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Israels Annexionspläne könnten das politische System Jordaniens destabilisieren
Zusammenfassung: Jordanien befindet sich in einem Dilemma. Es war immer ein stiller, aber enger Verbündeter Israels, obwohl es ein Land mit einer palästinensischen Mehrheit ist. König Abdullah II. muss entscheiden, ob er das Friedensabkommen mit Israel von 1994 und das lukrative Erdgasgeschäft beenden will. Die Mehrheit der Jordanier möchte, dass er dies tut, aber seine Regierung ist auf internationale Unterstützung und auf enge Beziehungen zu Israel angewiesen.

Kann Jordanien die Annexionspläne Israels im Westjordanland stoppen? Im Koalitionsvertrag der neu vereidigten israelischen Regierung ist für Juli der Beginn der Annexion von Teilen des Westjordanlandes vereinbart, in direkter Verletzung des Völkerrechts (siehe BIP-Aktuell #117). Verteidigungsminister Benny Gantz kündigte bereits an, er wolle darüber hinaus Trumps „Friedensplan“ in seiner Gesamtheit umsetzen – was die weitgehende Annexion der völkerrechtlich illegalen israelischen Siedlungen einschließen würde.

Es ist klar, dass die Vereinigten Staaten Israel nicht im Wege stehen werden, wenn es Land gewaltsam an sich reißt und die Rechte der palästinensischen Bevölkerung verletzt. Genauso wenig wird es die Europäische Union tun, deren unentschlossene, zahnlose Außenpolitik nun weit vernünftiger klingt als die neuformulierte US-Außenpolitik, aber letztlich nur schönere Worte ohne Konsequenzen in die Welt setzt. Das Königreich Jordanien hat jedoch mehrfach gewarnt, dass es nicht tatenlos zusehen wird, wenn Israel Teile des Westjordanlandes annektiert oder die Religionsfreiheit in der Altstadt von Jerusalem verletzt. (Art. 9 des Friedensvertrages zwischen Israel und Jordanien von 1994 garantiert Jordanien die Hoheit über die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom). Kürzlich hat König Abdullah II. von Jordanien in einem Interview mit dem Spiegel erklärt, die Annexion würde zu einem „massiven Konflikt“ zwischen Israel und Jordanien führen.

Der israelische Rechtsextremist, Führer der Partei „Israel, unser Haus“ Avigdor Lieberman behauptet, Netanjahu habe König Abdullah in einem Brief mitgeteilt, dass die Annexion nur ein leeres Wahlversprechen sei, das nicht eingehalten werde. Netanjahu streitet dies ab, aber Jordanien bestreitet die Existenz dieses Briefes nicht. Unabhängig davon, ob ein solcher Brief geschrieben wurde oder nicht, drängt Lieberman Netanjahu in eine Ecke: die Annexion um jeden Preis voranzutreiben.


Karte von Jordanien. Quelle: Wikipedia.

„Die jordanische Option“
Rechtsextreme Israelis, und auch der ehemalige Premierminister Ariel Scharon, haben das Mantra „Jordanien ist Palästina“ in der so genannten „jordanischen Option“ wiederholt. Die Mehrheit der jordanischen Bevölkerung ist palästinensischer Abstammung, eine Folge der Vertreibung im Jahr 1948. Daher haben rechte Israelis wiederholt vorgeschlagen, die Zwei-Staaten-Lösung durch die sogenannte „jordanische Option“ umzusetzen: Jordanien wird als „Palästina“ definiert und Palästinenser werden aus allen Gebieten westlich des Jordans (Israel, Gazastreifen und Westjordanland) nach Jordanien vertrieben.

Israel hatte mehrere Gelegenheiten, die „jordanische Option“ auszuprobieren, z.B während des 1967er Kriegs. Israelis glaubten, dass das israelische Militär viel stärker war als das jordanische Militär. Ungeachtet dessen unterzeichnete Israel 1994 einen Friedensvertrag mit Jordanien. In diesem Abkommen kamen Jordanien und Israel überein, den Jordan als jordanische Grenze anzuerkennen – und ignorierten dabei die Möglichkeit der Gründung eines palästinensischen Staates. Trotz der Beliebtheit der „jordanischen Option“ unter den rechten Israelis verfolgte Scharon sie auch als Premierminister (2001-2006) nicht.

