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Durch das seitens Netanyahu abgesagte Treffen mit Sigmar Gabriel im April 2017 rückte die Organisation ehemaliger Soldaten Breaking the Silence bei uns in Deutschland derartig in die öffentliche Aufmerksamkeit, dass man dem israelischen Regierungschef geradezu dankbar sein muss für seine unfreiwillige Werbekampagne.

Wir geben hier einen Überblick über Initiativen ehemaliger Soldaten, die sich als Friedensstifter oder zumindest Aufklärer verstehen.


Screenshot der Website von Breaking the Silence

Breaking the Silence

Breaking the Silence (BtS) entstand 2004, als einige Soldaten kurz vor Ende ihrer dreijährigen Dienstzeit in Hebron beschlossen, das Schweigen über ihren Militärdienst zu brechen – ein Tabu in der israelischen Gesellschaft! – und über ihre Tätigkeit als Besatzungssoldaten Zeugnis abzulegen.  Yehuda Shaul, Gründer und bis heute Motor der Initiative, betont immer wieder, BtS sei keine Friedensinitiative, sondern wolle ein neues Bewusstsein in der israelischen Zivilgesellschaft schaffen über das wahre Gesicht der Besatzung. Ihm und seinen Kameradinnen gehe es darum zu zeigen, dass am Dienst als Besatzungssoldat nichts Moralisches sei. Auf seinen Touren durch Hebron erklärt er: „Wir sehen nach wie vor die Notwendigkeit einer israelischen Armee zur Verteidigung unserer Grenzen. Wir sind Patrioten. Aber unsere Mütter müssen wissen, dass sie stolz sind auf Töchter und Söhne, die tagtäglich Grausamkeiten an palästinensischen Zivilisten verüben. Und sie sollten auch wissen, was es mit uns macht.“

In Israel kämpft BtS zunehmend mehr mit massivem Gegenwind; viele betrachten die Veteranen als Verräter. Dana Golan, die eine Zeit lang BtS leitete und nun in Deutschland lebt, schrieb nach der Ausladung Gabriels diesen berührenden Kommentar in der FAZ.



Screenshot der Website von Combatants for Peace

Combatants for Peace

Auf fast noch weniger Verständnis für ihre Aktivitäten stoßen die Combatants for Peace, deren Mitglieder – ehemalige Kämpfer beider Seiten – die Waffen für immer niederlegen wollen, sich durch Gespräche über ihre eigenen Schicksale näher kommen und sogar ihr Leid und ihre Trauer über verlorene Freunde und Verwandte teilen wollen. Von israelischer Seite wird ihnen oft vorgeworfen, sie würden das Gespräch mit Terroristen suchen, die Landsleute getötet hätten; von palästinensischer Seite kommt der Vorwurf der Kollaboration und des Verrats. Dennoch sprechen sie sich radikal für Gewaltfreiheit und die Beendigung der Besatzung aus – auch und gerade im Hinblick auf ein dauerhaftes Zusammenleben von Palästinensern und Israelis und auf nachhaltige Sicherheit für beide Seiten.



Screenshot der offiziellen Film-Website von Gatekeepers

Auch ranghohe ehemalige Militärs positionieren sich

Neben diesen Basisinitiativen gibt es erstaunliche Initiativen von der Spitze des israelischen Sicherheitsapparats. Hierzu gehören die Bekenntnisse, die der israelische Filmemacher Dror Moreh 2012 in seinem Dokumentarfilm Gatekeepers (deutscher Titel: „Töte zuerst – der israelische Geheimdienst“) einfängt. Auch wenn man die sechs ehemaligen Chefs des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet nicht als Friedenstifter bezeichnen kann – vor der Kamera bekennen sie sich ganz offen zu ihren Taten während ihrer aktiven Zeit und legen ungeschminkt die Grausamkeiten und Menschenrechtsverletzungen von Shin Bet offen. Sie geben  nicht nur Einblick in ihre Arbeit, sondern kritisieren das Besatzungsregime über die palästinensischen Gebiete als unmoralisch, ineffizient und kontraproduktiv. Der Film wurde international ausgezeichnet, lief auf zahlreichen Festivals, wurde im deutschen Fernsehen mehrfach ausgestrahlt und 2013 für den Oscar nominiert.

Zwei ehemalige Generalsstabschefs, Benny Gantz und Gabi Aschkenazi, haben April 2017 eine Initiative mit dem Namen „Pnima“ (hebr.: „nach innen gewandt“) gegründet, die das Ziel hat, der zunehmenden Spaltung der israelischen Gesellschaft entgegenzuwirken. Gantz und Aschkenazi sagten bei der Vorstellung von Pnima, sie wollten sich mehr um „die innere Stärke als um die äußeren Herausforderungen“ des Landes kümmern und sich dafür einsetzen, dass Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit in der israelischen Gesellschaft wieder größeren Stellenwert erhalten. Dabei umgehen sie die direkte Konfrontation mit dem Thema Besatzung, was Skeptiker befürchten lässt, sie würden den eigentlichen Kern des Problems, nämlich die Besatzung, verdrängen.
Vielleicht gelingt es ihnen aber über den Umweg des inneren Verfalls der israelischen Gesellschaft den Blick auf die eigentliche Ursache zu lenken.

Tag: 8. Mai 2017