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38 Opfer  als Folge  von Netanjahus „perfekter“ Operation

Die Operation „Schild und Pfeil“ war ein einseitiges Bombardement des Gazastreifens, bei dem 38 Menschen getötet wurden, 36 Palästinenser, eine Jüdin und ein chinesischer Staatsbürger. Es diente der rechtsextremen Regierung Israels, den aggressiven Forderungen der Rechtsextremen entgegenzukommen, was aber zugleich Zwietracht unter der Opposition säte und gleichzeitig die Hamas stärkte.

Die Operation „Schild und Pfeil“ war die jüngste Bombardierungskampagne Israels gegen den Gazastreifen. Im Gazastreifen wurden durch israelische Raketen 32 Menschen getötet, Dutzende wurden verwundet, Wohnhäuser wurden in die Luft gesprengt und auf der israelische Seite wurden durch palästinensische Raketen 3 Menschen getötet und Häuser wurden beschädigt. Hunderte von Israelis evakuierten ihre Häuser in der Umgebung des Gazastreifens, während die Menschen im Gazastreifen keine Möglichkeit hatten zu fliehen. Dutzende von Familien in Gaza bleiben obdachlos.

Der Angriff wurde als Racheakt für die Raketen dargestellt, die der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ) am 2. Mai von Gaza aus auf Israel abgefeuert hatte. Rache ist ein wesentlicher Bestandteil der israelischen Politik zur Behauptung der Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete einschließlich des Gazastreifens, aber die israelischen Behörden nennen es nicht Rache, sondern „Abschreckung„. Durch die israelische Bombardierung des Gazastreifens sollten hochrangige Mitglieder des PIJ ermordet werden und die Organisation so vom Abfeuern von Raketen abgehalten werden. Stattdessen motivierte das Feuergefecht den PIJ, noch mehr Raketen abzufeuern. 32 Palästinenser wurden im Gazastreifen getötet, darunter sechs Kinder, und zwei Palästinenser wurden von israelischen Streitkräften bei einer Razzia in der Stadt Qabatiya im nördlichen Westjordanland getötet. Von über ein Tausend PIJ-Raketen wurden auf der israelische Seite drei Menschen getötet: ein Gastarbeiter aus China und eine 80-jährige jüdische Frau. Ein palästinensischer Arbeiter aus dem Gazastreifen wurde von einer PIJ-Rakete innerhalb Israels getroffen und getötet.




Tamim Daoud, 4 Jahre alt, starb an Herzversagen aufgrund einer Panikattacke, die durch die Explosionen der israelischen Bomben in Gaza ausgelöst wurde. Quelle: Twitter.

Die Namen der sechs getöteten palästinensischen Kinder sind: Ali Ezz el-Din (9) und seine Schwester Mayar Ezz el-Din (11), die zusammen mit ihrem Vater Tariq getötet wurden, der beschuldigt wurde, ein PIJ-Kommandeur zu sein. Hajar al-Bahtini (5) wurde zusammen mit ihren Eltern bei einem durch eine israelische Bombe ausgelösten Brand getötet; ihre Schwester Sara al-Bahtini und ihre Brüder wurden verletzt und sind Waisen. Eman Adas (14) wurde ebenfalls durch israelische Bomben getötet. Tamim Daoud (4) starb an Herzversagen infolge einer Panikattacke, die durch den schweren israelischen Beschuss ausgelöst wurde. Lean Mudawekh (10) war das letzte Kind, ein Mädchen, das bei dieser Bombardierungsrunde getötet wurde.

