Israel erklärt die UN zum Feind
BIP-Aktuell #324:
- Israel verbietet UNRWA
- Erfreulich
- Eine palästinensische Familie geht Oliven pflücken. Es endet mit einer Hinrichtung durch israelische Soldaten
Die Knesset hat UNRWA, die wichtigste Hilfsorganisation für die Palästinenser, verboten. Das Verbot hat katastrophale Folgen für die Palästinenser, die in Bezug auf Lebensmittel, Schulen und Medikamente auf die UNRWA angewiesen sind. Es wird auch erhebliche politische Konsequenzen für Israel und die USA haben.
Am Montag, den 28. Oktober, verabschiedete das israelische Parlament, die Knesset, ein Gesetz zum Verbot des UN-Hilfswerks (UNRWA) und zur Aufhebung des Abkommens, das die Tätigkeit des UNRWA ermöglichte. Die Abstimmung wurde mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen: 92 von 120 Knessetmitgliedern stimmten dafür. Sie stellten klar, dass sie UNRWA als Terrororganisation und als „Feind“ des Staates Israel betrachten (Quelle auf Hebräisch).
Das Logo von UNRWA.
Das Abkommen, das UNRWA die Tätigkeit in Israel ermöglicht, wurde 1967 unterzeichnet, nachdem Israel die restlichen Teile Palästinas, in denen seit 1948 UNRWA-Flüchtlingslager betrieben wurden, besetzt hatte. Israel gestattete UNRWA, weiterhin Dienstleistungen für die palästinensischen Flüchtlinge zu erbringen, da dies seinen eigenen Interessen entsprach und die israelischen Behörden von der Notwendigkeit befreite, für Schulen, Gesundheitsdienste, Lebensmittel und Wasser aufzukommen. Diese Vereinbarung wurde mit dem neuen Gesetz aufgehoben.
UNRWA ist die wichtigste und größte Hilfsorganisation für Palästinenser unter israelischer Besatzung (siehe BIP-Aktuell #291). Israels laufende Kampagne gegen UNRWA ist Teil eines Feldzuges zur Aushungerung der palästinensischen Bevölkerung (siehe BIP-Aktuell #311). Es gibt keine andere Organisation als UNRWA, die die Palästinenser im Gazastreifen mit dringend benötigten Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Schulen versorgen kann. Das hat zur Folge, dass das Leben von rund zwei Millionen Menschen im Gazastreifen aufgrund der israelischen Maßnahmen unmittelbar gefährdet ist. UNRWA ist auch im Westjordanland tätig, das ebenfalls völkerrechtswidrig von Israel besetzt ist und in dem mehr als eine Million Menschen auf die Dienste von UNRWA angewiesen sind, um zu überleben. UNRWA unterhält Flüchtlingslager für Palästinenser auch in anderen Ländern, insbesondere im Libanon, die ebenfalls gefährdet sein könnten, nachdem Israel die Organisation zu einer feindlichen Organisation erklärt hat. Die Stadtverwaltung von Jerusalem hat bereits Pläne für den Bau eines neuen Viertels auf dem Gelände des UNRWA-Geländes im besetzten Ostjerusalem ausgearbeitet.
UNRWA wurde 1949 als UN-Organisation gegründet, um palästinensischen Flüchtlingen so lange zu helfen, bis sie in ihre Häuser zurückkehren können, aus denen sie im 1948 im Zuge der Nakba vertrieben wurden. Indem Israel UNRWA zu einer Terrororganisation erklärt hat, hat es die UN mittelbar selbst zu einer Terrororganisation und ihrem Feind erklärt.
Der israelische General a.D. Giora Eiland, Autor des „Plans der Generäle“ (siehe BIP-Aktuell #323) schrieb in Haaretz, dass es nicht illegal sei, einen Feind zu belagern; Israel müsse sich daher keine Sorgen machen, die Menschen im Gazastreifen auszuhungern. Diese Aussage steht im Widerspruch zum Völkerrecht. Haaretz hat den Artikel von General Eiland veröffentlicht, ohne ihm zu widersprechen (Quelle auf Hebräisch). Tatsächlich schreibt das humanitäre Völkerrecht vor, dass der Besatzer dafür verantwortlich ist, für die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung unter Besatzung zu sorgen (IV. Genfer Abkommen von 1949).
