gruppen, die die Städtepartnerschaften mit Leben füllen, leichter und deutlicher in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Anders als die Verwaltungen der Städte haben wir außerdem einen direkten und oft intensiven Draht zu den Menschen dort und haben von dieser Perspektive aus viel zum Verständnis der Situation und der Bedürfnisse der Bewohner beizutragen.“


Wissenschaftspark in Rechowot (Partnerstadt von Heidelberg), in dem militärische Drohnen von Elbit Systems entwickelt werden. Quelle: Amos Meron, 2012, Wikipedia

Gegenwärtig gibt es 16 Städtepartnerschaftsabkommen (6 formelle Städtepartnerschaften und 10 Kooperationspartnerschaften) zwischen deutschen und palästinensischen Städten, relativ wenige verglichen mit 103 solchen Abkommen zwischen deutschen und israelischen Städten. Erwähnenswert unter letzteren Abkommen sind die Andernacher Partnerschaft mit Dimona, wo sich die international unkontrollierten israelischen Atomwaffenanlagen befinden, die Partnerschaft von Bad Staffelstein mit Lod, einer Stadt, die 1948 vom größten Teil ihrer ursprünglichen palästinensischen Bevölkerung ethnisch gesäubert wurde, die Berliner Partnerschaft mit Karmiel, einer Stadt mit Vorschriften gegen den Verkauf von Wohnungen an Araber, und mit Aschkelon, einer Stadt, die auf den Ruinen der 1948 zerstörten palästinensischen Stadt Al-Majdal errichtet wurde. Moers hat eine Partnerschaft mit der Stadt Ramla, die 1948 von den meisten ihrer palästinensischen Einwohner ethnisch gesäubert wurde. Besonders hervorzuheben ist die Partnerschaft von Würzburg mit dem Rat der Region von Mateh Jehuda die Teile des besetzten Westjordanlandes umfasst.

Zur Bedeutung von Partnerschaften zwischen deutschen und palästinensischen Städten schreibt der ehemalige Oberbürgermeister von Jena Albrecht Schröter, Mitglied von BIP e.V.:

„Die Zusammenarbeit von deutschen und palästinensischen Kommunen ist nicht nur sehr wichtig für die Stärkung demokratischer und effektiver Verwaltungsstrukturen, sondern ebenso für die Unterstützung sozialer, kultureller, sportlicher und weiterer zivilgesellschaftlicher Aktivitäten in Palästina. Auch Israel sollte daran ein Interesse haben, denn – frei nach Martin Buber – „es kann Israel nicht gut gehen, wenn es Palästina nicht gut geht, es kann aber auch Palästina nicht gut gehen, wenn es Israel nicht gut geht“. „Das Glück des einen Volkes hängt vom Glück des anderen ab.“

Leider spiegelt sich die krasse Asymmetrie zwischen beiden Völkern auch im Bereich der Städtepartnerschaften wider. So gibt es mehr als 100 deutsch-israelische Städtepartnerschaften, aber nur 6 Städtepartnerschaften und 10 Kooperationspartnerschaften zwischen deutschen und palästinensischen Kommunen. Einige der deutschen Partnerschaftsvereine werden immer wieder von pro-israelischen Gruppen und Aktivisten für ihr Engagement zum Wohle der palästinensischen Partnerkommune in der Presse angegriffen und mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. An anderen Orten arbeiten jedoch Unterstützer von israelischen und palästinensischen Partnerkommunen engagiert zusammen. 

Die völker- und menschenrechtswidrige Annexion palästinensischen Gebietes wird nach Meinung vieler Beobachter nicht nur zu einer neuen und anhaltenden Welle von Gewalt führen, sondern die Zusammenarbeit deutscher und palästinensischer Partnerkommunen weiter deutlich erschweren. Das kann nicht im Interesse der deutschen Regierung sein.“

Heidelberg hat eine Städtepartnerschaft mit Rechowot. Vordergründig liegt die Gemeinsamkeit in der Wissenschaft (Universität Heidelberg und Weizmann-Institut in Rechowot), aber Rechowot ist eben auch die Stadt, wo der israelische Rüstungskonzern Elbit Systems tödliche Waffen entwickelt und sie dann für den Weltmarkt damit bewirbt, dass sie an palästinensischen Zivilisten getestet sind. Der Heidelberger Oberbürgermeister Eckart Würzner sagte jedoch gegenüber der Palästina-Initiative Heidelberg, er habe nicht die Absicht, eine Städtepartnerschaft mit einer palästinensischen Stadt einzugehen. Als Ergebnis der Partnerschaft mit Rechowot arbeitete die Stadt Heidelberg mit dem israelischen Jüdischen Nationalfonds (JNF; Keren Kajemet leJisrael, KKL) zusammen, der laut seiner Satzung Land nur an Juden verkauft und auch zum Beispiel beim Wassermanagement die Palästinenser und die Beduinen im besetzten Westjordanland massiv benachteiligt. Bei dem Treffen mit der Palästina-Initiative Heidelberg versprach der Oberbürgermeister immerhin, keine weiteren gemeinsamen Veranstaltungen mit dem JNF-KKL durchzuführen.


Gaza Stadt. Quelle: Template:Wmcu, 2009, Wikipedia.

Teil eines Städtepartnerschaftsabkommens ist der Austausch von Besuchen zwischen den Städten. Partnerschaften geben Menschen aus Deutschland Gelegenheit, viel über die Besatzung zu erfahren, wenn sie Gelegenheit bekommen, palästinensische Städte unter Besatzung zu besuchen, und wenn sie erfahren, wie schwierig es für Palästinenser ist, von Israel eine Erlaubnis für eine Europareise zu erhalten.

Bislang hat keine einzige deutsche Stadt ein Partnerschaftsabkommen mit einer palästinensischen Stadt im Gazastreifen unterzeichnet. Den Palästinensern in Gaza wird von Israel das Recht verweigert, ins Ausland zu reisen und auch Besucher aus dem Ausland einzuladen. Am 1.7. 2010 hatte der Bundestag in einer Entschließung einstimmig gefordert, diese Blockade sofort zu beenden. Die Gelegenheit, durch Städtepartnerschaften gegen die israelische Belagerung Gazas anzugehen und in Deutschland das Bewusstsein für Israels grausame Restriktionen gegen den Gazastreifen zu schärfen, wäre eine Chance für die deutschen Kommunen, um gegen die Bantustanisierung des Palästinakonflikts Zeichen zu setzen. Dies wird auch für Partnerschaften mit palästinensischen Städten im Westjordanland immer wichtiger, da die ab dem 1. Juli geplante Annexion zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben wurde.

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Prof. Dr. Rolf Verleger, BIP-Vorsitzender

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Das neue Buch von Reiner Bernstein Wie alle Völker? Israel und Palästina als Problem der internationalen Diplomatie ist im WBG Verlag erschienen.
Omri Boehms neues Buch Israel – eine  Utopie ist im Propyläen Verlag erschienen.

Alexandra Föderl-Schmid hat in der SZ eine interessante Rezension über die beiden Bücher geschrieben.
 
Zudem wird am 12. Juli (Sonntag) um 19 Uhr ein rbb-Kultur Gespräch des Journalisten Matthias Bertsch mit dem BIP-Vorsitzenden Prof. Dr. Rolf Verleger gesendet.

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