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Am 29. November 2017 jährte sich zum 70. Mal der Tag, an dem die Vereinten Nationen beschlossen, Palästina zu teilen. Es sollten zwei neue Staaten entstehen: ein jüdischer und ein palästinensischer; Jerusalem und Bethlehem sollten unter UN-Kontrolle gestellt werden. Dabei sollte der jüdische Staat 56 Prozent des Territoriums umfassen,  obwohl die Juden zu dieser Zeit nur etwa ein Drittel der Bevölkerung Palästinas ausmachten. Darin war allerdings der größte Teil der nur dünn besiedelten Negev-Wüste enthalten.

Die Idee der Teilung Palästinas reicht jedoch einige Jahrzehnte zurück. Bereits 1916 überlegten sich Franzosen und Briten, wie sie nach dem Sieg im Ersten Weltkrieg über das Osmanische Reich den Nahen Osten unter sich aufteilen würden; eine Überlegung, die mit dem Sykes-Picot-Geheimabkommen vertraglich festgelegt wurde. 1917 kam dann die Balfour-Erklärung, in der der damalige britische Außenminister Lord Balfour den Juden eine ‚nationale Heimstatt’ in Palästina versprach. Einen ersten Teilungsplan für Palästina, der einen Kompromiss zwischen diesem Vorhaben und dem heftigen Widerstand der arabischen Bevölkerung suchte, legte 1937 bereits die Peel-Kommission vor.

Einer der ersten von vielen Teilungsideen für Palästina: Die Peel-Kommission schlug am 7. Juli 1937 erstmals die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. (Quelle: Wikipedia)

 

Nach dem Völkermord des deutschen Nationalsozialismus an den europäischen Juden war die internationale Unterstützung für einen lebensfähigen jüdischen Staat mit einem aufnahmefähigen Territorium sehr groß. Die in der Balfour-Deklaration genannte Maßgabe, dass dabei die Rechte der ansässigen Bevölkerung gewahrt werden sollten, wurde im UN-Teilungsplan aufgegriffen. Er bestimmte ausdrücklich, dass es zu keinem ‚Transfer’ von Bevölkerungsgruppen kommen dürfe. Somit verstieß die jüdische Seite, die den Teilungsplan formal akzeptierte, mit der Vertreibung von  ca. 750.000 arabischen PalästinenserInnen massiv gegen ebendiesen.


Ein unrealistischer Teilungsplan und seine realen Folgen

Der Teilungsplan vom November 1947 bedeutete, dass zahlreiche Dörfer und mehrere Städte mit ausschließlich arabischer Bevölkerung – insgesamt rund 500.000 Menschen – gegen ihren Willen dem Staat Israel zugeschlagen werden sollten. Jeder der beiden Staaten sollte aus drei Teilgebieten bestehen, die nur durch enge Korridore miteinander verbunden wären. Jerusalem und Bethlehem sollten wegen der bedeutenden  Stätten  dreier Religionen unter internationale Verwaltung gestellt werden (corpus separatum).

Von den meisten Juden Palästinas wurde der Teilungsplan befürwortet und von der Führung der jüdischen Körperschaft in Palästina unter Ben-Gurion angenommen. Den jüdischen radikal-nationalistischen Milizen Irgun und Lechi (Stern Gang), die zu jener Zeit von den späteren israelischen Regierungschefs Begin und Schamir geführt wurden, ging der Plan nicht weit genug. Von arabischer Seite wurde der Teilungsplan als Katastrophe empfunden und abgelehnt: er verletze die Rechte der Mehrheitsbevölkerung in Palästina, die zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich nicht-jüdischen Religionen angehörten. Außerdem wurde sowohl Quantität als auch Qualität des Landes, das der jüdischen Minderheit zugeteilt wurde, kritisiert.

Als unmittelbare Reaktion auf die UN-Teilungsresolution verschärfte sich die bewaffnete Konfrontation bereits Ende Dezember 1947 zwischen den Bevölkerungsgruppen. Anfang April 1948 begannen die zionistischen Milizen eine koordinierte Großoffensive gegen die überwiegend arabisch besiedelten Gebiete. Das von den rechtszionistischen Milizen Irgun und Lehi begangene Massaker im Dorf Deir Yassin mit über 100 zivilen Opfern ist wohl das bekannteste und hatte zur Folge, dass bis zum eigentlichen Beginn des Palästinakriegs (auch als 1948er-Krieg oder israelischer Unabhängigkeitskrieg bezeichnet) am 14. Mai 1948 – also binnen 35 Tagen – laut Wikipedia bereits über 250.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden.