Israels geheimer Verbündeter
Der Grund dafür, dass die „jordanische Option“ von den israelischen Regierungen nie versucht wurde, liegt darin, dass eine sehr lange Abhängigkeit des Staates Israel vom Haschemitischen Königreich besteht. Dies ist das Land mit der längsten Grenze zu Israel, daher ist die geheime Zusammenarbeit mit Jordanien von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung Israels, insbesondere zum Beispiel bei der Zuteilung des Wassers des Jordan. Der Historiker Avi Shlaim zeigte, dass jordanische Vertreter bereits 1949 geheime Treffen mit israelischen Vertretern abhielten. Dem Krieg von 1967 trat Jordanien nur widerwillig bei. Als ein Land, das noch immer von einer vom britischen Empire eingesetzten Dynastie regiert wird, bleibt Jordanien ein Vorposten westlicher Interessen im Nahen Osten und war daher schon vor dem Friedensvertrag von 1994 ein stiller Verbündeter Israels. 1970 versuchten Palästinenser unter der Führung von Jassir Arafat, die Haschemiten-Dynastie zu stürzen und eine palästinensische Demokratie zu errichten, ironischerweise ähnlich der israelischen „jordanischen Option“. Ihre Rebellion wurde mit brutaler Gewalt niedergeschlagen, was als „Schwarzer September“ in die Geschichte  einging, der zur Vertreibung der PLO-Führung in den Libanon (und später nach Tunesien) führte. 1988 gab König Hussein von Jordanien seine Ansprüche auf das Westjordanland auf – das Jordanien im 1967er Krieg an Israel verloren hatte – und verlangte nicht mehr, dass es wieder unter jordanische Herrschaft gestellt wird.

Bis zum heutigen Tag ist Jordanien von der Militärhilfe der USA in Höhe von jährlich etwa 1,5 Milliarden US-Dollar abhängig – die nicht dazu verwendet wird, Jordanien vor ausländischen Feinden zu schützen (es hat keine), sondern um die Bevölkerung durch das Militär unter Kontrolle zu halten. In den Golfkriegen von 1991 und 2003 erlaubte Jordanien den USA, sein Territorium als Stützpunkt für die Invasion des Irak zu nutzen. Jordanien ist auch auf Geld aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten angewiesen, das zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards der Bevölkerung beiträgt, sowie auf die Hilfe der UNO, der EU und anderer internationaler Organisationen im Austausch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien.


König Abdullah II. Quelle: Wikipedia

Das Gasgeschäft
Wie schon früher, besteht auch heute eine große Kluft zwischen der offiziellen Position des jordanischen Königs und der öffentlichen Meinung. Trotz massiver Proteste im ganzen Land unterzeichnete Jordanien 2016 ein Abkommen mit Israel über den Kauf von Erdgas, das von israelischen Bohrinseln im östlichen Mittelmeer gefördert wird.

Premierminister Netanjahu hatte sich mit König Abdulllah getroffen und ihn überredet, das Gas zu kaufen, da die israelischen Statistiken einen stetigen Rückgang der Rohstoffexporte auswiesen und die Regierung befürchtete, dass dies als Folge der BDS-Bewegung interpretiert werden könnte. Um eine Panik in der israelischen Wirtschaft zu verhindern, musste Netanjahu die Exporte schnell steigern, und Jordanien war bereit zu helfen. Im Gegenzug erhielt Jordanien einen erheblichen Rabatt auf das Gas sowie weitere Vorteile, die das Geschäft sehr attraktiv machten. König Abdullah beschloss, das Abkommen trotz der Proteste auf den Straßen Ammans zu unterzeichnen.

Mit der Vereidigung der neuen israelischen Koalition, die die Annexion palästinensischen Landes anstrebt, hat in Jordanien die Forderung, das Gasgeschäft zu annullieren, wieder vermehrt Unterstützung gewonnen.

Was sind Jordaniens Optionen?
Einige israelische Journalisten spekulierten, dass Jordanien keine andere Wahl haben würde, als den Friedensvertrag zu kündigen, wenn Israel im Juli mit der Annexion Ernst machen sollte. Dies würde auch die Beendigung des Erdgasabkommens bedeuten. König Abdullah war zurückhaltend, diese Spekulation zu bestätigen oder zu dementieren: „Ich will keine Drohungen ausstoßen und eine Atmosphäre des Streits provozieren“, sagte er in Der Spiegel. Der König weiß, dass ein solch drastischer Schritt ihn die weitere US-Hilfe, die Unterstützung aus Saudi-Arabien und das billige Gas aus Israel kosten kann. Ohne diese Faktoren ist das Königreich in seiner Existenz bedroht. Dass Jordanien während des arabischen Frühlings 2011 eines der stabilsten arabischen Länder war, lag unter anderem daran, dass es dem König gelungen war, die Bevölkerung mit einem starken Militär und subventionierten öffentlichen Diensten unter Kontrolle zu halten. Aber wenn Israel die Annexion vorantreibt und der König eines Landes mit einer palästinensischen Mehrheit sich entschließt zu schweigen, könnte ihn das die Krone kosten.

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