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Palästinensisches Land wird nach wie vor enteignet, auch wenn sich die angekündigte Annexion eines Drittels des Westjordanlandes verzögert
Zusammenfassung: Auf dem Gebiet der Kleinstadt Asira Al-Shamaliya wurde ein illegaler Außenposten errichtet. Man nutzte die Tatsache aus, dass sich die Aufmerksamkeit der Welt auf die israelische Drohung konzentriert, ein Drittel des Westjordanlandes zu annektieren. Obwohl ein solcher Außenposten auch sogar gegen israelisches Recht verstößt, schützt ihn das israelische Militär und konfiszierte zusätzliches Land, um die Palästinenser von ihrem eigenen Land neben dem Außenposten fernzuhalten. Kolonisten haben das Feuer eröffnet und einen 67-jährigen Bauern verletzt, aber es wurde keine Anklage gegen sie erhoben.

Die israelische Regierung hatte beschlossen, am 1. Juli ein Drittel des Westjordanlandes zu annektieren, hat dies jedoch fast einen Monat später noch nicht getan. Viele Aktivisten auf der ganzen Welt haben ihre Bemühungen darauf konzentriert, gegen die bevorstehende Annexion zu protestieren, und atmeten erleichtert auf, als die Annexion (vielleicht auf unbestimmte Zeit) verschoben wurde, aber in der Realität vor Ort in Palästina gehen Besatzung, Beschlagnahme von Land und ethnische Säuberungen selbst in Zeiten der Covid-19-Krise unvermindert weiter.

Das Städtchen Asira Al-Shamaliya war im Juli das Ziel der israelischen Besatzungstruppen. Der Name der Stadt Asira bedeutet auf Arabisch „Saft“, und es gibt zwei Kleinstädte mit diesem Namen, südlich und nördlich von Nablus. Asira Al-Shamaliya („das nördliche Asira“) liegt nur 3,5 Kilometer nördlich von Nablus. Als Gebirgsstadt verfügt sie über einen strategischen Vorteil gegenüber dem niedriger gelegenen Gebiet und wird daher von den Kolonisten begehrt, deren Ziel es ist, das höher gelegene Gebiet einzunehmen, um das besetzte Westjordanland von befestigten Stellungen aus zu kontrollieren. Das Städtchen ist an den Hängen des Berges Aybal oder Eibal erbaut, der in der Bibel erwähnt wird. In Asira Al-Shamaliya leben über 8.000 Menschen.


Parkgelände in Asira Al-Shamaliya. Quelle: The Advocacy Project, Flickr, 2015.

Der folgende Bericht beruht auf einem Text, der von Oren Ziv, einem Journalisten und Fotografen für ActiveStills, geschrieben und sowohl auf Hebräisch als auch auf Englisch am 14.7. in Local Call und +972 Magazine veröffentlicht wurde. Ziv berichtet, dass die Kolonie, die auf dem Land von Asira Al-Shamaliya gegründet wurde, mit zwei Wohnwagen und einem Tierstall auf privatem Land palästinensischer Bauern begann. Solche Landbesetzungen werden von der israelischen Regierung Außenposten (outposts) genannt und sind selbst nach israelischem Recht illegal, weil sie auf Initiative der Kolonisten selbst und nicht nach den Plänen der Regierung errichtet wurden. Sie sind auch nach dem Völkerrecht aus zwei Gründen illegal. Der erste Grund ist die Verletzung des Verbots nach der 4. Genfer Konvention, Bevölkerung in ein besetztes Gebiet zu transferieren. Der zweite Grund ist, dass mit den Außenposten die Grenze zwischen einer militärischen Anlage und einer zivilen Ortschaft verwischt werden. Ein befestigter Außenposten auf einem strategischen Gebiet, das Nablus überblicken soll, auf Land, das den Eigentümern gewaltsam abgenommen wurde, ist eindeutig ein militärischer Außenposten. Die Kolonisten sind jedoch nicht als Soldaten registriert, in den meisten Fällen handelt es sich um Familien. Palästinenser können sich nicht gegen solche Übergriffe auf ihr Land wehren, ohne gegen Zivilisten vorzugehen, und das bedeutet, dass die israelische Regierung Zivilisten faktisch als menschliche Schutzschilde benutzt, um palästinensisches Land zu konfiszieren.