Die USA haben Israel Mitte Oktober gewarnt, dass Israel für einen Zeitraum von 30 Tagen (bis zu den Wahlen in den USA) die Lieferung von Hilfsgütern an die Menschen im Gazastreifen, insbesondere im Norden des Gazastreifens, zulassen muss und mit der Einstellung der Waffenlieferungen gedroht, wenn die Hilfe eingestellt wird. Die UNO berichtet, dass die Hilfe, die die Bevölkerung von Gaza im Oktober erreichte, die niedrigste im ganzen Jahr 2024 war. Das Verbot von UNRWA ist eine klare Missachtung des US-Ultimatums, und dennoch gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Regierung Biden ihre Drohung wahr machen wird. Das ist eine Blamage für die Biden-Administration, die sich mittelbar am Aushungern von Menschen mitschuldig macht.
Das Knessetmitglied Boaz Bismut von der Likud-Partei hat das Verbot der UNRWA initiiert. Nach der Verabschiedung des Gesetzes sagte er: „Die UNRWA ist dasselbe wie die Hamas, Punkt.“ Quelle: 2023, Wikipedia.
Ein von der Knesset verabschiedetes Gesetz ist der offizielle Standpunkt des Staates Israel, trotz der politischen und rechtlichen Umwälzungen der letzten zwei Jahre. Die Knesset ist das oberste souveräne Organ und kann den Premierminister und die Richter des Obersten Gerichtshofs wählen oder absetzen. Daher ist ein von der Knesset verabschiedetes Gesetz die offizielle israelische Politik. Die Beziehungen Israels zu den Vereinten Nationen haben einen Tiefpunkt erreicht (siehe BIP-Aktuell #322). Das Präsidium des UN-Menschenrechtsausschusses erklärte, dass das Verbot von UNRWA ein völkerrechtswidriger Akt ist, so wie die Besatzung selbst illegal ist. Das israelische Gesetz, das eine wichtige UN-Organisation kriminalisiert, könnte zu weiteren Forderungen nach einem Ausschluss Israels aus der UNO führen. Israel hat die Vereinten Nationen nun offiziell über die Umsetzung des beschlossenen Arbeitsverbots für das Palästinenserhilfswerk UNRWA informiert.
Am 30. Oktober veröffentlichte BIP die folgende Presseerklärung zum Verbot von UNRWA:
Bad Honnef, 30.10. 2024
Presseerklärung
Israel verbietet UNRWA
Der mit großer Mehrheit gefasste Beschluss des israelischen Parlaments verbietet dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) zum Jahresende jede Tätigkeit in Israel und in den von Israel besetzten Gebieten. UNRWA hilft besonders im Gazastreifen, wo die Menschen Mangel an Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten leiden, aber auch den Palästinensern im besetzten Westjordanland.
Mit seinem Knesset-Beschluss hindert Israel die internationale Gemeinschaft, den verzweifelten Menschen im Gazastreifen zu helfen. Das ist barbarisch und verstößt gegen das Völkerrecht. Seit 75 Jahren bietet das UN-Flüchtlingswerk für die Palästinenser Schulbildung, Gesundheitsversorgung und Lebensmittelhilfe. Eine andere Organisation kann diese Aufgaben nicht übernehmen, da nur UNRWA die Infrastruktur und die Erfahrung hat, um die notwendigen Hilfen zu leisten – es gibt keine Alternativen.
Das Verbot der UNRWA wird das Todesurteil für die Bevölkerung im Gazastreifen sein. Dass die USA und die EU nur sehr zurückhaltend Bedenken äußern, ist ein Skandal und widerspricht allen ihren selbst postulierten Werten. Ohne ein sofortiges und nachhaltiges Einschreiten gegen diese wiederholte Missachtung des Völkerrechts machen sich die USA und die EU mittelbar schuldig an einem Völkermord.