Deir Yassin – später als Kfar Shaul bezeichnet – wurde ein Jahr nach dem Massaker bereits neu besiedelt. Einige jüdische Intellektuelle, unter ihnen Martin Buber, schrieben damals an Ben Gurion:

„Der Name dieses Dorfes ist in der ganzen jüdischen Welt, in der ganzen arabischen Welt und überhaupt in der ganzen Welt verrufen. In Deir Yassin wurden hunderte von Männern, Frauen und Kindern getötet. Das Ereignis ist ein schwarzer Fleck auf der Ehre der jüdischen Nation. […] Die Wiederbesiedlung von Deir Yassin binnen eines Jahres nach dem Verbrechen und im Rahmen der normalen Siedlungaktivitäten würde einer Unterstützung oder zumindest Duldung des Massakers gleichkommen. Lassen Sie das Dorf Deir Yassin vorläufig unbewohnt, und lassen sie seine Verlassenheit als ein schreckliches und tragisches Symbol des Krieges dienen und als Mahnung für unser Volk, dass keine praktischen oder militärischen Notwendigkeiten jemals solche Mordtaten rechtfertigen können und die Nation nicht davon profitieren will.“
(Text-Quelle: Wikipedia; Bild-Quelle: Wikimedia)


Von Linien auf Landkarten zu ethnischer Säuberung

In wenigen Wochen erreichten die jüdischen Milizen fast vollständig die im Teilungsplan vorgesehenen Linien. Dies hatte die weitgehende Vertreibung und Flucht der arabischen Bevölkerung zur Folge, die von den Palästinensern heute weltweit als Nakba (wörtl.: Katastrophe) bezeichnet wird.

Als am 14. Mai 1948 das britische Mandat endete und der Staat Israel offiziell proklamiert wurde, griffen die arabischen Nachbarstaaten, insbesondere Jordanien und Ägypten, in die Kämpfe ein. Als Ergebnis dieses Krieges vergrößerte Israel sein Territorium gegenüber dem UN-Teilungsplan um rund 50 Prozent. Etwa 750.000 Araber wurden während des Krieges gewaltsam vertrieben oder flohen vor den Kampfhandlungen. Eine Rückkehr wurde ihnen nach dem Krieg von Israel verwehrt. Der von den UN eingesetzte Vermittler Graf Folke Bernadotte, der sich für ihr Rückkehrrecht einsetzte, wurde im September 1948 in Jerusalem von einem israelischen bewaffneten Kommando erschossen. Das von den Flüchtlingen und Vertriebenen verlassene Land wurde ersatzlos durch Beschluss des israelischen Parlaments enteignet und ihre Rückkehr mit Gewalt unterbunden, wie Ilan Pappe 2007 in Die ethnische Säuberung Palästinas detailliert darlegt. Jordanien annektierte im geheimen Einverständnis mit der israelischen Regierung das Westjordanland einschließlich Ostjerusalems, Ägypten kontrollierte den Gaza-Streifen.

Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Phasen der Teilungsideen für Palästinas bietet der Arbeitskreis Palästina NRW mit vielen Karten in dieser Broschüre.


Teilung und Zerstückelung Palästinas (Quelle: Arbeitskreis Palästina NRW e.V.)


Passend zum Thema ‚Teilung’ der Artikel in der Süddeutschen Zeitung  Schulweg der Schikanen vom 28.11.2017 – auch wenn die Teilung Hebrons ein ganz anderes, nicht weniger bedrückendes Kapitel in der Geschichte Palästinas ist.

4 Kommentare

  1. Es ist schade, daß der Artikel traditioneller israelischer Geschichtsschreibung folgt. Nur ein paar Punkte, die eine Überlegung wert sind:

    1. Völkerrechtswidrigkeit der Resolution 181,
    2. Beginn der ethnischen Säuberung Palästinas bereits im Dezember 1947/Januar 1948,
    3. Ablehnung der Umsetzung dieser Resolution durch den Sicherheitsrat (u. a. Rede Warren Austins am 19.3.1948) und
    4. Zurückverweisung der Palästinafrage in die Vollversammlung und ALS DEREN FOLGE Bestellung eines Vermittlers nach GAR 186 vom 14.5.1948 und Ermordung Bernadottes durch ein zionistisches Mordkommando — d. h. Rücknahme der 181 …

