„Ein verrücktes und gefährliches Glücksspiel“
Krieg gegen Iran- Erfreulich
- „Ich habe mir den Tod gewünscht“: Die Folterung eines Palästinensers an einem israelischen Kontrollpunkt
Der unprovozierte Angriff Israels auf den Iran hat eine massive Eskalation ausgelöst. Israel nannte die Operation „Rising Lion (sich erhebender Löwe)“ und bezog sich dabei auf ein Bibelzitat, das auf Blutrausch hinweist. Die israelische Regierung ist sogar bereit, 4.000 Israelis in diesem Krieg zu opfern. Rechtsgerichtete Aktivisten äußerten ihre Freude darüber, dass einige der getöteten Israelis Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft sind. Obwohl Tod, Verletzung und Zerstörung in Israel ein geringeres Ausmaß haben als im Iran, wächst die Panik in Israel. Die Regierung verbietet Israelis, das Land zu verlassen, und viele fliehen illegal. Journalisten warnen, dass Netanjahu sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen hat – Israels Hybris könnte sein Verderben sein.
Am 13. Juni startete Israel einen umfassenden und unprovozierten Angriff auf den Iran – angeblich, um das iranische Atomprogramm zu zerstören. Der Angriff hatte andere Gründe, denn das iranische Atomprogramm wurde bislang nicht zerstört. In dem im März dieses Jahres veröffentlichten Annual Threat Assessment of the U.S. Intelligence Community (jährliche Bewertung der Bedrohungslage durch den Zusammenschluss der 18 Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten) heißt es: „We continue to assess the Iran as not building a nuclear weapon and that Khamenei has not reauthorized the nuclear weapons program he suspended in 2003, though pressure has probably built on him to do so.“ (S. 26) Unter Berufung auf vier Geheimdienstquellen berichtete CNN am 17.6.2025, dass der Iran nicht nur nicht aktiv nach einer Atomwaffe strebe, sondern auch bis zu drei Jahre davon entfernt sei, eine solche herstellen und zu einem Ziel seiner Wahl schicken zu können.
Die iranische Regierung erklärte, dass Israels Angriff eine Kriegserklärung sei und schlug mit Langstreckenraketen und Drohnenangriffen zurück. Hunderte von Menschen wurden im Iran getötet, zumeist Zivilisten, und Dutzende von Menschen in Israel, ebenso zumeist Zivilisten.
Die Trümmer in der Patrick-Lumumba-Straße in Teheran nach dem israelischen Bombenangriff. Quelle: 2025, Instagram.
Israels Kriege und Militäroperationen tragen oft biblische Namen, ein Akt des Missbrauchs der jüdischen Tradition und Kultur, um das Töten von Menschen zu beschönigen und als „jüdische“ Tat darzustellen. Die derzeitige rechtsextreme Regierung in Israel ist auch eine Regierung religiöser Fanatiker, die über besondere Kenntnisse jüdischer Texte verfügen. Israels Angriff, der den Waffenstillstand in Gaza am 18. März verletzte, wurde beispielsweise „Gideons Streitwagen“ genannt – eine Anspielung auf eine Geschichte im Buch der Richter, die mit einem Sieg endet, obwohl nur eine geringe Anzahl von Soldaten zur Verfügung stand (siehe BIP-Aktuell #345).
Die israelische Regierung gab ihrem Angriff auf den Iran ebenfalls einen biblischen Namen: „Rising Lion (Sich erhebender Löwe)“. Der Hinweis stammt aus Kapitel 23, Vers 24 des Buches Numeri:
„Ein Volk wie ein Löwe, der aufsteht, / wie ein Raubtier, das sich erhebt. / Es legt sich nicht hin, / bevor es die Beute gefressen / und das Blut der Erschlagenen getrunken hat.“
Es ist nicht zu übersehen, dass dieser von bibelkundigen Politikern gewählte Name darauf abzielt, Israel als blutrünstiges Raubtier zu bezeichnen, das das Blut seiner Feinde trinkt.
