Der 3D-Test mal andersherum
Vorbemerkung: Offenbar haben wir am 21.1. versehentlich diesen Blog nicht korrekt veröffentlicht. Doppelsendungen bitten wir zu entschuldigen. Ihr Team von BIB-Aktuell.
Gegen Fürsprecher von Menschenrechten und eines gerechten Ausgleichs im Israel-Palästina-Konflikt wird von israelischen Nationalisten immer gerne der „3D-Test“ ins Feld geführt: Wer Israel „delegitimiert“, „dämonisiert“ und mit zweierlei Maß („double standard“) messe, sei antisemitisch.
Aber was sind dann israelische Organisationen, die mit Unterstützung von Israels Regierung die Menschenrechts– und Hilfsorganisationen delegitimieren und dämonisieren, die in den von Israel besetzten Gebieten aktiv sind?
Darüber berichtet UNOCHA-OPT (Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in den besetzten palästinensischen Gebieten) in seinem Humanitarian Bulletin für Dezember 2018. Israelische Vereinigungen unterstellten, offenbar im Einklang mit der Regierung, den Menschenrechts- und Hilfsorganisationen Verletzungen der Antiterror-Gesetze oder politische Aktivitäten gegen Israel. Dadurch werde ihre Arbeit zum Teil erheblich behindert. Laut einer Befragung durch ihr Koordinationsforum, die Association of International Development Agencies, bekamen 43% der antwortenden Organisationen als Folge der Delegitimierungskampagnen weniger Spendengelder für ihre Aktivitäten. Laut UNOCHA-OPT beruhen die meisten Beschuldigungen gegen die Menschenrechts- und Hilfsorganisationen auf Verdrehung der Tatsachen und sind haltlos.
Jüngstes Beispiel sind die Angriffe auf den Weltkirchenrat und sein Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI). Aufgrund von Zitaten einiger Aktiven und Organisatoren des Begleitprogramms wird behauptet, EAPPI betreibe antiisraelische Propaganda, die „zuweilen“ (at times) eindeutigen antisemitischen „Beiklang“ (overtones) habe. Beispielsweise wird kritisiert, EAPPI-Aktive würden „israelische Aktionen“ (gemeint ist das Vorgehen der israelischen Soldaten in den besetzten Gebieten) mit Aktionen in Nazi-Deutschland vergleichen. Als Beleg wird ein Zitat des Generalsekretärs des Weltkirchenrates Dr. Olav Fyske Tveit herangezogen, in dem er nicht Aktionen Israels und Nazi-Deutschlands (und schon gar nicht den Holocaust) erwähnt, sondern die Dauer der Besatzung seines Heimatlandes Norwegen mit der Besatzung des Westjordanlandes vergleicht: „I heard about the occupation of my country during the five years of World War II as the story of my parents. Now I see and hear the stories of 50 years of occupation.“ Die Methode der Kampagne ist eindeutig: Delegitimierung durch gezielte Missinterpretation von Aussagen und Ausblenden der Tatsache, dass Besatzungsregimes völkerrechtswidrig sind, ganz gleich, um welche Besatzungsmacht es sich handelt.
In diesem Sinne profilierte sich nun auch ein israelischer Minister im Wahlkampf mit der Forderung, die von der UNO eingesetzte Beobachtermission TIPH, die seit 25 Jahren in der Apartheid-Stadt Hebron durch ihre Präsenz Schlimmeres verhindern soll, nicht weiter zu dulden.
Seitens der israelischen Regierung wird bekanntlich auch versucht, ausländische Regierungen für Delegitimierungskampagnen gegen Nichtregierungsorganisationen einzuspannen. Jüngstes Beispiel – das erfreulicherweise auf allgemeines Unverständnis stieß – ist Netanjahus Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel, in dem er forderte, die finanzielle Unterstützung von Organisationen zu „überdenken“, die „antiisraelische Aktivitäten befördern“, darunter auch das Jüdische Museum in Berlin, dessen Ausstellung „Welcome to Jerusalem – die heilige Stadt“ nach Netanjahus Meinung ausschließlich das arabisch-palästinensische Narrativ wiedergebe.
Solche Delegitimierungsaktionen sind nichts Neues. Schon im März 2013 klagten Hunderte israelischer Intellektueller in einem Aufruf an Juden in aller Welt über systematische Versuche, die Kritik an israelischer Politik zum Schweigen zu bringen und solche Stimmen in Hochschulen, Medien und NGOs zu delegitimieren: „Wenn Ihr Euch Sorgen um Israel macht, dann solltet ihr nicht länger schweigen!“