  2. Danke,
    immer freue ich mich auf und über die BIB-Dosis der Woche.

    Aber schade, dass ihr die GEGENPOSITION zum Teilungsplan (s.u.) damals in der UN nicht erwähnt und dargestellt habt – also verlinkt und ihre Kernargumente kurz zusammengefasst. Ich halte sie für die historische Analyse, aber gerade auch für Antworten auf HEUTIGE Fragen für überaus lehrreich, aktuell und nützlich…

    Das ist ja die erste Lektion von Medienmacht, und zwar überall, weltweit, in jedem Konflikt: Wenn ich nur eine Seite und ihre Argumente und Begründungen gut kenne, und von der anderen Seite nur höre – ‚die wollen nicht‘, dann ensteht jenes schiefe Bild, auf der unsere verlogene Staatsräson beruht… Gegenaufklärung tut not.
    Die „guten Gründe“ für den Teilungsplan kennen wir alle zur Genüge, aus den herrschenden Medien. Aber warum und mit welchen Argumenten waren eigentlich 13 Staaten gegen diesen Plan?

    alles Gute,
    Clemens

    siehe oben:
    Dokument der demokratischen Minderheit gegen den Teilungsplan (Bericht des zweiten Unterkommitees an das Ad Hoc-Komitee zur Palästinafrage in der UN Vollversammlung 1947; auf englisch)
    http://www.mlwerke.de/NatLib/Pal/UN1947_Palestine-Minority-Report_start.htm

  3. Die Gegenposition der demokratischen Minderheit zusammen mit einem Zeitplan und weiteren Dokumenten findet sich unter http://www.mlwerke.de/NatLib/Pal/UN1947_Palestine-Minority-Report_start.htm

    1. Die UN-Vollversammlung kann keine verbindlichen Beschlüsse fassen, sondern nur empfehlende. Übrigens hätte der Plan die selbst dafür nötige Zweidrittenmehrheit nicht erhalten, wenn nicht die USSR mit ihren drei Stimmen sowie Polen und die CSR dagegen anstatt dafür gestimmt hätten.

    2. Die UNO bestand damals aus nur 54 Staaten; die weit überwiegende
    Mehrheit der Menschheit war dort nicht vertreten; fast ganz Afrika stand noch unter europäischer Kolonialherrschaft oder war wie Südafrika selbst ein rassistischer kolonialer Siedlerstaat. Auch große Teile Asiens litt noch unter europäischer Kolonialherrschaft – in Indonesien bemühte sich die niederländische Monarchie mit blutiger Gewalt, das Land wieder unter ihre koloniale Diktatur zu zwingen.

    3. Der kolonialistische Teilungsplan über den Kopf der betroffenen Bevölkerung hinweg und gegen den erklärten Widerstand der Mehrheit des Landes widersprach und widerspricht der Charta der Vereinten Nationen, die das Selbstbestimmungsrecht der Völker proklamierte.

    4. Das wird auch dadurch nicht entkräftet, daß Jorge García Granados, der Vertreter Guatemalas bei der UNO, erklärte, daß die betroffenen Völker kein Mitspracherecht haben, wenn die Großen der Welt über ihr Schicksal verhandeln (siehe in der Chronologie unter http://www.mlwerke.de/NatLib/Pal/UN1947_Palestine-Minority-Report_1stSupplement.htm unter „1947-10-10, Friday“). Granados stellt damit die UN Vollversammlung von November 1947 in eine Reihe mit dem Münchner Abkommen von 1938, den Pariser Vorort“verträgen“ von 1919, der Berliner „Kongo-Konferenz“ über die Aufteilung Afrikas von 1884/85 und dem Wiener Kongreß von 1815.

    5. Der Teilungsplan sah nicht einen „jüdischen“ und einen „palästinensischen Staat“ vor, sondern einen jüdischen und einen arabischen. Palestinensische Staaten wären beide gewesen, so wie die DDR und die BRD beides deutsche Staaten.

    6. Im Sykes-Picot-Abkommen war Palestina als „brown area“ für eine internationale Kontrolle vorgesehen, und die Grenze zum französischen Herrschaftsgebiet war weiter südlich gezogen als die jetzige libanesische Südgrenze. Paris hatte zwar die ganze Mittelmeerküste beansprucht, spielte aber keine militärische Rolle im Süden des Osmanischen Reichs, also dem arabischen Osten.