Als Folge dieses Krieges sind Tod, Leid und Zerstörung im Iran, aber auch in Israel weit verbreitet. Die israelische Regierung teilte mit, dass sie bei ihrer Einschätzung, wie der Krieg verlaufen könnte, davon ausging, dass etwa 4.000 Israelis durch den iranischen Vergeltungsschlag getötet werden würden, und beschloss, den Angriff dennoch fortzusetzen, bereit, eine große Zahl von Israelis zu opfern.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Juni wurden in der Stadt Tamra in Israel vier Frauen durch iranische Raketen getötet. Tamra ist eine palästinensische Stadt, und die Frauen waren Palästinenserinnen. In palästinensischen Gemeinden gibt es kaum Bunker und Schutzräume. Israelische rechte Aktivisten feierten den Tod dieser Frauen, obwohl sie von einem so genannten „feindlichen“ Staat, dem Iran, getötet wurden. Dies zeigt, dass die in der israelischen Öffentlichkeit verbreitete völkermörderische Absicht nicht nur gegen die Bevölkerung des Gazastreifens gerichtet ist, sondern gegen alle Palästinenser, unabhängig davon, wo sie leben, und zwar nur aufgrund ihrer Identität.
Die zivilen Flughäfen Israels wurden während des Krieges geschlossen. Die Flugzeuge wurden vor dem israelischen Angriff nach Zypern gebracht, um sie vor dem Bombardement zu schützen. Als die blutrünstigen Pläne der israelischen Regierung, vor allem auch ihre Bereitschaft, 4.000 Israelis zu opfern, bekannt wurden, haben viele israelische Bürger versucht, das Land zu verlassen. Die Verkehrsministerin Miri Regev kündigte an, dass es den Fluggesellschaften verboten sei, Israelis ausreisen zu lassen. Tausende von Israelis bestechen stattdessen Bootseigentümer, die sie nach Zypern bringen sollen, von wo aus sie Flüge nehmen können. Darüber berichtet auch die israelische Schriftstellerin Lizzie Doron in einem Interview mit der FAZ https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton/2025-06-18/es-gibt-keine-normalitaet-mehr/1176384.html Diese Boote passieren die Passkontrolle auf israelischer Seite nicht (Quelle auf Hebräisch).
Im November 2023 warnte BIP Aktuell, dass Israels Krieg in Gaza zu einem regionalen Krieg eskalieren könnte (siehe BIP-Aktuell #280). Mehr als eineinhalb Jahre später hat der Krieg den Libanon, Syrien, den Jemen und nun auch den Iran erfasst. Dank US-amerikanischer und deutscher Militärhilfe befindet sich Israel im Kriegszustand mit etlichen Ländern des Nahen Ostens.
Israels größte Ölraffinerie in Haifa wurde direkt getroffen. Quelle: 2025, Ynet.
Der bekannte israelische Journalist Raviv Drucker nannte den Krieg „ein verrücktes Spiel mit dem Schicksal von uns allen“ (Quelle auf Hebräisch). Ein anderer Journalist, Uri Misgav, nannte ihn „das perfekte Verbrechen“ gegen das israelische Volk (Quelle auf Hebräisch). Diese beiden Journalisten kritisieren die selbstbezogene jüdische israelische Öffentlichkeit, die das Leiden der Palästinenser und Iraner als zweitrangig betrachtet. Anders als diese beiden Journalisten schrieb Orly Noy, die Vorstandsvorsitzende der Menschenrechtsorganisation B’tselem, dass „Israels größte Bedrohung nicht der Iran oder die Hamas ist, sondern seine eigene Hybris“.
Israels Krieg gegen den Iran hat die Aufmerksamkeit der internationalen Medien von dem anhaltenden Völkermord im Gazastreifen abgelenkt. Möglicherweise war dies eines der Ziele für den Beginn des Krieges. Die internationalen Medien hatten nämlich begonnen, Israel für das absichtliche Aushungern der Bevölkerung zu kritisieren. Während Israels Kampfflugzeuge Teheran bombardierten, überfielen israelische Streitkräfte Palästinenser in Gaza in den Lebensmittelverteilungszentren und töteten allein am 16. Juni 56 von ihnen. „Israels Mittel und Methoden der Kriegsführung fügen den Palästinensern im Gazastreifen entsetzliches, unvorstellbares Leid zu“ – so UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk.
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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter steht an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!
IALANA Deutschland verurteilte den Angriff Israels auf den Iran umgehend als gravierenden Verstoß gegen das Völkerrecht.