Wenn der Beschluss der Knesset nicht aufgehoben wird, ist Israel völkerrechtlich verpflichtet, die Aufgaben der UNRWA zu übernehmen. Davon darf die internationale Gemeinschaft Israel nicht entbinden.
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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter platzieren wir in Zukunft an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!
In den Medien:
ARTE TV hat diesen eindrucksvollen Film gesendet „Dialog in Nahost“: https://www.arte.tv/de/videos/115489-003-A/re-dialog-in-nahost/?utm_source=android&utm_medium=share&utm_campaign=115489-003-A
Meron Mendel schreibt am Schluss seines Essays im SPIEGEL Nr. 44 auf den Seiten 76/77 unter dem Titel „Der stille Bürgerkrieg“: „Notwendig wären effektive politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen die Fortsetzung des Siedlungsprojekts im Westjordanland. So könnten Einreiseverbote für Siedler nach Deutschland und Verkaufsverbote von Produkten aus Siedlungen ein wichtiges Signal senden: Deutschland steht nicht an der Seite der Extremisten, sondern an der Seite des liberalen und demokratischen Israel.“
Anmerkung: Meron Mendels Aussagen zu Theodor Herzl entsprechen zwar nicht den Tatsachen, aber seinen Schlussfolgerungen kann man nur zustimmen, zumal er wiederholt betont: „Das Ende der Besatzung ist der Schlüssel zum Frieden.“
Kommentar im DLF am 26.10. 2024:
Martin Durm prangert an: Deutschland liefert Waffen an Israel für den Krieg im Libanon und gleichzeitig stellt es 96 Mill. Euro für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau bereit. Themen der Woche (26.10. 2024, ab 14. Minute) https://www.deutschlandfunk.de/themen-der-woche-26-10-24-ampel-streit-oerr-reform-brics-libanon-dlf-ecbf8dfc-100.html
“Keine Propaganda der Welt kann diese Wunde verbergen, die Palästina ist.“ Am 10. Oktober wurde der PEN-Pinter-Preis 2024 in London an die indische Schriftstellerin und politischen Aktivistin Arundhati Roy verliehen. Wir übernehmen den Text der Rede vom Online Medium „The Wire (India)„, Zu lesen ist er auf www.palaestina.ch/aufgefallen. Lesenswert sind Ihre Aussagen zu den Ursachen des derzeitigen Gazakrieges. |
Mitglieder der Progressiven Internationale starten Nothilfeeinsatz in Palästina: „Gestern traf eine internationale Nothilfedelegation in Palästina ein, um Israels systematische Verletzung des Völkerrechts zu untersuchen, sowie die ausgedehnten Strukturen der erzwungenen Vertreibungen, der Folter von Gefangenen und der politischen motivierten Inhaftierung von palästinensischen Zivilisten, Aktivisten und auch Kindern im Alter von 12 Jahren.
Die Delegation, die von der Progressiven Internationale, der National Lawyers Guild der Vereinigten Staaten und der International Association of Democratic Lawyers koordiniert wird, setzt sich aus Rechtsexperten, Menschenrechtsverteidigern und Parlamentsangehörigen aus der ganzen Welt zusammen.“ https://www.pressenza.com/de/2024/10/mitglieder-der-progressiven-internationale-starten-nothilfeinsatz-in-palaestina/
´UNRWA muss überleben´ – Norwegen ersucht den IGH um ein Gutachten zu Israels Verpflichtungen
Norwegen erklärte, dass „Israel nach internationalem Recht verpflichtet ist, die palästinensische Bevölkerung unter Besatzung zu unterstützen“.
Norwegen kündigte am Dienstag seine Absicht an, eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen einzubringen, in der der Internationale Gerichtshof (IGH) um ein Gutachten zu Israels Verpflichtungen als Besatzungsmacht gebeten wird, das Völkerrecht einzuhalten und humanitäre Hilfe in den belagerten Gazastreifen zuzulassen, heißt es in einer Erklärung der norwegischen Regierung.
