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„Das ist unser Land

Zwei Wochen vor der Parlamentswahl am kommenden Dienstag (17. September) kündigte Netanjahu – wie schon vor der Wahl im April – Annexionen von Gebieten im besetzten Westjordanland an.

Zunächst bezog er sich auf die jüdischen Siedlungen im Westjordanland. „Das ist unser Land“, sagte Netanjahu vor Schulkindern in der Siedlung Elkana am 1.9. Es werde keine Räumung von Siedlungen mehr geben, bekräftigte er. „Wir werden die jüdische Souveränität auf alle Siedlungen ausweiten, als Teil des Staates Israel.“

Zur Erinnerung (z. B. hier in der Frankfurter Rundschau): Die UNO betrachtet alle israelischen Siedlungen im besetzten Palästina als illegal und sieht im israelischen Siedlungsbau eines der größten Hindernisse für eine dauerhafte Friedenslösung, weil die Wohneinheiten auf Land errichtet wurden, das die Palästinenser für ihren Staat beanspruchen.

Nun geht Netanjahu einen Schritt weiter. Für den Fall seiner Wiederwahl kündigte er am 10.9. die Annexion großer Teile des Jordangrabens an.


Netanjahu bei der Vorstellung des Annexionsplans am 10.9.
Überschrift auf der Karte: „Israelische Herrschaft im Jordantal und Totem Meer / Nord“. Foto: Keystone. Deutsche Hinzufügungen auf dem Foto: BIP.

Er tut das, um die Wähler für sich einzunehmen (vor allem die 600.000 Siedler sind eine von den rechten Parteien umworbene Wählerklientel). Denn seine rechtsnationale Partei, der Likud, liegt in den jüngsten Umfragen hinter dem Bündnis seines Widersachers Benny Gantz, und Benjamin Netanjahu befürchtet, die Wahl zu verlieren. Netanjahu steht unter Druck, weil Gantz fordert, selbst nach einer palästinensischen Staatsgründung müsse Israel die Kontrolle über das Jordantal behalten. (Quelle: Süddeutsche Zeitung).

Nur das Linksbündnis (der Meretz-Partei mit dem Ex-Premier Barak) und die Gemeinsame Liste arabischer Parteien lehnen die Annexionspläne grundsätzlich ab. (S. Beschreibung der Listenbündnisse hier.) Sie werden jedoch laut Umfragen bei der Wahl am 17. September zusammen nicht mehr als ein Fünftel der 120 Mandate erringen. Alle anderen Parteien streben die Annexion des Jordantals an.
Daher absolviert Netanjahu „auffällig viele“ Wahlkampftermine in jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland.

Die Forderung nach Annexionen des Westjordanlandes oder Teilen davon wurde auch früher schon erhoben. Bereits Ende 2017 stimmte das Zentralkomitee von Netanjahus Likud-Partei für eine Resolution, in der die Annexion der jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland verlangt wird: „Anwendung von israelischem Recht und Souveränität in allen befreiten Siedlungen in Judäa und Samaria“.
Die Regierung der USA gab daraufhin zwar kein offizielles grünes Licht für Annexionen, ermutigte aber die israelische Regierung faktisch dadurch, dass sich US-Präsident Trump im März 2019 dafür aussprach, die seit 1967 besetzten Golanhöhen als Teil Israels anzuerkennen. Netanjahu bedankte sich: „Israel hatte nie einen besseren Freund als Sie“.

Kurz danach, wenige Tage vor der Parlamentswahl im April 2019, kündigte Netanjahu in einem Fernsehinterview entsprechend dem Likud-Beschluss die Annexion jüdischer Siedlungsgebiete im Westjordanland an. Er werde in dem Palästinensergebiet israelische ´Souveränität´ ausüben und dabei keinen Unterschied zwischen ganzen Siedlungsblocks und isolierten Siedlungen machen.

Daraufhin erhielt Netanjahu im Juni 2019 Unterstützung durch den US-Botschafter in Israel, David Friedman: „unter bestimmten Bedingungen“ habe Israel „das Recht, sich einen Teil des Westjordanlands anzueignen.“

Ob nach der Präsidentschaftswahl in den USA weiterhin ein bester Freund Israels im Weißen Haus residieren wird, der durch die Ermunterung zu Annexionen Wahlkampfhilfe leistet, bleibt abzuwarten. Beto O’Rourke, einer der möglichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, hat sich – ebenso wie schon früher Bernie Sanders – gegen jegliche Annexion und für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser ausgesprochen.

Dies liegt auf einer Linie mit der EU: die EU werde keine Änderungen der vor 1967 bestehenden Grenzen anerkennen, die nicht zwischen beiden Seiten vereinbart worden seien, sagte am 11.9. ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Die israelische Siedlungspolitik und -tätigkeit sei nach dem Völkerrecht illegal und untergrabe die Bemühungen um eine Zweistaatenlösung und die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden.
Auch die Bundesregierung hat ihre bisher milde Kritik an der israelischen Regierung verschärft. Unter anderem beklagt sie die massive Einschränkung wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeiten der Palästinenser durch die israelische Militärverwaltung.

Ob sie diese Linie nach der Ankündigung der Annexion großer Teile des Jordangrabens beibehält, ist alles andere als sicher. Ausgewiesene Kenner der politischen Szenerie sind da sehr pessimistisch: „Die deutsche Regierung hat zwar jüngst Kritik am Vorgehen Netanjahus geäußert“ kommentiert Alexandra-Föderl-Schmid in der Süddeutschen Zeitung. „Aber Berlin wird sich nicht einmal trauen, diplomatische Instrumente anzuwenden, die bei anderen Staaten üblich sind wie die Einberufung des Botschafters. Aufrufe zur Mäßigung der Europäer ignoriert Netanjahu genauso wie ihre Forderungen nach einer Zwei-Staaten-Lösung.“

Und Thomas Ludwig resümiert in der Neuen Osnabrücker Zeitung (12.9.): „Russland wurde wegen seiner … Krim-Politik mit Sanktionen belegt. Dass es Israel mit seiner engen Westbindung ähnlich treffen könnte, ist schwer vorstellbar. Zweierlei Maß anstelle von Glaubwürdigkeit?“
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