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Am 24. Mai 2017 wurde in München der Israel-Tag unter dem Motto der „Wiedervereinigung Jerusalems“ gefeiert. Oberbürgermeister Reiter hatte die Schirmherrschaft übernommen – nach Aussage seiner Mitarbeiterin „war ihm allerdings das Motto der Veranstaltung zum Zeitpunkt der Übernahme noch nicht bekannt.“

Ost-Jerusalem war – wie die gesamte Westbank – bis Juni 1967 unter jordanischer Verwaltung und wurde während des sogenannten Sechs-Tage-Krieges wie die Westbank von Israel besetzt. Die von Israel ausgerufene Annektierung Ost-Jerusalems gilt gemäß UN-Resolution 242 seit Juni 1967 als völkerrechtswidrig. Darin heißt es, Israel habe sich aus den Besetzten Palästinensischen Gebieten zurückzuziehen – auch aus Ostjerusalem. Kein Staat der Welt platziert daher seine Botschaft in Jerusalem, sondern in Tel Aviv.

In den Tagen nach dem Ende des Juni-Krieges 1967 begann Israel sofort mit der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung; das Viertel gegenüber der Klagemauer, das seit dem 12. Jahrhundert als „Mughrabi“-Viertel bekannt war, wurde innerhalb eines Tages niedergerissen, die arabischen Bewohner in Lastwagen vor die Tore der Stadt gesetzt. Straßen und Plätze wurden in hebräische Namen umbenannt, das jüdische Viertel grundsaniert, archäologische Stätten mit dem Ziel eingerichtet, Zeugnis jüdischer Geschichte abzugeben – zur Not mithilfe fadenscheiniger Interpretationen.


Vertreibung der Palästinenser aus Silwan


Zerstörte palästinensische Häuser in Silwan (Foto: Götz Schindler)

Seit den 1970er Jahren hat Israel keine Mühen gescheut, Kontrolle über das Dorf Silwan zu erlangen – durch staatlich angeordnete Hauszerstörungen (allein im Jahr 2015 gab es für 88 Häuser Abrissverfügungen) sowie durch gut finanzierte private Aktivitäten oder national-religiöse Organisationen, etwa der Ir David Foundation (Stadt-David-Stiftung), besser bekannt als Elad. Erklärtes Ziel von Elad ist, Silwan „araberfrei“ zu machen, wörtlich: „… to erase the Arab presence in the east of the city“ (die Gegenwart der Araber im Osten der Stadt zu eliminieren). Elad, 1986 gegründet, konzentriert sich vor allem auf den Aufkauf von Häusern von Palästinensern, die dann an jüdische Familien vermietet werden. In vielen Fällen wird von „Überredungsstrategien“, von Strohmännern und von erpressten oder gefälschten Unterschriften berichtet. Dr. Meir Margalit, jüdischer Stadtrat von Jerusalem, zuständig für den Ostteil der Stadt und Mitgründer der Initiative gegen Hauszerstörungen ICAHD, berichtet mit Sorge, dass Elad eigenen Angaben zufolge 2010 bereits 70% der Fläche der „Stadt Davids“ – so wird Silwan von den Siedlern genannt – unter Kontrolle habe.
Andere palästinensische Stadtteile wie Sheikh Jarrah erlebten ein ähnliches Schicksal.


Mythos der „Stadt Davids“

Rechtsgerichtete jüdische Organisationen behaupten, man müsse den Boden zurückgewinnen, auf dem David sein Königreich errichtet habe – angeblich Silwan. Elad sicherte sich also den Auftrag der Regierung, die Kontrolle über die archäologische Stätte und die Ausgrabungen übertragen zu bekommen. Unabhängige Archäologen haben jedoch Anhaltspunkte dafür, dass bei den Ausgrabungen nur Artefakte gesichert werden, die die Auffassung Elads über die Lage des Königreich Davids stützen.


Einkreisung Ost-Jerusalems


Grafik aus Jaff Halpers Buch ‚Obstacles to Peace‘ (Quelle: ICAHD)

Meir Margalit hat sich intensiv mit der Einkreisung Ost-Jerusalems durch jüdische Siedlungen und staatliche Institutionen wie z.B. dem Polizeihauptquartier beschäftigt. Er kommt zum Ergebnis, dass die spezielle Lage der Siedlungen kein Zufall ist, sondern einem strategischen Plan folgt, der sowohl religiöse als auch politische Implikationen hat. Mit dem Ring israelischer Siedlungen um die Altstadt soll sichergestellt werden, dass Jerusalem niemals geteilt werden kann.