„Nach internationalem Recht ist Israel verpflichtet, die palästinensische Bevölkerung unter Besatzung zu unterstützen“, heißt es in der Erklärung.
https://www.palestinechronicle.com/unrwa-must-survive-norway-requests-advisory-opinion-from-icj-on-israels-obligations/
Einen in seiner Deutlichkeit ungewöhnlichen Beitrag veröffentlichte die FAZ am 1.11.: „Es ist an der Zeit, dass sich Deutschland an die Seite der Menschlichkeit und des Völkerrechts stellt – und das Leid der Palästinenser nicht weiter übergeht.“ Ein Gastbeitrag von Dr. Dalal Saeb Iriqat: „Historische Verantwortung gegenüber Israel sollte nicht bedeuten, dass die legitimen, menschlichen, unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes ignoriert werden. Die Palästinenser haben das Gefühl, dass der öffentliche Diskurs in Deutschland, vor allem mit Blick auf den Krieg gegen Gaza, die Sicherheitsbedenken Israels stark berücksichtigt, die humanitäre Krise der Palästinenser aber weitgehend übersieht. Obwohl die Palästinenser die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel verstehen, wächst die Frustration darüber, dass dieses Schuldgefühl benutzt wird, um eine ungerechtfertigte und unausgewogene Unterstützung des israelischen Vorgehens zu rechtfertigen, selbst wenn es sich um Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte handelt. Damit steht Deutschland in direktem Widerspruch zum Völkerrecht und seinen eigenen ethischen und rechtlichen Verpflichtungen als Mitglied der Weltgemeinschaft.“
https://zeitung.faz.net/faz/politik/2024-11-01/deutschland-braucht-eine-neue-nahostpolitik/1092316.html
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Eine palästinensische Familie geht Oliven pflücken. Es endet mit einer Hinrichtung durch israelische Soldaten
Gideon Levy berichtet – zusammen mit B´Tselem-Fieldworker Abdulkarim Sadi aus Attil bei Tulkarem, einem langjährigen Betreuer der EAPPI-Freiwilligen im Norden der Westbank:
„Gegen 10:30 Uhr tauchte der Militär-Pick-up wieder auf, vier Soldaten stiegen aus, einer kniete nieder und begann zu schießen. Ein Zeuge sagt, dass sogar die Bäume von den Schüssen zitterten.
Hanan Abu Salameh, 59, war mit ihrer Familie in ihrem eigenen Olivenhain in der Nähe des Dorfes Faqqua im Westjordanland in der Nähe von Jenin beim Olivenpflücken, als ein israelischer Militärlastwagen anhielt und ein Soldat das Feuer eröffnete, berichtet ihr Sohn Fares, 40. Sein Vater winkte dem Mann, er solle aufhören zu schießen, aber er schoss weiter. Auf der Flucht rannte die Familie zu ihrem Traktor. Hanan fiel auf den Rücken. Als Fares und Hossam sich beeilten, sie aufzuheben, sahen sie eine Wunde in ihrer Brust. Sie brachten sie schnell ins Krankenhaus, aber es war zu spät. So berichtet die Familie, wie ihr erster Erntetag letzte Woche endete. Obwohl die Besatzungsbehörden den Bauern von Faqqua ausdrücklich erlaubt hatten, Oliven zu pflücken, endete diese Ernte in einem Blutbad, bei dem eine Mutter von sieben Kindern und Großmutter von 14 Enkeln getötet wurde. Hanans Mörder ist immer noch auf freiem Fuß und wird möglicherweise nicht einmal für ihren Tod zur Rechenschaft gezogen.
Faqqua ist ein abgelegenes, friedliches Dorf im äußersten Norden des Westjordanlands. Die Aussicht hier ist wunderschön: eine fruchtbare Region mit traditioneller Landwirtschaft und kleinen Dörfern, Olivenhainen und Gemüsegärten, einem Luna Park und einem Hotel; keine Siedler und nur sehr wenige Soldaten. So könnte das Westjordanland aussehen, wenn man es seinen Eigentümern überlassen würde. Die Trennmauer wurde hier auf gestohlenem Land errichtet, während auf der anderen Seite Häuser des Kibbuz Ma’ale Gilboa entstanden.