Diese Todesfälle werden von den israelischen Behörden als „Kollateralschäden“ bezeichnet. Selbst israelische Politiker der sogenannten Linken sind nicht der Ansicht, dass die Palästinenser ein Existenzrecht haben, sie befürchten nur, dass ihre Tötung dem Ansehen Israels im Ausland schaden kann. Das Knessetmitglied Efrat Rayten von der Arbeitspartei (Opposition) twitterte:

„Die IDF führt eine erfolgreiche Operation zur Eliminierung ranghoher Dschihad-Mitglieder durch. Wir danken Gott, dass unsere Soldaten sicher nach Hause gekommen sind. Ich wünsche den Bewohnern Israels, insbesondere denen, die in der Nähe des Gazastreifens leben, ruhige Tage. Eine schwierige Aufgabe für Israel, wenn man bedenkt, dass Kinder, darunter ein 5-jähriges Mädchen, und Frauen von unseren Streitkräften getötet wurden. Bilder, die die Hasbara-Arbeit erschweren. Ben-Gvir ist von der Entscheidung, die Operation zu starten, ausgeschlossen. Die Botschaft: Ihr seid nicht erwünscht und schädlich“ (Quelle auf Hebräisch).

Hasbara bedeutet wörtlich übersetzt  Erklärung/Aufklärung, de facto ist es  die israelische Auslandspropaganda (BIP-Aktuell #174).

Rayten bezieht sich in ihrem Tweet auf die politischen Spannungen innerhalb der israelischen Rechtsaußen-Koalition, insbesondere auf den Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir (siehe BIP-Aktuell #236), der Kabinettssitzungen boykottierte, um dagegen zu protestieren, dass Netanjahu nicht genug Gewalt gegen Palästinenser einsetzte. Ohne Ben-Gvir und seine Partei „Jüdische Macht“ würde Netanjahus Koalition ihre Mehrheit verlieren. Nach der Bombardierung kehrte Ben-Gvir zu den Kabinettssitzungen zurück und erklärte gegenüber der Presse, er sei stolz darauf, dass sein Protest eine wichtige Rolle für die Bombardierung des Gazastreifens gespielt habe.

Netanjahu hat mit dieser Operation einen doppelten Sieg errungen. Er hat nicht nur Ben-Gvirs Loyalität zurückgekauft, sondern auch die Protestbewegung gegen ihn geschwächt (siehe BIP-Aktuell #245). Während der Operation, als in Israel die Alarmglocken schrillten, trauten sich die Demonstranten aus Angst vor einem Raketenangriff nicht mehr auf offene Plätze und sagten die Demonstrationen ab, aber auch nach dem Waffenstillstand hat der Angriff die Demonstranten wie immer gespalten. Diejenigen, die argumentieren, dass die Bombardierung des Gazastreifens ein krimineller Akt war, der durch zynische persönliche Interessen Netanjahus motiviert war, werden als unpatriotisch diffamiert, und diejenigen, die die Bombardierung rechtfertigen, finden sich selbst als Lobredner der Regierung wieder, die sie eigentlich kritisieren sollten.

Es ist besonders interessant zu sehen, dass die Kampfpiloten, die zu symbolischen Anführern der Proteste geworden sind und die angekündigt haben, dass sie ihr Training so lange verweigern werden, bis die Regierung ihre Pläne für die sogenannte Justizreform aufgibt oder bis die Regierung stürzt, ihre Glaubwürdigkeit verloren haben.  Die Piloten hatten angekündigt, nicht am Training teilzunehmen.  Aber Netanjahu wusste, dass sie sich nicht dazu durchringen würden, den nächsten Schritt zu tun und sich zu weigern, an Kampfeinsätzen teilzunehmen. Er nutzte dies aus, um sie zur Bombardierung des Gazastreifens aufzufordern und machte sie damit mitschuldig an Kriegsverbrechen wie der Tötung wehrloser Zivilisten und der Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt. Für die Piloten ist es nun schwierig, zu den Protesten zurückzukehren. Wie können sie jetzt Netanjahu noch kritisieren?

Es ist daher klar, warum Netanjahu die Operation „Schild und Pfeil“ als „perfekte“ Operation bezeichnete, eine Bemerkung, die selbst bei rechten Israelis Unbehagen ausgelöst hat, weil auch eine Jüdin getötet wurde. Es ist auch wichtig, an den Anlass Netanjahus Bemerkung, über den Internationalen Strafgerichtshof zu erinnern. Da die israelische Regierung sich weigert, die Piloten für die Tötung von Zivilisten zur Rechenschaft zu ziehen, geht die Verantwortung auf die politische Führung über, die den Angriff genehmigt hat. Die Erklärung Netanjahus bestätigt, dass er die Verantwortung für jeden Aspekt des Angriffs übernimmt.