    7. Der Artikel oben erwähnt die Balfour Declaration vom Tag 5 vor der Oktoberrevolution (die im Dezember all diese Geheimabkommen öffentlich machte), aber nicht die entscheidende Tatsache, nämlich die militärische Eroberung des arabischen Ostens einschließlich „Palästina“ durch britische Kolonialtruppen. Ohne diese gewaltsame Übernahme der Macht wäre diese Deklaration genauso ein Stück wertloses Papier geblieben wie die Zusage Englands und Frankreichs, dem Zarenreich die Herrschaft über Istanbul und weite Landstreifen südlich und nördlich von Bosporus und Dardanellen zu übergeben.

    8. Wenn der deutsche General Erich von Falkenhayn als Kommandant der türkischen Truppen bei der Verteidigung von Palestina gegen den britischen Angriff mehr Kriegsglück gehabt hätte als bei Verdun, dann wäre die Geschichte des arabischen Ostens anders verlaufen.

    9. Der Hauptkonflikt verlief ja schon seit mehr als einem Jahrzehnt um den entscheidenden Einfluß auf das Osmanische Reich durch den britischen Imperialismus einerseits oder dem deutschen andererseits. Während die Deutschen die Baghdad-Bahn bauten, forderten die Briten, daß diese nicht weiter gehen dürfe als Baghdad, während der Verkehr von Baghdad nach Basra und damit in den Golf und nach Indien unter britischer Kontrolle sein müsse. Schließlich entschied sich die Regierung in Istanbul für das Kriegsbündnis mit den beiden deutschen Kaiserreichen.

    10. Im März 1915 übergab Herbert Samuel sein Memorandum „The Future of Palestine“ an seine Kabinettskollegen in der britischen Regierung, worin er forderte, daß Palestina ein britisches Protektorat werden müsse, weil sonst Frankreich oder Deutschland an der Grenze Ägyptens stünden und damit die britische Kontrolle über den Suez-Kanal infragestellen würden. Die Förderung einer „jüdischen“ Kolonisierung des Landes würde der englischen Krone einen neuen Glanz verleihen (auch dies Dokument demnächst auf http://www.mlwerke.de)

    11. Zur selben Zeit erschien in der Schriftenreihe des „Deutschen Vorderasienkomitees“ das Büchlein „Die Juden der Türkei“ in welcher der Autor Davis Trietsch erklärte, die Juden seien „in gewissem Sinne in Deutschland ein vorderasiatisches Element und und in der Türkei ein deutsches Element“, deren Ansiedlung in Palestina ein positiver Faktor sein würde, daß „die deutschen Länder und die Türkei immer mehr zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet verschmelzen“ würden, egal, „wie auch der Krieg ausgehen mag.“ http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/titleinfo/6507847

    12. Während die „Zionistische Exekutive“ der Zionistischen Weltbewegung immer noch ihren Sitz in Berlin hatte — mit einer Außenstelle im neutralen Dänemark — bildeten die russischen Zionisten Weizmann und Sokolow mit anderen in London eine „Zionistische Exekutive für England“ und drängten immer mehr darauf, daß England Palestina erobern solle wo sie dann mit einem „Jüdischen Staat“ ein Dominion im British Empire bilden wollten, wie Australien (wo man schon 1900 den Kontinent zum „White Australia“ erklärt hatte), der Südafrikanischen Union (die 1913 schon das große Landraubgesetz verabschiedet hatte, das den Schwarzen nur 13% des Grund und Bodens zugestand), und Canada, das mit den Ureinwohnern des Landes auch nicht gerade zimperlich umging. Die Bitte eines Vertreters der Zionistischen Exekutive aus den neutralen Niederlanden um ein Gespräch lehnte Weizmann kühl ab.

    13. Am 7. Februar 1917 trafen sich führende englische Zionisten mit Mark Sykes im Hause des Oberrabbiners Moses Gaster. Lord Rothschild bekräftigte die Position seines Vaters: Wenn Zionismus bedeutet, daß Juden als Bürger eines britischen Palestina leben, dann sei er dafür. Weizmann betonte, daß die Juden, die nach Palestina gingen, dort eine jüdische Nation bilden würden und nicht zu Arabern oder Drusen oder Engländern würden. Nachdem Sykes die Grenzziehung nach dem Kleinasien-Abkommen (Sykes-Picot) offenbarte (siehe oben Nr. 6), betonte Herbert Samuel, daß die Franzosen „keinerlei Ansprüche auf Palestina“ hätten, und daß sie damit zufrieden sein sollten, nach dem Sieg „ein Drittel von Afrika, Elsaß-Lothringen und Syrien“zu bekommen. Herbert Sidebotham (1872-1940), Militärkorrespondent des Manchester Guardian und Mitbegründer des British Palestine Committee, erklärt in einem späteren Artikel, daß das zukünftige British Dominion of Palestine die Macht des British Empire vermehren würde, und daß außerdem Jerusalem als Stadt des British Empire den Engländern die Führung der gesamten Judenheit verleihen würde.