Der Beginn der langen Fahrt zum Dorf verheißt nichts Gutes. Die Straße ist neben der Siedlung Shavei Shomron blockiert. Die Siedler feierten Sukkot und die Palästinenser saßen stundenlang in riesigen, nervtötenden Staus auf unbefestigten Straßen und in Dörfern fest.
Mehrmals in der Woche kommt das Militär hierher, ´nur um uns an die Besatzung zu erinnern` sagt ein Bewohner.
Fares Abu Salameh begrüßt uns in dem sorgfältig gepflegten Steinhof der Familie neben dem Haus am Rande des Dorfes. Früher war er Bauarbeiter in Israel, heute arbeitet Fares für die Präsidentengarde von Mahmud Abbas in Ramallah und verbringt jede zweite Woche in seinem Dorf. Sein Vater Hossam, ein 66-jähriger Bauer, war mit einem BBC-Team an dem Ort, an dem seine Frau ermordet wurde, um den Vorfall zu rekonstruieren. Im Vereinigten Königreich scheint diese Geschichte mehr Aufmerksamkeit zu erregen als im neuen Königreich Israel. Hanans sechs Töchter sitzen mit ihrer 82-jährigen Großmutter im Hof. Alle haben die Universität besucht, fünf der sechs sind verheiratet.
Laut einer Untersuchung des B’Tselem-Fieldworkers Abdulkarim Sadi schossen die Soldaten weiter, nachdem Hanan getroffen wurde.
Am 15. Oktober erfuhren die Dorfbewohner mit Freude, dass die Palästinensische Verbindungsbehörde nach dem Verbot im letzten Jahr die Erlaubnis erteilt hatte, Oliven bis zu 100 Meter von der Trennmauer entfernt zu ernten. Die meisten Dorfbewohner begaben sich gleich am nächsten Tag zu ihren Hainen. Hossam beschloss, sich Zeit zu lassen und zu prüfen, ob dies tatsächlich möglich war.
Am 17. Oktober gegen 7 Uhr morgens machten sich Hanan und Hossam mit ihrem Traktor auf den Weg zu ihrem Olivenhain, der 200 Meter von der Trennmauer entfernt liegt. Sie waren guter Dinge. Die Olivenernte ist für sie fast wie ein Nationalfeiertag. Sie ist auch eine der letzten Einnahmequellen im Westjordanland. Auf ihrem Grundstück angekommen, machte sich das ältere Ehepaar an die Arbeit. Sie breiteten Decken unter den Bäumen aus und lehnten Leitern an die Bäume. Ihr Sohn gesellte sich wenig später zu ihnen.
Gegen 8:10 Uhr sahen sie ein weißes Sicherheitsfahrzeug, das von der anderen Seite des Zauns kam und anhielt. Einer der Soldaten kam heraus und gab einen Warnschuss ab, um sie vom Zaun fernzuhalten. Sie standen etwa 100 Meter von der Absperrung entfernt, was erlaubt war, aber um auf der sicheren Seite zu sein, zog es Hossam vor, sich auf 250 Meter zurückzuziehen.
Ein Verwandter von ihnen, Mustapha, 62, arbeitete in der Nähe. Er erzählte uns diese Woche, dass Soldaten Tränengas auf ihn und seine Familie abfeuerten und ihnen befahlen, sich während der Ernte vom Zaun fernzuhalten. Also zog er sich zurück. Etwa 350 Dunam (350.000 Quadratmeter) des Dorflandes wurden enteignet, um den Trennungszaun zu errichten. Jetzt sind noch mehr Olivenhaine unerreichbar, da es den Dorfbewohnern verboten ist, sich der Barriere zu nähern.
Gegen 10:30 Uhr tauchte plötzlich der Militär-Pick-up wieder auf, vier Soldaten stiegen aus, einer kniete nieder und begann zu schießen, erzählt Fares. Die Bäume, sagt er, zitterten von den Schüssen.
