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Der liberale mainstream orientiert sich neu

Michelle Alexander ist Juristin, engagiert sich gegen die Diskriminierung von Afroamerikanern im Justizwesen der USA und schreibt seit 2018 Meinungsartikel in der New York Times (NYT).

Am 19. Januar veröffentlichte die NYT Michelle Alexanders Aufruf „Das Schweigen über Palästina brechen“ mit dem Untertitel „Martin Luther King Jr. stellte sich mutig gegen den Vietnamkrieg. Mit dem schweren Unrecht unserer Zeit müssen wir es ebenso tun.“ Sie beschreibt, wie riskant der Protest gegen den Vietnamkrieg für King 1967 war und dass er dennoch seinem Gewissen folgte – er konnte nicht nur halb für Menschenrechte sein und so predigte er: „Eine Zeit kommt, in der Schweigen Verrat ist.“

Alexander sieht aktuell das gleiche strategische Dilemma: Sich öffentlich gegen Israels fortwährende Rechtsverletzungen zu stellen bedeute, Bündnispartner im Establishment und in der traditionell liberalen jüdischen Gemeinschaft zu verärgern. Aber sie habe nun für sich beschlossen, den geraden Weg zu gehen und ihre Position öffentlich zu machen. Und so zählt sie in ihrem Artikel Israels Rechtsverletzungen auf, unterstützt den Abzug von Investitionen aus Israel, weist zustimmend auf zwei neugewählte Kongressabgeordnete hin, die die BDS-Kampagne unterstützen (Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel), und ebenso auf Jewish Voice for Peace und auf die Koalition US Campaign for Palestinian Rights. Und die New York Times druckt dies ab.

Die NYT setzt somit eine Linie fort, die sie mit dem Essay der jüdischen US-Amerikanerin Michelle Goldberg vom 7. 12. 2018 begonnen hatte; Goldbergs Essay hieß „Antizionismus ist nicht dasselbe wie Antisemitismus“ .

Angesichts dieser immer deutlicheren Stimmen aus dem linken Lager müssen liberale jüdische Zionisten in den USA klarer definieren, wer ihre Bündnispartner sind: die linksliberale Wählerschaft der Demokraten oder die mit Trump sympathisierenden Radikalzionisten aus dem jüdischen und evangelikalen Lager. (Siehe z.B. hier, wie die neugewählte junge Kongressabgeordnete Alexandra Ocasio-Cortez diese Wogen zu glätten versuchte.)

Jeremy Ben-Ami, Chef von J-Street, der Barack-Obama-nahen liberalen jüdischen Lobbyorganisation für eine Zweistaatenlösung, hat sich nun mit einem Artikel im traditionsreichen Forward vom 17.1. neu positioniert. Unter dem Titel „Euer Anti-BDS-Kreuzzug schadet den Juden“ schreibt Ben-Ami unter anderem:

„Wie die große Mehrheit US-amerikanischer Juden bin ich gegen die BDS-Bewegung … [Jedoch] ich glaube, dass die überzogene Reaktion unserer Gemeinschaft den amerikanischen Juden und Israels Ansehen weit mehr Schaden zufügt als die Bewegung selbst jemals hoffen konnte. Diese Obsession [gegen BDS] … beschädigt wichtige Beziehungen zu anderen Gemeinschaften, besonders zu farbigen Gemeinschaften … Sie schafft eine Atmosphäre von Paranoia und Zensur.“
Eines der von Ben-Ami angeführten Beispiele: „In Birmingham, Alabama, sollte die prominente Aktivistin und Akademikerin Angela Davis von einem dortigen Bürgerrechtsinstitut einen Preis erhalten. Aber nachdem Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Davis wegen ihrer Unterstützung für BDS angriffen und Druck auf das Institut ausübten, wurde die Ehrung zurückgezogen.“
Ben-Ami setzt dagegen:
„Alle BDS-Befürworter und entschiedenen Kritiker Israels systematisch als Feinde der jüdischen Gemeinschaft zu behandeln ist falsch.
Farbige Gemeinschaften und einige ihrer Führer wegen ihrer Ansichten zu BDS als antisemitisch zu stigmatisieren ist falsch.
Unterdrückung von Meinungsfreiheit und gewaltfreien Aktionen durch die Regierung ist falsch.“

Solche klaren Worte liegen in den USA in der Tradition der gewachsenen jüdischen Gemeinschaft, die immer in ihrer großen Mehrheit links, liberal, für Menschenrechte, Chancengleichheit und Emanzipation war. In Deutschland dagegen, mit seiner vernichteten Tradition des liberalen Judentums, glaubt die große Mehrheit der heutigen jüdischen Funktionäre, man müsse sich „für Israel“ gegen Menschenrechte in Palästina stellen und Kritik an der israelischen Besatzungspolitik als Antisemitismus bezeichnen. Das könnte sich als folgenschwerer Irrtum herausstellen. Auch hier beschädigt diese Obsession gegen BDS das Verhältnis der jüdischen Gemeinschaft zu anderen Minderheiten, beschädigt die Meinungsfreiheit und positioniert die jüdische Gemeinschaft immer mehr an den rechten Rand des politischen Spektrums.

Neuste Meldung vom 25.1.: Das Birminghamer Bürgerrechtsinstitut wird nun doch seinen Preis an Angela Davis verleihen: Bekenntnis zu liberalen Werten hat Vorrang vor dem Kreuzzug gegen BDS.

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