Auch die palästinensischen Strategien in Bezug auf den Raketenangriff sind erwähnenswert. Der PIJ hat Raketen auf Israel abgefeuert, um gegen den Tod von Khader Adnan nach einem 66-tägigen Hungerstreik zu protestieren. Adnan, der vor vielen Jahren ein Sprecher des PIJ war, wurde zu einem Symbol für die Standhaftigkeit der Palästinenser angesichts der willkürlichen und grausamen israelischen Politik gegenüber palästinensischen Gefangenen, insbesondere der Administrativhaft (siehe BIP-Aktuell #226). Der PIJ ist eine der kleineren und schwächeren bewaffneten palästinensischen Gruppierungen, die sich der israelischen Offensive allein entgegenstellte. Obwohl der PIJ nur über wenig effektive Raketen und keine Luftabwehr verfügt, kämpfte er hart genug, um den Alltag der Israelis, insbesondere in der Nähe des Gazastreifens, ernsthaft zu stören.




Bilder von den israelischen Bombenangriffen auf Gaza. Quelle: Twitter.

Die stärkste Fraktion im Gazastreifen, die Hamas (siehe BIP-Aktuell #173), beschloss jedoch, sich nicht an den Kämpfen zu beteiligen. Obwohl die Hamas behauptet, für den Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza vor israelischen Angriffen verantwortlich zu sein, mischten sich Hamas-Kämpfer nicht ein, obwohl über 30 Palästinenser in Gaza getötet wurden. Stattdessen organisierte die Hamas-Führung einen Kommandozentrale, um die verschiedenen bewaffneten Gruppen zu koordinieren und sicherzustellen, dass ein Waffenstillstand von palästinensischer Seite eingehalten wird (Quelle auf Hebräisch). Diese Strategie der Hamas deutet darauf hin, dass die Organisation langfristig plant, dass sie ihre Stärke allmählich ausbaut und gleichzeitig darauf achtet, ihre Führungsposition unter den bewaffneten Gruppen zu wahren, und bereit ist, Zurückhaltung zu üben, auch wenn die israelische Seite dies nicht tut.

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Eine neue Folge des BIP-Gesprächs ist da. Diese Woche sprechen wir mit Dr. med. Damaris Köhler, Mitglied des BIP. Dies ist die 50. und letzte Folge des BIP-Gesprächs.
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75 Jahre Israel – 75 Jahre Vertreibung der Palästinenser und Palästinenserinnen

Israel feiert im Jahr 2023 den 75. Jahrestag seiner Gründung am 14. Mai 1948. Palästinenser und Palästinenserinnen in den von Israel kontrollierten Gebieten und in der weltweiten Diaspora gedenken in diesem Zusammenhang ihrer damit verbundenen Vertreibung und Enteignung, der Nakba (wörtlich: „Katastrophe“).
Laut dem jüdisch-israelischen Historiker Ilan Pappe wurden bei der Besetzung der Ortschaften und den ethnischen Säuberungen Hagana-, Palmach- und Irgun-Truppen eingesetzt.

Im Mai 1948
wurde die systematische Umsetzung von Plan D (s. BIP-Aktuell 252 und 256) fortgesetzt.
Zwischen Hagana und Irgun gab es offensichtlich eine „Arbeitsteilung“: Die Hagana rückte planmäßig von Ort zu Ort vor, während Irgun sporadische Aktionen gegen Dörfer unternahm, die nicht im Plan verzeichnet waren (Ilan Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas, S. 147). Während der Belagerung der Stadt Akko (Acre) Anfang Mai wurde das Trinkwasser offenbar mit Typhuserregern infiziert. „Die Rote-Kreuz-Berichte schildern eine plötzliche Typhusepidemie und deuten selbst in ihren vorsichtigen Formulierungen eine Vergiftung von außen als einzige Erklärung für diesen Ausbruch an.“ Das Rote Kreuz verdächtigt die Hagana, zumal diese die Bevölkerung während der Typhusepidemie aufforderte: „Ergebt euch oder begeht Selbstmord. Wir werden euch bis zum letzten Mann vernichten.“ (Pappe, a.a.O., S. 143; s.a. den Bericht „Israel`s secret poisonings in 1948“: https://www.haaretz.com/israel-news/2022-10-06/ty-article/.highlight/1997-poisoning-of-hamas-leader-wasnt-start-of-israels-bio-warfare/00000183-ada3-de7e-a7cf-fdffc2f90000?dicbo=v2-5rxdkhl&utm_source=traffic.outbrain.com&utm_medium=referrer&utm_campaign=outbrain_organic)