Voller Angst rannte Hanan auf den Traktor zu, ihr Sohn und ihr Ehemann folgten ihr. Als eine Kugel sie in die Brust traf, fiel sie neben den Traktor und blutete aus dem Rücken. Die Familie trug sie schnell zum Auto des Sohnes, um sie unmittelbar behandeln zu können. Am Eingang des Nachbardorfes brachte sie ein palästinensischer Krankenwagen zum Ibn Sina Hospital in Jenin. Auf dem Weg zeigte Hanan noch Lebenszeichen. Sie schrie einmal „Ich wurde angeschossen“ und verstummte dann. Im Krankenhaus wurde sie für tot erklärt.
Laut einer Untersuchung des B’Tselem-Mitarbeiters Abdulkarim Sadi schossen die Soldaten weiter, nachdem Hanan getroffen worden war. Sadi betont, dass die Soldaten weder mit Steinen beworfen wurden, noch dass es andere Aktivitäten gegen die Besatzung gab. Nur eine Familie, die Oliven erntete. Die Soldaten verließen dann den Schauplatz.
´Wir sind nicht in israelisches Gebiet eingedrungen`, sagt Abdallah Barakat, ein 70-jähriger Dorfbewohner und Hebräischdozent an der Open Al-Quds-University. ´Was wollt ihr von uns? Ihr wollt, dass wir unser ganzes Land verlassen. Letztes Jahr durften wir keine Oliven ernten. Und dieses Jahr dürfen wir es auch nicht. Was sollen wir tun? Vielleicht kommt jemand von der anderen Seite und hilft uns? Vielleicht kommen israelische Friedensaktivisten in unser Dorf und bleiben bei uns, bis wir mit der Ernte fertig sind?`, fragt er in seinem akzentfreien Hebräisch.
Wir haben diese Woche den IDF-Sprecher gefragt, ob der Soldat, der Hanan Abu Salameh erschossen hat, zum Verhör festgenommen wurde. Der Sprecher sagte gegenüber Haaretz: ´Wie jedes Jahr, so auch während des Krieges, haben sich das israelische Zentralkommando und die Zivilverwaltung schon seit einiger Zeit auf die Olivenernte im Sektor Judäa und Samaria vorbereitet, wobei sie sich sowohl für die Aufrechterhaltung der Sicherheit als auch für den Schutz der Bewohner einsetzen und gleichzeitig den Bewohnern der Region ihre Ernte ermöglichen. Die Olivenernte wurde mit allen relevanten Elementen geplant und koordiniert. Die IDF-Truppen schützen die Ernte in koordinierten Gebieten. Nach dem Vorfall und im Lichte der Anweisungen des Militäranwalts wurde von der Kriminalpolizei des Militärs eine Untersuchung eingeleitet. Nach deren Abschluss werden die Ergebnisse dem Militäranwalt übergeben. Das Führungspersonal der Truppe wurde während des Vorfalls bis zum Abschluss der Ermittlungen suspendiert.`
Bevor wir gehen, lädt uns Fares ein, ihm in den Hinterhof zu folgen. Dort, neben dem Ziegenstall, wachsen die Beete, die seine Mutter für die Familie angelegt hat, grün: eines für Kartoffeln, eines für Za’atar. Anschließend fahren wir zum Ort des Vorfalls. Der Vater, Hossam, steht immer noch zwischen den Olivenbäumen, ein starker Bauer, der mit ansehen musste, wie seine Frau erschossen wurde, obwohl sie nichts Falsches getan hatte. Er hat keine Träne vergossen. Er stand einfach nur schweigend da.“
https://www.haaretz.com/israel-news/2024-10-30/ty-article-magazine/.premium/a-palestinian-family-goes-to-pick-olives-it-ends-in-an-execution-by-israeli-soldiers/00000192-dd82-d21c-afba-ffa65f1f0000?utm_source=mailchimp&utm_medium=Content&utm_campaign=haaretz-today&utm_content=72fea2c3e6
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.