    14. Am 2. Mai 1917 erschien auf der Titelseite der in Berlin erscheinenden evangelisch–konservativen („mit Gott für König und Vaterland“) Tageszeitung „Der Reichsbote“ der Artikel „Eine jüdische Republik in Palästina?“. Der Autor Gustav von Dobbeler befürwortet darin als Gegenmaßnahme gegen den Plan eines jüdischen Staates in Palästina unter britischem Protektorat die „Schaffung eines in strengster Abhängigkeit von der türkischen Oberhoheit befindlichen jüdischen Staatswesens […], dem dennoch Gelegenheit gegeben sein muß, sich in seiner Volkseigentümlichkeit zu entwickeln. Der Jude ist ein geborener Kolonist.“ …. „Die Gründung eines jüdischen Staatswesens würde [..] dem unruhevollen Volke der Juden eine neue Geschlossenheit und eine positive – nicht mehr zersetzende – Kraft verleihen. Als betriebsamer Handelsstaat würde es die Türangel zwischen den Weltteilen Europa, Asien, Afrika werden, als Kolonistenvolk eine bedeutsame Blutauffrischung für die einer solchen bedürfenden Türkei. […] Es ist immer von Wichtigkeit, ob man selber, oder ob der Gegner den Schlüssel zur Tür in der Hand hat. // Der Gedanke der Gründung eines jüdischen Staatswesens ist gut für den, der ihn ausführt. // War bisher der Balkan der Hexenkessel Europas, so wird in Zukunft der Streit um die Landbrücke Asien–Afrika und um die Herrschaft am Suezkanal entbrennen und es wird zweifellos Lebensfrage für jede der beteiligten Parteien sein, in diesem Kampfe Sieger zu bleiben. England im Besitz Palästinas würde eine Isolierung Mitteleuropas bedeuten, den Schlußstein in der Einkreisungspolitik König Eduards, die England nicht aufgeben wird, auch wenn es in Bälde den jetzigen Krieg als verloren betrachten muß. Darum, begegnen wir dem Feinde!“ Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. England hat nicht nur Palästina und ganz Syrien erobert, sondern auch Mesopotamien..

    15. Der Londoner „Jewish Chronicle“ referierte diesen Artikel in seiner Ausgabe vom 6. Juni 2017 (https://www.thejc.com/archive/1.212963?highlight=Reichsbote) und in der Ausgabe vom 21. September ’17 (https://www.thejc.com/archive/1.293157?highlight=Britain+and+Palestine) ähnliche Stimmen aus ‚Deutsche Tageszeitung‘, ‚Frankfurter Zeitung‘ und den Münchner ‚Neueste Nachrichten‘. Weizmann machte sich Sorgen, weil der Sog der Russischen Revolution auch seine Bewegung erfaßte. In der britischen Kabinettssitzung vom 3. Oktober eröffnete Balfour die 2. Diskussion zu der Erklärung, die mit seinem Namen in die Geschichte eingehen sollte, mit dem Hinweis, daß die deutsche Regierung sich bemühte, die Sympathie der zionistischen Bewegung zu gewinnen. Als die Erklärung vom 2. November schließlich veröffentlicht wurde, ging sie in der Aufregung über die „Oktoberrevolution“ vom 7. November unter. Aber England hat trotzdem den Krieg um den arabischen Osten gewonnen.

