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Nach drei Wahlgängen gewinnt Netanjahu gerade noch rechtzeitig vor Beginn seines Prozesses
Zusammenfassung: Die dritte Runde der israelischen Wahlen innerhalb eines Jahres endet mit vorhersehbaren Ergebnissen, einem Sieg für die rassistische Rechte. Die wahre Geschichte ist jedoch die der Millionen Menschen, die kein Wahlrecht haben, und der großen Mehrheit der palästinensischen Bürger Israels, die sich für die Demokratie statt für die Apartheid entschieden haben.

Die Ergebnisse
Dies waren die dritten Wahlen innerhalb eines Jahres; trotzdem erreichte die Wahlbeteiligung einen Rekordwert. 71% der wahlberechtigten Personen gaben ihre Stimme ab. (Wahlberechtigt sind jedoch nur 46% der erwachsenen Gesamtbevölkerung unter israelischer Kontrolle, s. dazu ausführlich „Israels politisches System – keine Demokratie“.) Die Sitzverteilung zwischen den politischen Parteien hat sich im Vergleich zu den letzten beiden Wahlen nur wenig geändert. Aber den meisten israelischen Politikern ist klar, dass ihre Wähler ihnen nicht verzeihen würden, wenn sie einen vierten Wahlgang durchführten, statt jetzt endlich eine Koalitionsregierung zu bilden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es Netanjahu sein, der diese Koalition bildet. Wieder wird das geschehen, was bereits 2016 gesagt wurde: Jede aufeinander folgende Koalition unter Netanjahu ist weiter rechts als die letzte und die rechteste in der Geschichte Israels.


Foto: Netanjahu und Trump 2017. Quelle: Israelisches Außenministerium.

Reaktionärer Rassist
Netanjahus Kampagne konzentrierte sich darauf zu behaupten, die Opposition habe heimliche Pläne, die Gemeinsame Liste der arabischen Knesset-Mitglieder in eine Koalition aufzunehmen. Im September ging er weiter als je zuvor und sagte, dass die „Araber uns alle vernichten wollen“.

Es ist daher völlig zutreffend, wenn der US-Senator und Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders Netanjahu einen „reaktionären Rassisten“ nennt und sich letzte Woche weigerte, an der AIPAC-Konferenz teilzunehmen, weil sie ein Forum für Politiker biete, die „sich frömmelnd gegen palästinensische Grundrechte aussprechen“. AIPAC ist die US-Version der DIG (Deutsch Israelische Gesellschaft), und in den USA verliert sie ihre Legitimität aufgrund ihrer fanatischen Unterstützung für die israelische Politik. Bald wird dasselbe mit der DIG in Deutschland geschehen.

Aber wenn Netanjahu ein „rassistischer Frömmler“ ist, wäre Oppositionsführer Benny Gantz dann besser? Gantz sagte im Februar, dass seine Koalition auf einer „jüdischen Mehrheit“ basieren werde. Arabische Stimmen zählen nicht als legitim in einem Land, in dem laut dem israelischen und dem palästinensischen Zentralamt für Statistik 52% der Bevölkerung Araber sind (von denen nur eine Minderheit als israelische Staatsbürger wahlberechtigt ist).

Die Wahlen waren ein Wettbewerb zwischen zwei politischen Lagern, die die Apartheid repräsentierten, und die „Vereinte Liste“ – die einzige Partei, die Demokratie und Gleichheit fordert, – wurde sowohl von Netanjahus Likud als auch von Gantz‘ Blau-Weißer Partei als nicht legitimiert bezeichnet.

Personenkult
Netanjahus Prozess wegen Korruption soll am 17. März beginnen; er wird möglicherweise eine weitere Vertagung beantragen. Seine Anhänger sagen, es sei nicht mehr notwendig, seine Korruptionsfälle zu verfolgen, weil die Öffentlichkeit für ihn gestimmt habe und diese das letzte Wort haben sollte, nicht die Richter. Der israelische Historiker Moshe Zimmermann kommentierte in einem lesenswerten Interview: „Das erinnert an das, was in Osteuropa passiert, das erinnert an das, was in der Türkei passiert“.