Diese eklatante Missachtung internationaler Normen untergrabe das Fundament einer auf Recht basierenden Weltordnung und berge unkalkulierbare Risiken für die globale Sicherheit.
https://www.ialana.de/2025-06-14-pressemitteilung-die-ialana-deutschland-verurteilt-den-gravierenden-voelkerrechtsverstoss-und-warnt-eindringlich-vor-nuklearer-eskalation/
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
„Ich habe mir den Tod gewünscht“: Die Folterung eines Palästinensers an einem israelischen Kontrollpunkt
Ezzedine Abu Rabie, 28, lebt im Flüchtlingslager Al-Fawwar, südlich von Hebron (Al-Khalil). Er arbeitet als Vertreter einer Versicherungsgesellschaft und muss für seine Arbeit regelmäßig zwischen Städten im besetzten Westjordanland hin- und herreisen – Reisen, die unter der militärischen Besatzung voller Gefahren sind.
Doch nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was er am 1. Juni ertragen musste, als israelische Soldaten ihn an einem Kontrollpunkt in der Nähe von Jericho stundenlang folterten und demütigten.
Im besetzten Westjordanland haben die Palästinenser gelernt, dass selbst ein Mobiltelefon ein Grund für eine Verhaftung oder einen Angriff sein kann. Nachrichten-Apps und Bilder, die sich auf den Krieg in Gaza beziehen, können zu Anschuldigungen wegen Aufwiegelung und zu brutalen Schlägen oder Inhaftierung führen, auch wenn offiziell keine Anklage erhoben wird.
An israelischen Kontrollpunkten – inzwischen gibt es über 900 im gesamten Westjordanland – verlangen Soldaten routinemäßig palästinensische Ausweise und Handys. Wenn Fotos oder Nachrichten-Apps gefunden werden, wird der Besitzer verprügelt. Hat er die Apps gelöscht, wird er ebenfalls verprügelt – mit dem Vorwurf, er habe versucht, etwas zu verbergen. Das Ergebnis ist dasselbe: Körperverletzung oder Verhaftung.
Keine Rechenschaftspflicht
In der Westbank sind Angriffe durch israelische Siedler und Soldaten fast tägliche Realität. Wenn Palästinenser versuchen, vor israelischen Gerichten Gerechtigkeit zu erlangen, werden ihre Klagen regelmäßig abgewiesen, und die Täter bleiben ungestraft.
Omar Rahal, Direktor des Shams Center for Human Rights, verwies auf ein verbreitetes palästinensisches Sprichwort: „Wenn dein Feind der Richter ist, bei wem sollst du dich dann beschweren?“ Dieser Satz bringt zum Ausdruck, was viele Palästinenser empfinden – dass das israelische Rechtssystem grundsätzlich zugunsten von Soldaten und Siedlern voreingenommen ist.
Rahal erklärte, dass das System mit doppelten Standards arbeite und weder das humanitäre Völkerrecht noch die Menschenrechte respektiere.
„Es gibt Hunderte von Fällen, in denen Soldaten Morde, Verletzungen, Entführungen, Schläge und Demütigungen begangen haben“, sagte Rahal. „Einige Zivilisten wurden sogar vor laufender Kamera hingerichtet – und die Aufnahmen zeigten eindeutig, dass es sich um vorsätzliche Morde handelte.“
Dennoch habe die israelische Justiz „nichts unternommen“, fügte er hinzu. „Höchstens muss ein Soldat ein oder zwei Monate in einer sozialen Einrichtung verbringen.“
Rahal sagte, das System sei politisiert und darauf ausgelegt, die Besatzungsarmee und die politische Führung vor der Rechenschaftspflicht für ihre anhaltenden Menschenrechtsverletzungen gegen Palästinenser zu schützen.“
Der komplette Beitrag mit Fotos der Verletzungen, die Ezzedine Abu Rabie von israelischen Soldaten am Checkpoint zugefügt wurden, unter:
https://www.palestinechronicle.com/i-wished-for-death-a-palestinian-mans-torture-at-an-israeli-checkpoint/?utm_source=emailoctopus&utm_medium=email&utm_campaign=The%20Palestine%20Chronicle%20Newsletter%2C%20June%2014%2C%202025
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