    16. In der nach dem Krieg gebildeten britischen Kolonie Palestina organisierten sich die die europäischen Kolonisatoren als ein Staat im Staat; allgemeine Wahlen nach dem Prinzip „ein Mensch – eine Stimme“ lehnten sie entschieden ab, bis sie eine Mehrheit der Bevölkerung stellen würden. Aber die kam nicht zustande. 1919 mahnte der deutsche Zionist Arthur Ruppin, daß – um zur Mehrheit zu werden – die zionistischen Kolonisatoren baldmöglichst auf eine Million anwachsen sollten (1946 waren sie immer noch erst 640’000 gegenüber 1,2 Millionen Arabern). 1921 beklagte Vladimir Jabotinsky auf dem 12. Zionistenkongreß in Karlsbad die schwierige Lage.und erklärte „ warum sie schwer ist. Aus einem Grunde: weil wir eine Minderheit in Palästina sind. Ebenso wie man Amerika und Australien nicht mit Zustimmung der Autochtonen kolonisiert hat, kann man nicht von vornherein die Zustimmung der Eingeborenen in Palästina bekommen, verspreche man ihnen, was man will. Man kann aber in dem Prozeß der Aufbauarbeit solche Bedingungen schaffen, welche besänftigend einwirken – z. B. Fabriken zu bauen und dort auch Nichtjuden anstellen, usw. Aber bei dem ersten und schwersten Stadium einer Kolonisation braucht man einen Schutz, eine eiserne Wand um den wachsenden Jischuw, und diese kann nur durch solche Leute gebaut werden, welche diese Aufgabe lieben, und nicht durch solche, die diese Aufgabe hassen.“ (Kongressprotokoll S. 181 http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/3480625)

    17. Da es sich als unmöglich erwies, daß die europäischen Kolonisatoren zur demographischen Mehrheit in Palestina heranwachsen, und der Unfähigkeit der britischen Kolonialmacht, den wachsenden Widerstand der „Eingeborenen“ gegen die britische Herrschaft und den Anspruch der Kolonistengemeinschaft, die Herrschaft im Lande zu übernehmen, niederzuschlagen, brachte die Peel-Kommission die Idee der Teilung des Landes auf, womit die weißen Siedler schon mal die Staatsmacht in einem Teil des Territoriums übernehmen könnten, um später den Rest zu erobern. Selbst in den schließlich unter Mitwirkung der USA zusammengeschneiderten weiten Grenzen des „jüdischen Staates“ waren die Araber in der Mehrheit.

    18. Mit den kolonialen Eroberungen im Ersten Weltkrieg hatte das Britische Empire seinen Höhepunkt erreicht und war seitdem im Niedergang, um mit dem Zweiten Weltkrieg den Stab an die neue Weltmacht USA zu übergeben. Im April 1947 machte London den Pontius Pilatus – wir waschen die Hände in Unschuld – und forderte die UNO auf, den selbst geschaffenen Gordischen Knoten in Palestina aufzulösen. Die Chronologie der Befassung der UNO damit kann man im Supplement 1 zu dem Dokument der demokratischen Minderheit der UN Vollversammlung vom Herbst 1947 nachlesen.

    19. … und bis heute ist das koloniale Staatsvolk des Staates Israel, der seit dem sog. Sechs-Tage-Krieg von 1967 ganz Palestina beherrscht, eine Minderheit im Lande, und wenn man noch bedenkt, daß die Hälfte dieses Staatsvolkes eigentlich jüdische Araber aus Marokko, Jemen und Iraq sind bzw deren Nachkommen … Für die herrschende Minderheit gibt es nur eine Lösung: sich endlich darauf einzulassen, mit den „Eingeborenen“ auf Augenhöhe, als Gleiche unter Gleichen zu verkehren und den rassistischen Herrschaftsanspruch aufzugeben. Dann können sie auch endlich ohne die Angst des Räubers vor den Beraubten. Natürlich kann man die Initiative nicht von dem Unterdrücker erwarten. Die massenhafte Mobilisierng der unterdrückten Mehrheit und der Zusammenbruch des Mythos von der Unbesiegbarkeit des Unterdrückermilitärs wird – wie in Südafrika – den Unterdrückern zeigen, daß sie keine andere Wahl haben, als endlich ihre Menschlichkeit entdecken und die Hand der Unterdrückten zu ergreifen. Arbeiten wir daran.

    Lüko Willms
    6. Dezember 2017
    willms@luekowillms.de

    1. Etwas unterbelichtet in meinem obigen Kommentar, daß der Zionismus und die Judenheit insgesamt im Ersten Weltkrieg als etwas eher deutsches galt, und daß die Balfour-Deklaration entgegen den weit verbreiteten Mythen nicht mithilfe der US-amerikanischen Juden den US-Präsidenten zum Krieg gegen Deutschland bewegen sollte, sondern durch die Gewinnung der eher prodeutschen US-Juden für die Entente aus England, Frankreich und dem zaristischen Rußland ein Hindernis für den vom Präsidenten durchaus gewünschten Kriegseintritt zu beseitigen (der übrigens schon Monate vorher erfolgt war – Kriegserklärung im April, kampfbereite US-Truppen in Europa im Sommer).

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