In der Tat versteht Netanjahu, dass seine Popularität das Einzige ist, was ihn vor dem Gefängnis retten kann, und er pflegt einen Personenkult wie nie zuvor. In den letzten Wochen ging die Likud-Kampagne so weit, dass sie ein Lied mit dem Refrain „Benjamin – Freund Gottes“ spielte, ihn also mit Moses und Abraham gleichsetzte – da fehlt nicht mehr viel bis zum Messias.


Foto: Ahmad Tibi, Aiman Odeh und Mansour Abbas von der Vereinten Liste. Quelle: Wikipedia

Die Vereinte Liste
Das Wichtigste dieser Wahl sind die Zugewinne der Vereinten Liste, der drittgrößten Fraktion in der israelischen Knesset, die aus vier kleineren, nur oder mehrheitlich arabischen Parteien besteht, die in ihrer Mehrheit eine jüdisch-arabische Partnerschaft, Religionsfreiheit und demokratische Werte vertreten. Sie gewann 15 Sitze (12,5%).

Viele palästinensische Bürger Israels neigen dazu, die Wahlen zu boykottieren, weil sie bezweifeln, in einem System etwas bewirken zu können, das sie auf so systematische Weise diskriminiert. Jedoch hat im letzten Jahr die Vereinte Liste viele palästinensische Bürger Israels davon überzeugt, dass eine starke Vereinte Liste Druck auf die zionistischen Parteien ausüben kann, die nichtjüdischen Bürger ernst zu nehmen. Dank ihrer Bemühungen ist die Wahlbeteiligung der palästinensischen Israelis seit den Wahlen vom April 2019 um 15% gestiegen, von 49% auf 64%, und war damit nur noch wenig niedriger als das übliche Niveau der Wahlbeteiligung der jüdischen Israelis (das diesmal bei 71% lag).

Arbeitspartei und Meretz
Darüber hinaus haben die alten zionistischen linken Parteien, Arbeitspartei und Meretz, den Friedensprozess und den Kampf gegen die Besatzung von ihrer Agenda gestrichen. Die Arbeitspartei konzentriert sich nur noch auf sozioökonomische Fragen und wird nun von Amir Peretz geleitet, der während der Invasion im Libanon 2006 Israels Verteidigungsminister war. Generalmajor Yair Golan, Nummer 7 auf der Kandidatenliste, erhielt 2007 einen formellen Verweis des Generalstabschefs, weil er palästinensische Zivilisten mit vorgehaltener Waffe als menschliche Schutzschilde benutzt hatte. Die Partei wird weiterhin von Ehud Barak unterstützt (bei der Wahl im September 2019 die Nummer 10 auf ihrer Kandidatenliste), der während der zweiten Intifada israelischer Premierminister und 2008/09 für die Invasion in Gaza verantwortlicher Verteidigungsminister war. Es ist schwer zu verstehen, wie drei mutmaßliche Kriegsverbrecher in einer Partei, die früher für die Leitung des „Friedenslagers“ bekannt war, so prominent werden konnten.

Bei der vorigen Wahl im September 2019 erhielt Meretz zusammen mit Ehud Barak 5 Sitze und die Arbeitspartei zusammen mit einer dritten Liste („Gesher“ = „Brücke“) 6 Sitze, insgesamt hatte die „zionistische Linke“ also 11 Sitze erhalten. Bei der jetzigen Wahl kandidierten diese drei Parteien zusammen als Labour-Meretz-Gesher und gewannen insgesamt nur noch 7 Sitze. Der Verlust von vier Sitzen zeigt, dass viele jüdische Linke aufgehört haben, für die zionistischen Linksparteien zu stimmen, und deutet darauf hin, dass sie sich entweder nach rechts (Blau-Weiß) oder zur Vereinte Liste nach links gewandt haben.

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Ein Kommentar

  1. Liebes Bündnis, Wie immer, aber vielleicht diesmal noch mehr: Sehr informativ und verständlich! Danke! Peter

    Von meinem iPhone gesendet

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