Da die Außenposten nach israelischem Recht illegal sind, ist das israelische Militär verpflichtet, sie zu räumen. Stattdessen kamen israelische Soldaten in großer Zahl nach Asira Al-Shamaliya, um den Außenposten zu schützen. Sie lösten nicht nur einen gewaltlosen Protest der Palästinenser gegen den illegalen Außenposten mit Gewalt auf, sondern umgaben den Außenposten auch mit einer so genannten „sterilen Zone“, die Palästinenser nicht betreten dürfen. Diese „sterile Zone“ dient angeblich der Sicherheit der Kolonisten. Aber sie kann von den Kolonisten betreten werden, und daher können sich die Kolonisten auf dem ganzen Hügel bewegen, ohne dass sie für das Land bezahlen müssen. Israelische Bulldozer errichteten einen Wall aus Felsbrocken um die sterile Zone, blockierten damit eine Straße, die die Palästinenser bisher benutzten, und versperrten damit den örtlichen Palästinensern den Zugang zu ihrem Land.


Nablus von oben. Quelle: Hoshvilim, Wikipedia, 2017.

Electronic Intifada veröffentlichte am 15.7. einen Artikel des in Bethlehem lebenden Journalisten Akram al-Wa’ara. Al-Wa’ara konzentrierte sich auf die palästinensischen Proteste gegen den Bau des Außenpostens, die Beschlagnahmung von Land und auf die Felsbrocken, die von den israelischen Behörden aufgestellt wurden, um die Palästinenser daran zu hindern, Fahrzeuge auf ihrem eigenen Land zu benutzen. Al-Wa’ara berichtet, dass am 5. Juli der 67-jährige unbewaffnete palästinensische Bauer Dahoud Hassan von den Kolonisten des Außenpostens angeschossen wurde, sie danach seinen Sohn Abdullah daran hinderten, ihn ins Krankenhaus zu bringen, und dieser warten musste, bis sie sich zurückgezogen hatten. Dahoud Hassan wurde verletzt, überlebte aber glücklicherweise. Keiner der Kolonisten wurde verhaftet.

Der Außenposten wurde von den so genannten „hilltop youth“ (Hügel-Jugend) errichtet, extremistischen Kolonisten, die auf Trumps Plan reagierten, indem sie die Kampagne „it’s all ours“ starteten, um strategische Außenposten zu errichten und die Chancen der Palästinenser auf den Aufbau eines eigenen Staates zu sabotieren. Hagar Shezaf von Haaretz berichtet, dass der illegale Außenposten auf Land gebaut wurde, das nach Trumps „Deal des Jahrhunderts“ unter palästinensische Kontrolle gestellt werden sollte. Die USA protestierten jedoch nicht dagegen, dass Israel gegen den Rahmen des „Deals“ verstößt.

Ganze israelische Militäreinheiten bewachen winzige Außenposten. Öffentliche Gelder stellen die Infrastruktur für die neuen Außenposten bereit. Und sobald diese die Größe einer kleinen Siedlung erreicht haben, erhalten sie eine rückwirkende Genehmigung des israelischen Verteidigungsministeriums und gelten nicht mehr als Außenposten, sondern als normale Kolonie (nach wie vor völkerrechtswidrig). Das Verfahren wurde von der israelischen Staatsanwältin Talia Sasson in ihrem viel beachteten Bericht von 2006 enthüllt. Die Geschichte von Asira Al-Shamaliya ist die Geschichte von Hunderten von Außenposten, die seit Ende der 1970er Jahre genau nach diesem Verfahren errichtet wurden.

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Prof. Dr. Rolf Verleger, BIP-Vorsitzender 

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Wöchentliche BIP-Empfehlungen:

Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters für Palästina, Michael Lynk, über die Anwendung von Kollektivstrafen durch die israelischen Besatzungstruppen hat weltweit Reaktionen hervorgerufen.

Während unser Blog dieser Woche sich auf die Geschichte von Asira Al-Shamaliya konzentriert, beschreibt der Artikel von Gideon Levy vom 17. Juli die Probleme von Palästinensern aus Gemeinden um Jericho, die versuchen, auf ihrem eigenen Land ein neues Dorf zu bauen, und von Kolonisten eines illegalen Außenpostens und von Soldaten angegriffen werden.

Der Deutsche Koordinationskreis Palästina Israel (KoPI) hat ein empfehlenswertes Flugblatt zur geplanten Annexion palästinensischer Gebiete durch Israel herausgebracht.

Ein offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde veröffentlicht, in dem eine klare und kohärente Position der deutschen Regierung gegen die geplante israelische Annexion und gegen die Unterstützung aggressiver israelischer Institutionen gefordert wird.

Tag: 25. Juli 2020