Grafik der Altstadt von Jerusalem von 2010 (Quelle: ICAHD)

Nach 2000 ist die Einkreisung Ost-Jerusalems intensiviert worden: Durch Errichtung von Siedlungen in Ost-Jerusalem, teils durch zwielichtigen Erwerb ganzer Häuser oder einzelner Stockwerke inmitten des muslimischen Viertels. Prominentestes Beispiel ist das Haus am Damaskustor unmittelbar am Eingang zum muslimischen Viertel, das im Auftrag Ariel Sharons gekauft wurde.


Haus von Ariel Sharon mit israelischer Flagge unterhalb des Damaskustors (Foto: Götz Schindler)

Durch den Kauf sollte die israelische Präsenz in der Altstadt unterstrichen werden – gewohnt hat er darin jedoch nie. Die meisten Häuser werden nicht einmal gekauft, sondern aus „Sicherheitsgründen“ konfisziert und dann von Siedlern besetzt oder Einrichtungen wie dem „jüdischen Zivilschutz“ zur Verfügung gestellt. Die Zunahme israelischer Flaggen und der Überwachungskameras, die von den neuen Bewohnern installiert wurden, ist nicht zu übersehen.


In der gesamten Altstadt Jerusalems sind Überwachungskameras und israelische Flaggen montiert (Foto: Götz Schindler)


Wiedervereinigung?! Nein: Landraub.

Unmittelbar nach dem sogenannten Sechs-Tage-Krieg 1967 wurde sofort mit dem Siedlungsbau, also dem Errichten neuer Wohngebiete in den Außenbezirken Jerusalems begonnen. Es entstanden ganze Viertel wie Gilo, Ramat Shlomo oder Ramat Eshkol, die von der israelischen Bevölkerung in keiner Weise und zu keiner Zeit als „Siedlungen auf besetztem Gebiet“ wahrgenommen wurden. Vielmehr wurde das Einverleiben der Randbezirke Jerusalems in allen Medien als „Wiedervereinigung“ dargestellt – nach dem Motto „es wächst zusammen, was zusammen gehört“. Dass dies auf Kosten Hunderttausender enteigneter, vertriebener, entrechteter Palästinenser geschah, wird bis heute in keinem israelischen Geschichtsbuch erwähnt. Die Aufdeckung einer ganz anderen Geschichtsschreibung ist Historikern und Aktivisten zu verdanken, die zwar in Israel wenig Anerkennung finden, aber hierzulande und weltweit gehört werden.

Das Verbrechen, das tausendfach in Ostjerusalem an Palästinensern begangen wurde, in München am „Israel-Tag“ als „Wiedervereinigung“ zu feiern, ist also mehr als ein Ausrutscher. Unter anderen Umständen, in einem anderen Land, mit einer anderen Kräfteverteilung wäre dies für einen anständigen Bürgermeister ein Grund zum Rücktritt.


Persönliche Geschichten

Lesen Sie hier die Geschichten zweier Palästinenser, die die Auswirkungen der Besatzung Jerusalems zum Teil mit absurden Folgen zu spüren bekommen haben: Der Herzchirurg Nizar Hijjeh darf zwar in Jerusalem operieren, aber nicht Auto fahren; der Buchhändler Munther Fahmi verlor seine Aufenthaltserlaubnis, weil er mehrere Monate im Ausland verbrachte.

3 Kommentare

  1. sehr gut clemens

    Ingrid Rumpf schrieb am 11:12 Mittwoch, 31.Mai 2017:

    ——– Weitergeleitete Nachricht ——– | Betreff: | [Neuer Beitrag] BIB Thema der Woche #24: Jerusalem | | Datum: | Mon, 29 May 2017 17:56:57 +0000 |

  2. Wer verurteilt nicht die strategische Siedlungspolitik und -Praxis der Israelischen Regierung!
    Euer Bericht könnte aber noch überzeugender ausfallen, wenn Ihr Euch auf eine rein sachliche Darstellung beschränktet und auf ideologische Vermischungen verzichten würdet. Eine (auch meine) Solidarität mit dem palästinensischen Volk erlaubt es auch, auf die Rolle der Hamas hinzuweisen, die unter vielen Palästinensern verhasst ist. Ich sage das nicht aus der Ferne, ich war erst vor einem Jahr wieder in Palästina. Das Leiden dieses Volkes geht mir nahe.
    Claus Kloppenburg

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