Im Mai 1948

  • wurden 138 palästinensische Orte vollständig und 17 teilweise zerstört, davon mehr als die Hälfte vor Beginn des Angriffs der arabischen Staaten am 15. Mai.
  • wurde aus diesen Orten die gesamte Bevölkerung (ca. 114.000 Palästinenser und Palästinenserinnen, davon rd. 63.000 bereits vor Kriegsbeginn) vertrieben oder musste fliehen. Aus Orten mit insg. rd. 53.000 palästinensischen Einwohnern wurde ein Teil der Einwohner vertrieben oder musste fliehen, davon mehr als die Hälfe vor Kriegsbeginn.
  • wurden in 28 Orten Massaker oder Grausamkeiten („atrocities“) an den palästinensischen Einwohnern verübt (davon in 19 Orten bereits vor Kriegsbeginn).
  • wurden zwischen 650 und 740 Palästinenser und Palästinenserinnen getötet (darunter auch Frauen und Kinder), davon mehr als die Hälfe vor Kriegsbeginn. Für 20 Orte liegen keine Zahlen der Getöteten vor – der „Atlas of Palestine“ verzeichnet willkürliche Tötungen („indiscriminate killings“).

Beispiele für das Vorgehen der Hagana: Der „Atlas of Palestine“ berichtet, dass laut Augenzeugenberichten nach der Eroberung des Ortes Kfar Saba in der Nähe von Qalqilya durch die Hagana am 14. Mai 1948 zwischen 11 und 20 Menschen getötet wurden und nach der Kapitulation des Ortes ein junger Mann, der versuchte, seinem alten Vater zur Flucht aus dem Ort zu helfen, erschossen wurde.
In Vorbereitung der Operation Barak („Blitz“) besetzte die Hagana mehrere Orte im Unterbezirk Ramla und vertrieb deren Bewohner. Die Operation Barak wurde am 9. Mai eingeleitet, um den Weg nach Süden und in den Negev freizumachen, so viele Dörfer wie möglich zu erobern, ihre Bewohner durch „Schüren einer allgemeinen Panik“ zu vertreiben und die eingenommenen Stellungen zu konsolidieren, bevor man sich den ägyptischen Streitkräften entgegenstellen wollte. (https://www.icahd.de/die-nakba-chronologie-der-ereignisse-teil-2/)

Die Vertreibung  und Tötung von Palästinenserinnen und Palästinensern sowie die Zerstörung der palästinensischen Orte hatte bereits unmittelbar nach dem Teilungsbeschluss der UNO am 29. November 1947 begonnen. Diese Maßnahmen hatten nichts mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun  die arabischen Staaten erklärten Israel erst am 15. Mai 1948 den Krieg. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits ca. 225 palästinensische Orte vollständig und ca. 100 teilweise oder überwiegend zerstört und alle oder ein Teil ihrer Bewohner vertrieben oder zur Flucht gezwungen worden (insg. mind. 350.000).

Die UN-Vollversammlung hatte im Herbst beschlossen, am 15. Mai in einer  Feier  der Nakba  vor 75 Jahren zu gedenken. Deutschland  gehörte zu den 30 Staaten, die  gegen eine solche  Gedenkveranstaltung  stimmten. Hier ist der Link zur Gedenkfeier:
https://media.un.org/en/asset/k16/k16g1mbi4q

In den nächsten Monaten werden wir in BIP Aktuell weiterhin an die wichtigsten Ereignisse der Nakba erinnern.

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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