Lieberman spricht von „Krieg in Gaza“ – doch in Israel gibt es auch andere Reaktionen
Dass Verteidigungsminister Lieberman erklärt, „Israel befinde sich mit Gaza im Krieg“, überrascht nicht. Übrigens fiel seine Äußerung vor dem Obersten Gerichtshof, von dem der Minister und die israelische Regierung verpflichtet (!) werden mussten, einem jungen Palästinenser zur Rettung seines verbliebenen Beins die Ausreise aus Gaza nach Ramallah zu gestatten. Diesem hatten israelische Soldaten bei der Freitagdemonstration in Gaza am Zaun in die Beine geschossen; ein Bein musste mangels Behandlungsmöglichkeit in Gaza bereits amputiert werden.
Man sollte meinen, dass die Bevölkerung von Sderoth, einer Stadt in unmittelbarer Nähe des Gazastreifens, die Aktionen der israelischen Armee einmütig unterstützt. Aber bereits am 11. April wurde hier bei einer Demonstration die israelische Regierung aufgerufen, die Blockade des Gazastreifens aufzuheben und das Schießen auf unbewaffnete Demonstranten einzustellen. Kritisiert wurden außerdem die Korrumpierung der moralischen Grundwerte der Gesellschaft und die Glorifizierung des Scharfschützengewehrs. „Unter dieser Regierung ist es nicht die palästinensische Gesellschaft, die die menschlichen Grundwerte verliert – es ist die israelische Gesellschaft.“
Mit einer ganz ähnlichen Begründung hat nun Oscarpreisträgerin Natalie Portman ihre Teilnahme an der israelischen „Genesis“-Preisverleihung an sie abgesagt: „Die Misshandlung derer, die durch die heutigen Grausamkeiten leiden, ist schlicht nicht in Übereinstimmung mit meinen jüdischen Werten. Weil ich mich um Israel sorge, muss ich gegen Gewalt … einstehen.“
Der bekannte Schriftsteller David Grossman stellt auf einem Treffen jüdischer und palästinensischer Eltern, deren Kinder Opfer des Konflikts wurden, die Tötung palästinensischer Demonstranten durch israelische Scharfschützen in den Zusammenhang der einundfünfzigjährigen Besatzung des palästinensischen Volkes: „Israel versetzt uns in Schmerz. Weil es nicht das Zuhause ist, das wir uns wünschen. (…) Solange die Palästinenser kein Zuhause haben, werden auch die Israelis keines haben. Umgekehrt ist es genauso wahr: Wenn Israel kein Zuhause wird, wird es auch Palästina nicht.“ Seine Redewurde in der FAZ veröffentlicht.
Und ein drittes Beispiel für das „andere Israel“: Eine Gruppe ehemaliger Scharfschützen der israelischen Armee drückt ihre Scham und Trauerdarüber aus, dass die israelischen Soldaten den Befehl erhalten haben, mit scharfer Munition auf unbewaffnete Demonstranten im Gazastreifen zu schießen. Dies sei ein weiteres Zeichen der Militärherrschaft über Millionen Palästinenser, der kaltschnäuzigen politischen Führung und der Verletzung moralischer Grundsätze.
P.S.: Alle Medien berichten breit über den Grobian, der den Mann mit der Kippa in Berlin verprügeln wollte. Ein differenzierender Beitrag von Rolf Verleger dazu hier im Rubikon.
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